„Ohne Wachstum ist alles nichts.“

Liebe Freunde der Weisheit,
die meisten von Euch werden das obige Zitat eher in der „Liebes-Version“ kennen, als in der von unserer Bundeskanzlerin. Es ist immer wieder erstaunlich, wie entlarvend Äußerungen oft sein können, denn in der Tat hat unsere Wirtschaft und unser Wachstum inzwischen einen emotional gefestigten Grad von Wahrheit erreicht, den man nicht anders als religiös bezeichnen kann. Die durchschlagende Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse macht an keiner Stelle Halt, auch die Liebe ist zwischenzeitlich nur noch durch Aufwand-Nutzen-Relationen bestimmt. Insofern ist es absolut folgerichtig, das Wort „Liebe“ durch das Wort „Wachstum“ zu ersetzen, denn unsere eigentlich Liebe gilt nurmehr dem Wachstum um jeden Preis. Deshalb könnte das Zitat der Bundeskanzlerin auch heißen: „Wachstum ist nicht alles, aber ohne Wachstum ist alles nichts.“

In unserer Gesellschaft gibt es – zumindest was die Parteien betrifft, die auf Bundes- und Länderebene vertreten sind – kaum jemand in diesen Parteien, der es inzwischen noch wagen würde, die grundsätzliche Leitidee unserer Gesellschaft in Frage zu stellen und was noch schlimmer ist, der nicht mal auf die Idee kommt, man könne dieses Ideologem mal hinterfragen. Es ist diese Idee des Wirtschaftswachstums, die auf eine Wirtschaftsphase des “Kapitalismus” zurück, in der sich niemand so recht vorstellen konnte, daß auf diesem riesigen Planeten die Ressourcen trotzdem endlich sind und irgendwann mal zuende seien könnten. „Ohne Wachstum ist alles nichts.“ weiterlesen

Scotney Castle und die Romantik

Große kunstgeschichtliche Veränderungen gehen meist massiven gesellschaftlichen Veränderungen voraus, weil Künstler oft wie Seismographen früher als alle anderen, starke Veränderungen am Horizont heraufziehen sehen. Das Erdbeben, daß die Welt irreversibel veränderte, war die industrielle Revolution, der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft, der alles mit sich fortriß und neu bewertete, was bis dahin unhinterfragt gegolten hatte.

Scotney_Turm_See

Das naturwissenschaftlich, mathematisch geprägte Verständnis der Welt, was in der Rennaissance begann und seinen ersten Höhepunkt in der Aufklärung fand und in dem Satz von Laplace, er benötige für sein Weltbild die Hypothese „Gott“ nicht mehr (gegenüber  Napoleon geäußert!), z.B. seinen Ausdruck fand, bestimmte sowohl gesellschaftlich, wie künstlerisch die Zeit vom Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, die man in der europäischen Kunstgeschichte die Zeit der „Romantik“ nennt.

Die „Romantik“ als geistige Bewegung hat auf vielfältige Weise die Kulturgeschichte Europas beeinflußt, auch die unterschiedlichen sozialen Bewegungen in England und Deutschland nahmen Ihren Anfang in der Romantik. Ihr spannungsgeladener und oftmals kontrovers zu beurteilender Einfluss auf die moderne, ja sogar postmoderne Gesellschaft, lässt sich bis zum heutigen Tag nachweisen.

Scotney_Deutsche_Eiche_2

Für die Romantik wird das Verhältnis des Menschen zu seinen Wurzeln, zu seiner Lebensgrundlage, der Natur, zum zentralen Motiv! Romantiker, wie August Wilhelm Schlegel haben schon ein klares Gespür für die „Dialektik der Aufklärung“, sie kritisieren das mechanistische, nützlichkeitsgeleitete Denken der Aufklärung. Ihr Naturverständnis ist von einem pantheistischen Denken im Sinne Spinozas geprägt, Natur ist für sie nicht ein durch instrumentelle Vernunft zu beherrschender Feind, der nur als Ressourcenlieferant für den Menschen angesehen wird, sondern ein göttlicher – nicht unbedingt von Gott gegebener – lebendiger Organismus, dem sich der Mensch in kontemplativer, gar meditativer Weise zu nähern habe.

Die Romantiker sind frühe Ökophilosophen, sie kontrastieren ihre Organismusvorstellungen von Mensch und Natur mit dem instrumentellen Vernunftdenken eines aufsteigenden Bürgertums, für das nur noch ökonomische Grundprinzipien bei ihren Entscheidungen Relevanz haben. Der wertkonservative Protest der Romantiker wendet sich gegen das Aufkommen eines ausschließlich nach ökonomischem Nutzen und Ertrag ausgerichteten Denkens. Ihr frühes, ökologisches Denkgebäude orientiert sich an einem vielseitig entwickelten, man könnte sagen ganzheitlichen Menschenbild, das zu ihren Vorstellungen von einem harmonischen Gleichgewichtszustand zwischen Mensch und Natur korrespondiert.

Scotney-park_3

In dem Maß, in dem die Entfremdung von der Natur, des nun mehr von industriellen Produktionsbedingungen bestimmten Menschen, zunimmt, in dem Maß versucht die Kunst zu retten, was zu retten ist. Die Malerei der Frühromantik und die Garten- wie Landschaftsgestaltung des englischen „Picturesque Style“ versuchen eine Rettung des Menschen inmitten der Natur, im Augenblick seines Untergangs als Teil der Natur!

Es ist die Flucht vor der Unwirtlichkeit der industriellen Produktion, des heraufziehenden Fabrikwesens. Die Natur wird zur Kirche des Universums geweitet, in der man still seine Andacht verrichtet, meditiert, seiner Melancholie, seiner Sehnsucht nachgeht, im Augenblick des Verlustes der kindlichen Unschuld, des Einklangs mit der Natur, wie Schiller es ausdrückte.

Scotney-park_2

Der „pittoreske“ Landschaftspark, wie er an seinem theoretischen, wie praktischen Höhepunkt um 1800, gestaltet wurde, bringt diese Dialektik von Natur und Mensch in zwei Kunstformen zum Ausdruck, in der Malerei und in der Garten-/Landschaftsgestaltung. Der malerische Landschaftsgarten wird einerseits wie ein Gemälde gestaltet, ist aber auch gleichzeitig wieder das Objekt, das Motiv der malerischen Gestaltung durch den Künstler. Malerei und Landschaft gehen ineinander über, durchdringen sich wechselseitig, treten in einen Dialog miteinander.

Der Gartenbesucher, der durch die modernen, industriellen Lebensbedingungen bedroht ist, Gefahr läuft, in einem unaufhaltbaren Sog in eine von der Natur weitgehend entfremdete Existenz hinuntergezogen zu werden, wird vor eine malerisch gestaltete, idealtypische Landschaft gesetzt, die ihm helfen soll, sich dieser Verstrickungen durch Reflexion und Bewußtsein zu entschlagen, in dem er über die Natur und sein Verhältnis zu Ihr in andächtig, stiller Meditation nachsinnt und sich ganz einnehmen läßt von der göttlichen Erhabenheit des Naturschönen.

Scotney_Deutsche_Eiche

Wenn man offen ist und sich ganz auf den Augenblick einläßt, dann kann diese Intension Wirklichkeit werden. In dem Landschaftspark und dem mittelalterlichen Schloß von Scotney Castle in Kent habe ich während der letzten 30 Jahren immer wieder diese Erfahrung gemacht. Jedes Mal hat mich dieser Ort wieder verzaubert. Als ich 2013 das letzte Mal Scotney Castle besuchte und die 200 jährige „Deutsche Eiche“ im Gartenteil hinter dem alten Schloß wieder bewunderte, habe ich wieder einmal mehr das Geheimnisvolle alter Bäume gespürt und mir wurde klar, was die Voraussetzung ist, das Geheimnis alter Bäume zu erfahren. Wie alle großen Wahrheiten ist auch dieses Geheimnis zunächst ganz trivial, aber in seiner weitreichenden Bedeutung kaum zu überschätzen. Das Geheimnis alter Bäume ist zunächst und vor allem, daß sie der Mensch nicht fällt und damit künftigen Generationen die Chance läßt, das Geheimnis der Bäume ebenfalls zu entdecken.

Scotney-park

Wer sich Zeit nimmt und in aller Ruhe diesen Landschaftgarten für sich erobert, kann ganz, ganz viele Geheimnisse entdecken, im Garten aber auch bei sich selbst. Schon wenn man z.B. Ende Mai auf der hauseigene Zufahrtstraße langsam Richtung Scotney Castle rollt oder noch besser zu Fuß geht, kommt man zunächst durch einen lichten Laubwald, dessen Boden bedeckt ist von Abertausenden blauer Glöckchen, den legendären ‘Bluebells’. Man kommt sich vor, als wäre man in einen verzauberten Märchen- ooder Feenwald geraten.

Scotney-blue-bells_1

Vom ersten Moment an versucht der Landschaftspark rund um die mittelalterliche Schloßruine von Scotney Castle die Absicht, bestimmte Landschaftsformen für unsere menschliche Wahrnehmung so zu vervollkommnen bzw. erst zu erschaffen, daß diese, bei kunstvollst gestalteter ‘Natürlichkeit’, dem perfekten Ideal einer Landschaft gleichen, so daß sich auf gänzlich unauffällige Weise Kultur- und Naturgeschichte miteinander verwachsen, sich für den Besucher zunächst praktisch, anschaulich aber dann auch theoretisch durchdringen.

.

.

Scotney-im-Tal

Scotney Castle hat alles, was ein idealtypischer „pittoresker“ Landschaftspark haben muß: üppig bewachsene Hänge, malerisch, verwunschene Waldstücke, weite Wiesen, verwunschene, meandrierende Wasserläufe, lange Blickachsen, verträumte, geheimnisvolle Winkel – eben das ganze Arsenal eines ‘pittoresken’ Landschaftsgartens. Aber die unvergleichliche Perle der ‘pittoresken’ Gartenanlage ist das in den Park eingebettete hochromantische, mittelalterliche Wasserschlößchen unten im Tal des Flüsschens „Bewl“ inmitten eines kleinen Sees, zu dem das Flüsschen hier aufgestaut wurde.

Scotney-Ruinenteil

Im Unterschied zu den oft extra erbauten Follies im malerischen, englischen Garten, liegt der Baubeginn für den ältesten Teil dieses auf einer kleinen Insel gelegenen Märchenschlosses bereits um 1378. Der elisabethanische Südflügel kam ab 1580 dazu, er wurde direkt an den kreisrunden Turm der mittelalterlichen Festungsanlage angebaut.

Scotney-walled-garden

Der Ostflügel im Stil von Inigo Jones wurde 1630 hinzugefügt. Allerdings wurde er 1843 beim Bau des neuen Schlosses der viktorianischen Ära teilweise abgebrochen, so daß die ‘Ruinen’ der Außenmauern nun die dekorative und hochromantische Kulisse für einen ‘walled garden’ abgeben.

Das Ganze ist pittoreske englische ‘folly’-Architektur vom Feinsten! Kein Wunder, das dieser Ort immer wieder für künstlerische Darbietungen verwendet wird, kann man sich eine bessere Bühne für Shakespeares „Sommernachtstraum“ (engl. A Midsummer Night’s Dream) vorstellen, wohl kaum.

Scotney-folly

Nachdem die Familie Hussey, die das Anwesen von der Familie Darrell, der das Anwesen 350 Jahre! lang gehörte hatte, im Jahre 1778 gekauft hatte und das mittelalterliche Schloß als Familienwohnsitz aufgab, vielleicht auch deshalb, weil sich sowohl der Käufer, wie auch einer seiner Söhne tragischerweise im Schloß erhängt hatten, wurde die gesamte Insel quasi zur Gartenskulptur, man könnte auch sagen zur jahreszeitlich wechselnden Bühne eines hochromantischen, englischen Schauerromans. Im Schauerroman, diesem neuen Genre der Romantik kommt das Dunkle und das Erhabene in einem Kunstwerk zusammen, so daß sich eine bislang unbekannte Seelenlandschaft in der Spannung von Mensch, Natur und Kultur ergibt, gleichsam eine künstlerisch-literarische Exemplifikation der „Dialektik der Aufklärung“.

In Scotney Castle kommt alles auf idealtypische Weise zusammen, das Erhabene der Natur liegt unmittelbar neben dem Dunklen der menschlichen Abgründe, wer sich die Zeit nimmt und im Schloß, im „walled garden“ auf der Insel oder auf dem Rundweg um den See, bzw. den weitläufigen Wegen des Landschaftsparks für einige Zeit in kontemplativer Stille verhart, kann dies alles selbst erfahren.

Scotney-blue-bells_2

Es ist faszinierend wie sich bei jedem Innehalten dem Auge des Betrachters ein neues Landschaftsgemälde eröffnet. An tausend verschiedenen Stellen könnte der Maler seine Staffelei aufstellen und mit einem hochromantischen Landschaftsbild beginnen. Es ist beeindruckend, wie dieser Landschaftsgarten kaum sichtbare Zeichen menschlicher Eingriffe aufweist und doch ist alles kunstvoll mit höchstem Aufwand von Menschenhand gestaltet, es ist die Apotheose des Kunstwerks der Natur.

Der Spannungsbogen von Scotney Castle geht über  zwei Jahrhunderte. Theoretisch hatten Edmund Burke mit seinen „Philosophischen Untersuchungen über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen“ von 1756 und Immanuel Kant in seinen Betrachtungen über das Erhabene in der „Kritik der Urteilskraft“ von 1790 die notwendigen Vorarbeiten geleistet, der malerische Landschaftsgarten Scotney Castle war nun die Exemplifikation dieser theoretischen Überlegungen. Deshalb ist es kein Wunder, daß der letzte Besitzer von Scotney Castle, Christopher Hussey, in den 20er Jahren des 20sten Jahrhunderts seine in Garten- und Kunstgeschichtskreisen bahnbrechende Studie „The Picturesque“ natürlich auf seinem Familiensitz Scotney Castle geschrieben hat.

Scotney-park_4

Als Christopher Hussey 1970 starb, wurde das ganze Anwesen dem National Trust übergeben. Wir Nachgeborenen haben dadurch jetzt die Möglichkeit uns intensiv mit den vielen, noch heutige gültigen Botschaften und Geheimnissen des unvergleichlichen Landschaftsgartens auseinanderzusetzen.

Öko (philo) sophie

Liebe Freunde der Weisheit,

bei meinen Exkursionen zu den verlorenen Wurzeln des Lebens ist meine ökophilosophische Grundhaltung von zentraler Bedeutung.

Zugegeben, die Uhr tickt: Klimawandel, Erschöpfung von Ressourcen, Regenwaldzerstörung, ökonomische Umwälzungen, Ausrottung von immer mehr Arten usw. usw.. Ok! Die Uhr tickt, aber die Uhr tickt schon lange, lassen wir uns ja nicht aus der Ruhe bringen, gar zu blindem Aktionismus verleiten, die Uhr tickt morgen auch noch, vielleicht auch noch übermorgen, dann, wenn wir anfangen zu handeln und endlich unser Handeln nicht mehr von der Hoffnung und den Erfolgsaussichten bestimmen lassen, dann tickt sie ein klein wenig langsamer, aber sie tickt. Na und?

Der erste Schritt zu einer öko-philo-sophischen Ethik ist der, unser Tun nicht mehr davon abhängig zu machen, ob wir unserem Tun Erfolgschancen einräumen können und nur dann etwas tun, wenn die Erfolgsaussichten günstig sind – wobei wir sofort unser Tun einstellen, sobald unsere Erfolgsaussichten drohen ungünstig zu werden!

Sinn und Kraft sollten wir aus unserem allzeit offenen Denken und aus unseren Überzeugungen ziehen, nicht aus oft fragwürdigen Erfolgen, die häufig schnell wie Seifenblasen zerplatzen.

Ausgehend von dem norwegischen Philosophen Arne Næss, der bereits 1972 den Ausdruck „Tiefenökologie“ prägte und unter „Ökosophie“ einen Erkenntnisprozeß verstand, der in seiner Konsequenz zu einem normativ ökologischen Verhalten des postmodernen Menschen führen sollte, gehe ich in meinem Ökosophie-Verständnis davon aus, daß es dem kommenden Menschen entweder gelingt, zu einer ökologischen Harmonie, zu einem ökologischen Gleichgewicht mit seiner Umwelt zu gelangen oder daß er in nicht allzuferner Zukunft an seinem Unvermögen scheitern wird. Er wird u. U. deshalb scheitern, weil es ihm in einem evolutionären Sinn betrachtet nicht gelingt, sich den Lebensbedingungen, die er nun mal auf diesem Planeten hat, vernünftig anzupassen. So könnte es geschehen, daß er in der Geschichte ebenso untergeht, wie andere Spezies vor ihm. Aus die Maus . . . Die Natur wird ihm keine Träne nachweinen, denn sie war und wird immer ideologiefrei bleiben.

Kurzum: Der Mensch wird ökologisch sein – oder er wird nicht mehr sein!

Im Begriff der „Ökosophie“, kommen zwei Bedeutungsfelder zusammen: Das der „Ökologie“ und das der „Philosophie“. Nähert man sich den beiden Bedeutungsfeldern in einer hermeneutisch sachgerechten Art, so gelangt man schnell zum Begriff des „Logos“, der für beide Felder von zentraler Bedeutung ist. Genau in diesem Sinnzusammenhang steht meine „ökosophische Arbeit am Logos“.

Der Denkraum, in dem diese ökosophische Arbeit am Logos stattfindet, wird zwar bestimmt von einem Maximum an Aspekten, die sich aus dem interaktiven Geflecht von Mensch und Umwelt ergeben, versucht sich aber in erster Linie zu einem Weg weiterzuentwickeln, an dessen vorläufigen Ende ein Sinnparadigma steht, das nicht mehr durch Mythos und Religion, sondern durch den Logos bestimmt wird.
D. h. Sinn konstituiert sich auf diesem Weg durch Denkarbeit und Vernunftfähigkeit des postmodernen Menschen und nicht mehr durch Glauben. Der weite Bedeutungshorizont der letzten zweieinhalb Jahrtausende, den das Wort „Logos“ mit sich führt, ist durchaus erwünscht, weil er eine entsprechende Offenheit des Theorieansatzes ermöglicht.

Philosophie, die in ihrer „Liebe zur Weisheit“ von alters her, sich einem logischen, systematisch-wissenschaftlichen Denken verpflichtet fühlt, stellt dem ökologischen Fragen eine in der Geschichte ausführlich geprüfte Arbeitsweise zur Verfügung. Der Themenkomplex „Mensch und Umwelt“ wird sowohl unter logischen, ethischen und naturwissenschaftlichen Aspekten, wie unter metaphysischen und erkenntnistheoretischen Fragestellungen analysiert und verändernd bearbeitet. Da Philosophie im Unterschied zu einer reinen Fachwissenschaft, keinen eng umrissenen Erkenntnisgegenstand kennt, ist sie prädestiniert, sich auf umfassende Weise mit allen Aspekten der Ökologie, also mit allen Wurzeln des Lebens schlechthin zu beschäftigen und hier auch von ihrem Anliegen her in die Tiefe zu gehen.

Ökosophie ist von ihren Wurzeln her ein holistisches Konzept, in dem versucht wird, in einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Komplexität von Umwelt und Mensch Rechnung zutragen. Aus diesem Blickwinkel sind Natur und Kultur, die in Ihrer evolutionären Entwicklung ständig ineinandergreifen müssen, nicht voneinander zu trennen, weil sie nur zwei Seiten einer Medaille, eines Lebenszusammenhangs sind.

Für die Ökosophie liegt die Wurzel des ökologischen Übels in der unausrottbaren Überzeugung begründet, daß der Menschen – als Krone der Schöpfung – jenseits der Natur und über der Natur stehe und ihr Herr und Wächter sein könne oder sogar müsse. Diesen Anthropozentrismus versucht die Ökosophie zu überwinden und damit gleichzeitig die Vernunft von ihren instrumentellen Verstrickungen zu befreien.

Ökosophie versucht sich auf wissenschaftlich seriöse Weise vom überkommenen anthropozentrischen Paradigma im Umgang des Menschen mit der Natur zu befreien. Dabei versucht sie sich – zumindest so wie ich sie verstehe – sowohl von dem Leitbild eines über alle Natur erhabenen und sie beherrschenden Menschen, dem die Natur bedingungslos zur Verfügung stehen muß, zu befreien, ohne jedoch gleichzeitig in einen ökozentrischen Fundamentalismus zu geraten, in dem der Mensch in einem radikalen Egalitarismus zum Tier unter Tieren wird.

D.H. die Ökosophie würdigt in einem durchaus angemessenen Maß die kulturgeschichtlichen Leistungen des Menschen, versucht aber in der Kulturarbeit Ethik und Würde der Natur gegenüber fest zu verankern, sie gibt den Anliegen der Natur sozusagen eine Sprache und verhilft ihr gleichzeitig zu einem kommunizierbaren Bewußtsein Ihrer selbst.

Jede Art von künstlicher Homogenität, die Ausdruck eines deutlichen Schwarz-Weiß-Denkens ist, wird von der Ökosophie abgelehnt. Heterogenität und Differenz sind Grundkategorien des ökophilosophischen Denkraums, in den möglichst viele Phänomene aus Natur und Kultur einfließen, berücksichtigt und miteinander verknüpft werden sollen, auch dann, wenn sie in einem ersten Anlauf nicht mit wissenschaftlichen Konstrukten in Einklang zu bringen sind.

Der Denkraum ist nicht nur ein Bild für wissenschaftliche Erkenntnismodelle, sondern auch ein Labor des „Experimentum mundi“ mit seiner Real-Utopischen-Perspektive.

Ökosophie, wie ich sie verstehe, versucht in einem systemisch, analytischen Ansatz Umwelt und Mensch in einem komplexen, kybernetischen System zu verstehen, deren Basis jedoch hinsichtlich der Einflußfaktoren weitgehend offen ist, also gerade keine Verknappung der Aspekte anstrebt, damit ist der wissenschaftliche Ansatz diametral verschieden zu dem Versuch, Strukturen realiter zu entdecken. Strukturen und kybernetische Regelsysteme werden lediglich als transitorische Erkenntnishilfen angesehen, damit gerät die Ökosophie nicht in die Gefahr, einer universalgeschichtlichen, teleologischen Betrachtungsweise zu erliegen.

Ökosophie ist eine ganzheitliche Umwelt- und Naturphilosophie, die ein Leben im Einklang mit der Natur und nicht gegen die Natur anstrebt. Leitgedanke der Ökosophie ist die Vereinigung von Denken, Fühlen, Handeln. Transzendenz und Immanenz werden ideologiefrei in einem konsequent evolutionären Denkraum betrachtet, der selbst wiederum nur imaginär – also grundsätzlich offen ist und sich zu einem Weg weiterentwickeln will.

Durch Ökosophie soll der Mensch sich seiner Rolle als „Bewahrer“ oder „Zerstörer“ seiner eigenen Welt- bzw. Lebensgrundlage bewusst werden und durch diesen Bewußtwerdungsprozeß sein Handeln verändern und in einem evolutionären Prozeß weiterentwickeln. Ökosophie überschreitet jederzeit Grenzen oberflächlicher Betrachtungsweisen und versucht die tieferliegenden Wurzeln allen Lebens zu erforschen, um damit auch real-utopische Horizonte dem Menschen zu erschließen, in deren Richtung er sich von seiner Potentialität her auch weiterentwickeln könnte. Von hierher setzt sie selbst unaufhörlich evolutionäre Entwicklungen in Gang.

Ökosophie trägt – indem sie einen systemtheoretischen Ansatz verfolgt und auch der Gaia-Hypothese offen gegenübersteht – der Tatsache Rechnung, daß der Mensch in seiner von den Lebensgrundlagen abgekoppelten Entwicklung des Neocortex, mit all seinen Fähigkeiten und Eigenschaften, das einzige Lebewesen ist, daß sich nicht mehr nachhaltig im Kreislauf der Naturzusammenhänge zu bewegt versteht und aufgrund dessen, zu einem dauerhaft systemischen Konfliktherd geworden ist. Viele Krankheitsbilder und das ständige Gefühl der Entwurzelung des Menschen sind Ausdruck und Gradmesser dieser inzwischen systemischen Entfremdung des Menschen von seinen Lebensgrundlagen.

Ökosophie versucht nicht religiöse Konstrukte durch eine neue Religion zu substituieren, wie manchen im Hinblick auf das Gaia-Theorem gemutmaßt haben, vielmehr wird versucht, den Organismusgedanken, der sich ja auch im systemischen-kybernetischen Denkansatz wiederfindet, ganzheitlich in den Mensch- und Naturzusammenhang einzubringen, die Selbstregulationsmechanismen zu verstehen und nach Möglichkeit für die Menschheit insgesamt nutzbar zu machen.

Für einen Ökosophen, wie mich, stehen Ökologie, Soziologie und Ökonomie nicht auf einer gemeinsamen Ebene des Erkenntnisinteresses, da schon aus rein logischen Gründen der Ökologie absolute Priorität einzuräumen ist. Allen anthropischen Ideen, sich von ökologischen Erfordernissen durch Wissenschaft und Technik unabhängig zu machen, stehe ich als Ökosoph sehr kritisch gegenüber. Aus rein wissenschaftlichem Interesse heraus, haben solche Ideen zwar ihre Berechtigung, als Forschungsziel muß man sich vor solchen Überlegungen aber in Acht nehmen.

Damit ist sofort der wissenschaftsethisch Ansatz der Ökosophie beschrieben, wonach nicht alles, was wissenschaftlich machbar auch gleichzeitig sinnvoll ist. Die Geschichte hat gezeigt, daß alles, was erstmal in der Welt ist, nur noch schwer gesellschaftlich kontrollt werden kann, deshalb bedarf es auch in diesem Fall einer vorsorgenden Ökologie.

Deshalb stellt sich z.B. für einen Ökosophen nicht die Frage, ob man ein oder zwei Milliarden in die Gen-Design-Forschung stecken sollte, sondern ob man Gen-Design-Forschung überhaupt betreiben sollte.

Letztendlich ist für den ökophilosophischen Denkansatz nicht so sehr die Idee z.B. des Gen-Designs bedenklich, sondern der grundsätzliche Plan des größenwahnsinnigen Menschen, Prozesse in einem kurzen Erdenleben – über ein oder zwei Generationen – so umgestalten zu können, daß sie hinterher besser funktionieren, als in ihrem vorherigen Zustand , der in der Entwicklungsgeschichte des Planeten sich über Millionen von Jahren evolutionär entwickelt hat.

Summa summarum:

Ökosophie, als die Kunst des Umgangs mit der Natur hat eine ganzheitliche Sicht auf Natur, Mensch, Tiere und Pflanzen. Natur ist aus  ökophilosophischer Perspektive kein Objekt der Erkenntnis, sondern ein Subjekt, das handelt. Die Bedürfnisse und Lebensäußerungen der Natur sind gleichermaßen wahrzunehmen und für das Handeln zu berücksichtigen, wie die Interessen des Menschen. Die Natur ist keine verlängerte Lagerstätte für Ressourcen, aus der sich der Mensch nach Belieben unendlich bedienen kann.

Darüber hinaus geht es in der Ökophilosopie darum, in einem herrschaftsfreien Diskurs die Weisheit der Natur zu erkennen und nicht gegen sie zu kämpfen oder sie unter die Herrschaft des Menschen zu zwingen. Nur aus diesem Grundverständnis heraus kann der ökophilosophisch gebildete Mensch der Zukunft in einen symbiotischen Lebenszusammenhang mit der Natur zurückkehren, kehrt er nicht in diesen harmonischen Zusammenhang zurück, wird er als evolutionäre Fehlentwicklung untergehen.

Letztlich krankt unsere Welt nicht daran, daß wir nicht wissen, wie es geht, sondern Sie geht möglicherweise für uns unter, weil wir mehrheitlich nicht wissen wollen, wie es ginge. Wir haben schon lange kein Erkenntnisproblem mehr, aber wir haben ein massives Umsetzungsproblem unserer Erkenntnisse in die Praxis!
Deshalb ist die Ignoranz zu überwinden und diese Überwindung ist gleichzeitig eines der ganz, ganz großen Themen der Ökosophie!

Smog

Das IV Laterankonzil von 1215 und dieser Stapel Baumstämme

Gefällte Bäume

Mancher von Euch wird sich fragen, was dieser Stapel Baumstämme mit dem IV Laterankonzil von 1215 zu tun hat. Die Antwort ist einfach: Zunächst mal gar nichts. Erst wenn man anfängt sich Fragen vorzulegen, gelangt man plötzlich in das frühe 13. Jahrhundert.

Wie das? Nun ganz einfach, wenn man alle Jahresringe, die man hier auf dem Foto sieht, zusammenzählt, dann kommt man auf 800 Jahre. 800 Jahre waren also notwendig, um diese sehr kleine Anzahl Baumstämme wachsen zu lassen. Und wenn man 800 Jahre in der Geschichte zurückgeht, dann gelangt man ins letzte Drittel des Mittelalter, z.B. in das Jahr 1215 in dem z.B. während es IV Laterankonzils der Orden der Franziskaner Mönche von der römischen Kurie anerkannt wurde.

Uns kommt diese Zeitstrecke unfaßbar lang vor, wenn wir uns klar machen, was in diesen 800 Jahren alles geschehen ist und dennoch gehen wir mit diesen Bäumen, die insgesamt 800 Jahre benötigten, um zu wachsen so um, als hätte ihr Wachstum 14 Tage gedauert.

Ohne unsere wunderbaren Wälder wäre ein Leben auf unserem schönen, blauen Heimatplaneten nicht möglich, aber Wälder sind natürlich nicht nur Balsam für unsere – in der Moderne – geschundene Seele, sie erfüllen auch wichtige Funktionen, nicht umsonst gelten sie als grüne Lungen des Planeten, sie produzieren Sauerstoff und speichern Kohlenstoff. Für unser globales wie lokales Klima sind sie von essentieller Bedeutung.

Anfang des 19. Jahrhundert, als die Romantiker den deutschen Wald besangen, waren wir schon mal soweit, daß wir durch gewachsenen Lebensstandard, aber vor allem durch die  industriellen Revolution, dem deutschen Wald fast den Garaus gemacht hatten, erst nach der Umstellung von Holz- auf Steinkohle begann man, den deutschen Wald wieder aufzuforsten und die Ideen der Nachhaltigkeit  in der Waldwirtschaft zu beherzigen, also nicht mehr Bäume zu schlagen, als in einem festgelegten Zeitraum, also z.B. einem Jahr nachwachsen würde.

Holz ist aus tausenderlei Gründen ein überaus kostbarer Rohstoff, bei dessen Verwertung wir uns sehr genau überlegen sollten, welcher Verwendung wir diesen Rohstoff zuführen. Zumindest in den hochtechnisierten Ländern Europas, ist es eine aberwitzige Idee, diesen kostbaren Rohstoff Holz wieder als regelmäßigen Brennstoff einzusetzen.
Wobei das kostbare Holz nicht nur verschwendet wird, sondern obendrein keine wirklich neutrale CO2 Bilanz aufweisen kann, da durch die gesamte Verarbeitungskette, wesentlich mehr CO2 freigesetzt wird, als der Baum vorher gebunden hat.
Wie es überall zu beobachten ist, wird der ökologische Rucksack den Pelletheizungen mit sich herumtragen wieder aus ideologischen nicht berücksichtigt, Holz gilt als CO2 neutrale, nachhaltige Energiequelle und fertig, keine weitere Diskussion erwünscht.

Leider gelangt man bei genauem Nachdenken immer in die grundsätzlichen Problemfelder hinein. Wenn wir z.B. nicht so stark auf Wachstum programmiert wären und dadurch ständig neu konsumieren müßten, dann könnten wir einen anderen Umgang mit den Waren pflegen, die aus Holz hergestellt werden.
Wenn wir z.B. einen Vollholzschrank einmal in unserem Leben anschaffen würden, wofür ein gewisses überschaubares Quantum an ökologisch sauber geschlagenem Holz notwendig wäre, dann könnten wir es problemlos akzeptieren, daß der Rohstoff Holz eben so teuer ist, wie er sein muß, wenn der Wald und sein Boden aus ökologischer Sicht nicht übergebühr beansprucht würde.
Aber da wir uns inzwischen angewöhnt haben, daß wir ständig etwas Neues brauchen und z.B. alte, voll funktionsfähige Möbel einfach wegschmeißen, z.B. einen Vollholzschrank aus dem Schwarzwald eintauschen gegen ein Pressspanteil aus China, brauchen wir ständig von allen beteiligten Rohstoffe immer mehr und natürlich auch immer billiger, weil wir uns ja nichts fürs Leben anschaffen wollen, sondern nur für ein paar Jahre.

Auch der wachsende Papierbedarf stellt ein riesiges Probleme dar, allein in Deutschland liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Papier derzeit bei rund 230 Kilogramm im Jahr, wenn man nur daran denkt, wieviel Prospekte, Werbezeitschriften und dicke Kataloge man ständig in den Papiercontainer wirft, dann braucht man sich nicht wundern, wieso wir so einen hohen Bedarf an Holz haben.

Aufgrund der Zwangsökonomisierung aller Lebensverhältnisse in den letzten 25 Jahren, müssen wir einfach davon ausgehen, daß nurmehr ökonomische Interessen die Waldwirtschaft dominieren und soziale wie ökologische Belange bestenfalls fürs Marketing und als gern gesehenes Abfallprodukt der Holzwirtschaft gut sind.

Die negativen Folgen für Umwelt und Gesellschaft sind vorprogrammiert, zumal die postmodernen Erntemethoden mit Vollerntern und riesigen Rückefahrzeugen nicht nur den Bäumen sondern auch den Waldböden den Garaus machen. Was das Schlimme dabei ist, ein Waldboden, der durch entsprechenden Maschineneinsatz versaut ist, benötigt viel viel länger als ein Baum der nachwächst, natürlich wächst er auf den maschinell verrotteten Böden nicht mehr so gut, wie auf einem guten Waldboden, aber immerhin er wächst, was man in dem zeitlichen Rahmen, den wir von den Bäumen kennen, beim Boden nicht sagen kann.

Wenn wir bei unseren nächsten Spaziergängen an solchen Stapeln von Bäumen vorbeiwandern und jetzt nach der Holzernte laufen wir an vielen solcher Holzstapel vorbei, dann sollten wir uns alle überlegen, was wir tun können, damit diese Bäume nicht ganz umsonst getötet wurden, denn Bäume sind von Ihrer biologisch-genetischen Seite her, viel näher an uns dran als wir vielleicht vermuten würde und mit jeder neuen wissenschaftlichen Erkenntnis über den Organismus Wald und seine ausgeklügelten Kommunikationssysteme, rücken sie näher an uns heran.

Sollen wir unsere Lebensgrundlage wirklich schreddern, zu Pellets verpressen und in den Ofen schieben?

Die richtige und die falsche Religion

Es macht wenig Sinn, bei Religionen DIE richtige oder DIE falsche Religion, die gute oder die böse Variante gegeneinander ausspielen zu wollen, denn überall ist es der defizitäre Mensch, auf den die Sache gründet und der sich mit der Sache heute beschäftigt und darüber urteilt, was gut und was böse ist.

Alle Religionen – vor allem erstmal ihre grundlegenden Schriften – müssen mit der Brille der Aufklärung und der allgemein verbindlichen Menschenrechte, die man möglichst auch noch auf alle fühlenden Wesen ausdehnen sollte, gelesen werden.

Wenn wir uns heute, nachdem wir 300 Jahre Aufklärung hinter uns haben, überheblich dem Koran gegenüber aufführen, dann würde ich mal zu einem kurzen Blick in das alte Testament raten:

Schaun wir doch zuerst mal in die Tora, in die 5 Bücher Mose, hier finden wir unter anderem:

2. Buch Mose, Exodus 32, 27f: Mose sagte zu ihnen: Zieht durch das Lager von Tor zu Tor. Jeder erschlage seinen Bruder, seinen Freund, seinen Nächsten. Vom Volk fielen an jenem Tag gegen dreitausend Mann.

3. Buch Mose, Leviticus 24,16: Wer den Namen des Herrn schmäht, wird mit dem Tod bestraft. Die ganze Gemeinde soll ihn steinigen.

4. Buch Mose, Numeri 15, 32/35f: In der Wüste entdeckten sie einen, der am Sabbat Holz sammelte. Gott sprach zu Mose: Der Mann ist mit dem Tod zu bestrafen. Da führte die ganze Gemeinde den Mann vor das Lager hinaus und steinigte ihn zu Tode.

4. Buch Mose, Numeri 25,1/4: Als sich Israel in Schittim aufhielt, begann das Volk mit den Moabitterinnen Unzucht zu treiben. Da sprach Gott zu Mose: Nimm alle Anführer des Volkes und spieße sie im Angesicht der Sonne auf Pfähle.

4. Buch Mose, Numeri 31, 14-17: Mose ward (…) zornig: (…) Habt ihr wirklich alle Weiber am Leben gelassen? Tötet sofort alle männlichen Kinder, ebenso tötet jedes Weib, das bereits mit einem Manne geschlechtlich verkehrt hat!

5. Buch Mose, Deuteronomium 17, 2f/5: Wenn in deiner Mitte jemand anderen Göttern dient, sollst du ihn zum Stadttor führen und steinigen.

5. Buch Mose, Deuteronomium 21,18-21: Wenn ein Mann einen widerspenstigen Sohn hat, der nicht auf die Stimme seines Vaters und seiner Mutter hört, sollen sie ihn packen und den Ältesten der Stadt sagen: Unser Sohn ist störrisch und widerspenstig, er ist ein Verschwender und Trinker. Dann sollen alle Männer der Stadt ihn steinigen. Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen.

5. Buch Mose, Deuteronomium 22,23f: Wenn ein unberührtes Mädchen verlobt ist und ein anderer Man sich mit ihr hinlegt, dann sollt ihr beide zum Stadttor führen und sie steinigen. Das Mädchen, weil es nicht um Hilfe geschrien hat, und den Mann, weil er sich die Frau eines anderen gefügig gemacht hat. Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen.

Bei den vorderen Propheten im Buch Josua 6,17 und 21 lesen wir: Die Stadt Jericho, mit allem, was in ihr ist, soll für Jahwe dem Untergang geweiht sein (…) Mit scharfem Schwert weihten sie alles dem Untergang. Männer, Frauen, Kinder, Greise, Rinder, Schafe und Esel.

Im 1. Buch Samuel 18, 27: David erschlug zweihundert von den Philistern, brachte die ‚Vorhäute‘ zu König Saul, legte sie vollzählig vor ihm hin, um sein Schwiegersohn zu werden. Und Saul gab ihm seine Tochter Michal zur Frau.

Im 2. Buch der Könige 15,16 findet man: Menachem eroberte Tifach. Er tötete alle Bewohner der Stadt und ließ ihren schwangeren Frauen den Leib aufschlitzen.

Oder nochmal 2. Buch der Könige 6,25/28f: Hungersnot im belagerten Samaria (…) Eine Frau sagte zum König: Diese Frau hat von mir verlangt: Gib deinen Sohn her, damit wir ihn heute aufessen. Meinen Sohn werden wir morgen verzehren. So haben wir meinen Sohn gekocht und aufgegessen.

In den Prophetenbüchern lesen wir im Buch Joel 4,9und 4,10: (…) Verkündet den Heiligen Krieg! (…) Schmiedet eure Pflugscharen um zu Schwertern und eure Winzermesser zu Lanzen!

schwerter-zu-pflugscharenViele aus meiner Generation kennen eigentlich nur das Gegenteil, ebenfalls in den Prophetenbüchern lesen wir hier im Buch Micha, 4,3: (…) Sie werden Ihre Schwerter umschmieden zu Pflugscharen und ihre Lanzen zu Winzermessern. Nicht mehr wird ein Volk wider das andere das Schwert erheben und nicht mehr werden sie das Kriegshandwerk erlernen.

Die DDR Friedensbewegung, die auch stark von der evangelischen Kirche z.B. vom Friedenspfarrer Friedrich Schorlemmer unterstützt wurde, hatte sich dieses Motto für ihren friedlichen Widerstand gegeben, in der Mitte des Aufklebers war die Skulptur „Wir schmieden Schwerter zu Pflugscharen“ dargestellt, die die Sowjetunion 1957 der UNO geschenkt hatte und die seit dem vor dem UNO-Gebäude in New York stand und immer noch steht.

Man sieht, man kann auch das glatte Gegenteil aus dem Alten Testament herauslesen, das macht wahrscheinlich diese wirkmächtigen Bücher aus, daß für jeden was dabei ist.

Auch hier noch ein paar Beispiele:

3. Buch Mose, Leviticus 19,18: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst!

5. Buch Mose, Deuteronomium 6,5: Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und ganzer Kraft.

Im Buch Tobit 4,7: Sei nicht kleinlich, wenn du Gutes tust. Wende Deinen Blick niemals ab, wenn du einen Armen siehst.

In den Psalmen 33,5/34,15: Der Herr liebt Gerechtigkeit und Recht. Meide das Böse und tue das Gute.

In den Psalmen 46, 9f: Kommt und schaut die Taten des Herrn. Er setzt den Kriegen ein Ende. Bis an die Grenzen der Erde. Er zerbricht die Bogen, zerschlägt die Lanzen, im Feuer verbrennt er die Schilde.

Im Buch der Sprüche 3,3: Nie sollen Liebe und Treue dich verlassen.

Im Buch der Sprüche 31,8: Öffne deinen Mund für die Stummen, für das Recht aller Schwachen.

Oder aus dem Weisheitsbuch Jesus Sirach 28,2: Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden dir, wenn du betest, auch deine Sünden vergeben.

In den Prophetenbüchern lesen wir im Buch Amos 5,14: Sucht das Gute, nicht das Böse; dann werdet ihr leben.

Oder nochmal in den Prophetenbüchern im Buch Micha 6,8: Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.

Nach diesen wenigen Beispielen kann man sehen, man könnte mit Bibelzitaten jede Art von Ideologie untermauern, so wie man es eben mit dem Koran auch kann, vor allem weil der Koran ja auch in einer bildlichen Sprache verfaßt ist, so daß jede Art von Auslegung schon durch die Übersetzungsvarianten möglich wird.

In Summe: Wenn wir von einer kulturgeschichtlichen Evolution ausgehen, dann können wir sagen, daß die Menschenrechte und die Menschenwürde, die wir auch allen anderen fühlenden Wesen zugestehen müssen, für uns der Gradmesser zur Beurteilung jeder Ideologie ist, gleich welcher Herkunft eine Ideologie auch seien mag. Hinter diesen Stand der Entwicklung sollten wir einfach nicht mehr zurückgehen, auch wenn manche immer wieder versuchen, die Menschheit ins Mittelalter zurückzubomben.

Der große Metaphysiker von Chirico

Der große Metaphysiker von Chirico ist eines meiner Lieblingsbilder aus dem 20. Jahrhundert, es ist ein Denkbild par excellence.

Giorgio de Chirico, 1978 in Rom gestorben, gilt als der zentrale Vertreter der sogenannten Metaphysischen Malerei, die als eine der wichtigsten Vorläufer des Surrealismus angesehen wird.

Von Friedrich Nietzsches Beschreibungen der gespenstisch leeren Plätzen in Turin beeinflußt, dienten Ihm Nietzsches Schilderungen der menschenleeren Plätze, die mit Arkaden und Statuen umgeben waren, als Vorlage seines Schaffens.

De Chiricos traumähnliche Stadtansichten bestehen aus Türmen, Arkaden und menschenleeren Architekturen. Der „Große Metaphysiker“ von 1917, zusammengesetzt aus Dreiecken, Winkeln und anderen Versatzstücken der meßbaren Welt, steht einsam auf seinem Posten, mitten auf einem leeren Platz, der durch die Wissenschaft vermeßene Mensch, der nur noch eine Gliederpuppe ist, ein Mahnmal und ein Werkzeugkasten zugleich.
Einzig einzeln verwendete figürliche Schatten und „manichini“ (Gliederpuppen) bilden Gegenstücke zur streng architektonischen Gestaltung dieser Kulissenwelt.

1916/17 gründete de Chirico mit anderen die „scuola metafisica“ und damit eine Strömung, die den Stil der Surrealisten um rund zehn Jahre vorwegnahm und bis zum Jahr 1920 andauerte. Die Künstler verbanden in ihren Werken reale und imaginäre Elemente, die untereinander keinen oder nur noch einen ahnbaren Bezug herstellen.
Die künstlerische Phantasie wurde zum Bestandteil des Bildaufbaus. Der assoziative Charakter der Werke brachte traumähnliche Szenerien hervor, in denen eine magisch-metaphysische Stimmung herrscht.

Theodizee und Gotteskrieger

.
Ich möchte nicht in einer Welt ohne Kathedralen leben.
Ich brauche ihre Schönheit und Erhabenheit.
Ich brauche sie gegen die Gewöhnlichkeit der Welt.
Amadeu Inácio de Almeida Prado

.

Das Thema Theodizee  ist für eine tiefsinnige Stunde am Kamin immer gut und wenn man bedenkt, was zur Stunde alles in der Welt an Greueltaten, auch im Namen Gottes geschieht, dann darf man kein schlechtes Gewissen haben sondern man sollte sich glücklich schätzen, am warmen Kamin über ein solches Thema sich Gedanken machen zu können und nicht einem feindlichen Artilleriefeuer ausgesetzt zu sein.

Wie schon gesagt, man muß nicht unbedingt bis zum Holocaust zurückgehen, es reicht schon der tägliche Blick ins Fernsehen oder in die Zeitung, um sich über die unendlich vielen Qualen, die Menschen, anderen Menschen, Tieren, kurz, allen fühlenden Wesen antun, zu informieren. Der kritische Geist fragt sich immer wieder, wo denn eigentlich der liebe Gott bei all diesen Greueltaten des Menschen sich versteckt hält, wenn er doch angeblich den Menschen nach seinem Bilde perfekt geschaffen hat (IntelligentDesign), sieht so Perfektion im Sinne Gottes aus?

Bevor mit Gottfried Wilhelm Leibniz die unmittelbare Diskussion um das Problem der Theodizee begann, gab es natürlich schon von der Bibel her, also vor allem dann im Christentum und dem Neuen Testament, die ständige Betonung des Teufels, des Kampfes gegen die Mächte der Finsternis. Durch diese Aufwertung des Teufels, als Gegenspieler Gottes, ist der liebe Gott natürlich fein raus aus der Sache, denn bis zum jüngsten Gericht, wenn dann die große Endabrechnung kommt, kann man alles, was an Übeln in der Welt ist, dem Teufel in die Schuhe schieben. Und auch das Problem der Ebenbildlichkeit des Menschen ist damit gerettet, denn wenn er nicht so tun, wie er im göttlichen Lichte tun sollte, dann ist er halt mal wieder vom Teufel besessen. Der Teufel verschafft dem lieben Gott eine reine Weste und der vom Teufel besessene, ab mit ihm auf einen der vielen Scheiterhaufen dieser Welt.

Aber wie es gerade in der abendländischen Kulturgeschichte ist, die Zweifler und Krittler geben halt einfach keine Ruhe, immer wieder wird nach dem Sinn gefragt, angesichts der Leiden, die Menschen durch Menschen auf diesem Planeten erfahren. Besonders prekär wird die Situation dann natürlich nach Ausschwitz. Dem Sinn nach kann man ja die Theodizee als eine Verrenkungsübung von Theologen begreifen, die versuchen, Gott nach und trotz Ausschwitz zu retten und dies obwohl der Glaube an einen gütigen, dem Menschen liebevoll zugewandten Gott nach der industriellen Vernichtung der europäischen Juden durch die Nazis, einem lächerlich, wenn nicht sogar menschenverachtend zynisch vorkommen müßte.

Dieser spannungsgeladene Zwiespalt, Gott trotz oder sogar aufgrund der Greueltaten in dieser Welt immer wieder zu rechtfertigen, läuft im Kern auf die sogenannte Theodizeefrage hinaus, also der Frage nach einem guten Gott im Angesicht des Bösen, was man nicht mehr einfach alles dem Teufel zuschieben kann.

Die Theodizeefrage läuft aber auch darauf hinaus, daß Gott mit diesem Universum – so wie es zur Stunde ist – nichts weiter zu tun hat und deshalb auch nicht angeklagt werden kann.

Die Frage ist, ob die Theodizee-Frage nicht den roten Teppich vor jedem Atheisten ausrollt, denn die Frage ist schon recht knackig gestellt, warum Gott eigentlich das Leiden zulässt, wenn er doch so allmächtig, allweise und allgütig ist, wie immer behauptet wird. Denn wenn diese Attribute, die man ihm von Alters her zuweist, stimmen würden, dann müßte er doch den festen Willen haben, alles Leiden aller ihm ebenbildlichen Geschöpfe zu  verhindern, besonders natürlich das Leiden, was durch die Gotteskrieger dieser Welt – welcher Coleur auch immer – in seinem Namen über die Welt gebracht wird, gerade da müßte er ja schon eingreifen und sich verwahren. Pustekuchen, keine Antwort aus dem OFF!  Ist es da nicht verständlich, daß der ein oder andere ins Zweifeln gerät.

Mein alter Freund Epikur hat die Götter ja vorallem deshalb geleugnet, weil er ihnen vorwarf ein faules, untätiges Gesindel zu sein, was sich nicht um die Leiden dieser Welt kümmern würde, und deshalb bräuchte man auch dieses Göttervölkchen nicht, was obendrein noch jede Menge Volksvermögen verschlingen würde. Auch Hiob hat ja bekanntlich seine liebe Not gehabt mit dem Glauben in Anbetracht der vielen Hiobsbotschaften, die Ihn ereilten. Da dem lieben Gott die Treue zu halten war schon eine besondere Tat, aber der wurde ja immerhin am Ende für seine Treue belohnt, was man ansonsten ja nicht so feststellen kann.

Der von mir hochgeschätze Philosoph und frühe Aufklärer Gottfried Wilhelm Leibniz hat ja in seinem zu Lebzeiten umfangreichsten, veröffentlichten Werk „Theodizee“ den Begriff geprägt und ist dabei ganz schön im Schlamm versackt.
Aus der Nummer ist er dann zu Lebzeiten auch kaum noch rausgekommen, noch Voltaire hat sich ja über die Leibniz’sche Welt als die beste aller möglichen Welt heftig lustig gemacht.
Die Argumentation von Leibniz lautete: Gottes unendliche Weisheit lasse ihn die beste unter allen möglichen Welten herausfinden, ich frage mich, hat er damals schon an die Existenz von Paralleluniversen gedacht, von denen er eines heraus sucht? In seiner Weisheit muß der liebe Gott dann ja auch Kriterien und Qualitätsmerkmale gehabt haben, warum er aus der unendlichen Zahl von Paralleluniversen gerade dieses hier ausgesucht hat und was ist denn dann mit den anderen Universen passiert, Fragen über Fragen wenig hilfreiche Antworten.
Vielleicht hat der liebe Gott ja nur verschiedene Pläne studiert und dann, ob seiner Weisheit entschieden, welches Universum er in seiner unendlichen Güte als Plan auswählt, um es dann in seiner Allmacht auch als die beste Welt hervorzubringen.

Dann hat er allerdings für die Umsetzung, wir sagen normal für die Schöpfung, einen scheiß Projektleiter eingesetzt,  was man sich ja heute angesichts der vielen schief laufenden Großprojekte sofort vorstellen kann. Jedenfalls der Projektleiter, der hat dann in der Realisation das Projekt in den Sand gesetzt, zumindest was den Menschen betrifft, der sich überhaupt nicht in den harmonischen Kreislauf der Natur einfügen will. Wir haben jetzt das Problem, ob wir Gott jetzt verantwortlich machen sollen, für den Scheiß den der Projektleiter gebaut hat oder ob wir einfach mit der Welt, wie sie nunmal geworden ist, Vorlieb nehmen, eben als die beste aller möglichen Welten. Was Perfekteres war eben nicht drinn.

Gier, Haß und Ignoranz sind eben auch Teil dieser Welt, haben dadurch – weil sie ein Teil der Welt sind – ihren Sinn und stehen neben dem Guten von Liebe und Mitgefühl. Beide Seiten, das Gute und das Böse sind nicht miteinander verrechenbar. Nach Leibniz zeigt sich ja gerade die Weisheit Gottes darin, daß er beide Wirkprinzipien zugelassen habe, ähnlich wie in  Asien, das Universum immer gleichzeitig von den beiden Wirkkräften YIN und YANG bestimmt wird. Das Prinzip des „Guten“ und das Prinzip des „Bösen“ durchdringen sich wechselseitig, das bedeutet aber nicht, daß man aus den beiden Prinzipien eine gemeinsame Rechnung machen kann, das man das Gute gegen das Böse und umgekehrt aufrechnen könnte.

Das Aufrechnen ist menschenverachtend, weil es die Opfer auflöst in einer quantitativen Betrachtungsweise,  die wir bis heute in jedem Fernsehbeitrag, über welchen mörderischen Konflikt auf der Welt er auch berichtet, beobachten können.

Kommen wir zurück zu Leibniz und seiner Welt-Theorie, die man auch als eine der zukunftsweisensten ansehen kann, wenn man nämlich die Monadenlehre von Leibniz hinzuzieht und die Monaden als Wirks in Superposition versteht, also als verursachendes Feld, daß in sich die Totalität aller Möglichkeiten birgt, dann kann man die Welt aus mesokosmischer Sicht tatsächlich als die beste aller möglichen Welten verstehen, denn die Welt steht demnach immer auf dem avanciertesten Standpunkt ihrer Möglichkeiten. Das Weltverständnis, daß hier dahintersteckt ist eine Welt, die immer auf Tour ist, die sich entwickelt und niemals selbstgefällig stehen bleibt.

Nun die Tatsache bleibt wohl bestehen, Veränderung hin oder her, solange es Menschen gibt, gibt es auch ihre Götter, denn es ist eine anthropologische Konstante,  daß Menschen eines Gottes bzw. vieler Götter (für jede Gelegenheit einen anderen!) bedürfen, und Sie bedürfen der Rituale und Religionen, die von Amts wegen, den Umgang mit den Gottheiten regeln. Solange es aber Götter gibt, fragt sich der kritische Geist, in welchem Verhältnis diese Götter zu den Greueltaten der Menschen auf diesem schönen, blauen Heimatplaneten stehen.

Denker, wie der Rabbiner und Philosoph Richard Rubenstein haben das Problem der Bedürftigkeit des Menschen nach einer Metaebene, nach einer transzendentalen Gottheit, nach einer Sinnkategorie, jenseits des bloßen Seins in der Formel „Das Heilige Nichts“ verpackt. Rubinstein schreibt in seinem viel diskutierten Buch „Nach Ausschwitz“ von 1966: „Wenn ich sage, daß wir zur Zeit des Gottestodes leben, so meine ich damit, daß das Band, welches Gott und den Menschen, Himmel und Erde miteinander verband, gerissen ist. Wir befinden uns in einem kalten, stummen und gefühllosen Kosmos, und keine größere Macht jenseits unserer eigenen steht uns bei. Was kann nach Ausschwitz ein Jude anderes über Gott sagen?“

Die Fragen der Theodizee liegen klar auf der Hand, wenn es einen allweisen Gott gibt, der gleichzeitig auch noch allgütig und allmächtig ist, dann könnte es das Böse in der Welt gar nicht geben, bzw. ist es den Opfern gegenüber mehr als zynisch, wenn man sie als notwendige Opfer in den Heilsplan Gottes mit einbaut, wie es viele Theologen nach Ausschwitz tatsächlich getan haben, wonach die Shoah einer Art von Gottsurteil gleichkommt, um das Fehlverhalten der Juden in der Geschichte zu sühnen. Diese Betrachtungsweise ist unerträglich menschenverachtend, wobei ganz klar ist, die Shoah ist keine Ausnahmesituation. In der Kriegsgeschichte der Religionen kommt es bis zum heutigen Tag immer wieder zu solchen Argumentationen, wonach der Mord an Andersdenken oder Ungläubigen, als gerechter Sühneakt des Herrn begriffen wird.

Sehr viele Theologen, auch im Nachgang zu Darwins eigenem Denkansatz, ziehen sich darauf zurück, daß Gott irgendwann mal so vor 13 Milliarden Jahren die Bowlingkugel Universum perfekt angeschoben hat und dann seiner Wege gegangen ist, nach dem Motto, was daraus wird ist nicht mehr mein Bier, dieser theologische Ansatz paßt dann auch ganz gut zu der Vorstellung wie wir uns mühsam über Millionen von Jahren aus Sternenstaub in der Evolution entwickelt haben.

Nach dieser Vorstellung läßt sich das Universum oder auch nur unser Heimatplanet im Grunde wie ein Startup verstehen, eine Ausgründung von rotierendem Sternenstaub, der man ein paar funktionsfähige Zellen als Startkapital in die Hand gedrückt hat, nach dem Motto:  Mach was drauß…

Was drauß gemacht, das haben wir ja zweifellos, fragt sich nur, ob wir Kriterien entwickeln können, nach denen wir dann auch beurteilen können, ob wir was Gutes oder was Schlechtes draus gemacht haben, da wäre jetzt der Herr und Meister vom Anfang der Geschichte als Gutachter gefragt, aber der meldet sich einfach nicht mehr. Statt dessen gib’s inzwischen jede Menge Statthalter auf Erden, die sich zu Gutachtern aufschwingen, aber wie das eben bei Gutachten so ist, jedes Gutachten behauptet etwas anderes.

Nehmen wir nur mal die Geschichte Jesu, die einen behaupten, daß der Sinn der Kreuzigung, in der der alte Herr seinen Sohn opfert, dazu gedacht ist, die Menschheit von der Sünde zu erlösen. Ohne Kreuzigung keine christliche Heilslehre, kein neues Testament, kein Evangelium. Jesus macht mit seinem Kreuzestod den Weg frei für jeden, der den Bund mit Gott wieder erneuern möchte. Durch seinen Kreuzestod erneuert er den Bund der Mensch mit Gott (waagrechter Kreuzbalken= das Irdische und senkrechter Balken = das Göttliche). Als Sohn Gottes hat er sich geopfert für die gottlosen Sünder und hat damit eine Versöhnung zwischen Gott und Mensch möglich gemacht. So weit – so gut.

Jetzt kommen aber die anderen Gutachter, natürlich auch gläubige Christen und verfolgen die Juden über bald 2.000 Jahre wegen der Kreuzigung Jesu auf Golgatha. Sogar oft die selben Christen, die freudig dem ersten Gutachter zustimmen würden, verfolgen nun aufgrund des selben Ereignisses die Juden (die ja bekanntlich immer noch auf ihren Messias warten) über diese ganze Zeitstrecke hinweg immer wieder. Sie werden von den frommen Christen enteignet, ghettoisiert, verbrannt, gerädert, gevierteilt, geschlagen und massenhaft z.B. in den Vernichtungslagern der Nazis ermordet und zwar – man kann es gar nicht oft genug wiederholen – auf der Grundlage eines Ereignisses, dem die Mörder und Häscher ihre eigene Religion zu verdanken haben, einem von Gott gewollten Ereignis, ohne das es gar kein Christentum geben würde!

Die beiden Interpretationen von Golgatha stehen unüberbrückbar nebeneinander, entweder ist Golgatha ein göttlicher Erlösungspakt oder er ist ein jüdisches Verbrechen, bei dem der Messias ermordet wurde und es gilt nun in der ganzen darauffolgenden Geschichte ihn zu rächen.

Aber zurück zur Schöpfungs-Story: Wenn der liebe Gott sich nicht beim Start des Universum unauffällig durch die Hintertür verabschiedet hat und jetzt einfach nicht mehr anwesend ist, man folglich auch in keinen Dialog mehr mit Ihm treten, dann ist die Sache einfach, dann hat’s der liebe Gott gut gemeint, indem er alles am Start perfekt eingerichtet hat und nur der Mensch der Döddel, der hat’s verbockt und in der Evolution aus was ursprünglich gut Gemeintem, etwas Schlechtes gemacht.

Für uns aufgeklärte, glaubenslose Humanisten ist das „sacrificium intellectus“ der katholischen Kirche genauso wie von jeder weltlichen Macht niemals hinnehmbar, wir müssen einfach immer nachfragen, denn in einer fundamental demokratischen Gesellschaft, für die die Meinungsfreiheit eines der höchsten Güter ist, kann niemand verlangen, daß man seinen kritischen Verstand quasi an der Garderobe abgibt und sich ganz einer anderen Lehrmeinung, einem Dogma unterordnet. Das ist einfach undenkbar überdies hoch gefährlich, weil es jeder Art von Totalitarismus Tür und Tor öffnet, und deshalb rundweg abzulehnen ist und zwar egal, welchen Inhalts das Dogma  ist.

Den aufgeklärten Diktator gibt es genauso wenig, wie das meinungsfrei, demokratische Dogma, es seie denn, wie manche es versuchen, man erhebt die Freiheit des Individuums selbst zum Dogma, was rein logisch aber nicht möglich ist.

Wobei gerade das Interessante dabei ist, in welch unterschiedlichen, säkularisierten Gestalten das „sacrificium intellectus“ heute daher kommt. Die Dogmen der Werbung, die den Konsumenten auf eine sehr subtile, unterbewußte Art zu einem hörigen Gläubigen machen, schrecken vor keiner Schandtat zurück.

Die Gemeinschaft der Weltkonsumenten, die keinen Gott neben sich duldet, als den Konsum, die zu konsumierende Ware, vom neuen hightech Fernseher bis zur Kreuzfahrt, hat ganz klaren religiösen Charakter. Wer nicht an Wachstum und Konsum glaubt, der wird zum verdächtigen Häretiker der Kirche des postmodernen Kapitalismus und muß verdammt werden.

Zwar werden heute die Ketzer nicht mehr verbrannt, aber Sie werden aus der Weltgemeinschaft der glückseeligen Konsumenten ausgeschlossen und müssen fern der fröhlich feiernden Massen, in der Ecke stehen und sich schämen.

Von den Wäldern lernen

Mehr ist von den Wäldern zu lernen,
als aus den Büchern.
Bäume und Felsen lehren Euch Dinge,
die ihr bei den Lehrern nicht erfahrt.

Ihr werdet mit eigenen Augen sehen,
daß sich Honig aus Steinen
und Öl aus den härtesten Felsen
gewinnen läßt.

Bernhard von Clairvaux (1090-1153)

.

Auch wenn der hl. Bernhard im engeren Sinne nicht als einer der 3 Ordensgründer des Zistersienser bezeichnet werden kann, so wird er doch von den Zistersiensern als der größte Ordensheilige verehrte. Dies ist kaum verwunderlich, denn der Orden hat ihm nicht nur seine rasche Ausbreitung zu verdanken, sondern auch die wesentlichen Züge seiner Ethik und natürlich die Grundlagen der klösterlichen Baukunst der Zisterzienser.

Aus diesen alten Geschichten ist viel zu lernen für unsere heutige Zeit, denn auch am Anfang des 12. Jahrhunderts ging es den Ordensgründern und Berhard darum, sich vom Pomp, der sich mit den Jahren im Benediktiner Kloster Cluny etabliert hatte, strikt abzusetzen und zu einem einfachen Leben, nahe der natürlichen Ressourcen zurückzufinden und natürlich mit den Formen der Natur zu bauen.

Wie es aussieht, hat der hl. Bernhard von Clairvaux doch sehr viel von den Wäldern gelernt, bevor er diese Lehren in seine Ethik und seine Vorstellungen vom Bauen übernommen hat.

Zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr davon…

Ressourcenwende

Wir tun alle so, als hätten wir noch 10 weitere Planeten in der Hinterhand und wenn wir den einen Planenten genügend ausgemostet haben, ziehen wir alle einfach zum nächsten Planeten weiter. Schöne Idee hat nur mit der Realität wenig zu tun. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, wir haben nun mal nur diesen einen Heimatplaneten und es wäre ratsam diesen so gut wie möglich zu pflegen, damit er uns noch möglichst lange versorgt und erhalten bleibt.

Wirtschaftleute gelten oft fälschlicherweise als unbeirrbare Realisten und kühle Rechner, das stimmt leider mit Ihren Taten nicht immer überein. Denn wenn sie kühle Rechner wären, hätten sie z.B. längst den ressourcenschonenden Umgang mit den reichlichen, aber leider auch endlichen Gütern, die uns der Planet zur Verfügung stellt, zur Grundlage ihres Handelns gemacht.

Luft, Wasser und Sand sind die drei meistverbrauchten Wirtschaftsgüter auf diesem Planeten und sie sind endlich, trotzdem werden diese Güter täglich so verbraucht, als wenn sie unendlich vorhanden wären, hier wäre ein sofortiges Umsteuern dringend geboten, das Konzept der Ressourcenwende in Verbindung mit einer Gemeinwohlbilanzierung trägt dem Rechnung und zeigt zudem wie man Ressourcen schonen und Gemeinwohl erhöhen kann und trotzdem wirtschaftlich – durch den Umbau der Wirtschaft in eine Dienstleistungswirtschaft – erfolgreich seien kann.

Die Voraussetzung, um den längst überfälligen Paradigmenwechsel vom nachsorgenden zum vorsorgenden Umweltschutz voranzubringen, ist neben einer möglichst umfassenden Ressourcenaufklärung, die Notwendigkeit das ökologische Denken vom Mief der letzten 200 Jahre Ideologiegeschichte zu befreit, denn wir sind leider nicht mehr in der vorteilhaften Lage uns weiter Ideologie leisten zu können.

Hier ein Beispiel: Mülltrennung war lange Jahre immer nur ein Thema von “ideologisch verbohrten Grünen” (das war jedenfalls ihr Image in der Öffentlichkeit), die mit dem Fahrrad durch die Stadt fuhren und alle möglichen Wertstoffe, vor allem Aluminium und Kupfer, gesammelt haben. Durch den Druck der Ereignisse in den letzten 40 Jahren, also vor allem der immer prekärer werdenden Ressourcenknappheit, hat sich das Thema selbst – aus der Not der Ereignisse heraus – inzwischen stark entideologisiert. Bei meinen Recherchen für ein nachhaltiges Wirtschaften bin ich z.B. auf eine  Tübinger Firma gestoßen, die einen Stör-Stoff-Sensor herstellt, den man an jedem Müllfahrzeug anbringen kann und der nach einer gewissen Zeit für eine saubere Mülltrennung bereits an der Quelle, dem Haushalt, sorgt. So etwas wäre vor 40 Jahren noch undenkbar gewesen.

Ich weiß, daß es derzeit in der Welt ganz anders aussieht und täglich dutzende von Kriegen und Kämpfen zwischen Menschen mit den absurdesten Ideologien stattfinden und auch das diese Ideologien oft nur der menschenverachtende Vorhang vor irgendwelchen Kriegen um Ressourcen sind. Das hebelt aber nicht meine Aussage aus, daß wir uns alle diese Ideologien, wenn wir auf unserem Heimatplaneten noch eine Zeit lang leben wollen, nicht länger mehr leisten können, es seie denn, wir betreiben weiterhin alle Vorkehrungen für einen kollektiven Selbstmord!

Ich kann es auch hier nur wieder betonen, der ökologische Rucksack, also das Material, das für ein Produkt, von der Wiege bis zur Bahre verbraucht wird, ist von zentraler Bedeutung. Und Unternehmen, die diese Aussage ernstnehmen, werden letztlich die eigentlichen Gewinner sein.

Gemeinwohlbilanz

Unternehmen, die eine Gemeinwohlbilanz erstellen, signalisieren Ihren Kunden und Geschäftspartnern, daß sie die Zeichen der Zeit erkannt und den längst überfälligen Paradigmenwechsel im Unternehmenszweck vollzogen haben.

Die Gemeinwohlbilanz ist das „Herzstück“ der Gemeinwohl-Ökonomie, in der nicht mehr der Finanzgewinn sondern die Mehrung des Gemeinwohls im Mittelpunkt steht. Finanz- und Gemeinwohlgewinne können sich u.U. komplett wiedersprechen, die Gemeinwohlbilanz gibt dem Unternehmen und seinen Kunden die notwendigen Werkzeuge an die Hand, um solche Widersprüche transparent zu machen. Der eigentliche Finanzgewinn dient nur noch als Mittel zum Zweck einer ökologisch nachhaltigen, sinnvollen Schaffung von Nutzwerten für Mensch und Umwelt. In dieser neuen Form der Common-Economy ist nicht mehr länger der Mensch für die Wirtschaft, sondern die Wirtschaft für den Menschen und die nachhaltige Pflege der Lebensgrundlagen auf diesem schönen blauen Planeten da.

Heute schon gültige Beziehungs- und Verfassungswerte wie z.B. Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Demokratie, werden mit Hilfe einer komplexen Bewertungsmatrix auf der Grundlage von Gemeinwohlindikatoren auf den Markt übertragen, indem sie die Wirtschaftsakteure dafür belohnt, dass sie sich human, wertschätzend, kooperativ, solidarisch, ökologisch, ressourcenschonend und demokratisch auf dem Markt und in ihren Unternehmen verhalten und diese auch entsprechend organisieren. Die Gemeinwohlwirtschaft macht die Werte der Gesellschaft – so wie sie sich in den letzten 300 Jahren entwickelt haben, zu den Werten der Wirtschaft.

Das Erstellen einer Gemeinwohlbilanz erfolgt freiwillig und ergänzt bisher die normalen Unternehmensbilanzen, damit ist sie zum einen Ausdruck des Willens eines Unternehmen sich verantwortungsvoll gegenüber der Umwelt und nachfolgenden Generationen zu verhalten und zum anderen bietet sie durch eine entsprechend zertifizierte Punktebewertung eines Unternehmens bei verantwortungsbewußten Kunden einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern, die auf eine Gemeinwohlbewertung keinen Wert legen.

Wir wissen inzwischen alle, wie wichtig in Internetzeiten die Bewertungen von Unternehmensleistungen durch ihre Kunden sind und wie stark der Erfolg eines Unternehmens von solchen Bewertungen abhängig ist.

Zukünftig wird ein Unternehmen, daß in seiner Gemeinwohlbilanz zwischen 750 und 1000 Punkte aufweist, deutlich größere Chancen auf Erfolg haben, als ein Unternehmen, daß gar keine Gemeinwohlbilanz erstellt oder nur 200 Punkte ausweisen kann.

GW-Punkte

Das Zauberwort heißt Stör-Stoff-Sensor

Lieber Freunde von ÖkoRadix,
eine Gesellschaft, die ökologisch nachhaltig wirtschaften will und bald auch muß, sollte unbedingt versuchen, alle Rohstoffe, allgemeiner formuliert alle Ressourcen, die ja par excellence die Wurzeln unseres Lebens ausmachen und die sie unserem Heimatplaneten entnimmt, um sie für ihre Zwecke zu nutzen, dauerhaft im Wirtschaftskreislauf zu halten, denn nur so können wir dem immer stärker werdenden Problem der Ressourcenknappheit Herr werden.
In diesem Zusammenhang bin ich bei meiner Jobsuche auf eine interessante Seite aus Tübingen gestoßen, die sich mit den technischen Möglichkeiten der Mülltrennung an der Quelle, also vor allem in den Haushalte beschäftigt. Die Firma stellt einen sogenannten Stör-Stoff-Sensor her, der an jedem Müllfahrzeug montiert werden kann und den Müll – ohne Zeitverzug – auf seine Inhaltsstoffe prüft.

An die Quelle der Müllentstehung heranzugehen, entspricht ganz und gar dem Paradigmenwechsel von einem nachsorgenden zu einem vorsorgenden Umweltschutz.

So perfekt, wie die Haushalte selbst, die Quellen des Mülls, ihren Müll trennen können, können hinterher, auf den Müllbergen die Weiterverarbeiter niemals – auch nicht mit den besten hightech Verfahren – den Müll trennen. Zudem kostet die Mülltrennung im Haushalt fast nichts, während bei einer nachsorgenden Mülltrennung wieder riesige Technologien zum Einsatz kommen müssen, die ja meistens auch mit einem riesigen ökologischen Rucksack daher kommen.

Über ein einfaches Belohnungssystem für korrekte Mülltrennung, lassen sich die 4 Müllsorten „Biomüll“, „Altpapier“, „Recyclebare Wertstoffe“, „Restmüll“ nahezu perfekt von einander trennen und in die unterschiedlichen Recycling-Kanäle überführen.

Natürlich kann man darüber betrübt sein, daß es derartige Systeme überhaupt braucht, daß die Menschen doch, wenn Sie sich verantwortungsvoll verhalten würden, gleich alles sauber trennen könnten ohne Kontrolle. Aber wenn sie so handeln würden, dann wäre der berühmte Satz: „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“ in der Geschichte nicht so erfolgreich gewesen.

Ich stelle Euch hier mal schematisch vor, wie das System funktioniert:

schemazeichnung-muelltrennungAuf der Homepage der Firma kann man lesen, daß schon nach kurzer Zeit und durch die Belohnung der Haushalte mit niedrigen Müllgebühren, das System funktioniert.

http://www.maier-fabris.de

Ich bin gespannt, ob sich das System durchsetzen wird!

Denkbilder der Natur

Seit langem gefallen mir die Natur und Landschaftsfotografien von Friedrich Beren ausnehmend gut, auf meinen Expeditionen zu den verlorenen Wurzeln des Lebens kommen mir seine Fotografien wie Wegmarken oder besser wie Denkbilder vor.

Naturlich wird mancher Kollege – der ein pur-Anhänger ist, die Nase rümpfen, über soviel „künstliche“ Dynamik, aber ich finde, sie unterstreicht nicht nur perfekt die Bildaussage, sondern kompensiert auch das Problem, das das innere Bild bei der  Wahrnehmung eines Motivs deutlich dynamischer ist, als das Foto, das hinterher auf dem Fotoabzug oder dem Bildschirm zu sehen ist.

Z. B. sind die inneren Bilder, die wir aus unserer Kindheit mit uns herumtragen, weitaus dynamischer als damals die Wirklichkeit war. Natürlich trägt auch der „Kitsch“ als Kunstgattung dem Rechnung, sonst würden uns die traumhaften Sonnenuntergänge auf Postkarten gar nicht so begeistern. Aber ich finde, daß Friedrich Beren hier ein supergelungene Gratwanderung zwischen Schönheit und Kitsch gelungen ist und hoffe noch viele Bilder von Ihm sehen zu können.

Heute hat er z.B. bei facebook folgendes Bild gepostet:

11025919_692251994221003_4316907879348152507_o

Mit dem Titel:
Sonnenaufgang beim Scheibelsee in Hohentauern.

Und seinem Text dazu:
Der Amateur sorgt sich um die richtige Ausrüstung, der Profi sorgt sich ums Geld und der Meister sorgt sich ums Licht.
(Georg IR B.)

Dazu ist mir folgendes eingefallen:

Der Satz ist meiner Meinung nach wahr und nicht wahr zugleich, denn er erfaßt die Bedingungen der Wahrnehmungen nicht komplex genug. Gerade bei Natur-, Garten (ZweitNatur) und Landschaftsfotografie gibt es zwei Dinge, die ich bewußt trenne und die für mich besonders wichtig sind:

Viel Geduld für das Motiv und der ruhige Blick, um die Schönheit der Dinge überhaupt wahrnehmen zu können, bzw. sie fotografisch miteinander in Beziehungen zu setzen.

Ich habe z.B. 20 Jahre lang von Berufs wegen „Gärten in England“ fotografiert, zwar um damit Geld zu verdienen, aber ich war nicht unter Druck eine Fotostrecke in den Kasten zu bekommen. Ich konnte diesen Job so machen, wie ich wollte, da ich mir damals keine Sorgen ums Geld machen mußte.

So konnte ich es mir leisten, mich bei einem Garten „Shooting“ erstmal eine Stunde auf eine möglichst gut positionierte Gartenbank zu setzen und den Ort – sowie die Lichtstimmungen – auf mich wirken zu lassen.  Bis ich die erste Kamera aus meinem Koffer auf dem Stativ hatte, waren schon 5 Reisegruppen, die mit mir gekommen waren, wieder im Bus und eilten dem nächsten Garten entgegen. Das war eine wunderbare Zeit, die so wahrscheinlich nie wieder kommt. Aber man soll ja bekanntlich nie „nie“ sagen.

Inzwischen sehe ich es überdeutlich, alles hängt letztlich für den Fotographen, der Geld verdienen will und muß, am Geld und damit am Auftraggeber! Es stimmt wirklich, der Profi sorgt sich ums Geld, aber wie soll er da zum Meister werden?
Entweder ist also ein Meister ein Hobbyfotograph – der sich ebenfalls keine Sorgen ums Geld machen muß und auch die Ausrüstungsorgien hinter sich gelassen hat, um sich ganz auf die Motive zu konzentrieren oder es ist jemand, der schon so weit im Fotobusiness aufgestiegen ist, daß er nicht mehr dem Zwang der Arbeit unterliegt und fotographieren kann soviel und so lange er will oder er ist ein Zen-Meister, für den die Grundbedingungen, um ein Meister zu werden – nämlich die Möglichkeit NEIN sagen zu können – gar nicht relevant sind, weil er diese Bedingung sowieso zu 100% hat.

Erst wenn man NEIN sagen kann, kann man auch beginnen, in ganz kleinen Schritten, sich mit dem Licht anzufreunden, bis man sein Ziel – ein Foto zu machen – ganz vergessen hat und dann jener bedeutsame Augenblick kommt, in dem man sein Foto schießt ohne geschossen zu haben.

Ich merke gerade, daß ich den alte Herriegel immer noch in meinem Unterbewußtsein mit herumtrage – vielleicht sollte ich ein Buch schreiben „Zen in der Kunst des Fotografierens“ – oder doch besser nicht, erstens gibt’s wahrscheinlich schon Dutzende davon, wenn man nur genügend recherchiert und zweitens stände dann so ein Buch zwischen mir und dem Motiv, ich könnte nicht mehr auf den Auslöser drücken und das wäre schade für mich…

Ihr könnte die Bilder von Friedrich Beren sowohl bei Facebook

http://www.facebook.com/pages/Natur-und-Landschaftsfotografie-Friedrich-Beren/454286564684215

wie auch auf seiner Homepage ansehen

http://www.berenfotografie.jimdo.com/

Viel Spaß beim Ansehen – übrigens ich kenne Herrn Beren nicht, mache also keinerlei Werbung – sondern bin einfach nur ganz ehrlich begeistert von seinen Landschaftsaufnahmen.

Meine neue Homepage zur TraumJobSuche

Liebe Freunde von ÖkoRadiX,

wie der ein oder andere von Euch bereits weiß, bin ich seit 01. Januar 2015 – zum ersten Mal in meinem Leben – in den Zustand des “Arbeitssuchenden” gefallen, daß ist eine sehr neue und eine noch sehr interessante Erfahrung für mich, denn ich erfahre hier nicht nur über mich, sondern auch über Land & Leute viel Neues.

Man kann aus jeder Situation noch etwas Sinnvolles machen und so nutze ich nun die gute Gelegenheit, um gleich auch mit einem neuen Leben zu beginnen, in letzter Konsequenz heißt das eigentlich nicht wirklich mehr, als daß ich künftig noch achtsamer mit dem „Verbraten von Lebenszeit“ umgehen möchte.

Da es mich bereits nach den ersten Erfahrungen mit Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen schon sehr verwundert hat, auf welch ärmlichen Niveau vieles stattfindet, habe ich mich entschlossen, ein gewisses Quantum an Lebenszeit in die Erstellung einer Homepage zur TraumJobSuche zu investieren.

Die Homepage ist von meiner Liebe zur Ironie bestimmt und nennt sich ganz pragmatisch: http://www.luthers-jobsuche.de

Auf der rechten Seite in meinem ÖkoRadiX Blog findet Ihr aber auch einen Button, mit dem Ihr direkt zu meiner neuen Seite kommen könnt.

Natürlich würde ich mich riesig freuen, wenn Ihr meine neue Seite mal anseht und mir einen kleinen Kommentar auf dieser neuen Seite oder per Email hinterlaßt, denn nichts ist frustrierender, als in das feedbacklose Dunkel einer anonymen Leserschaft hinein zu schreiben, ich tröste mich da eigentlich immer nur mit der “Flaschenpost-Metapher” von Theodor Lessing, die ja bekanntlich auch Theodor W. Adorno in seiner „Flaschenpost-Philosophie“ immer sehr gerne zitiert hat.

So viel mal für den Augenblick,
seid alle herzlich gegrüßt aus dem Ammertal

Euer Andreas, der mit dem „Luther“ Geschlagene

Am schmotzigen Donnerstag

MaskeNichts liegt näher, als am schmotzigen Donnerstag über den Menschen als begehrte Heimat für Parasiten zu philosophieren, und damit meine ich nicht in erster Linie die Zottelmasken der schwäbisch-alemannische Fastnacht, die sicher auch eine hervorragende Brutstätte unterschiedlichster Kleinslebewesen sind.

Glücklich wer so nette Nachbarn hat, wie wir! Das geht auch alles ganz anders, wenn man dem Polt in den Münchner Kammerspielen Glauben schenken kann – und daran habe ich gar keinen Zweifel…

Weder Nietzsche in seinem „Ecce Homo“, noch Gerhard Polt in seinem „Ekzem Homo“ muß „der Welt erklären, wer er sei, um nicht verwechselt zu werden.“

Und hier kommt schon der erste Kracher, bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleibt, ja wo denn sonst, eben typisch Polt: „Wenn ein Mensch sich als Mensch erkannt hat, ist er gut beraten, sich nicht als das zu erkennen zu geben.“

Polt und die Well-Brüdern ausm Biermoos

Wenn Gerhard Polt und die Well-Brüder aus’m Biermoos (seit der Auflösung der Biermösl Blosn am 18. Januar 2012 jetzt mit Christoph, Michael und Karli Well (statt Hans Well) besetzt) jetzt in den Münchner Kammerspielen ihre neue Revue EKZEM HOMO präsentieren, dann wird’s wieder total philosophisch: „Der Mensch an sich ist gut, aber die Leit san a Gsindl.“

Eine wunderbare Variante zu der anthropologischen Konstante: „Eigentlich bin ich ganz anders, ich komm nur so selten dazu.“ Der Mensch wird halt doch – seitdem wir schriftliche Zeugnisse von ihm haben – von allerlei ideologischem Parasitentum belagert oder wie Polt meint: „Der Mensch ist eigentlich ein Zwischenwirt, eine Heimat für Parasiten, Viren, Bazillen, Versicherungen, Geschäftsleute, Beerdigungsinstitute, Waffenhändler, ein Biotop für Religionen und Fußpilze.“ Um grübelnd anzufügen: „Wer ist Wir? Ich jedenfalls nicht! Wir – das sind die anderen.“

poltIn der neuen, satirischen Revue gibt Polt den renitenten Rentner Brezner (der in ungesunder Nachbarschaft zu den drei Well-Brüdern auf der einen und einem gewissen Herrn Merki auf der anderen Seite des Lattenzauns lebt) den Motzer und Moserer vor dem Herrn, halt so wie man das von ihm seit Jahrzehnten kennt. Tür an Tür, Vorgarten an Vorgarten muß er mit dem Gesocks, mit den „Grattlern“ leben, was bleibt ihm da übrig, erst muß er den Nachbarn mit der Grillverordnung kommen, später setzt er eine Drohne ein und am Ende mäht er den Nachbarn Merki mit einer Holz-Kalaschnikow nieder. Merki hatte das schon befürchtet: „Um einen anderen umzubringen, muss man ja nicht zwangsläufig religiös sein.“

Der Satz sagt mehr als 1000 Bücher, es ist eben nicht DIE RELIGION, es ist DER MENSCH! dieses kurze Aufflackern um Mitternacht (wenn man die Angelegenheit mal geschichtlich, also so im Rahmen von 4 Milliarden Jahren in Form von einem Jahr betrachten möchte: Bis die erste Sekunde nach Mitternacht um ist, ist diese Fehlentwicklung der Evolution, den man gemeinhin als Mensch, als Homo sapiens bezeichnet, anstatt als Homo demens, schon wieder Vergangenheit).

Oder wie Jean-Paul Sartre es 1944 in seinem Drama Geschlossene Gesellschaft, treffend bemerkte: „Die Hölle, das sind die anderen.“

Der Nachbarschaftsstreit, nach dem Motto: Wir, dass bin nicht ich, das sind die anderen gibt den losen Rahmen für eine Abfolge von satirischen Nummern ab, die insgesamt mehr Kabarett als ein Stück sind. Diese Anderen sind vor allem Anwohner, Anrainer, Mitbürger, Asylsuchende, kurz: Mitmenschen. Man könnte sie aber auch Nachbarn nennen. Direkte, indirekte, europäische, religiöse.
Aber auch: Nachbarskinder, Nachbarsgoldfische, Nachbarsgrillmeister und Nachbarslaubbooster.
Wer lebt, stört, und wer im engsten oder weitesten Sinne nebenan lebt, stört empfindlich.
Polt gibt in diesem Kabarett den salbadernden Demokratler, den findigen Mehrwertssteuertrickser, den indischen Aushilfspfarrer in der oberbayerischen Diaspora: Das ist ganz, ganz große Kleinkunst, wie Polt das nennt.

Polt in der Badewanne

Hinreißend, wie Polt den Miesbacher Ex-Landrat Jakob Kreidl imitiert: Als spätrömischen Dekadenzler in der Badewanne versucht er das Abendland z.B. gegen den Islam zu retten, in dem er fordert:
„Schweinsbraten für die Welt“.

Die Well-Brüder, wie gesagt seit 2012 ohne ihren großen Bruder Hans, begeistern mit gewohnter Meisterschaft auf allen möglichen Instrumenten, die sie schneller wechseln, als andere ihr Bühnenoutfit. Vom Dudelsack über die Quetsche, von der Drehleier und der Bachtrompete bis hin zu Harfe und Kontrabass ist jedes erdenkliche Instrument dabei.

Die Szene mit der Mülltonne des Nachbarn hat mich sofort an Samuel Becketts „Endspiel“ erinnert und ich dachte, daß mir die Absurdität der Existenz in der Polt’schen Version doch besser gefällt als in der Beckett’schen …

EkzemHomo_120

Wer mal auf eine Weißwurst und eine Halbe Weißbier in München vorbeikommt, kann vielleicht noch eine der heiß begehrten Karten für das Kabarett  in den Münchner Kammerspielen ergattern.

Auf Youtube habe ich einen kleinen 5 Minuten Beitrag zum neuen Kabarett gefunden, vielleicht macht es Euch Spaß, diesen mal zunächst anzusehen:

https://www.youtube.com/watch?v=ZWkC4Ly6rTE

p.s. Die Fotos stammen übrigens von  Andrea Huber und Hans Kopp, ich hoffe, sie verzeihen mir, daß ich sie benutzt, bzw. verändert habe, um etwas Werbung für diese wunderbaren Menschen zu machen, auch wenn sie natürlich gar keine Werbung mehr brauchen, weil sie längst zu einer allgemein bekannten Institution geworden sind …

TTIP muß verhindert werden!

http://www.youtube.com/watch?x-yt-ts=1422503916&v=iM-HqL4oSVc&x-yt-cl=85027636

Die EU-Kommission verweigert eine offizielle Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA. Gleichzeitig werden die Geheimverhandlungen zu den beiden Abkommen weiter von Unternehmenslobbyisten dominiert. Von den Inhalten der Abkommen gehen zudem Gefahren für die Demokratie aus. Bitte unterstützt alle die selbstorganisierte Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA:

Hier geht’s zur Unterschrift!

Je suis Charlie und der wahre Islam

je-suis-charlie

Um den Propheten „Mohammed“ zu ‚verteidigen‘, wurde am 7. Januar 2015 auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris ein Anschlag verübt, bei dem 12 Menschen getötet und viele weitere verletzt wurden.

Millionen von Menschen haben inzwischen Ihr Migefühl mit den Opfern und ihren Familie sowie ihre Solidarität und ihr Einstehen für die Errungenschaften einer modernen, aufgeklärten Zivilisation, mit Menschenwürde, Demokratie und Toleranz, durch das Hochhalten des obigen Banners (dtsch. „Ich bin Charlie“) in Schweigemärschen und Demonstrationen etc. zum Ausdruck gebracht.

In diesen Tagen bekommen die Worte Karl Poppers wieder ungeheure Bedeutung: „Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“

Nun ist die politisch korrekte, europäische Lesart die, daß es sich um einen grundsätzlich verabscheuungswürdigen Terrorakt von verblendeten Terroristen handelt, der mit dem wahren Islam nichts zu tun hat.

Diese Herangehensweise hilft im Sinne Poppers nicht wirklich weiter, so wie man sich über Jahrhunderte – vor allem in den letzten 300 Jahren der Aufklärung – mit den anderen abrahamitischen Religionen, wie z.B. dem Christentum historisch kritisch und vor allem aufklärerisch auseinander gesetzt hat, z.B. mit dem Ergebnis der Menschenrechtscharta, wie sie von den Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 im Palais de Chaillot in Paris erklärt wurde, so ist man – egal in welchem Land auf diesem Planeten man lebt – dazu verpflichtet, die Lehren des Islam unter dem Blickwinkel der Menschenwürde und der Toleranz zu betrachten.

Meinungs- und Pressefreiheit sind ein hohes Gut, das mit viel Blutzoll und Vernichtung in den letzten Jahrhunderten der Aufklärung erstritten wurde. Wenn es etwas gibt, was bindend für die gesamte ‚Zivilisation‘ auf diesem Planeten sein sollte, dann ist es die grundsätzliche Bereitschaft zum Diskurs!

Viele Menschen – auch Muslime – fragen sich in zunehmendem Maße,  kann es dieses Konstrukt eines wahren Islam wirklich geben. Man kann es nur immer und immer wieder betonen, wenn man im Sinne der Aufklärung philosophisch logisch an diese Fragestellung herangeht, dann kann es immer nur historisch kontextual bedingte Wahrheitskonstrukte geben.
Für einen zeitlich übergeordneten Gott, der sich im Koran und durch den Propheten geoffenbart hat, der nicht hinterfragbar sein darf, ist keine wissenschaftlich fundierbare Evidenz herzustellen.

Wenn wir also von DEM ISLAM sprechen, dann müssen wir wissenschaftlich korrekt eigentlich sagen, der Islam ist die Gesamtheit aller gegenwärtig möglichen Varianten mit und durch den Islam zu leben. Wenn also jemand aufgrund der Vorbildfunktion des Propheten und seiner klaren Anweisungen die Berechtigung sieht, jemand der nicht an den Propheten zu glauben vermag, zu ermorden, dann gibt es keine übergeordnete Instanz im Islam, die sagen könnte, diese Verhaltensweise gehört nicht zum Islam, er kann lediglich mit anderen Textbeispielen eine andere Interpretation des Islam geben.

Jenseits der wissenschaftlichen Fragestellungen nach der Grundlegung und den Stiftern einer Religion, ist eine Religion zwangsläufig immer historisch vermittelt durch die Menschen, die diese Religion in der Gegenwart leben und zwar so leben, daß auch Außenstehende in eine Wechselwirkung mit diesem Ausleben geraten können. Damit ist aber die stumme Masse, die sich in der Gesellschaft, in der sie lebt, nicht artikuliert, auch nicht wirklich vorhanden, die aber, die sich im Namen ihrer Religion – und sei es durch Terrorakte – artikulieren, die werden in der Wahrnehmung mit dieser Religion gleichgesetzt. Wenn also Menschen, die zur stummen Masse von Mitgliedern einer Religion gehören, nicht wollen, daß Ihre Religion so wahrgenommen wird, wie es durch radikale Minderheiten passiert, dann muß die stumme Masse endweder durch eigenes Verhalten die öffentliche Wahrnehmung ihrer Religion verändern oder aber sich entscheiden, ihrer Religion den Rücken zu kehren.

Mit wahrem und falschem Islam kommt man wie bei allen religiösen Texten eigentlich nie weiter. Denn da der Umgang mit dem Koran und dem Propheten wie bei allen anderen religiösen Texten zwingend historisch-kritisch zu erfolgen hat, gerät man bei dem Versuch einer überzeitlichen, eineindeutig verbindlichen Interpretation immer in eine Sackgasse. Eine verbindliche Orthodoxie der buchstabengetreuen Interpretation, wie sie z.B. Muslime der sunnitischen Richtung versuchen, ist meiner Meinung nach eine logische Unmöglichkeit.

Weil es diese überzeitliche, geoffenbarte Wahrheit einfach nicht gibt, hat man nicht umsonst in den letzten Jahrhunderten zum Wohle der Menschen die strickte Trennung von Staat und Religionen, sowie die Religionsfreiheit des einzelnen Menschen im Private – zum großen Teil auch gegen den erbitterten Widerstand der Religionen – erstritten, keineswegs darf nun die Religionsfreiheit, die in unserer Verfassung verankert ist, dahingehend mißbraucht werden, daß sie als Schutzschild für Menschen eingesetzt wird, die demokratische Grundregeln und Toleranz- Grundsätze mißachten (siehe das Popper-Zitat oben).

Wer sich weiter zu diesem Thema informieren möchte, dem kann ich nur wärmstens die folgende Sendung im schweizer Fernsehen empfehlen. In der Sendereihe „Sternstunde Religion“ diskutiert der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad mit dem Islamwissenschaftler Prof. Mouhanad Khorchide von der Universität Münster, ob der Islam von seinen Grundlagen und zentralen Texten her eine barmherzige Religion oder eine faschistische Ideologie ist.

Wer sich eine Stunde Zeit nimmt und sich das seriös geführte und großenteils ruhig verlaufende Gespräch zwischen diesen beiden Islamkennern anhört, kann sich selbst auf einer vernünftigen Basis eine Meinung und Haltung zu den gegenwärtigen Problemen und Fragestellungen bilden.

Wie  schon Voltaire sagte: „Man kann die Menschen zur Vernunft bringen, indem man sie dazu verleitet, daß sie selbst denken.“

Gelesen im „MorgenBlatt des deutschen Waldes“

Anläßlich einer Neujahrs-Tagung mit dem Thema „Ökonomie kontra Ökologie?“ freuen wir uns, hier ein Interview abzudrucken, das wir am Rande der Tagung mit Herrn Dr. Mayer-Wabach führen konnten. Mayer-Wabach gilt als Vordenker einer postmodernen, ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Von diesem Denkansatz aus kritisiert er auch immer wieder den Umgang mit dem deutschen Wald. Das Interview führte unser Redakteur, Herr Müller, am 6. Januar 2015.Till_auf_dem_Harvester

Herr Müller: Zum Jahresauftakt 2015 darf ich Sie, Herr Dr. Mayer-Wabach, ganz herzlich in unserer Redaktion begrüßen. Herr Dr. Mayer-Wabach, Sie gelten als Kritiker ‚unseres‘ Umgangs mit dem deutschen Wald, gleichzeitig eilt Ihnen der Ruf voraus, ein Vordenker einer postmodernen, ökologisch-sozialen Marktwirtschaft zu sein.
Können Sie unseren Lesern etwas darüber verraten, was Sie an unserem Umgang mit dem Wald kritisiieren und wie Sie sich eine neue, eine andere Waldwirtschaft vorstellen würden. Sie sagen ja  immer wieder, wir machen schon vom Prinzip her vieles falsch – aber falls wir wirklich etwas falsch machen sollten, wie könnten wir es denn Ihrer Meinung nach besser machen?

Herr Dr. Mayer-Wabach:  Ja Herr Müller, die Antwort auf ihre Frage ist vom Prinzip her erstmal ganz einfach. Wie alles auf unserem „Heimatplaneten Erde“ ist auch der Wald inzwischen zu einem reinen Wirtschaftsraum geworden, über den ausschließlich Zahlen noch etwas Objektives auszusagen scheinen. Aber mit den Zahlen ist es wie mit der Technik insgesamt, ursprünglich entwickelt, um dem Menschen zu dienen, dient der Mensch und der Wald inzwischen den Zahlen und der Technik.

Herr Müller: Ein interessanter Ansatz Herr Mayer-Wabach, aber können Sie das für unsere Leser noch etwas näher und wenn möglich auch anschaulicher erläutern.

Herr Dr. Mayer-Wabach: Selbstverständlich – ich gebe ihnen gerne ein Beispiel. Über Jahrhunderte haben Holzhauer und Holzrücker unter schwerer körperlicher Arbeit das Holz für die unterschiedlichen menschlichen Bedürfnisse aus dem Wald geholt und es den Menschen bereitgestellt, der Wert des Holzes bemaß sich dabei nach der Häufigkeit seines Vorkommens, der Nachfrage und nach den Methoden der Holzernte.
Mit der industriellen Revolution und der Umstellung von Holz- auf Steinkohle ergaben sich einige Änderungen für die Holzwirtschaft und das Problem des Abtransports wurde neu überdacht, in dieser Zeit gab es – so um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert – einen genialen Erfinder mit Namen Franz Rummelburg, er war Österreicher, stammte aus einer alteingesessenen Försterfamilie und war selbst natürlich auch Förster.
Franz Rummelburg beobachtete die Natur sehr genau und er erfand aufgrund seiner Beobachtungen – vor allem von Gebirgsbächen – schließlich um 1918 eine geniale Wasserrutsche für den Abtransport von geschlagenen Bäumen der Bergwälder ins Tal. Sein von ihm patentiertes Transportsystem war so kostengünstig und so erfolgreich, daß Franz Rummelburg sehr schnell erkannte, daß ihm diese Erfindung nach heutigem Maßstab ein Millionenvermögen bescheren würde.
Trotzdem entschied er sich – ebenfalls sehr schnell – auf dieses Vermögen bewußt zu verzichten und keine weiteren Wasserrutschen mehr zu bauen, um die katastrophalen Folgen, die sein schnelles und kostengünstiges Transportsystem für seinen geliebten Wald haben würde, abzuwenden.

Herr Müller: Sehr schöne Geschichte Herr Mayer-Wabach, aber was hat diese hundert Jahre alte Geschichte mit unserem heutigen Umgang mit dem Wald zu tun?

Herr Dr. Mayer-Wabach: Nun Herr Müller aus dieser Geschichte ist beinahe alles für unseren heutigen Umgang mit dem Wald zu lernen. Wir können die Geschichte der Wasserrutsche von Herrn Rummelburg quasi wie ein Gleichnis verstehen.

Zu aller erst können wir daran lernen, daß wir immer eine Wahl haben, wir sind nicht gezwungen  – außer vielleicht von uns selbst – uns hemmungs- und bedingungslos unserer Gier nach immer mehr Geld und Wohlstand zu unterwerfen. Ein wichtiger Punkt ist, Herr Rummelburg und seine Familie konnten behaglich leben, so wie es die meisten von uns auch noch können, ein schöner und intakter Wald war ihm wichtiger, als ein riesiges Vermögen, er hat einfach andere Prioritäten in seinem Leben gesetzt, andere Werte waren ihm wichtiger als Geld! Er hat sein Lebensglück nicht an der Menge Geld gemessen, die er besaß, sondern an der Intaktheit der Natur und des Waldes.

Was wir als nächstes lernen können, ist etwas über das Eigenleben, das unsere Erfindungen beginnen, sobald sie in der Welt sind. Was Franz Rummelburg zunächst nur aus der Not, die ja bekanntlich erfinderisch macht, ersonnen hatte, nämlich möglichst schnell Windbruch vom Berg ins Tal zu transportieren, wurde ganz schnell nur noch nach seinem wirtschaftlichen Nutzen beurteilt. Niemand der potentiellen Auftraggeber hat in der Erfindung Rummelburgs mehr gesehen, als ein kostengünstiges Transportsystem, um ganz schnell riesige Mengen an geschlagenen Bäumen aus dem Wald herauszuholen. Ob das für den Wald, wir würden heute sagen, für das intakte Ökosystem „Wald“ sinnvoll ist oder nicht, hat niemanden – außer den Erfinder selbst – interessiert. Und der hat – zum Entsetzen aller Auftraggeber mit ihren goldfunkelnden Augen – sich verweigert und da er, im Unterschied zu allen anderen, viel genauer die Natur beobachtet hatte und aufgrund seiner genauen Beobachtungen seine Erfindung so erfolgreich war, war es für andere nicht möglich seine Erfindung einfach nachzubauen und die Idee der Wasserrutsche als Transportsystem verschwand wieder ganz schnell von der Bildfläche.

Herr Müller: Alles schön und gut, Herr Dr. Mayer-Wabach, aber wir haben heute keine einzelnen, kautzigen Erfinder mehr, wir haben einen riesigen Markt, der bedient werden will und schließlich müssen wir doch auch an die vielen Arbeitsplätze denken, die es zu sichern gilt.

Herr Dr. Mayer-Wabach: Stimmt, heute haben wir keinen einzelnen Erfinder mehr, der sich dem Markt verweigern kann, sondern multinationale Konzerne mit millionenschweren Entwicklungsabteilungen, die sich der Wirtschaft und dem Markt niemals verweigern würden, die nur einen Aspekt kennen, daß die Wirtschaft und damit die Profitmaximierung funktioniert. Und weil das so ist, gibt es heute auch niemand mehr, der den Harvester, den Holzvollernter mehr in der Schublade verschwinden läßt, man will doch seinen „return on invest“ und außerdem kann der Harvester doch auch alles viel besser als wir Menschen, er fällt die Bäume sauber und super schnell, entastet die Stämme, zerkleinert die Äste zu Hackschnitzeln und legt die Stämme in den Rückgassen, die er natürlich unbedingt in großer Zahl benötigt, zum Abtransport mit dem Forwarder ab.

Herr Müller: Sie sagen es doch jetzt sogar selbst, der Harvester hilft doch nur den Menschen, er macht ihr Leben einfacher, er senkt die Unfallrisiken, und …

Herr Dr. Mayer-Wabach: … ermöglicht sogar sechs von sieben Waldarbeitern sich in Ihrer Arbeitslosigkeit selbst zu verwirklichen, statt hart im Wald zu arbeiten

Herr Müller: Das ist natürlich bedauerlich, ein gewisser Kollateralschaden, das man immer weniger Waldarbeiter braucht, aber die sind dann ja auch freigesetzt, um was anderes, sinnvolles in ihrem Leben zu machen und schließlich und endlich, was hätte man auch machen sollen bei der schnellen Aufarbeitung des riesigen Windbruchs z.B. der Orkane „Vivian“, „Wiebke“, „Kyrill“ und wie sie alle hießen und aufgrund des Klimawandels noch heißen werden.

Herr Dr. Mayer-Wabach:  Aber Herr Müller, ist denn unser Wald unser Wohnzimmer, daß wir schnell wieder aufräumen müssen, wenn ein Sturm mit heftigem Regen durch ein vergessenes, offenes Fenster jede Menge Bruch und Wasserschaden angerichtet hat? Ich möchte mal an dieser Stelle ganz klar festhalten: Wir mußten nicht ganz schnell aufräumen, sondern wir wollten ganz schnell aufräumen. Wir sind schon in unserer Sprache unehrlich, wenn wir WOLLEN mit MÜSSEN vertauschen.
Viel wäre doch schon gewonnen, wenn wir wenigstens anfang würden, ehrlich zu sein bzw. wenigstens ehrlicher zu formulieren, wir müssen nicht den Harvester einsetzen, sondern wir wollen den Harvester einsetzen und wir nehmen es billigend in Kauf, daß wir mit dem System der Rückegassen, die der Harvester dringend benötigt, den Waldboden zerstören und nicht weil wir leider den Waldboden zerstören müssen sondern weil wir den Waldboden zerstören wollen, weil für uns andere Kriterien wichtiger sind, denn alles was wir sehen und billigend in Kauf nehmen, das wollen wir auch, weil wir verschiedenen Aspekte gegeneinander abwägen und uns immer wieder und immer mehr nach den Kriterien einer reibungslos funktionierenden Wirtschaft richten, die brummen muß, damit wir glücklich sein können.

Aber was ist eine „funktionierende Wirtschaft“, eine funktionierende Wirtschaft klingt wie ein völlig von uns und unserer Gesellschaft abgekoppeltes Gebilde, quasi wie ein Naturgesetz, gegen das wir nichts tun können, das seine eigenen Systeme und Funktionsweisen fern des Menschen hat und nach denen wir uns richten müssen, wenn wir überleben wollen. Aber ich sage es Ihnen ganz klar und deutlich, DIE WIRTSCHAFT GIBT ES NICHT, es mag trivial klingen, ist aber der Dreh- und Angelpunkt unserer Zukunft. Wir müssen uns immer wieder klarmachen, die Wirtschaft funktioniert (oder funktioniert für manche auch nicht) genau so wie wir es WOLLEN. Wir alle sind diejenigen, die die Prämissen vorgeben und wenn wir wollen, daß die Wirtschaft funktioniert, dann müssen wir erstmal sagen, was für uns „funktionieren“ bedeutet. Ich sag es mal ganz plakativ, für mich bedeutet eine funktionierende Wirtschaft der Zukunft sicher nicht, auf dem Weg der seelenlosen Optimierung und Profitmaximierung so weiterzugehen, wie bisher, wir sollten langsam etwas anderes Wollen wie bisher.

Herr Müller: Herr Mayer-Wabach lassen sie uns nochmal auf Ihre Kritik an unserem Umgang mit dem Wald zurückkommen. Was ist so schlecht daran, daß wir es uns als Menschen einfacher machen, daß wir nicht mehr im Schweiße unseres Angesichts die Bäume aus dem Wald holen müssen, sondern bequem mit einem klimatisierten Harvester und Forwarder

Herr Dr. Mayer-Wabach:  Nicht der Harvester ist unser bewußtloser Sklave, der unser Leben einfacher macht, sondern wir sind die bewußtlosen Sklaven des Harvesters, dessen endloser Gier nach immer mehr Holz wir uns zu fügen haben, denn schließlich muß der Einsatz des Harvesters das Geld für die Rohstoffe, aus denen er gefertigt wird, verdienen, er muß für den Hersteller verdienen, er muß für den Waldbesitzer verdienen, er muß für den Dienstleister verdienen, dann muß natürlich auch der Holzverarbeiter durch günstige Einkaufspreise verdienen und der Konsument muß am Ende der Kette ja auch durch einen möglichst niedrigen Preis verdienen – und wie soll das gehen? Ganz einfach nach dem Grundsatz erfahrener Bankrotteure: „Am Baum machen wir Verlust – aber die Masse macht’s“. Aber Spaß beiseite, der Einsatz von immer aufwendigerer Technik – also auch immer teurer Technik, wir sprechen hier bei Grundausstattungen auch mal von Millionenbeträgen – macht eine entsprechende Menge von Holzeinschlag zwingend notwendig. Der Harvester-Einsatz wird in der Regel nach Leistung, also nach Festmetern bezahlt und mit 10 Festmetern am Tag können Sie keine Investitionen von mehreren hunderttausend Euro finanzieren. Da liegt es auf der Hand, das Maximum, was so ein Harvester und sein nachgeschalteter Forwarder kann, also nicht nur 60 oder 80 Festmeter sondern auch gerne mal 300 Festmeter am Tag rauszuholen.

Herr Müller: Aber ist es nicht zumindest in Deutschland inzwischen geregelt, daß nicht mehr Holz pro Jahr aus dem Wald geholt werden darf, als auch in einem Jahr nachwächst? Da werden die Forstverwaltungen doch sicher genau vorgeben, wieviel Holz geerntet werden darf.

Herr Dr. Mayer-Wabach:  Theoretisch ja – praktisch nein! Der größte Teil der Holzernte wird in Deutschland von Dienstleistungsunternehmen ausgeführt und noch dazu von solchen, die bei europäisch vorgeschriebenen Vergabeverfahren ihre Leistung am günstigsten angeboten haben, hier geht eine Schere auf, wenn ich mit großen Investitionen, große Mengen schnell bewältigen kann, dann kann ich diese Mengen günstig anbieten, aber was ist dann mit kleinen Mengen? Da liegt es doch auch auf der Hand, Vorbedingungen für den Einschlag so zu „gestalten“, daß entsprechende Mengen, die der Harvester braucht, auch geerntet werden können – ökologische Erwägungen müssen dann zwangsläufig nachstehen, wenn man als Auftraggeber – der in der Regel die Forstverwaltung von Ländern und Gemeinden ist – nicht möchte, daß die beauftragten Dienstleister mit ihren immer gößer werdenden Maschinenparks reihenweise in die Pleite gehen.

Herr Müller: Könnte man – wenn dem wirklich so ist, wie Sie behaupten – das Vergütungsverfahren ändern oder muß man dann einfach auf modernste Technik verzichten, wenn man nicht genug erntereife Holzmengen zusammenbringt?

Herr Dr. Mayer-Wabach:  Ja und Nein! Wir müssen ja nicht nur den jedes Jahr nachwachsenden Holzmengen Rechnung tragen, wir müssen ja auch dafür sorgen, daß wir ein ökologisch funktionierendes System „Wald“ erhalten und dazu gehören nun einmal nicht nur die richtigen Bäume in einer richtigen Anzahl und Mischung, dazu gehört zu allererst auch mal ein ökologisch intakter Boden, denn ohne intakten Waldboden, kein intakter Wald. Hier ist natürlich die Versuchung aller Beteiligten sehr groß, den Weg immer perfekterer Technik – sprich immer größerer Investitionen – zu gehen.
Selbst wenn kein Einsehen in ökologische Notwendigkeiten besteht, so ist das Interesse der weltweit agierenden Maschinenhersteller doch sehr groß auf alle Wünsche von Forstbetrieben einzugehen, denn das bedeutet Umsatz und Wachstum und noch will niemand dieses goldene Kalb des Kapitalismus schlachten.
Und damit schließt sich auch wieder der Kreis, denn wir sind wieder beim WOLLEN angekommen. Wollen wir wirklich auf dieser Einbahnstraße der Naturzerstörung für schnelle Profite weitergehen oder sagen wir einfach STOPP!

Herr Müller: Wie soll das in der Praxis funktionieren?

Herr Dr. Mayer-Wabach:  Wir könnten uns den Erfordernissen der Natur überlassen, wir könnten das Leben in Harmonie und Gleichklang mit der Natur wieder als Wert anerkennen lernen – wir nehmen, was uns die Natur in reichlichem Maße gibt, aber kein Stück mehr. Wir geben uns den Grundsatz, so im Wald vorzugehen, daß nach unserem Eingreifen und Ernten im Wald niemand sieht, daß wir da waren und zwar nicht durch ausgeklügelte Kosmetik (nach dem Motto: Wir schütten zerstörte Rückegassen einfach oberflächlich zu und streuen Laub darüber!) sondern durch ehrliches, moralisch anständiges Verhalten und wenn durch dieses Verhalten der Holzpreis um 50 bis 100% steigt, dann sagen wir, das ist genau das, was wir wollen, denn wenn wir auf diesem Planeten eine Zukunft haben wollen, dann müssen die Preise, die wir für unser Holz ansetzen, nicht nur die ökonomische, sondern auch die ökologische Wahrheit sagen, so wie es Ernst Ulrich von Weizsäcker vorgeschlagen hat. Und zur ökologischen Wahrheit gehört der „ökologische Rucksack“, den all unsere Aktionen auf diesem Planeten tragen, von der Wiege bis zur Bahre!

Herr Müller:  Ein schönes Schlußwort Herr Dr. Mayer-Wabach. Wir müssen jetzt leider unser Gespräch beenden – ich bedanke mich für ihre Ausführungen, wenn gleich ich ehrlich zugeben muß, daß ich Ihre Thesen doch für sehr überzogen und an vielen Stellen sogar für – gestatten sie mir das Wort – weltfremd halte. Ich bin im Unterschied zu Ihnen doch der Meinung, daß wir nach wie vor am besten auf einen funktionsfähigen, brummenden Markt und eine ungebremste  Weiterentwicklung der Technik zum Wohle des Menschen auch in Zukunft vertrauen sollten. Meinen Sie nicht auch?

Was ist Ressourcenaufklärung?

Zivilisationsmüll_01
Um den Paradigmenwechsel vom nachsorgenden zum vorsorgenden Umweltschutz vernünftig voranzubringen, ist zunächst und vor allem anderen  eine umfassende Ressourcenaufklärung notwendig.

Ressourcenaufklärung ist der Ausgang von uns Menschen aus unserer selbst verschuldeten, unmündigen Naturzerstörung. Unmündig ist diese Naturzerstörung deshalb, weil wir uns beständig – bewußt oder unbewußt – weigern, selbst für diese Zerstörung die Verantwortung zu übernehmen und nicht bereit sind, ohne Leitung übergeordneter Autoritäten aus Wirtschaft und Politik uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Naturzerstörung deshalb, weil es uns als Menschen nicht am Verstand, sondern am Mut und der nachdrücklichen Entschließung mangelt.

Zivilisationsmüll_03
Der Wahlspruch muß also immer noch  lauten: „Sapere aude!“ Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, dich über das Maß der Naturzerstörung zu informieren und dich zu widersetzen, wenn Dir jemand sagt, daß der Wohlstand aller am Wachstum der Produktmengen hängt und gleichzeitig verschweigt, daß dein Ticket für den Wachstumszug dich direkt in den Abgrund befördert.

Habe Mut zu verlangen, daß dir bei jedem Produkt, was du kaufen und damit auch Deine Lebenszeit dafür hingeben sollst, gesagt wird, mit welchem katastrophalen Ressourcenverbrauch dieses Produkt verbunden ist, damit Du selbst, mit deinem Verstand und deinem Verantwortungsbewußtsein entscheiden kannst, ob dir der Nutzen, den dieses oder jenes Produkt Dir verheißt, den Grad an Ressourcenverschwendung wert ist, mit dem es hergestellt wurde und von dir nun mit weiterer Ressourcenverschwendung betrieben werden muß.

Zivilisationsmüll_02

Tiefenökologie in 8 Punkten

1. Das Wohlsein und Sich-entfalten-Können des menschlichen und des nichtmenschlichen Lebens auf der Erde haben einen Wert in sich selbst. Dieser Eigenwert ist unabhängig von der Nützlichkeit der Natur für menschliche Zwecke.

2. Der Reichtum und die Vielfalt der Lebensformen tragen zur Verwirklichung dieser Werte bei und sind ebenfalls als Wert an sich anzusehen.

3. Menschen haben kein Recht, diesen Reichtum und diese Vielfalt zu verringern, außer um ihre überlebensnotwendigen Bedürfnisse zu befriedigen.

4. Die gegenwärtigen Eingriffe in die nichtmenschliche Welt durch den Menschen sind übermächtig schädigend, und die Situation verschlechtert sich zunehmend immer schneller.

5. Das Wohlsein des Menschen und seiner Kulturen und das Überleben der nichtmenschlichen Daseinsformen setzt einen deutlichen Rückgang der Weltbevölkerung voraus.

6. Für eine tiefgreifende Verbesserung der Überlebensbedingungen sind politische Änderungen nötig. Die bevölkerungspolitischen Instrumente beispielsweise müssen sich ändern.
Änderungen beziehen sich ferner auf grundlegende ökonomische, technische und ideelle Strukturen. Der sich hieraus ergebende Zustand gesellschaftlichen Zusammenlebens wird sich fundamental von dem gegenwärtigen unterscheiden.

7. Der geistige Wandel bezieht sich hauptsächlich auf die Wertschätzung von Lebensqualität (also auf die Wahrnehmung von Situationen mit innerem Wert) und nicht länger mehr auf steigenden Lebensstandard. Es wird sich ein tragendes Bewußtsein des Unterschiedes zwischen Menge und Güte entwickeln.

8. Diejenigen, die die genannten Punkte befürworten, gehen damit gleichzeitig eine direkte oder indirekte Verpflichtung ein, an dem Versuch teilzunehmen, die nötigen Veränderungen durchzusetzen.

Arne Naess / George Sessions (zit. nach Tiefenökologie / 1995)

Ein Siegel für den Ökologischen Fußabdruck!

fussabdruckJede Sekunde, jeder Augenblick in unserem Leben kommt in unserem Leben genau EINMAL vor. Wären wir uns ständig dieser verstörenden Einsicht bewußt, würden wir kaum lebensfähig sein. Deshalb spalten wir diese Einsicht in unserer Psyche ab, maskieren und tabuisieren sie durch die Vorstellung einer endlosen Wiederholbarkeit unserer Lebenszeiteinheiten.

Der Wahlspruch „Carpe diem“ des Dichters Horaz aus dem letzten vorchristlichen Jahrhundert trägt zwar der Einmaligkeit jedes Augenblicks Rechnung, ist aber in unserer Gegenwartskultur vollkommen degeneriert zum Aufruf nach einem 24 Stunden Daueraktivismus, der das Leben randvoll kippen soll mit tausenderlei Ereignissen, denn nur Events machen nach dieser Vorstellung das Leben sinnvoll.

Nun im systemischen Spannungsfeld dieser beiden Aspekte der Verdrängung einerseits und der Daueraktivität anderseits bewegt sich auch die gesamte Ressourcen-Verbrauchs-Problematik.
Warum? In unserem Leben verhalten wir uns beim Verbrauch von Lebenszeit oft so, als wäre sie ewig, obwohl niemand ensthaft bestreiten kann, daß sie endlich ist. Beim Ressourcenverbrauch gehen wir ähnlich vor, obwohl der größte Teil der Ressourcen, die wir verbrauchen, endlich ist, verhalten wir uns so, also vor allem unsere produzierende Wirtschaft, als wären unsere Ressourcen auf diesem Planeten unendlich.

Es gehört zur Tragik unserer menschlichen Gesellschaft, daß Sie immer wieder und vielleicht auch final an den einfachen Wahrheiten scheitert. In seinem 420 Seiten Umweltgutachten von 2012 erläutert der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen in aller ihm möglichen Ausführlichkeit die ökologische Begrenzungsmarken, die die Wirtschaft einhalten müßte, wenn sie nachhaltig operieren würde, so heißt es auf Seite 33 /Punkt 41 summarisch:
„Die Ökonomie in ihren stofflichen Dimensionen zehrt von „Größen“, die sie nicht selbst produzieren, sondern nur verbrauchen kann. Das ökonomische System muss sich daher im Rahmen der Reproduktionskapazität der Natur bewegen. Nachhaltigkeit bedeutet, sich innerhalb der damit gegebenen ökologischen Grenzen zu bewegen.“

Auch bekennt sich der Sachverständigenrat „zum Konzept der starken Nachhaltigkeit, er hält die Substituierbarkeit von Naturkapital durch andere Kapitalformen nur in engen Grenzen für möglich. Die Erhaltung der ökologischen Tragfähigkeit verlangt, dass Abwägungsentscheidungen zwischen verschiedenen Nachhaltigkeitszielen innerhalb eines gesetzten ökologischen Rahmens getroffen werden müssen.“ Man könnte auch sagen, Geld kann man nicht essen und die Luft zum Atmen ist letztlich auch keine Frage des Bankkontos (höchstens temporär!)

Wenn wir als Verbraucher etwas tun wollen, dann sollten wir verlangen, daß Produkte, die wir konsumieren sollen, mit ihrem ökologischen Rucksack, also dem gesamten Materialverbrauch an Naturressourcen, während der Produktentstehung und seines gesamten Lebenszykluses, gekennzeichnet werden.

Damit wir die Werte vernünftig vergleichen können, muß zudem der Materialverbrauch pro Nutzungseinheit angegeben werden, so ähnlich, wie in jedem Supermarkt heute der Preis eines Produkts auf eine Einheitsgröße hin angegeben werden muß, also z.B. kg oder Liter.

In der Kette des Materialverbrauchs wirkt sich jede Einsparung in konzentrischen Kreisen mächtig aus, weil an jedem Teilschritt ja wiederum hunderte weitere Teilschritte hängen, die man für die Einzelfallentscheidung aber gar nicht kennen muß, es genügt einfach den Materialinput und die Anzahl der Produkte zu verringern, auch das ist wieder eine Frage der exponentiellen Entwicklungen.

So könnten wir als Verbraucher entscheiden, ob wir ein Produkt mit hoher oder niedriger Ressourcenproduktivität erwerben wollen!

Wenn man zusätzlich nicht mehr die Arbeit in einer Gesellschaft besteuert, sondern den Ressourcenverbrauch und den Konsum insgesamt und dann gleichzeitig durch ein bedingungsloses Grundeinkommen, die steuerlichen Freibeträge für sozial schwache Bevölkerungskreise sicherstellt, dann hat man die Gesellschaft so umgebaut, daß auf diesem Planeten nicht mehr verbraucht wird, als er sowieso schon in reichlichem Maße zur Verfügung stellt.

Diese Vorbedingung ist auch dafür notwendig, daß nicht mehr länger 20% der Weltbevölkerung 80% der Ressourcen verbrauchen. In einem ökonomischen System, daß sich innerhalb der ökologischen Grenzen stabil bewegt, kann jeder auf diesem Planeten am Wohlstand teilnehmen.

Wenn wir dann noch durch einen weltweiten hohen Bildungs- und Freiheitsstandard das Problem des Bevölkerungswachstums gelöst haben und außerdem religiöse Ideen nur noch für Historiker und Freizeitaktivitäten von Interesse sind, dann sind wir von der Hölle in den Himmel aufgestiegen.

Der WALD – Ein Hintergrundbericht
zu meinem Hintergrundbild

WaldbildEs wird Euch sicher nicht verwundern, daß der Buchenwald im Hintergrund meines Blogs, ÖkoRadiX.de, nicht ganz zufällig dort gelandet ist und auch nicht aus rein ästhetischen Gründen von mir dorthin gepflanzt wurde. (Wen es interessieren sollte, viele der Bilder dieses Beitrags stammen von einer Wanderung im Buchenwald zwischen Öschingen und Genkingen.)
Der Buchenwald hat für mich eine ganz besondere Bedeutung, nicht nur weil ich Buchenwälder besonders liebe, schließlich ist die Buche ja die Königin, die Mutter des Waldes und würde, wenn man sie nur ließe, zu 80% den deutschen Wald bestimmen, sondern auch weil bei diesem Thema besonders viele positive wie negative Aspekte meiner ÖkoRadiX Fragestellungen zusammen kommen.
Für mich sind Wälder und Ihre Bäume jedenfalls keine Bioroboter mit denen wir umgehen können, wie es uns gerade paßt, Bäume sind fühlende Lebewesen, wie Tiere und Menschen auch – und das meine ich nicht esomäßig, wie manche gleich wieder argwöhnen werden und deshalb vorsichtshalber erst gar nicht weiterlesen wollen…

Der Wald und die Forstwirtschaft

In dem Dreieck Wald – Mensch – Wild stört vor allem der Mensch mit seinem unsinnigen Tun (im Bezug auf die Zerstörung wunderbar funktionierender Ökosysteme) deshalb möchte gleich zu Beginn meines Beitrags mit der unsinnigen Aussage, daß Forstwirtschaft Hege und Pflege, gar Naturschutz par excellence sei, es also ohne Förster keiner Wälder mehr gäbe, aufräumen:
Erstens hat sich der Wald auch ohne Forstwirtschaft über Jahrmillionen wunderbar selbst erhalten und zweitens, selbst wenn man einräumt, daß der Wald durch das unsinnige Verhalten des Menschen inzwischen vielerorts zum kränkelnden Patienten geworden ist, so könnte die Forstwirtschaft nur dann etwas für den Wald tun, wenn sie sich wirklich an der Natur orientieren würde, wenn sie versuchen würde, ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen wirklich öko.logisch bewirtschafteten Flächen und nicht bewirtschafteten Schutzflächen herzustellen. Orientieren tut sie sich aber an vielerlei anderen Dingen, aber sicher nicht an dem Ziel eines intakten Waldes (das soll eine Provokation sein!)

Ganz klar! Wenn man sich mit dem Thema „Wald“ beschäftigt, kommt man schnell zu allen ökologischen (also kulturbezogenen) und öko.logischen (also naturbezogenen) Fragestellungen, die man sich bei den Themen Kultur & Natur überhaupt nur vorstellen kann. Besonders beim Thema Wald sollte man sich von dem ewig alle Diskussionen abwürgenden Einwand: „Nur Fragen und Zweifel zu haben –  aber keine konstruktiven Vorschläge“ nicht abwürgen lassen.

In der Tat kann man sich nämlich beim Thema „Wald“ zunächst mal sehr viele grundsätzliche Fragestellungen aus dem wilden Gemisch von Naturschutz, Tierschutz, Ökonomie, Ökologie, Mensch und Natur, Natur und Kultur, Nachhaltigkeit usw. usw. erarbeiten und man stellt auch hier sehr schnell fest, daß nicht bei allem, wo Öko auf der Verpackung steht auch Öko drin ist.

Das waren mal grüne NadelbäumeUnsere  sogenannte ökologisch orientierte Forstwirtschaft – mit Ihrem Credo (das ist aber häßlich formuliert und ganz polemisch!) einer angeblich naturnahen Plantagenwirtschaft, die sich durch viele importierte Nadelholzarten auszeichnet – hat jedenfalls mit Naturschutz und Ökologie soviel zu tun, wie eine Kuh mit dem Spitzentanz.

Klar! Ich kann es schon verstehen, so schöne Nadelbaumplantagen, ja die machen den Förster froh, die wachsen immer schön gerade, machen keine Sperenzchen wenn der Förster und seine Helfeshelfer mal zuviel abholzen, die wachsen dann trotzdem gerade weiter, auch wenn neben ihnen die Bäume umfallen, wie die Soldaten. Buchen oder Eichen machen da schon viel mehr Arbeit, da muß man immer wieder sehen, daß die Rahmenbedingungen so stimmen, daß die Bäume nicht krumm und schief wachsen und am Ende dann nicht gut zu verkaufen sind. Dann doch schon lieber die künstliche Taiga, die macht doch alle froh.

Natur versus Kultur

Wer bei den Worten „Natur“ und „Wald“ an etwas Ursprüngliches denkt, etwas das wir Menschen vor Jahrtausenden, als wir noch Jäger und Sammler waren, vorgefunden haben, der liegt richtig und falsch zugleich, denn der Wald, so wie wir ihn in Mitteleuropa kennen, hat mit dem ursprünglich vorgefundenen Wald fast gar nichts mehr zu tun, wir leben in einer vom Menschen gemachten Kulturlandschaft, wobei das Wort „Kultur“ hier nicht wertend als etwas besonders wertvolles zu verstehen ist, sondern nur als Gegensatz zur „Natur“, in der nichts vom Menschen gemacht ist. Richtig ist jedoch, daß das Öko.System in „Natur“ und „Wald“ nach wie vor arbeitet, nur nicht mehr so ungestört und perfekt, wie zu den Zeiten, in denen der Mensch sich noch nicht eingemischt hat.

Buchen im Frühling in Reih und GliedDas komplexe Öko.System, das der Mensch als er vor Jahrtausenden begann, darüber nachzudenken und viele Mythen und Religionen durch dieses Nachdenken erfand, vorgefunden hat, war ein detailliert auf einander abgestimmtes System, was sich vor allem durch den perfekten Kreislauf, in dem über die Jahrtausende nichts unberücksichtigt blieb, auszeichnete. Diesen perfekten Kreislauf hätten wir auch wieder gerne und wir glauben, indem wir schöne Flyer drucken, in denen vom „Prozeßschutz in den Biosphären-Reservaten“ die Rede ist, sei die halbe Strecke schon bewältigt.
Aber bis zum Flyer war es noch ein weiter Weg, denn zunächst kam der Mensch mit seiner vergleichsweise kurzen Entwicklungsgeschichte und fummelt an tausend Stellen rum, ohne wirklich zu wissen, was einzelne Aktionen für weitreichende Folgen haben können und dann nannte er den ganzen Schlamassel, den er angerichtet hat, auch noch großspurig sein Anthropozen.

„Never change a running system!“ diesen Grundsatz aus der Computerwelt, hätten die Menschen beim Öko.System „Wald“ auch schon seit langem beherzigen sollen, anstatt ständig alles zu ändern, und das ganze am Schluß noch als Fortschritt zu verkaufen. Aber das Thema „Fortschritt“ möchte ich jetzt hier nicht besprechen…

Das Thema „Wald“ ist besonders deshalb ein wichtiges, nachhaltiges Thema, weil sich positive und negative Entscheidungen oft erst in viel größeren zeitlichen Abständen auswirken als es ein Menschenleben überblicken kann, für einen Wald sind 200 Jahre fast gar nichts für Menschen hingegen ein halbes Dutzend Generationen.

Warum brauchen wir denn überhaupt einen Wald?

Wald könnte man als Baum-Cluster verstehen, der dann zum Wald wird, wenn er groß genug ist, um ein spezifisches Wald-Binnenklima zu erzeugen. Hört sich prima an, sagt nichts darüber aus, warum wir ein Baum-Cluster brauchen, vielleicht brauchen wir ein Baum-Cluster genauso wenig wie ein Excellenz-Cluster?

Klar Wälder sind komplexe Ökosysteme und wir können viel von diesen Systemen lernen. Z.B. nutzen Wälder Ressourcen optimal aus, nicht so schwächlich wie wir es für gewöhnlich tun.
Nach den Ozeanen sind sie die wichtigste Einflussgröße des globalen Klimas. Speichern riesige Wassermassen, produzieren richtig viel Sauerstoff und senken nebenbei wirksam das Kohlendioxid, was wir ja alles nicht so hinbekommen. Nicht zu vergessen, die wunderbare Filterwirkung von Wäldern für Staub aller Arten. Ihr Artenreichtum ist überdies ein unschätzbarer Genpool und der Gesetzgeber wird alle Hände voll damit zutun haben, daß Firmen sich einzelne genetische Codes nicht patentieren lassen…

Wenn ein Thema riesig ist, versucht man natürlich erstmal die unbestrittenen Wahrheiten zu finden. Niemand wird bestreiten, daß der Wald ein komplexes Ökosystem ist – mit dieser Aussage hört dann aber auch schon der Konsens auf. Denn ob Bäume – solange sie wachsen – durch ihre Fähigkeit zur Photosynthese sowohl die größten Sauerstoffproduzenten dieses Planeten – sozusagen seine grüne Lungen – sind und gleichzeitig das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre aufnehmen, sie also zur Senkung des Kohlendioxidgehaltes beitragen, in dem sie den Kohlenstoff in ihrem Holz und ihren Blättern verbauen und den Sauerstoff ausatmen, ist in der Wissenschaft schon umstritten, liefern denn Bäume überhaupt Sauerstoff oder tritt der Sauerstoff bei der Selbstkühlung der Bäume durch Wasserverdunstung aus dem Wasser aus? Viele Fragen – 1000 Antworten – muß man da jetzt resignieren? Eigentlich nicht!

Egal – welcher Bestandteil auch immer dafür verantwortlich ist, solange Bäume leben und wachsen, tritt im Ökosystem Sauerstoff auf und CO2 wird gebunden. Werden Bäume gefällt geben sie jedenfalls den ganzen Kohlenstoff, den sie eingebaut hatten, durch die Verbrennung als Kohlendioxid wieder ab.

Ok! Man könnte sagen, die CO2 Bilanz ist immerhin neutral, es kommt kein zusätzlicher CO2 Ausstoß zustanden und im Wald werden ja auch gleichzeitig wieder Bäume für die gefällten gepflanzt, stimmt aber trotzdem nicht: Durch die ständige Durchforstung der Wälder kommt viel zu viel Licht und Wärme zum Boden, dadurch werden Pilze und Bakterien mächtig aktiv und der Kohlenstoff der im Boden gebunden ist, entweicht als CO2 in die Atmosphäre, der Förster Peter Wohlleben gibt einen Wert von bis zu 100.000 Tonnen CO2 pro Quadratkilometer an.
Also es geht nicht nur um das CO2, das durch Brandrodungen in den großen Regenwaldgebiete dieses Planeten freigesetzt wird, es geht auch nicht allein um das CO2 , das in Deutschland jeden Tag durch  Kaminöfen und Pelletheizungen freigesetzt wird und das die Brennholz-verarbeiter im 21. Jh. in einen wahren „Gold-Rausch“ gestürzt hat, es geht vor allem auch um das CO2, das durch falsche Forstwirtschaft verstärkt aus dem Waldboden freigesetzt wird und dazu führt, daß die CO2 Klima-Bilanz bei Holzverbrennung eher schlechter als besser gegenüber Öl und Erdgas abschneidet.

Was man also bzgl. des Klimas festhalten kann, weder fossile Energien noch Energie aus Biomasse sollten gefördert werden – Wind-, Sonne- und Raumenergie hingegen schon!

Wildschein - Reh - Hirsch

Jetzt geht’s auf zur Jagd

Kommen wir mal zurück zu dem Bild am Anfang des Beitrags, in traulicher Runde sind hier, Eichelher, Wildschein, Reh, Hirsch und Buchenwald miteinander vereint. Normalerweise wäre das auch so, wenn nicht der Mensch wieder seine Finger dazwischen hätte.
Sehn wir mal als erstes auf den Buchenwald: Normalerweise wäre der größte Teil Mitteleuropas von Buchenwäldern bedeckt, weil Buchen sehr gut das Sonnenlicht ausnutzen können und im Schatten anderer Bäume ausgezeichnet wachsen, bis sie sich schließlich durch die Laubkronen der anderen Bäume hindurch schieben und den anderen Bäumen das Licht nehmen. Über die Jahrhunderte kommt es so zu einem ausgeglichenen Wald mit vielen verschiedenen einheimischen Laubbäumen zuvorderst den Buchen, denen das gemäßigt atlantische Klima besonders gut gefällt. Es kommt hinzu, daß auf Buchen-Waldböden, aufgrund des geringen Lichts wenig Gräser und Kräuter wachsen, so daß die sogenannten Freßfeinde, die der Mensch in seiner 4000 jährigen intensiven Jagd noch übriggelassen hat, also Reh, Hirsch, Wildschein, lieber an Waldrändern, in Flußauen und Hochlagen sich aufhalten würden und die jungen, energiereichen Triebe nicht alle verspeisen würden.

Sehn wir mal als zweites auf die Waldtiere oder sollen wir sagen Haustiere: Normalerweise käme ein Reh auf einen Quadratkilometer, Hirsche und Wildscheine wären sowieso kaum im Wald sondern mehr an seinen Rändern anzutreffen, nun hat aber die Jägerschaft, die normalerweise höchsten alle paar Jahre mal ein Reh, einen kapitalen Hirsch oder ein Wildschein zu Gesicht bekäme, im Wald eine wahre Massentierhaltung eingerichtet. In Deutschland gibt es 111.000 Quadratkilometer (also 11,1 Millionen Hektar) Wald, unter natürlichen öko.logischen Bedingungen würden hier rund 110.000 Rehe leben. Es kommen aber allein bei Autounfällen jedes Jahr mehr als 200.000 Rehe ums Leben, das liegt daran, daß in deutschen Wäldern 50 mal so viele Rehe leben als unter natürlichen Bedingungen, das kann man nicht den Rehen zum Vorwurf machen, sondern nur den Geflogenheiten der Jagdherren.

Hermann_Göring_auf_der_JagdBesonders seit der jagdbegeisterte Hermann Göring, in seiner Funktion als Reichsforstmeister, Reichsjägermeister und Oberster Beauftragter für den Naturschutz! bereits am 3. Juli 1934 das neue Reichsjagdgesetz durchsetzte, das im Wesentlichen bis heute gilt.
In diesem Gesetz wurde erstmals die Hege und die Zucht für den Wald und seine Bewohner festgeschrieben.

Und so haben wir heute nicht ein Reh, sondern 50 Rehe pro Quadratkilometer, dazu kommen noch 10 Hirsche und 10 Wildscheine im Durchschnitt, die gehegt und gepflegt werden, damit man nicht nur genug Tiere zum Abschuß hat (für eine reichliches Mahl bei den Wildwochen im nächstgelegenen Restaurant) sondern vor allem, um (besonders seit 1900) den Jägern genügend Möglichkeiten zu bieten, eine fantastische Trophäe mit nach Hause zu nehmen.

Dieser übernatürliche Menge an Wild in den Wäldern haben wir unter anderem die Umgestaltung der Laubwälder in Nadelbaumwälder zuverdanken, weil der „Wildverbiß“ die jungen Laubbäume nicht hochkommen läßt und das Wild an den bitteren Nadeln der Nadelbäume nicht sehr interessiert ist.
Hätten wir nicht diese unnatürliche Massentierhaltung im Wald, die nur die Hege (also die Mast) von Rehen, Hirschen, Wildscheinen im Sinn hat, wäre der natürliche Ökokreislauf ok, denn es gäbe ein natürliches Gleichgewicht zwischen heimischen Bäumen und heimischem Wild, zumal dann die normalen Feinde des Wildes immer noch im Wald leben würden, also Wölfe, Luchse, Braunbären.

Bär_Wolf_LuchsEin Beispiel: Die Wölfe im Yellowstone Nationalpark wurden jahrelang gejagt und in den 1930er Jahren ganz ausgerottet. Als direkte Folge geriet das natürliche Gleichgewicht der Tierwelt total durcheinander. Deshalb wurden 1995 erfolgreich 14 kanadische Wölfe angesiedelt und unter Schutz gestellt. Mittlerweile haben sich die Yellowstone-Wölfe mit eingewanderten Wölfen aus Kanada vermischt und ihre Population hat sich auf rund 2000 Tiere erhöht. Langsam stellt sich dadurch wieder ein normales Gleichgewicht von Tier- und Pflanzenwelt ein…

Um dem Argument, daß es den Jägern ja nur um die Fürsorge für die armen Rehe, Hirsche und Wildscheine geht, vorzubeugen, kann man sich sofort fragen, warum ihre Fürsorge dann nicht im gleichen Maße den Eichhörnchen, Dachse, Füchse und Wildkatzen gilt, die bei der Tiermast leer ausgehen.

Waldboden

Bevor ich zu dem Thema Plantagenwirtschaft versus Plenterwald komme, möchte ich noch etwas zum Waldboden sagen. Gemäß meiner grundsätzlichen These, nach der man die Dinge nur im Detail betrachten muß, um alle Zusammenhänge zu erkennen, genügt im Falle des Waldes eine Hand voll Waldboden. Diese Hand voll Waldboden enthält mehr Lebewesen,  als es Menschen auf diesem Planeten gibt, und von dieser Hand voll Waldboden können wir alles über Öko.logie, deren fantastischen Eigenschaften aber auch deren ungeheure Zerstörung durch den Menschen erfahren.

WaldbodenMir ist schleierhaft wieso in den hunderten von Verzeichnissen, die in Deutschland über Wälder, Bäume und Biotope angelegt werden, Waldböden gar nicht vorkommen, obwohl diese an erster Stelle stehen müßten und öko.logischen Schutzcharakter genießen sollten. Wenn jemand Aufstellungen zu Waldböden kennt, freue ich mich über jede Info bzw. lasse mich eines besseren belehren.

Zurück zum Waldboden selbst: Mir ist es in diesem ÖkoRadiX Blog sehr wichtig, immer nach Möglichkeit zwischen dem zu unterscheiden, was wir als Menschen unter Ökologie verstanden wissen wollen und was wir im Gegensatz dazu als Menschen öko.logisch vorfinden, also die öko.logischen Systeme und Kreisläufe, die sich zu einem perfekten Gleichgewicht über Jahrmillionen in der Evolution entwickelt haben, diese beiden Sichtweisen fallen oft drastisch auseinander.

Bevor der Mensch begann die Wälder Mitteleuropas zu durchforsten glichen die Waldböden einem lockeren Schwamm. Milliarden von Kleinslebewesen auch in tieferen Bodenschichten ernährten sich von Blättern, Holz und Rinde und produzierten besten Humus. Das Erd- Humusgemisch konnte bis zu 200 Liter Wasser speichern und in trockenen Wochen wieder dosiert abgeben, feuchte Winter, trockene Sommer kein Problem für die ursprünglichen Wälder Mitteleuropas.

Hornmilben, Springschwänze, Asseln, Borstenwürmer, die Bewohner dieser Waldböden, sind die Ausgangsbasis der Nahrungspyramide unter Buchen oder Eichen, die Voraussetzung für die Artenvielfalt der Säugetiere, Vögel und Insekten. Mit der Abholzung der Wälder änderte sich alles, besonders seit die Bodenverdichtung durch die riesigen Holzvollernter – wie die Harvester (die 12 mal soviel Holz fällen, wie ein Waldarbeiter in der gleichen Zeit) und die mit einem Gewicht von bis zu 50 Tonnen den Boden bis zu einer direkten Tiefe von 2 Meter zerstören und das auf einer Breite von 8 Metern (5m Fahrspur und 2×1,5m links und rechts der Fahrspur).

Holzvollernter-HarvesterBei einem Rückegassen-Abstand von 20/40 Metern, wie er in den meisten Wäldern heute üblich ist, kommt man auf eine Waldboden-zerstörung von bis zu 50%.
Das bedeutet z.B., daß die Wasser-speicherfähigkeit bis zu 95% abnimmt, das wiederum läßt die Bäume schlechter wachsen und macht sie anfälliger gegen Schädlinge, darüber hinaus kann sich das Wurzelwerk durch die Verdichtung nicht mehr vernünftig in der Tiefe entfalten, dadurch stehen die Bäume nicht mehr so stabil und fallen bei heftigen Stürmen schnell mal um. Viele Flachwurzler sind in Wirklichkeit gar keine Flachwurzler, können ihre Wurzeln nur nicht mehr durch die stark verdichteten Waldböden hindurchschieben.
Waldböden, die mit schwerem Gerät befahren werden, richten einen kaum wieder zu behebenden Schaden an den Waldböden an, wie man hier auf dem Headerbild des Blogs „Schützt den Schönbuch“ (siehe meine Blogroll) sehen kann.

SchönbuchWer sich für das Thema Waldboden und alternative Möglichkeiten der Befahrung und des Waldbaus allgemein interessiert, der kann im Artikel von Martin Grüll „Den Waldboden schonen – Vorsorgender Bodenschutz beim Einsatz von Holzerntetechnik” in “Eberswalder Forstliche Schriftenreihe Band 47″ sehr viel Wissenswertes erfahren. „Zur Problemlösung umweltverträglicher (standortgerechter) Holzerntetechnik wird in dem Beitrag ein standortzentriertes Entscheidungsmodell vorgestellt, das durch die Klassifizierung des natürlichen Werts des Bodens, der technischen Befahrbarkeit des Standorts und der technischen Eignung des Holzernteverfahrens eine kombinierte, standörtlich-technische Verfahrensbewertung ermöglicht. In dem Beitrag werden erstmalig der Gedanke der Berücksichtigung des Bodenwertes und – bei Schäden durch die Maschineneinsätze – die Sanierungkosten bei der Kalkulation der Kosten für die Erntemaßnahmen in Verbindung gebracht. Der Waldbesitzer ist bei einer ordnungsgemäßen Waldwirtschaft zur Bodenschutzvorsorge gesetzlich verpflichtet. Siehe Waldgesetz Baden-Württemberg § 14 (siehe „Schützt den Schönbuch“ / heruntergeladen am 23.6.2014).“
Den Link zum Artikel findet Ihr in meiner Blogroll oder Ihr klickt oben auf den Artikel!

Klimawandel und Wald

Vom sauren Regen spricht heute niemand mehr, dafür um so mehr vom Klimawandel! Aber wenn der Waldboden nicht mehr in der Lage ist, Wasser in großen Mengen vor allem auch in den regenreichen Wintermonaten zu speichern, dann wird die Temperaturerhöhung durch den Klimawandel den Wald verdursten lassen – hat das jetzt was mit der Erderwärmung zu tun?
Denn erstens verdunstet durch die höhere Temperatur das Wasser schneller, die Bäume brauchen mehr Wasser und gleichzeitig regnet es weniger. Dem Wald geht es dann aber nicht nur deshalb schlechter, weil es den Treibhauseffekt gibt, sondern weil wir durch unsachgemäße Forstwirtschaft die Böden kaputt gemacht haben, ihnen bis zu 95% ihre Speicherfähigkeit genommen haben und noch dazu statt in erster Linie Laubwälder zu pflegen überall, aus kurzfristigen Profitinteressen heraus, Nadelbaumplantagen angelegt haben.
Das es den Wäldern schlecht geht, liegt dann nicht am Klimawandel sondern an unserer Ignoranz genauso wie der Klimawandel.

Plenterwald versus Plantagenwirtschaft

Den Begriff Plantage im Zusammenhang mit Wald zu benutzen, ist natürlich von vorneherein provokant, denn normalerweise ist ein Wald ja gerade keine Plantage, so wie die Wildfütterung auch keine Mast der Massentierhaltung ist. Trotzdem werden die beiden Begriffe oft provokativ gegeneinander gesetzt.
Nadelbaumwald
Deshalb ein Beispiel wie nachhaltiger Naturschutz aus Sicht der staatlichen Forstwirtschaft aussieht: Man stelle sich den Wald mal wirklich wie eine Plantage vor, die in 10 mal 10  also 100 Felder aufgeteilt ist, im Laufe von 100 Jahren wird jedes Jahr ein Feld mit Fichten bepflanzt, die wachsen schnell, schmecken den Waldtieren nicht besonders gut und sind gut vermarktbar weil überwiegend gerade gewachsen. Nach 100 Jahren wird ein Feld kahl geschlagen, die Stämme werden abtransportiert und anschließend wird das Feld mit neuen Fichten wieder bepflanzt. D.h. es wird nicht mehr dem Wald entnommen, als er selbst reproduzieren kann. Im Sinne einer ökologisch orientierten Forstwirtschaft ist dieses Verhalten absolut nachhaltig und unendlich fortzuführen, so wird es zumindest immer behauptet!

Jetzt kommt dann wieder der freche Blick auf die Details und das, was wirklich, also naturgemäß, öko.logisch korrekt ist.

Öko.logisch korrekt ist es im Wald ein Gleichgewicht zwischen ALLEN Faktoren, die im Ökosystem Wald eine Rolle spielen, zu berücksichtigen, sodaß sich das System ewig selbst reproduzieren kann.
Das Gleichgewicht des Waldes hat über Jahrtausende zunächst mal keine Monokultur geschaffen, sondern Artenvielfalt unter den Bäumen, die in einer Klimazone heimisch wurden, zweitens sind z.B. Fichten keine regionalen Baumsorten sondern aus anderen nördlicheren Klimabereichen (Taiga) importierte Bäume. So wie Buchen und Eichen genau richtig sind für unser gemäßigtes atlantisches Klima zerstören gebietsfremde Baumsorten, vor allem Nadelbäume (die Weißtanne rechne ich mal für den Augenblick zu den Laubbäumen) den Ökokreislauf nachhaltig, z.B. weil sie ganz andere Bodenbeschaffenheiten und Kleinstlebewesen, wie Pilze und Insekten, im Schlepptau haben, als sie in mitteleuropäischen Wäldern üblich sind.

Plenter-Buchenwald-Hümmel
Das wunderschöne Panoramabild stamm von Franz-Josef Adrian.
Seinen Blog findet Ihr in meiner Blogroll unter „Wälder in Deutschland“

Was ist nun der Vorteil eines Plenterwalds gegenüber der Plantagenwirtschaft. Da ist zunächst natürlich die harmonische Verteilung aller Größen und Altersstadien auf kleinster Fläche innerhalb eines bewirtschafteten Waldes zu nennen, dadurch kann es nie zu einem Kahlschlag einer größeren Waldfläche kommen. Im Idealfall sieht der Plenterwald immer so aus, als würde er nicht bewirtschaftet, was auch an der schonenden Art liegt, mit der Bäume eingeschlagen und abtransportiert werden. Der Plenterwald kommt dem unberührten Urwald, also der echten Natur am nächsten und hält den Wald in seinem ureigensten Ökokreislauf.

Entgegen dieser wunderbaren Methode, Wälder wieder zu renaturieren, die zugegebenermaßen für den Förster und seine Helfershelfer sehr aufwendig ist, wird in den meisten deutschen Wäldern jedoch die Z-Baum-Methode angewandt. Nach dieser Methode werden alle Bäume eines Bestandes in „Z-Bäume“, „Bedränger der Z-Bäume“ und „indifferente Bäume“ eingeteilt. Die Z-Bäume werden je nach Baumart in einem sehr frühen Bestandesalter ausgewählt (10-40 Jahre). Ab diesem Zeitpunkt dienen alle waldbaulichen Maßnahmen ausschließlich der Erhaltung und Förderung dieser Z-Bäume und deren ungehindertem Kronen- und Stammwachstum.
Mit dieser Methode sind spätere Durchforstungen nicht mehr an ein möglichst komplexes Wissen und Vorstellungsvermögen des Försters gebunden. Viele Forstbetriebe überlassen bei der Z-Baum-Methode den Waldarbeitern die Auswahl, welche Bäume sie mit Ihren Spraydosen markieren und abholzen. Eine Waldwirtschaft im Sinne einer Renaturisierung des Waldes  wird dadurch kaum mehr möglich. Darüber hinaus wird in solchen „Alterklassenwäldern“, die irgendwann nur noch aus gleichen und gleichaltrigen Bäumen bestehen, ein zukünftiger Kahlschlag mit all seinen Folgen kaum zu verhindern sein, zumal für Z-Bäume in der Regel auch immer das gleiche Zielalter gilt.

Im Plenterwald dürfen hingegen auch 200 Jahre alte Buchen oder Eichen stehen, auch wenn sie schon 40 Jahre über ihrem Zielalter sind.

Kehrwoche im Wald

Jeder Schwabe kennt die Kehrwoche und so wie man für Sauberkeit und Ordnung in Haus und auf dem Gehweg achtet, so ist es einfach ein Unding, daß man im Wald gebrochene Bäume und Totholz einfach stehen läßt, ganz egal, ob solche Bäume als ökologisch besonders wertvoll gelten, weil sich an den Bruchstellen besonders seltene Insekten- und Pilzarten ansiedeln und ob man z.B. den Zunderschwamm ausgezeichnet zum Räuchern benutzen kann.

Der alte, unordentliche Kruscht muß weg und wer weiß, was für ein Ungeziefer sich da sammelt. Um es mal klar und deutlich zu sagen, von Totholz geht keinerlei Gefahr für lebende Bäume oder frisch geschlagene Stämme aus. Die Insekten und Pilze, die im Totholz am Werk sind, sind von ganz anderer Art.
Totholz
Alt- und Totholz ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Waldökosystems, da es im Lebenszyklus zahlreicher Organismen eine unabdingbare Rolle spielt. So finden beispielsweise Brutvögel Nistgelegenheiten in den Höhlen alter Baumstämme oder das Totholz dient vielen Vögel als Bauholzlieferant für Ihren Nestbau. Im Mulm der Hohlräume von Totholz können sich spezialisierte Insektenlarven entwickeln, was wiederum für Vögel und andere Insektenfresser eine gefüllte Vorratskammer bedeutet. Auch die Fledermäuse finden in Toten Bäumen einen ordentlichen Wohnraum usw. usw. Damit aber die von alten Bäumen und von Totholz abhängige Artenvielfalt im öko.logischen Kreislauf auf Dauer erhalten bleibt, muss die Ressource Totholz über weite Zeiträume in genügend großen Mengen vorhanden sein. Also Finger weg vom Alt- und Totholz, denn es ist das wahre Gold des Öko.Systems.

Und schließlich kann man ja mit dem Zunderschwamm ja auch sehr gut und gesundheitsfördern räuchern, vielleicht geht da manchem im Rauch ein Licht auf!

Zunderschwamm und Totholz

Mein lieber Kupferstecher

Den Rehen, Hirschen und Wildscheinen kann man keinen Vorwurf machen, daß sie nur all zu gerne die leckeren jungen Triebe und energiereichen Knospen von Buchen oder die Wildscheine die schmackhaften Bucheckern vertilgen, in einem intakten Ökosystem wäre das auch alles gar kein Problem, da wäre alles miteinander im Gleichgewicht.
Wem man aber Vorwürfe machen kann, das sind wieder die dusseligen Menschen, die Ihren Obsessionen nachgehen, ganz egal ob das „irgendwelche“ Ökosysteme zerstört oder nicht.
BorkenkäferUnd da sind wir auch schon mitten im Thema. Verächtlich und mit Grauen wird immer wieder von dem Ungeziefer, den Schädlingen, den Parasiten des Waldes gesprochen und damit sind dann oft Borkenkäfer, Buchdrucker, Kupferstecher etc. gemeint, die vor allem Fichten und Kiefern attackieren.
Ich meine den kleinen Käfern kann man keinen Vorwurf machen, die müssen auch sehn wo sie bleiben und wenn wir Menschen, durch unsere widernatürlichen Monokulturen den Wald und die Bäume nicht so schädigen würden, dann hätten wir auch keine Probleme mit den lieben, kleinen Käfern.
Immerhin sind die kleinen Käfer doch so freundlich und weisen uns Menschen darauf hin, daß in unserem Ökosystem etwas nicht stimmt, denn in intakten Ökosystemen würden sie gar nicht auftreten. Trotzdem danken wir es ihnen nicht!
Anstatt daß sich die Förster überlegen, was sie falsch gemacht haben könnten, schimpfen sie auf die Parasiten und den Klimawandel und holen die dicke Giftspritze aus dem Schrank und vernebeln mit Hubschraubern die Wälder mit Insektiziden, an den aber nicht nur Käfer und Schmetterlinge krepieren, sondern auch andere Waldtiere und gelangen die Insektizide ins Wasser müssen auch Fische und Krebse dran glauben.

Frische, selbstgesammelte Pilze aus dem Wald schönen Dank auch…

Aber was ist eigentlich das Problem, warum ist den ein friedliches Miteinander von Laubbäumen mit Fichten und Kiefern nicht möglich, wo doch die Nadelbäume so wunderbare Erträge abwerfen?
In deutschen Wäldern gibt es 16% Buchen, 10% Eichen aber 26% Fichten und 23% Kiefern. So wie Buchen und Eichen perfekt auf unser heimisches Öko.System abgestimmt sind, so sind Fichten und Kiefern perfekt auf die Öko.Systeme des hohen, kalten Nordens abgestimmt.
Hier ist die Wachstumsperiode ein bis zwei Monate im Jahr, die Bäume wachsen langsam und dicht in ihrer Holzstruktur und in den langen Wintermonaten leiten sie ihr eigenes Frostschutzmittel in die Nadeln, so daß es gar kein Problem ist, daß sie im Winter nicht die Nadeln abwerfen. In der kurzen Wachstumsperiode können sie sofort durchstarten ohne noch lange sich mit dem Bilden neuer Blätter aufhalten zu müssen. Unter den harten Wachstumsbedingungen kommen Kiefern und Fichten in Skandinavien oder Sibirien in 100 Jahren gerade mal 5 Meter voran.
Kommen Fichten und Kiefern jetzt nach Mitteleuropa, wo man von April bis September prima Wachstumsbedingungen hat, geht bei ihnen die Post ab, in einem Jahr ein halber Meter, gar kein Problem.
Aber im Norden regnet es vielmehr und so lange Trockenperioden wie bei uns im Sommer gibt es auch nicht, die armen Bäume leiden größte Not und sind ständig am verdursten. Schnell werden sie krank, ihre Stämme stehen nicht mehr voll im Saft, ihre Abwehrkräfte schwinden dahin (warum soll es bei Bäumen anders sein, als bei uns Menschen, die sind doch auch nur Lebewesen wie wir).
All die kleinen Käferchen sind Schwächeparasiten, sobald es den Bäumen und dem Wald schlecht geht, rücken sie an. Sobald ein Buchdrucker (gehört zu der Familie der Borkenkäfer) merkt, daß kein Harz ihn umbringt, wenn er ein Loch in die Rinde frißt, kommt der chemische Lockruf an seine Kumpels, hier gibt’s ein üppiges Buffet, kommt alle! Schnell legen die Weibchen Eier in die Nischen des Baums, daraus schlüpfen dann Larven, die dann die charakteristischen Gänge unter den Borken fressen. In Nullkommanix wird dem Baum bei lebendigem Leib die Haut zerstört und wenn er erstmal fertig ist, geht’s zum nächsten Baum, der Generationszyklus liegt bei 6 Wochen, da ist so ein Nadelholz-Plantagenwald schnell platt. Aus mit dem schönen Turbowald! Aber halt! Vorher kommt noch die Chemiekeule vom Förster und so geht’s erstmal lustig in die ökologische Abwärtsspiralen aus dem Wald als komplexes Ökosystem kann dann schon gar nix mehr werden.
Bei einem gesunden Wald mit gesunden Bäumen und gesundem Waldboden würde das alles nie passieren und den Fichten und Kiefern würde es in Ihrer angestammten Heimat auch viel besser gehen, denn im Unterschied zu menschlichen Gesellschaften läßt die Natur selbst ihre Mitglieder nicht verkommen

Das Geheimnis eines öko.logischen Waldes

Was ist denn nun das Geheimnis, um einen öko.logisch wertvollen (Ur)Wald zu initiieren?

Ganz einfach:

Mehr Zen – Ruhe, Gelassenheit, Langsamkeit, ein weites Denken, ein weiter Blick und sich immer schön an der Natur orientieren und den Wald einfach mal machen lassen!

(In Klammern möchte ich allerdings hinzufügen: Es braucht sicher sehr viel Stehvermögen, um immer wieder auf wesentliche Dinge hinzuweisen – bei gleichzeitiger Voll-Ignoranz der Gesprächpartner, aber das ist ja immer das Problem, wenn man sich gegen die Dummheit stellt! – da macht man sich nicht unbedingt viele Freunde und außerdem ist man ja doch recht oft der Überbringer der Botschaft und die Überbringer von schlechten Botschaften werden meist gar nicht zuvorkommend behandelt)

Aber wenn man bedankt, was das Öko.System Wald wirklich umbringt, bekommt man vielleicht auch Kraft, ich kann gut reden, ich bin kein Förster der im Sturm steht, da läßt man sich vielleicht doch von Geschwindigkeit, Hektik, kurzfristigem Denken und der Zwangs-Ökonomisierung aller Faktoren mit fortreißen. Aber der Wald verträgt sich halt von Hause aus nicht so recht mit Gewinnmaximierung durch Übernutzung, dem Raubbau der Ressourcen durch ständiges Wachstum, auch wenn er selbst doch sehr gerne wächst.

Nun! Was könnte denn der erste Schritt sein, um einen geschundenen Wald in einen öko.logisch wertvollen Wald zu renaturieren? Sich erstmal in völliger Ruhe auf eine schöne Holzbank setzen, positive Gefühle dem Wald und seinen Bäumen gegenüber in sich aufkommen lassen und in aller Ruhe und mit viel, viel Weitblick sich sein künftiges Handeln erstmal durch den Kopf gehen lassen.  Wer viel, komplex und weit in die Zukunft wie Vergangenheit denkt, dem kann es gelingen der öko.logisch echte (Ur)Wald.
Gelassenheit und BankSoweit mal für den Augenblick – über die Geschichte des Waldes, über die Kommunikationssysteme des Waldes, über den Wald und seine Bäume als Lebewesen wie Du und ich, über den Eichelher, über den Wald in der Kunst etc. etc. möchte ich in anderen, späteren Beiträgen noch etwas erzählen – hier muß jetzt erstmal Schluß sein, sonst liest das sowieso niemand mehr.

Zu guter Letzt möchte ich aber doch noch folgenden Satz in den Raum stellen und ihn da auch erstmal stehen lassen:

Buchenwälder wissen
nichts von Buchenwald

P.S. Wer ein richtig gutes Buch zum Thema „Wald und Ökologie“ sucht und zwar abseits des forstwirtschaftlichen Mainstreams, dem kann ich das Buch „DER WALD“ von Peter Wohlleben nur wärmstens empfehlen.

Peter Wohlleben597_28041_132664_xl
Der Wald – ein Nachruf
Wie der Wald funktioniert, warum wir ihn brauchen und wie wir ihn retten können – ein Förster erklärt

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag,
256 Seiten, 12,5 x 20,0 cm
ISBN: 978-3-453-28041-0
Verlag: Ludwig
Erscheinungstermin: 4. März 2013

Preis: € 19,99 die sich wirklich lohnen!

.

.

.

.

Beim Lesen von Büchern

Buch

»Beim Studium von Büchern ist es wichtig, dass du nicht nach literarischer Qualität suchst und dadurch deine Wahr­nehmung verwirrst. Du musst die Bedeutung der Worte erfassen und sie dann in deinem Herzen bewegen. Danach lege das Buch beiseite, um die Bedeutung tiefer zu ergrün­den und dadurch die Prinzipien zu verstehen. Dann lass die Prinzipien beiseite, um den eigentlichen Geschmack zu spüren. Hast du den eigentlichen Geschmack erlangt, kannst du ihn in deinem Herzen bewahren.

Nach langer, langer Zeit, wenn du das mit völliger Wahrhaftigkeit getan hast, wird das Licht des Herzens von selbst leuchten und weithin ausströmen. Deine Weisheit und Geisteskraft sind überragend, und es gibt nichts, was sie nicht durchdringen, und nichts, was sie nicht begreifen. Hast du diesen Zustand erreicht, sollst du ihn bewahren und nähren.

Galoppiere aber nicht schnell dahin, denn dann wäre zu befürchten, dass deine innere Natur und dein Leben Scha­den nehmen. Wenn du den grundlegenden Sinn eines Buches nicht entdecken kannst und nur darauf aus bist, viele Ideen im Gedächtnis zu horten, um sie vor anderen Menschen eloquent auszubreiten und deine Fähigkeiten zur Schau zu stellen, ist das deiner Selbstkultivierung nicht zuträglich. Im Gegenteil, du verletzt sogar deinen Geist und deine Lebensenergie. So viele Bücher du dann auch lesen magst – wie könnten sie dir auf deinem Weg helfen?

Sobald du aber den Sinn eines Buches verstanden hast, kannst du das Buch irgendwo in den Tiefen deiner Bibliothek verstauen.«

Chongyang

Die Schildbürger und der Paradigmenwechsel

schildbürgerWenn ich an das ehrenhafte, bemüht nachsorgende Handeln vieler ehrlich um die Umwelt besorgter Menschen denke, muß ich mich oft – ob ich will oder nicht – an die Bürger von Schilda aus den Geschichten meiner Kindheit erinnern. Ja genau die Schildbürger, die mit viel Aufwand ein neues Rathaus gebaut haben und erst am Ende, nachdem alles bereits fertig war, feststellten, daß der Architekt die Fenster vergessen hat.

Ok, nicht selber mitzudenken ist eine Sache, eine andere ist es mit Eimern und Säcken das Licht ins Haus tragen zu wollen. Aber eine ganz, ganz andere Sache ist es, wenn man das Handeln der Bürger von Schilda zum allgemeinen Prinzip erhebt.

Nehmen wir nur mal als kleines Beispiel die tausenden fensterlosen Industriehallen und Discoutermärkte in Deutschland, die ebenso von vorneherein ohne jegliches, natürliches Tageslicht geplant und ausgeführt werden. Irgendetwas muß in unserer Gesellschaft doch in den letzten Jahrzehnten massiv etwas schief gegangen sein, was die Verschwendung von Ressourcen jeder Art betrifft.

Ich erinnere mich z.B. an ein früheres Leben von mir, in dem ich eine sehr große Fabrikhalle aus dem Anfang der 60er Jahren besaß. Diese Halle war mit riesigen Fenstern auf allen Seiten und riesigen Oberlichter ausgestattet, so daß man zumindest in der Zeit des Tages, in der es normales Tageslicht in Hülle und Fülle gab, keine zusätzliche, mit viel technischem Auswand hergestellte, Energie benötigte.

In dieser Fabrikhalle war es nicht notwendig aktiven Umweltschutz dadurch zu betreiben, daß man in eine nachtdunkle, fensterlose Halle mit viel technischem Aufwand und Ressourcenverbrauch überall Energiesparbirnen aufhängen mußte, um das, sowieso draußen reichlich vorhandene, Tageslicht zu ersetzen.

Genau nach diesem Grundprinzip funktioniert unser gesamter Umweltschutz. Um einen vernünftigen – also effektiven Umweltschutz zu betreiben, zu dem auch eine radikale Wende im Ressourcenverbrauch gehört, ist es zu  allererst notwendig, den längst überfälligen Paradigmenwechsel vom nachsorgenden hin zum vorsorgenden Umweltschutz gedanklich zu vollziehen. Nachhaltiges Handeln muß zwangsläufig ökologisch radikal sein, denn nur eine stabile, voll funktionsfähige Ökosphäre erlaubt dem Menschen ein längerfristiges Überleben, ein nachsorgender Umweltschutz, der zuläßt, daß die Natur  erstmal in rigoroser Weise ausgebeutet und zerstört wird, um massenhaft Produkte herzustellen und sie dann noch als riesige Müllkippe benutzt wird, kann hier nichts wirklich ausrichten.

Wenn man etwas Wertvolles schützen will, dann fängt man sinnvollerweise nicht am Ende, sondern am Anfang einer potentiellen Zerstörungskette an. Wenn wir etwas für unsere Gesundheit tun wollen, dann ist uns doch auch ganz natürlich klar, daß es besser ist, gesund zu leben, um gar nicht erst krank zu werden, als ungesund zu leben und dann mit riesigem Aufwand im Gesundheitswesen die Krankheitsfolgen unseres ungesunden Lebens zu reparieren. Das wir dieses natürliche Wissen in unserem Alltag nicht beherzigen und benutzen steht auf einem anderen Blatt und wird von mir in einem späteren Beitrag wieder aufgegriffen.

DSCF0188Hier soll es jetzt um den dringend notwendigen Paradigmenwechsel hin zu einem vorsorgenden Umweltschutz gehen. Es gibt auf diesem Planeten keinen einzigen Bereich, der nicht von einem derartigen Paradigmenwechsel betroffen wäre, ja unser längerfristiges Überleben hängt davon ab. Man erkennt sofort, daß sich dieser Wechsel nicht mit einem schnellen „Schwarz-Weiß-Denken“ bewerkstelligen läßt, dazu sind die Probleme zu komplex und Lösungswege können nur systemisch, in großen ineinandergreifenden Abläufen und Interaktionen angegangen werden. Wichtig ist jedoch, die Probleme am Anfang der Zerstörungskette anzugehen, also dann, wenn noch gar kein Problem vorliegt und nicht erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

Einerseits sind es natürlich die Abläufe der maritimen und terrestrischen Ökosysteme selbst, die wir massiv stören, es ist aber auch der rigorose Verbrauch unwiederbringlicher Ressourcen, der dringend nach einer Ressourcenwende verlangt. Aus der Vorratskammer Natur holen wir immer nur ab, irgendwann ist die Vorratskammer leer. Um eine vernünftige Ressourcenwende in Gang zu bringen, ist deshalb zunächst einmal Transparenz notwendig, wir müssen uns bei allem, was wir benutzen, Klarheit über den ökologischen Rucksack verschaffen, den ein Produkt, oder wie es Schmidt-Bleek formuliert, die „Dienstleistungserfüllungsmaschine“ mit sich herumträgt. Der Materialverbrauch, den unsere weltweite Wirtschaft heute hat, ist von gigantischen Ausmassen.

Ressourcenverbrauch bis 2030Wenn wir auf die obige Grafik sehen, können wir feststellen, daß unser jährlicher Materialverbrauch rapide wächst und zwar nicht in erster Linie, weil wir weltweit immer mehr Menschen werden, sondern weil wir in den wirtschaftlich sogenannten ‚hochentwickelten‘ Industrieländern von unserem Materialverbrauch her in Saus und Braus leben, bedenken wir doch auch mal, daß wir 2010 nicht nur 68 Milliarden Tonnen Materialien auf diesem Planeten verbraucht haben, davon – wie man sieht – in erster Linie von nichterneuerbaren Resssourcen – es gibt keine nachhaltige Nutzung von Materialien, die nicht erneuerbar sind – sondern auch 43 Milliarden Tonnen von Resssourcen, die wir für NICHTS benutzt haben, die von der ersten Sekunde nach der Förderung bereits Abfall, Abraum sind!!!

Der materielle Fußabdruck ist schlichtweg der Indikator für ein ökologisch sinnvolles Produkt, egal in welchem Bereich: D.H. für einen lückenlosen, vorsorgenden Umweltschutz ist zunächst eine wissenschaftlich saubere Aufstellung aller verbrauchten Materialien bei der Herstellung eines Produkts bis es beim wirklichen Endverbraucher angekommen ist, erforderlich. Wenn wir diesen Materialverbrauch ermittelt haben, müssen wir sehen, welche Auswirkungen die Herstellung auf die verschiedenen Ökosysteme in dieser Zeitspanne hatte, erst dann, wenn wir all diese Zahlen ermittelt haben, erst dann können wir unseren Blick auf den Verbraucher richten! Unser nachsorgender Umweltschutz, wie wir ihn heute vielfach immer noch betreiben, fängt erst beim Verbraucher an, wenn wir an des Deutschen liebstes Kind, sein Auto, denken, sind dann bereits 80%, bei freundlicher Betrachtungsweise, der Ökobilanz erledigt, bevor wir uns überhaupt über Möglichkeiten des Umweltschutzes Gedanken machen und wenn wir noch die gesamte Infrastruktur in unsere Betrachtung mit einbeziehen, dann befassen wir uns beim Thema „Klimaschutz & Auto“ gerade mal mit 2% des Problems! 98% des Problems, die Herstellung der Autos und das Zurverfügungstellen der Infrastruktur wird gar nicht betrachtet.

Immer und immer wieder müssen wir uns klar machen, daß das Produkt, besonders das heute so beliebte „hightech Produkt“,  z.B. eines der Millionen von Handys, nur die ganz, ganz kleine Spitze der Pyramide des Ressourcenverbrauchs bildet. Um ein Handy zu produzieren, ganz zu schweigen von den Ressourcen, die für seinen Gebrauch benötigt werden, landen mehr als 99% des unwiederbringlichen Materials im Mülleimer! Kann das sinnvoll sein?

Handy PyramideUm dem noch eins oben drauf zu setzen ist ja für eine komplette Bewertung eines Produkts seine Nutzung und seine Lebenszeit entscheidend. Solange ich 30 Jahre ein Handy und 500.000 km ein Auto benutze und das möglichst jeweils mit 4 Personen, kein Problem, das ist vom Ressourcenverbrauch her gemessen an den jeweiligen Serviceeinheiten, z.B. beim Handy die Zeit und beim Auto die KM kein wirkliches Thema. Zum Problem wird das Ganze, wenn ich mir jedes Jahr das neuste Handy holen muß oder mein Auto jeweils nach einem Jahr zu Schrott fahre, auch dann, wenn mir die Vollkaskoversicherung jeweils ein neues Auto bezahlt.

Fragt man sich, für was ist denn dann das jeweils neuste Handy und der jeweils neuste Autotyp sinnvoll? Ganz einfach für das sogenannte Wachstum der Wirtschaft, die ja angeblich der Motor der Gesellschaft ist. Wenn es etwas gibt, was aus ökologisch überlebenswichtigen Gründen dieser Planet und die Menschen, die auf ihm hausen, am allerwenigsten benötigten, dann ist es Wachstum! Eine Wirtschaft, die auf Wachstum und Profit ausgerichtet ist, und das ist der Kapitalismus nun mal von Hause aus, kann weder auf Wachstum noch auf Profit verzichten. Solange wir eine Wirtschaft betreiben, deren Erfolg sich in einer wachsenden Zahl produzierter Güter bemißt, solange gehen wir immer in die gleiche Richtung dem Abgrund entgegen indem wir unsere Lebensgrundlagen zerstören.

Erschwerend kommt hinzu, daß es sich beim Naturverbrauch der Wirtschaft ganz genauso verhält wie beim Finanzmarkt, Gewinne werden privatisiert und Verluste, also Folgekosten, die durch Naturabbau und -zerstörung entstehen werden sozialisiert, sprich der Allgemeinheit aufgebürdet.

Einer der ganz zentralen Punkte beim Paradigmenwechsel hin zum vorsorgenden Umweltschutz ist eine vollkommen neue Definition, von dem was wir unter Wachstum verstehen sollten. Ein Wachstum an Dematerialisierung unserer Produkte auf diesem Planeten ist für einen vorsorgenden Umweltschutz gold richtig. Die Devise muß sein, je weniger, desto besser, das sollte der Gradmesser für wirtschaftlichen Erfolg sein! Das bezieht sich sowohl auf den notwendigen Materialinput, wie auch auf die Anzahl der Produkte! In diesem Zusammenhang sollte man sich auch mal Gedanken darüber machen, daß Verdrängungswettbewerb nicht nur dem Konsumenten durch die Konkurrenz (die ja angeblich das Geschäft belebt) bessere Einkaufsbedingungen verschafft, sondern auch gleichzeitig den totalen Überfluß an Produkten und an sinnlosem Materialverbrauch befördert.

Zum Thema „je weniger desto besser“ gehört vor allem ein ganz klar definierter Wert für die Ressourcenproduktivität. D.H. der Wahnsinn fängt bei den immer kürzer werden Nutzungs-perioden eines Produktes an, daß mit enorm viel – oft unwiederbringlichen Ressourcen – produziert wurde. Trotz aller Umweltkonferenzen und aller Klimagipfel steigt unser Ressourcen-verbrauch auf diesem Planeten von Jahr zu Jahr.  Auch wenn wir es kaum glauben wollen, auch Luft, Wasser und Sand, die drei meistverbrauchten Ressourcen auf dem Planeten sind endlich!

Wenn wir etwas für den Planeten und damit für uns tun wollen, dann sollten wir darauf achten, ausschließlich langlebige Produkte mit einem möglichst geringen ökologischen Rucksack und einer hohen Reparaturfreundlichkeit zu kaufen und diese Produkte solange es irgend möglich ist zu nutzen. Jede 50.000 Km, die wir unserem Auto mehr ‚zumuten‘ sind ein Geschenk an die Umwelt. Unseren Wäldern haben wir sowieso schon viel zu viel zugemutet, im Moment sollten wir weltweit deutlich weniger Holz ernten, als nachwächst, um wieder auf vernünftige Größenordnungen zu kommen. Der größte Wahnsinn in diesem Bereich ist, Holz als erneuerbare Energie noch in den Ofen zu stecken. Dadurch setzten wir nicht nur das von den Bäumen mühsam gebundene CO2 wieder frei, sondern vermehren diesen miesen CO2 footprint auch noch durch jede Menge CO2 Belastung durch notwendige Infrastruktur und Logistikeinsatz.

Wir zerstören für das Klima dringend notwendige Wälder und Ihre Böden, um Feuerholz zu haben, gibt es etwas Irsinnigeres? Irsinniger nicht, aber genauso irsinnig ist unser weltweiter Wasserverbrauch, unsere Zerstörung intakter Ökosysteme durch das nur von uns verursachte Artensterben, die durch uns verursachte Ausbreitung der Wüsten, die Erosion der Mutterböden,  die Zerstörung der Regenwälder entlang des Äquatorgürtels, die Zerstörung der Landwirtschaftsflächen durch Versieglung, Vergiftung, Auslaugung, also ihr Unfruchtbarmachen.

Könnte einer sagen: „Na und, machen wir schon lange und die Welt, bzw. die Ökosphäre existiert immer noch“. Darauf kann man antworten: „Stimmt – aber der Unterschied liegt im Geheimnis der exponentiellen Entwicklung“. Die Zerstörung und der Ressourcenverbrauch wachsen noch deutlich schneller als die Weltbevölkerung und dies, obwohl sich für den größten Teil der Weltbevölkerung kaum etwas in den letzten Jahrzehnten materielle geändert hat. Sollte das nicht zu denken geben! Es scheint uns immer noch nicht klar zu sein, daß wir nur diesen einen Planeten haben, mit dem wir auskommen müssen, wir verhalten uns jedenfalls so, als wären die Ressourcen auf diesem Planeten unendlich!

Klar wir haben verstanden, Umwelt-, Klimaschutz muß sein, aber den Umweltschutz den wir uns leisten ist ein Luxus-Umweltsschutz, bei dem nochmehr Ressourcen verbraten werden, wie vorher und nur deshalb, weil wir am Ende der Schadenskette anfangen. Aktiver Umweltschutz, der seinen Namen verdient, kann sich immer nur im Rahmen dessen bewegen, was der Planet immer und immer wieder reproduzieren kann und da gilt ganz klar Omas Grundsatz, ich darf nicht mehr ausgeben, als ich im Monat verdiene, das was uns der Planet pro Monat an nachwachsenden Ressourcen zur Verfügung stellt, das können wir pro Monat ausgeben, alles andere ist Augenwischerei und verdient nicht den Namen „nachhaltig„.

Wenn wir alle wirklich den ökologisch korrekten Preis bezahlen müßten, der in einem Produkt steckt, würden wir sehr sehr viel zurückhaltender sein, wenn es darum geht, etwas noch funktions- oder reparierfähiges wegzuwerfen, um etwas anderes neu zu kaufen. Aber auch wenn wir den Preis nicht bezahlen unsere Nachkommen werden irgendwann in naher Zukunft massiv zur Kasse gebeten und dann wird niemand mehr etwas davon wissen, wer ursprünglich die Schäden verursachte und gleichzeitig die Milliarden seinem privaten Vermögen zugefügt hat.

Fortsetzung folgt…

Die kurze Geschichte zum langen Abschied

Liebe Freunde von ÖkoRadix, langsam heißt es Abschied nehmen, Abschied nehmen als Menschenheit von diesem wunderschönen blauen und grünen Planeten, Abschied nehmen von dem Projekt „Mensch&Planet“. Trinkt nochmal eine gute Flasche Wein (wenn Ihr das Glück habt, in der richtigen Gegend auf diesem Planeten zu leben), macht  es Euch bequem, ich erzähl Euch , wie es zu allem kam, ich erzähl Euch die kurze Geschichte vom langen Abschied . . .

Jahrmarkt Mensch und PlanetWarum noch auf den Jahrmarkt gehen? Auf geht’s zur Horrorsause in das Gruselkabinett „Mensch&Planet“ life ist alles noch viel besser, ich biete Euch vergiftete Flüsse und Seen, mit gigantischen Mengen von Plastikmüll zugekippte Ozeane, die sowieso zu 89% überfischt sind, völlig verdreckte Luft, abgebrandte Regenwälder, jede Menge verendete Tier- und Pflanzenkadaver in der Extrashow „Artensterben“ und noch viele weitere Überraschungen.

Viele von Euch werden natürlich sofort sagen, was der Bursche da erzählt, das können wir alles gar nicht glauben, das ist alles völlig übertrieben, Panikmache von den Medien, die Schlagzeilen brauchen, alles aufgebauscht, es gibt doch gar keine wissenschaftlich fundierten Ergebnisse, die einen behaupten das, am nächsten Tag behaupten die anderen das Gegenteil. Das Ökosystem steckt doch alle durch den Menschen verursachten Probleme locker weg, wer weiß, auf welche dubiosen Quellen der sich stützt, der gibt die ja wissenschaftlich nicht mal sauber an…

Ehrlich gesagt, diese Reaktion erwarte ich auch, denn es gehört zu den menschlichen Überlebensstrategien in der Risikogesellschaft (Ulrich Beck), Bedrohungen zu verdrängen, in der Psyche abzuspalten und zu maskieren, trotzdem investiere ich ein Stück meiner Lebenszeit, um im ganz Groben mal kursorisch zusammenzuschreiben, was so Sache ist, einfach nur, um bei dem ein oder anderen vielleicht eine Verhaltensänderung gegenüber den Problemen hervorzurufen, nicht jedoch aufgrund einer falschen Hoffnung, wirklich etwas bewegen zu können.

Die große Kabarettistin Lore Lorentz vom Kom(m)ödchen in Düsseldorf sagte einmal, daß es keine Kunst sei, Kabarettist zu sein, solange man noch daran glaubt, die Welt ändern zu können. Erst wenn man erkannt hat, dass man sie nicht ändern kann und trotzdem Kabarett macht, fängt die Kunst an! Das ist meine Message und Motivation!

Also! Auf geht’s ins Gruselkabinett „Mensch&Planet“

schweitzerAlbert Schweitzer, der 1953 den Friedensnobelpreis für sein Lebenswerk erhielt und in Deutschland in den 60er Jahren zum Initiator der Antiatombewegung wurde, hat schon vor mehr als einem halben Jahrhundert gesagt: „Der Mensch hat die Fähigkeit, vorauszublicken und vorzusorgen, verloren. Er wird am Ende die Erde zerstören.“ Wie kommt er zu so einer Aussage, ist Albert Schweitzer Pessimist oder einfach nur Realist? Durch sein Lambarene-Projekt kennt man ihn doch eigentlich eher als Optimisten, der auf die Kraft des individuellen Engagements vertraute?

Als vor rund 200.000 Jahren in der ostafrikanischen Savanne, so um den Viktoria See, auf einem Streifen von 800 Kilometern nördlich und südlich des Äquators im heutigen Kenia und Tansania der moderne Mensch, der Homo sapiens (klar zuerst der habilis, dann der erectus und vorallem ab 100.000 der sapiens) seinen scheinbaren Siegeszug auf dem gesamten Planeten antrat, hatten schon einige andere menschliche Formen, Hominiden genannt – also Affen mit mehr oder weniger aufrechtem Gang und vergrößertem Neocortex – es mit dem Planeten versucht und waren im Zuge der Evolution wieder ausgestorben oder starben im Laufe des Siegeszugs des Homo sapiens aus, weil sie an die Lebensbedingungen nicht genug angepaßt waren.

In mehreren Wanderungsbewegungen hat sich dieser ostafrikanische Savannen-Läufer, von dem wir alle ausnahmslos abstammen, auf dem ganzen Planeten verteilt. Spätestens mit der wissenschaftlichen Etablierung der Paläogenetik ist Schluß mit Rassenvorstellungen, wir alle haben sozusagen die gleiche mitochondriale Eva als Urmutter und das ist erst runde 200.000 Jahre her. (Aus der Zeit zwischen 200.000 und 10.000 v.u.Z. berichte ich in einem späteren Beitrag)

Noch vor rund 10.000 Jahren – als sich unser Vorfahre, der ostafrikanische Savannen-Läufer über einige 10.000 Jahre so einigermaßen über den Globus verteilt hatte (vorallem ab 50.000 in mehreren Wanderungsbewegungen), lebten nur 1 Million von uns Menschen auf diesem Planeten. Über viele Millionen von Jahren hatten sich die terrestrischen und marinen Ökosysteme perfekt aufeinander eingespielt und abgestimmt. Von allem, was Natur war, gab es die Hülle und die Fülle, als Jäger und Sammler streiften wir Aufrechtgeher durch die üppig vorhandenen Wälder und lebten davon, was uns Mutter Natur auf den Tisch brachte, sonnenklar, im Einklang mit der Natur zu leben war unhinterfragtes Gesetz, weil Lebensgrundlage – doch dann hört’s auch schon ganz schnell auf, mit dem idyllischen Bild, was ich gerade ausmale…

Millionen von Arten lebten in den letzten 10.000 Jahren auf diesem Planeten aber nur eine Art hat sich dazu aufgeschwungen, alle anderen Arten zu beherrschen, zu unterdrücken, auszurotten, der Mensch! Mit seinem halbgar entwickelten Neokortex hat er auf diesem Planeten so gut wie alles verändert und wir ahnen es immer mehr, nicht zum Besseren für diesen Planeten insgesamt. Der sogenannte Fortschritt ist teuer erkauft und Milliarden von Menschen partizipieren nur in einer äußerst negativen Weise von Ihm, zum Beispiel in dem sie täglich verhungert, obwohl der Fortschritt in der Agrarwirtschaft locker 10 Milliarden Menschen ernähren könnte.

Ohne den sogenannten Fortschritt hätte sich der Mensch in den letzten 10.000 Jahren, also bis 1800, nicht vertausendfacht, denn bereits vor 200 Jahren lebten bereits 1 Milliarde Menschen auf diesem Planeten. 150 Jahre weiter, also 1950, waren wir bereits 3 Milliarden, heute sind wir 7 Milliarden und zur nächsten Jahrhundertwende 2100 werden wir mindestens 10 Milliarden sein.

Der Mensch in der EvolutionVor allem 4 Revolutionen haben zu dieser Bevölkerungsexplosion geführt: die Agrarrevolution, die industrielle Revolution, die Revolution des Gesundheitswesens, die Wissenschaftsrevolution.

Ganz klar: Die planmäßige Nahrungsmittelproduktion, also die systematische Versklavung der Natur als Ressourcenlieferant, hat dies alles möglich gemacht, vor 13.000 Jahren die Domestizierung der Tiere, dann im 13. Jahrhundert die planmäßige Zucht von Pflanzen, dann bis 1900 der verstärkte Einsatz von landwirtschaftlichen Maschinen und schließlich ab den 50er Jahren der planmäßige, großflächige Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und Mineraldüngern und natürlich eine universale industrielle Produktionsweise, vom Acker bis zur Aufzucht und Haltung von Tieren, alles industriell durchorganisiert.

Diese Entwicklung nennen wir wie selbstverständlich „Fortschritt“, und Menschen, die aufs Artensterben, auf Schadstoffbelastungen, auf den Verlust von Lebensräumen, Knastbedingungen für Tiere, die wir essen usw. usw. hinweisen, nennen wir ganz selbstverständlich, „weltfremde Spinner“, „ewig Gestrige“, „Pessimisten“, „Bedenkenträger“, „Fortschritt- und Gesellschaftsfeinde“, „Apokalyptiker“.

Die rosarote Brille, die wir „Fortschritt“ nennen, wollen wir einfach nicht mehr hergeben, das nennen wir „BesitzStandsWahrung“. Und deshalb wollen wir auch gar nicht wissen, wie all die schönen Güter, die irgendwo auf der Welt hergestellt werden, von hinnen nach dennen transportiert werden müssen. Auch fordern wir von jedem Arbeitnehmer eine hohe Flexibilität bei der An- und Abfahrt zum Arbeitsplatz mit dem Auto und irgendwann, spätestens am nächsten Wochenende möchten wir ja auch mit unseren Lieben und unserem Auto einen Ausflug machen.

Cadillac-EldoradoGanz klar, das muß schon alles sein, glauben wir zumindest, deshalb ist es auch nicht verwunderlich, daß 1960 auf diesem Globus noch 100 Millionen Autos unterwegs waren, 20 Jahre später waren es dann bereits 300 Millionen und heute sind es mehr als 1000 Millionen, also mehr als eine Milliarde. Rein rechnerisch fährt heute jeder 7. Mensch, egal ob 5 oder 75 Jahre, ein Auto und wenn es nach der Autoindustrie geht, sollte möglichst jeder Mensch auf diesem Globus ein Auto fahren. Dieses Horrorszenarium, das wir „normalen Alltag“ nennen, läßt sich beliebig fortsetzen, 1960 flogen wir noch 100 Milliarden Passagierkilometer, heute fliegen wir 6.000 Milliarden Passagierkilometer im Jahr. Ein Langstreckenflug kostet hin und zurück schon mal rund 100 Tonnen Treibstoff, da kommt bei 6 Billionen Passagierkilometern im Jahr schon was zusammen, was an Treibhausgasen und anderen Schadstoffen in die Atmosphäre geblasen wird.

Auch die Waren, die wir Weltbürger auf dem globalen Markt erwerben, benötigen 500 Millionen Container um sie von hinnen nach dennen zu schaffen, ganz zu schweigen von den etlichen Milliarden Tonnen an unwiederbringlichen Rohstoffen, die wir jedes Jahr für unsere Zivilisation und unseren sogenannten Fortschritt verbrauchen.

ContainerschiffEs ist doch ganz logisch, daß all dieser „Fortschritt“ nicht ohne Folgen bleiben kann, mit unserer Landwirtschaft, unserer industriellen Produktion und unserem Transportwesen pumpen wir jeden Tag eine Menge an CO2, Methan und anderen Treibhausgasen in die Atmosphäre, das es ganz egal ist, welche noch so ausgeklügelte Ideologie wir aufstellen, das Klima, also die Atmosphäre (Luft), die Hydrosphäre (Wasser), die Kryosphäre (Eis) und die Biosphäre (Pflanzen&Tiere) müssen ganz zwangsläufig kollabieren, das ist nüchterne Physik und Chemie und keine Ansichtssache, auch wenn wir das gerne hätten.

Allein in der Landwirtschaft produzieren wir 30% der Treibhausgase und seitdem wir so massiv Düngemittel einsetzen, produzieren wir Distickstoffmonoxid, ein 300 mal wirksameres Treibhausgas als Kohlendioxid.

Bei alle dem ist die Erwärmung durch den Klimawandel noch garnicht soweit fortgeschritten, daß die riesigen Treibhausgas-Speicher schon ihre volle Wirkung entfalten können, zwar verlieren z.B. die Eisschilde in Grönland und der Antarktis jedes Jahr fast 500 Milliarden! Tonnen Masse ans Meer , was den Meeresspiegel hebt und die Überschwemmungen steigen läßt, aber das noch viel entscheidendere (wenn man überhaupt noch solche Superlative braucht!) ist das Auftauen des Meeres- und Permafrostbodens wodurch riesige Mengen Methan freigesetzt werden. Methan ist ein wesentlich mächtigeres Treibhausgas als Kohlendioxid und die bereits gemessenen Methangaswolken entwickeln sich wesentlich schneller, als die Wissenschaftler bisher angenommen haben.

Jetzt wird sich vielleicht mancher denken, wenn dem allen so ist, dann sollten wir doch dringend unser Verhalten ändern, das könnte man als sogenannter „vernünftig denkender Mensch“ leichtfertig annehmen, ich will wirklich nicht defätistisch rüber kommen, aber das wird niemals geschehen, ganz im Gegenteil, unser Konsum und unsere Weltbevölkerung wachsen weiter,  was den Energie-, den Land- und Nahrungsmittelbedarf dramatisch steigern wird, auch unser Wirtschaftssystem, der Kapitalismus steht unter Druck, weil er von dem immanenten Gesetz des Wachstums, der Profitmaximierung und der Anarchie der Warenproduktion bestimmt ist, also weshalb sollte plötzlich unser Energiebedarf, unser Bedarf an Rohstoffen, unser Ausstoß an Treibhausgasen, unser Konsumbedarf und vielleicht auch, zu guter Letzt, unser humanistisches Bedürfnis, das niemand mehr verhungern soll, zurückgehen, das passiert auf keinen Fall, endgegen aller internationaler Beteuerungen und Absichtserklärungen, steigt die Schadstoffbilanz jedes Jahr unbarmherzig weiter an. Die Wirtschaft und die Bevölkerung wachsen, der Druck auf das Gesamtsystem nimmt gnadenlos zu.

Sojafeld im AmazonasbeckenNoch werden „nur“ 40% der Landoberfläche auf diesem Planeten landwirtschaftlich genutzt, sieht man genauer hin, bleiben eigentlich nur die Wälder, vor allem die tropischen Regenwälder entlang des Äquatorgürtels als Potential übrig, um die landwirtschaftlichen Flächen zu vergrößern, zumindest wenn man nicht kapitalkräftig ist und den riesigen Energiebedarf, der notwendig ist, andere Flächen landwirtschaftlich zu erschließen, nicht finanzieren kann. Deshalb werden z.B. die Wälder in Indonesien oder im Amazonasbecken dramatisch brandgerodet und zu landwirtschaftlichen Flächen umgenutzt. In den nächsten 40 Jahren müssen wir für die aktuelle Weltbevölkerung mehr Nahrungsmittel produzieren, als in den letzten 10.000 Jahren, gar nicht gerechnet, daß rund 1 Milliarde Menschen weiterhin dramatisch unterernährt sein wird, bzw. am Hunger stirbt. Auch die weltweite Idee der Bioraffinierung von Biomasse verschärft die Situation drastisch, weil nicht mehr nur Menschen, sondern plötzlich auch energiesüchtige Maschinen und Motoren um kostbare Bioprodukte zu kämpfen beginnen.

Bis 2050 wird eine weitere Milliarde Hektar Wald abgeholz werden, um Nahrungsmittel und Biosprit zu produzieren. Der äußerst komplexe, globale Kohlenstoffkreislauf entscheidet über Leben und Tod auf diesem Planeten bei jeder Form von Organismus, bisher binden die Wälder, die Pflanzen insgesamt und die Meere in etwa die Hälfte unserer Kohlendioxid-Emmissionen, durch die Vernichtung dieser Ökosysteme, wird nicht nur kein Kohlendioxid mehr gebunden, sondern das bereits gebundene Kohlendioxid wird wieder freigesetzt. Wie die Bäume bei den heutigen Konzentrationen von Kohlendioxid – die schon seit Millionen von Jahren nicht mehr so hoch waren, reagieren werden, kann niemand im Moment solide voraussagen, es gibt allerdings auch wissenschaftlich ernsthafte Untersuchungen, wonach ab einem bestimmten Belastungspunkt, die Kompensation von Kohlendioxid sich ins Gegenteil verkehrt. Eigentlich müßten deshalb weltweit alle Staaten das Abholzen von Bäumen unter strengste Strafen stellen, genau das Gegenteil ist jedoch der Fall.

In jeder Bäckerblume (Magazin, die es beim Bäcker gratis dazu gibt) auf diesem Planeten kann man heute lesen, wie wichtig die tropischen Regenwälder für diesen Planeten sind, aber was ist die Realität: Internationale Holzkonzerne beschaffen sich jede Menge Tropenholz und schädigen damit auch riesige Flächen des Regenwaldes zusätzlich, so wie auch in Deutschland – natürlich in wesentlich kleinerem Maßstab – durch entsprechende Maschineneinsätze große Waldflächen nachhaltig zerstört werden. Aber die Zerstörung des Regenwaldes geschieht nicht nur durch Abholzung für die Holzproduktion und den dafür nötigen Bau von Straßen für den Abtransport der Urwaldriesen.

AmazonasRiesige Flächen des uralten Waldes werden auch einfach brandgerodet, wodurch riesige Mengen von C02, die der Wald vorher gebunden hatte, in die Atmosphäre gelangen. Auf den so geschaffenen Freiflächen werden große Plantagen angelegt, z.B. für den Anbau von Palmölplantagen für Biokraftstoff oder für Baumwollplantagen. Das ist nur ein Beispiel von tausenden, die das Ökosystem nachhaltig zerstören. Selbst wenn wir ganz plötzlich beschließen würden, daß der Regenwald „doch“ wichtig ist, müßten wir ihn mindestens 700 Jahre vollkommen in Ruhe lassen, daß er wieder in etwa so wäre – auch von seinen Funktionen im Ökokreislauf – wie er war, bevor wir ihn abgeholzt haben.

Bis 2050 wird sich der Bedarf an Lebensmitteln verdoppeln (also stärker steigen als die Weltbevölkerung), nah klar, wenn man skrupellos genug ist, kann man da auch ein gutes Geschäft schon heute wittern und da gibt es nicht wenige, die sich im großen Stil am „Land Grabbing“ beteiligen und riesige bisher ungenutzte Gebiete auf diesem Planeten aufkaufen und zur späteren Ausbeutung in jeglicher Art vorbereiten. Allein in den letzten 12 Jahren haben auf diese Weise eine Fläche halb so groß wie Westeuropa, also etwa 50 Millionen Hektar Land, den Besitzer gewechselt.

Wenn wir schon jeden Tag den Planeten, also unsere Lebensgrundlage zerstören, dann sollten wir wenigsten auch offen dazu stehen und uns alle dem Horrorszenarium stellen, das wir jeden Tag auf diesem Planeten anrichten, anstatt uns von Morgens bis Abends mit allem möglichen rauszuwinden versuchen, mal trösten wir uns damit, daß die Wissenschaft jeden Tag was anderes behauptet, mal muß man erstmal abwarten, ob es wirklich einen Klimawandel gibt, mal wollen wir einfach gar keine Informationen haben, strukturell verhalten wir uns überall gleich, ganz klar, wie sollte es auch anders sein, wir lehnen die industriellen Massentierhaltung ab, essen aber doch am liebsten jeden Tag unser Steak.

Oder sehen wir mal auf so etwas Unauffälliges wie den Sand, unsere sogenannte Zivilisation ist im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut und nicht nur, weil wir mit Sand oft deutlich bessere Gewinne, als mit Uran, Öl und Gas einfahren und deshalb jedes Jahr 40 Milliarden Tonnen davon verbrauchen, sondern weil er praktisch überall in unserer modernen Welt  benötigt wird, wir brauchen ihn nicht nur für den Stahlbeton sondern auch für Computer, Handys, Kreditkarten, Geldautomaten, Verkehrsmittel, Glas, Lebensmittel, Kosmetik und Solarzellen usw. usw.. nimmt es da Wunder, daß Sand nach Luft und Wasser das drittmeistverbrauchte Wirtschaftsgut der Welt ist? Nimmt es da Wunder, daß es auf dem Planeten eine riesige „Sand-Mafia“ gibt, die über Leichen geht, jedenfalls sich in keiner Weise darüber Gedanken macht, daß hier Tag für Tag, Jahr für Jahr unwiederbringlich Ressourcen verbraten werden und zwar in einer rasenden Geschwindigkeit!

Noch eine Ressource, von der wir von der Nordhalbkugel immer glauben, das es sie unendlich geben würde, ist Wasser. Natürlich benötigt eine ständig steigende Weltbevölkerung immer mehr Wasser, keine Frage, aber Wasser brauchen wir nicht nur zum Trinken und Duschen, wie mancher meint. Bereits mehr als eine Milliarde Menschen leidet unter extremer Wasserknappheit. Wir pumpen schon heute die unterirdischen Wasserspeicher wesentlich schnell leer, als sie sich wieder füllen und der Wasserverbrauch steigt ständig. Aber wir verbrauchen Wasser nicht nur zu 70% in der Landwirtschaft, auch der Bedarf in Bereichen, die wir nicht sofort erkennen, steigt ständig.

BurgerBeispiele: Um einen einzigen Burger herzustellen benötigt man in etwa 3000 Liter Wasser, ein Hähnchen vom Grillstand um die Ecke benötigt 9000 Liter Wasser, eine Tafel Schokolade etwa 2700 Liter Wasser, ein Baumwollschlafanzug ebenfalls 9000 Liter Wasser, 100 Liter Wasser für eine Tasse Kaffee, 72 Liter Wasser pro Chip in einem PC oder Smartphone, 4 Liter Wasser um eine Petflasche herzustellen, die Liste läßt sich endlos verlängern und zeigt nur wie aussichtslos und dramatisch die Situation ist.

Wenn es eine Kurve gibt, die die Entwicklung des Menschen und SEINEM Planeten sehr gute wiedergibt, dann ist es die nachfolgende und zwar egal welche Werte wir auf der senkrechten Achse eintragen, es kommt immer in etwa die gleiche Kurve heraus. Wir sehen, die ganze Entwicklung war ein langer, ruhiger Fluß und dann im 20. Jahrhundert gerät alles „nachhaltig“ ausser Rand und Band.DIE GRAFIK

„Never change a running system“, diesen Grundsatz haben wir alle nicht beherzigt, weil wir, im Gegensatz zu Albert Schweitzers Aussage, die Fähigkeit vorauszublicken und vorzusorgen niemals hatten, bzw. immer sehr partiell nur hatten. Die Fähigkeit, funktionierende Ökosysteme zu zerstören, besitzen wir schon sehr lange, aber erst seitdem diese Fähigkeit auch über geeignete technische Verfahren verfügt, hat sie sich so dramatisch weiterentwickelt und genau deshalb kommt es zu der obigen Kurve.

Wir können allerdings auch einfach die nachfolgende Grafik der zahlenmäßigen Entwicklung der Weltbevölkerung betrachten und können sofort erkennen, daß sich hier riesige Probleme auftun und zwar allein aufgrund der schieren Menge der Weltbevölkerung. Natürlich kann unsere Agrarproduktion – aufgrund der industriellen Produktion der Nahrung – 10 Milliarden Menschen theoretisch ernähren, aber erstens gelingt es schon jetzt bei 7 Milliarden nicht, daß Menschen nicht mehr am Hunger sterben und zweitens benötigen auch diese Menschen gewisse Standards für ein menschenwürdiges Leben, die man ihnen nicht weiter vorenthalten kann, wenn man nicht weiterhin menschenverachtend vorgehen will. Natürlich gibt es geborene Machertypen mit „sozialem Gewissen“, die glauben, daß Menschen nicht mehr hunger müssen, wenn man Logistik und Nahrungsmittelproduktion besser organisiert und z.B. gentechnisch veränderte Feldfrüchte mit höheren Erträgen einsetzt. Dagegen ist zum einen zu sagen, daß ja die Probleme sich schon durch die „erste grüne Revolution“ bzgl. der Bevölkerungsexplosion und der zerstörten Ökosysteme dramatisch verändert haben und das zum anderen durch eine „zweite grüne Revolution“ aufgrund von gentechnisch veränderten Produkten, die Spirale der Umweltzerstörung und der Ausplünderung des Planeten weiter antreiben muß (Details muß ich in einem weiteren Artikel erläutern). Neben der drastischen Resourcenwende bedarf es einer auf Freiheit gegründeten weltweiten Bildungsoffensive vor allem für Frauen, natürlich jenseits der Religionen, die als einziges eine für den Planeten sinnvolle Familienplanung möglich machen kann.

zahlenmaessige Bevoelkerungsentwicklung
Aber auch das Artensterben gewinnt durch transgene Produkte an Fahrt, aber wenn Menschen auf das 1000 mal schnellere Artensterben in unserer momentanen Situation hinweisen, dann kommt von den meisten Menschen immer so ein mitleidiges Lächeln, so nach dem Motto: „Der arme Irre, womit der sich so sein Leben beschwert und versaut.“ Das kommt vor allem daher, daß das Artensterben auf den ersten Blick immer nur in so lächerlichem Zusammenhang  erwähnt wird, daß wieder mal ein paar unverbesserliche, irre Naturschützer sich dem wirtschaftlichen Erfolg und damit dem Fortschritt entgegen stellen, von dem wir doch alle leben. Meistens steht die Unwissenheit diesen schwachsinnigen Argumentationen der Fortschrittsjünger Pate.
Es geht aber beim Artensterben nicht nur um das Sterben bestimmter besonders schöner Vögel, Schmetterlinge oder Kröten sondern vor allem um das Aussterben bestimmter lebenswichtiger Ökosysteme, deren Teil bestimmte Arten sind, wenn die Arten sterben, sterben auch die Ökosysteme, darum geht’s.
Bis 2100 werden zwei Drittel des jetzigen Bestands an Arten ausgestorben sein, das ist in etwa so viel, wie vor 65 Millionen Jahren, als ein Asteroid auf der Halbinsel Yucatán einschlug und damit eine ähnliche Anzahl Lebensformen – einschließlich des Dinosauriers – vernichtete, wie es heute der Mensch tut.
Ob es uns paßt oder nicht, wir bleiben von den vielfältigen Ökosystem-Dienstleistungen, die uns der Planet kostenlos zur Verfügung stellt, abhängig. Ohne diese Dienstleistungen sterben wir aus, zuerst die „paar Milliarden“ der Ärmsten der Armen auf diesem Planeten – aber irgendwann geht es auch uns wohlhabenden, übersättigten Konsumenten auf der Nordhalbkugel an den Kragen, vorher kommt’s natürlich noch zu riesigen Verteilungskriegen aber irgendwann in nicht allzuferner Zukunft geht auch bei uns das Licht aus und wir werden feststellen, wie es in der Weissagung der Cree heißt: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Unwissenheit schützt vor dem Untergang nicht!
Bei der Zerstörung unseres Planeten können wir uns genauso wenig mit Nichtwissen herausreden, wie beim Zustandekommen des Faschismus, die Bedingungen, die zu dem einen, wie zum anderen führen, werden von uns allen, mehr oder weniger bewußt, jeden Tag aufs neue reproduziert, weil sich gleiche Strukturen über all wiederfinden und weil es oft nur des einen entscheidenden Tropfens bedarf, um ganze Systeme in die ein oder andere Richtung zu verändern. Niemand kann sich ausnehmen, wir alle sind es, die diesen Planeten zerstören und in weiten Teilen, durch die Banalität unseres normalen, bewußtlosen, täglichen Lebens.

In Adornos „Reflexionen aus dem beschädigten Leben“, die er im Gegensatz zu Aristoteles „Minima Moralia“ nannte, findet sich im 18. Denkbild unter der Überschrift „Asyl für Obdachlose“ der wichtige, jedoch oft falsch verstandene Satz: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. Das ist kein Freibrief sich gesellschaftlich aufzuführen, wie man will, da es sowieso kein richtiges Leben gibt, sondern nur der grundsätzliche Vorbehalt sich niemals aus dem Gesamtzusammenhang herausstellen zu können, weil die Strukturen, unter denen wir leben, universal sind, niemand kann sich diesen entziehen, trotzdem kann man sich in einer kleinen Ethik, einer „Minimal Moralia“ mehr oder weniger anständig verhalten.

Angst vor der Revolution!
Im positiven, aktiven Sinne haben wir immer Angst vor der Revolution, wir meinen uns keinesfalls auf Verhältnisse einlassen zu können, die „wir nicht mehr unter Kontrolle haben“, im negativen Sinne gehen wir aber genau auf eine dramatische Revolution zu. Das Wort Revolution ist ja eigentlich nur ein anderes Wort für die Kippschalter-, Wassertropfen- oder Schmetterlingsflügelschlag-THEORIE, es ist nur stärker ideologisch belastet, meint aber im Grundsatz eine totale Veränderung, auf der kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Ob wir wollen oder nicht, genau diesem Problem sind wir ausgesetzt auf diesem Planeten und genau deshalb müssten wir für jeden Bereich unserer sogenannten Zivilisation einen Paradigmen-Wechsel vollziehen, aber was machen wir alle? NIX machen wir alle!
Natürlich noch leben wir zumindest auf der nordlichen Halbkugel heiter und übersättigt von unserem Wohlstand jeden Tag vor uns hin, während gleichzeitig ein Asterioid mit weltzerstörender Kraft aus dem All auf uns zurast. Und obwohl immer mehr Wissenschaftler weltweit die Ausmaße des Einschlags und seine Folgewirkungen vorhersagen und exakt berechnen können, nehmen wir dieses Wissen gar nicht zur Kenntnis.
Wie der Soziologe Ulrich Beck schon vor 25 Jahren in seiner Analyse der Risikogesellschaft beschrieben hat, „wo sich alles in Gefährdungen verwandelt, ist irgendwie auch nichts mehr gefährlich.“ Aber dadurch, daß wir für unser momentanes Überleben einfach keine Gefahren mehr wahrnehmen wollen, sind diese nicht verschwunden und auch wenn der Überbringer der Botschaft der Bösewicht ist, der hingerichtet gehört und die Botschaft selbst ungehört bleibt, verschwindet die Sache selbst nicht, wir vergeben uns nur die Chancen noch etwas zu verändern, bevor die Fakten zuschlagen.

Weil diese Mechanismen anthropologische Konstanten darstellen, an denen sich nichts ändert, genau deshalb geht die Sache schief und genau deshalb sollten wir langsam damit beginnen, Abschied zu nehmen von diesem wunderschönen blauen Planeten.

Objektiv gesehen haben wir genau 2 Möglichkeiten, die globalen Probleme anzugehen, entweder „technologisieren“ wir uns in ganz kurzer Zeit aus dem Problem heraus, was mindestens 3 Zehnerpotenzen unwahrscheinlicher ist, als den Jackpot zu knacken, oder wir verändern unser Verhalten, was mindestens 5 Zehnerpotenzen unwahrscheinlicher ist, als den Jackpot zu knacken. Auf Geoenginiering gehe ich gar nicht ein, weil das sowieso vollkommen illusionär ist, im großtechnischen Maßstab nachhaltig in die  Ökosysteme eingreifen zu wollen.

Übrigens: Bei alledem kann ich nur das Buch „Zehn Milliarden“ von Stephen Emmott und das Buch „Grüne lügen“ von Friedrich Schmidt-Bleek empfehlen, wenn jemand sich noch weitergehend informieren möchte. Wie Emmott sehe auch ich – allerdings rein hypothetisch, weil keine der beiden Möglichkeiten Realität werden – nur ganze 2 Möglichkeiten, um auf die aktuelle Situation zu reagieren.

1. Möglichkeit: „Heraustechnologisieren“
Hier wäre eine radikale Revolution bei der Erzeugung von Energie erforderlich, die im Moment propagierten Methoden lasse ich mal alle außen vor, weil Sie keine ökologisch sinnvolle, nachhaltige Lösung für die Energieprobleme bieten. Also es gäbe zum einen die Möglichkeit auf synthetische Weise die „Photosynthese“ in hochtechnologische Verfahren umzusetzen, hier stecken die gesamten wissenschaftlichen Ansätze jedoch noch in den Kinderschuhen, also in der Grundlagenforschung, Lichtjahre davon entfernt, eine synthetische Photosynthese in hochtechnologischen Verfahren serienreif einzusetzen.
Zum zweiten gäbe es die Möglichkeit „Raumenergie“ nutzbar zu machen. Abgesehen davon, daß Raumenergie immer den Stempel des Esotherischen und Lächerlichen aufgedrückt bekommt, was in der Wissenschaft ja ein beliebter Trick ist, um neue Erkenntnisse zu unterdrücken, sind auch hier ernsthafte wissenschaftliche Forschungen noch in den Kinderschuhen.
Wer auf Technologien hofft, die man heute noch nicht sehen kann, unterliegt einem bloßen Wunschdenken, wenn man bedenkt, wie lange die Entwicklungszeit für solche Technologien sind.
Wenn wir z.B. an die 1.  und 2. Ölkrise Anfang und Ende der 70er Jahre denken und daran, daß man damals schon vom 1 Liter Auto gefantert hat und wir das 1 Liter Auto nach 40 bzw. 35 Jahren immer noch nicht habe, dann frage ich mich, wie man allen erstes bei einer Grundlagentechnologie für eine ökologisch sauberen, nachhaltigen Energiegewinnung allen erstes Glauben kann, daß diese in den nächsten 35 Jahren serienreif entwickelt würde.
Das Grundproblem bei neuartigen, revolutionären Energiegewinnungsmethoden ist eben die Schwierigkeit, daß sich seriöse Wissenschaft nicht in 5 Minuten erledigen läßt, also auch keinen kurzfristigen „Return on Invest“ verspricht, dieser ist aber heute notwendig, um möglichst viele Forschungsgelder zu bekommen.
„Photosynthese“ und „Raumenergie“ sind beides vielversprechende Ansätze, werden aber von den Kreisen, die auf diesem Planeten über das notwendige Kapital verfügen, nicht hinreichend gefördert und ohne, daß die Menschheit das Energieproblem ökologisch sauber und nachhaltig löst, fahren wir den Planeten an die „vielzitierte“ Wand.

2. Möglichkeit: „Verhalten ändern“.
Also dramatisch unseren Konsum verändern, mindestens um den Faktor 10 runter mit allem, unseren Umgang mit Ressourcen ebenfalls mindestens um den Faktor 10 runter, sparen, was das Zeug hält. Während in den letzten 100 Jahren sich die Weltbevölkerung „nur“ vervierfacht hat, hat sich unser Ressourcenverbrauch versiebzehnfacht! Aber keiner will persönlich sparen, das ist sowas von unpopulär und politische Zwangsmaßnahmen? Fehlanzeige, die nächste Wahl kommt bestimmt, da nehmen wir den, der mehr verspricht nicht weniger und schließlich und endlich gibt es ja dann doch immer welche, die nicht mitmachen: „Bei uns den Gürtel enger schnallen wollen und selbst noch drei Löcher zugeben, ne so läuft das nich…“
Aber andererseits sind doch Politiker dafür da, sich verantwortlich zu verhalten, die sind doch schließlich für die Infrastruktur und damit auch für die Natur zuständig, schließlich zahlen wir Steuern und haben damit das Problem doch an die Politik delegiert, schließlich bekommen die doch  auch dicke Diäten.
Also da ist man als Politiker schon unter Druck, was macht man, wenn man also in der Sache nichts ändern kann, dann muß eine andere Lösung her, da gibt es drei prima Lösungen:
1. Die reine Weste, nach dem Motto, wir haben das beste gewollt, aber die anderen haben die Verhandlungen leider scheitern lassen,
2. die super Marketing-Leute, die aus jedem Scheitern immer noch einen Erfolg machen und
3. die Gutachten, die Politiker von der Verantwortung befreien und aufzeigen, weshalb nur eine, oft die nachhaltig sinnloseste Varianten als einzige in Frage kommt.

albert-einstein-02
Kann man die Probleme dümmer angehen, wohl kaum, aber wie Albert Einstein schon richtig bemerkte (egal ob er es wirklich gesagt hat oder nicht): „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

Warum hab ich das alles erzählt?
Sicher nicht deshalb, um uns allen einen Freibrief dafür zu geben, uns weiter so hemmungs- und gewissenlos aufzuführen, wie wir es gewohnt sind, da im großen Stil unser Projekt „Mensch&Planet“ sowieso gescheitert ist. Sondern deshalb, weil wir uns grundsätzlich von der Argumentationkette verabschieden sollten, daß wir entweder nichts tun müssen, weil sowieso alles schon vergeigt ist oder wir etwas tun können, weil wir noch alles im großen Stil erreichen können und die Hoffnung doch zuletzt stirbt.
Beide Argumentationsketten müssen zwangsläufig scheitern, bei den einen, weil niemand es durchhalten kann, sich in jeder Sekunde seines Lebens wie die letzte Drecksau aufzuführen und lustig vor sich hinzuleben irgendwann wird bei jedem der Panzer krachen und bei den anderen, weil irgendwann bei der Übermacht der negativen Erfahrungen der Motivator „Hoffnung“ zerbrechen muß und dann die Hoffnung um so stärker in Resignation umschlagen kann bei dem vergeblichen Engagement, das man all die Jahre an den Tag gelegt hat.

Deshalb: Vergeßt die Hoffnung, vergeßt Ziele, vergeßt das Siegenwollen als Motivatoren!
Hoffnung ist nur ein anderes Wort für „Siegen wollen“, zu kämpfen, weil man die Hoffnung hat, letztendlich doch noch zu siegen. Das Motto: „Das Gute setzt sich letztlich doch noch durch“, ist ein psychologische Krücke, die wir wegwerfen sollten. Ich weiß, diese eschatologische Struktur findet sich noch in den säkularsten Gesellschaftsbewegungen, die sie dann zwar nicht mehr „Reich Gottes“ nennen, sondern Sozialismus, Kommunismus, humaner Kapitalismus, soziale Marktwirtschaft, Utopia etc. aber letztlich immer auf Entwicklung, Fortschritt, letztes Gericht, usw. abgestimmt sind.
Diesen Entwicklungsgedanken halte ich in seiner Wirkungen für verheerend, natürlich nur dann, wenn Entwicklung gleichgesetzt wird mit „Höherentwicklung“. Diese Ideologie der Höherentwicklung verstellt uns seit Jahrhunderten den realistische Blick auf das Zusammenspiel von Mensch&Planet. Alles – und sei es noch so absurd – muß in das Schema der Höherentwicklung, in den Fortschrittsgedanken eingepaßt werden, wer sich dagegen stellt, wer gegen den Fortschritt ist, ist ein Menschen- und Gesellschaftsfeind und muß vernichtet werden.

Wenn sich bei der fortschreitenden ethischen Verwahrlosung auf diesem Planeten etwas verändern soll, dann nicht in dem man das eine Ziel durch das andere und den einen Sieg durch den anderen ersetzt. „Es geht ums Tun und nicht ums Siegen!“ (heißt ein Buch, das Konstantin Wecker und der amerikanische Zen-Meister Bernhard Glassman Roshi zusammen verfaßt haben, und das meiner Meinung nach schon im Titel sehr gut die Richtung vorgibt, in die meine Überlegungen gehen) Die strukturelle Auflösung von Haß, Gier und Ignoranz durch universales Mitgefühl für alle fühlenden Wesen und damit auch in letzter Konsequenz für diesen Planeten, kann nur funktionieren, wenn wir das Siegenwollen und damit die Gier nach Macht ganz verlernen und in den Mittelpunkt unseres Lebens das ethisch anständige Handeln aus Liebe und Mitgefühl rücken.

Entgegen des normalen Sprachgebrauchs ist deshalb für mich ein „hoffnungsloser Optimist“ bei der beschriebenen Zwickmühle besser aufgestellt: Einerseits ist er ein pessimistischer Realist, der von keinen Hoffnungen auf Besserung umgetrieben wird, der weder an eine positive Weiterentwicklung des Menschen noch an ein positives Happy End des Projekts „Mensch&Planet“ glaubt, der schlicht keinerlei Hoffnungen hat, der aber andererseits so optimistisch handelt und lebt, als wäre alles noch zu retten, der aber als Antrieb für sein Handeln keiner Hoffnungen bedarf sondern nur des universalen Mitgefühls und der Liebe, verbunden mit der Einsicht, Haß, Gier und Ignoranz hinter sich zu lassen!

Der hoffnungslose Optimist ist ein lebensbejahender Mensch OHNE Hoffnung!

Diese Haltung macht den „hoffnungsloser Optimisten“ frei in seinem kleinen,  persönlichen Leben das Beste zu geben, egal wie schweinisch und rücksichtslos alle anderen Menschen sich aufführen. Er ist frei vom quantitativen Denken, (das nach dem Motto geht, wenn ich nicht den Planeten retten kann, macht alles andere auch keinen Sinn, dann kann ich alles andere auch gleich lassen), er handelt (in etwa nach der Gravur in Oskar Schindlers Ring) nach dem Motto:

„Wer auch nur ein einziges fühlendes Wesen rettet, rettet die ganze Welt.“
(Der Satz hat Bestand, egal ob er wirklich im Talmud steht oder nicht.)

So wird ein „hoffnungsloser Optimist“ von keinem missionarischen Eifer angetrieben, er will nicht siegen, er will nur ethisch aufrecht handeln, er ist frei von der Hoffnung, etwas bewegen zu können, sein aufrechtes, humanistisches Handeln, aller Natur, allen Tieren, Wäldern und Menschen gegenüber wird immer wieder nur aus sich selbst – oder man könnte auch sagen aus dem Leben selbst – geboren, ist kein Mittel zum Zweck sondern sein kleines, persönlichen Leben im Ganzen, absolut nichts darüber hinaus, ganz im Hier und Jetzt.

Minima Moralia!

WaldKritik

WaldkritikHeaderSobald wir Menschen das Wort „Ressource“ hören, bekommen unsere Augen diesen feuchten, glänzenden Millionen-Dollar-Blick und unsere instrumentell, industriell geschulten Rädchen im Kopf beginnen wie wild zu arbeiten, wie wir diese „Ressource“ ausbeuten, also wirtschaftlich für unseren ständig wachsenden Reichtum verwerten können und das möglichst effizient!

Das fängt bei Tier und Mensch an, das geht über alle, oft unwiderbringlichen Rohstoffe auf diesem Planeten weiter und das hört beim Wald noch lange nicht auf, hier ist es nur besonders auffällig, weil wir oft direkt vor unseren Türen mit schwerstem Gerät die Bäume umsägen und zur Verwertung abtransportieren, auf denen wir selbst sitzen – kein Wunder, daß wir nur noch im Universum nach intelligentem Leben suchen, für unseren Heimatplaneten haben wir es längst aufgegeben.

Weil dem so ist und weil es wohl doch eine anthropologische Konstante gibt, nach der wir nie ganz aufgeben können und immer wieder die Hoffnung in uns hochkommen lassen, daß die Ignoranz eines Tages doch abnehmen könnte, gibt es jetzt eine Seite, die sich „WaldKritik.de“ nennt und eine unabhängige, demokratische, bundesweite, zivilgesellschaftliche Initiative ist, die waldbegeisterten Kritikern (egal ob sie viel oder gar kein Fachwissen besitzen) einen virtuellen Versammlungsort zur Verfügung stellen will, an dem Freunde des Waldes und Kritiker des Umgang mit dem Wald an einem runden Tisch über die Gegenwart und Zukunft des Waldes miteinander diskutieren können.  Fernab von parteipolitischem Gezänk und dogmatisch-ideologischer Verbohrtheit sollen sich Menschen auf dieser Kommunikations-Plattform treffen und austauschen können, die einzige Vorbedingung sollte sein, daß es den Diskussionsteilnehmern wirklich um den Wald geht.

Der Begriff “Kritik” ist in unseren “Macherzeiten” etwas in Verruf geraten, obwohl er besonders seit der Aufklärung im 18. Jh. eine wunderbare Methode bezeichnet, eine Situation möglichst realistisch, nach den Kriterien der Vernunft, zu beurteilen. Die Methode der Kritik ist deshalb so erfolgreich, weil sie bei der Beurteilung eines Sachverhalts auch das jeweilige Vorverständnis mitbedenkt, also die Bedingungen, unter denen mein Beurteilen stattfindet.

Die Kritik eines Försters zum Beispiel, die er am Zustand und den Bedingungen unter denen der Wald wächst, äußert, muß zwangsläufig eine ganz andere sein, als bei einer Familie, die es einfach wertfrei liebt, am Wochenende im Wald wandern zu gehen und auch ein ökoradikaler Naturschützer wird eine ganz andere Kritik üben, als die beiden erstgenannten Gruppen.

An diesem runden Tisch sollen sich nach Möglichkeit alle Interessengruppen, die Fachleute UND die absoluten Laien (die einfach nur waldbegeistert sind) miteinander austauschen können.

Der Wald bedeutet eigentlich immer Schönheit und Mahnung zugleich und Kritik ist bewahrend und verändernd zugleich. Kritik ist gerade auch dann berechtigt, wenn Sie gleichzeitig und zunächst KEINE ALTERNATIVEN Lösungen anbieten kann.

Ohne Kritik kann man die Probleme nicht sehen, bzw. adäquat beurteilen und oft kann man das Problem der einen Interessengruppe nicht mit dem Problem einer anderen Interessengruppe einfach verrechnen, beide Themen stehen nebeneinander und es geht darum, gemeinsame Lösungen zu suchen, ohne die Probleme des jeweilig anderen als nicht existent wegzuerklären!

Der Name “Waldkritik” bedeutet letztlich die “Kunst der Waldbeurteilung”! Diese Kunst ist sehr komplex und bedarf vieler Meinungen, auf die man auch dann Rücksicht nehmen sollte, wenn es innerlich schwerfällt oder wenn man die Person, Partei, Institution etc. partout nicht ausstehen kann oder an deren Geisteshaltung, Einstellung und Aussagen heftig Anstoß nimmt.

Ich wünsche der Seite eine gute Zukunft: Möge sie dem Wald helfen, denn wenn sie ihm hilft, hilft sie auch allen anderen fühlenden Lebewesen!

Ein Gespräch mit dem Künstler & Sozialisten: William Morris

william-morris-forestWilliam Morris (1834 – 1892) gilt vielen als verschrobener Phantast, der sich in ein mittelalterliches Arkadien zurückgeträumt hat und seine Firma eher wie eine Bruderschaft mit brüderlichen Idealen als mit harten kapitalistischen Gesetzen führen wollte. Morris war jedoch nach unserem Dafürhalten ein wahrhafter Visionär, ein undogmatische Sozialist und Humanist, aber auch ein großer Realist, der keine Scheuklappen aufsetzte, der sehr genau sah, wohin die Arbeitsteilung der industriellen Revolution, der Verlust handwerklichen Wissen und Könnens, das industrielle Fertigen und die Zerstörung, wie die Entfremdung von der Natur führen würden, nämlich genau dort hin, wo wir heute stehen. William Morris war ein Mensch, der die Natur liebte, nicht im Sinne eines Blut- und Bodenmythos, nicht als etwas, das dem Menschen zur Unterwerfung und Ausbeutung überantwortet ist, sondern als Lebensgrundlage und Quelle von Schönheit, als Seinsbereich, der entscheidend für Empfindungen des Glücks oder Unglücks ist. Insofern kann man William Morris als den Urvater aller grün-alternativen Linken ansehen. Warum? Das könnt Ihr in dem nachfolgenden Gespräch zwischen ÖkoRadiX und William Morris näher erfahren.

William Morris KopfOekoRadiX (OR): Mr. Morris, herzlichen Dank für Ihren Besuch in unserer Redaktion. Den meisten unserer Leser sind Sie – überspitzt formuliert – heute nur noch als ein genialer Designer floraler Tapeten im viktorianischen England des 19. Jahrhunderts bekannt, dabei könnte man doch bei einem ganzheitlichen Blick auf Ihre Person, Ihr Leben und Ihr Werk wie im Spiegel eines großen Künstlers, alle Aspekte und Probleme unserer Gegenwart perfekt erkennen und für eine Analyse der Jetztzeit nutzbar machen. Aber vor allem auch Ihre vielen Ideen zu Leben – Schönheit – Kreativität und Gesellschaft sind heute aktueller denn je.

William Morris (WM):  Wenn Sie das so sagen, dann freue ich mich natürlich darüber …

OR: Bekanntlich sieht man ja oft den Wald vor lauter Bäumen nicht, deshalb kann der Blick in die Geschichte doch sehr hilfreich sein, besonders dann, wenn alte und neue Zeiten, wie in der Mitte des 19. Jahrhundert, aufeinanderprallen und alle Probleme bereits im Kleinen auftauchen. Für uns Heutige ist z.B. unsere Entfremdung und unser Umgang mit der Natur zu einem großen Problem geworden, in Ihrem Lebenswerk, Mr. Morris, spielt die Natur ja eine ganz herausragende Rolle. Der Header zu diesem Beitrag zeigt z.B. Ihren Wandteppich „The forest“, der heute im Londoner Victoria & Albert Museum zu bewundern ist. Können Sie unseren Lesen kurz erzählen, was Sie zu diesem Motiv bewogen hat?

WM: Zunächst muß ich betonen, daß der Wandteppich, der im Workshop Merton Abbey meiner Firma „Morris & Co.“ 1887 gewebt wurde, nicht nur von mir, sondern auch von meinem Freund Philip Webb und meinem Designer John Henry Dearle entworfen wurde.
Philip hat die Tierfiguren kreiert, John hat das florale Design entworfen und ich hab die Blumen im Vordergrund und den äußeren Rahmen beigesteuert.
Der Wandteppich zeigt die innere und äußere Ruhe, in der die Natur verharrt, im Unterschied zu unserer von der Natur entfremdeten Geschäftigkeit, die dieses in sich ruhende Gleichmaß nicht mehr kennt. Insofern ist der Teppich Schönheit und Mahnung zugleich, wie alle Werke von „Morris & Co“, der Firma, die ich ab 1875 allein zu managen hatte.

OR: Aha, ich habe verstanden, die Natur spielt in Ihrem Werk die zentrale Rolle und dient nicht nur als ornamentales Beiwerk. Wenn man auf Ihr politisches Engagement sieht, dann fällt einem sofort auf, daß es bei Ihnen eine enge Verzahnung zwischen gesellschaftlich/wirtschaftlichen Themen, wie Produktivkraftentwicklung, Gewinnstreben, Kapital, Produktionsmitteleigner auf der einen Seite und einem einfachen, naturnahen, von Schönheit bestimmten, Leben auf der anderen Seite gibt.
Bis zu Ihrem leider sehr frühen Tod 1896 (im Alter von 62 Jahren) habe Sie sich selbst immer als Sozialisten, bisweilen auch als Kommunist bezeichnet, wobei wie schon gesagt einfache Lebensweise und Harmonie mit der Natur neben einer gerechteren, menschenwürdigeren Welt für sie im Zentrum ihrer sozialistischen Aktivitäten lag und damit sich doch stark vom sozialistisch, dogmatischen Mainstream schon in der damaligen Zeit unterschieden hat.
Schönheit war für sie z.B. eine Kategorie, ohne die eine sozialistische Gesellschaft nicht auskommen kann. Friedrich Engels nannte sie unter anderem deshalb etwas abschätzig einen „Gemütssozialisten“ und man fragt sich noch heute, was dagegen einzuwenden ist, wenn ein Sozialist mit „Gemüt“ ausgestattet ist.
Denkt man länger und tiefer nach und bezieht die ganzen Fehlentwicklungen des Sozialismus im 20. Jh. mit ein, dann könnte man doch sagen, der gedankliche Impakt der hinter dieser Aussage von Engels steht, ist bis heute das Problem jeder sozialistischen Bewegung gewesen.

WM: „Ich verstehe unter Sozialismus … eine Gesellschaft, in der alle Menschen unter gleichen Bedingungen leben, in der es zu keiner Verschwendung kommt und volle Klarheit darüber herrscht, daß die Beeinträchtigungen der Rechte eines einzelnen die Beeinträchtigung der Rechte aller bedeutet. … Wir wollen mit den Mitteln sozialer Demokratie zu einem anständigen Leben gelangen. Wir wollen wirklich lebendig sein und bleiben. Darauf bestehen wir, hier und jetzt. Gewiß, wer behauptet, daß die Frage von Kunst und Kultiviertheit gegenüber der des Lebensunterhalt den Vorrang habe … hat nicht begriffen, was Kunst bedeutet bzw. daß sie ihre Wurzeln im aufstrebenden und angstfreien Leben hat. …  Es ist die Provinz der  Kunst, die das wahre Ideal eines erfüllten und vernünftigen Lebens vor (uns) aufrichtet, eines Lebens, zu dem notwendigerweise die Wahrnehmung und die Schöpfung von Schönheit, die Freude an wahren Vergnügen gehört – und zwar ebenso notwendig wie das tägliche Brot.“

OR: Mir scheint, daß sie von der Kunst einen wesentlich umfangreicheren Begriff haben, als wir es normalerweise in unserer bürgerlichen Vorstellung von Kunst gewohnt sind. Für unsere Leser ist es vielleicht nicht uninteressant zu verstehen, daß sich für Sie – als praktischen Sozialisten – der Sozialismus als Konsequenz aus ihren künstlerischen Vorstellungen ergeben hat. Sie setzen da ein Menschenbild voraus, daß wir heutigen wohl mit dem Ausspruch von Joseph Beuys von 1967 beschreiben würden: „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Diese Vorstellung der Kunst als „soziale Plastik“, als lebender Organismus zielt auf eine allumfassende Gesellschaftsordnung, in der Freiheit für das Individuum, Gleichheit der Rechte und Brüderlichkeit in einem gemeinsamen Wirtschaften im Mittelpunkt stehen.
Könnte man deshalb sagen, daß für Sie Sozialismus ein Gesamtkunstwerk ist?

WM:  Ja, das könnte man auf jeden Fall sagen.

socialist_league_morrisOR: In der Socialist League, die Sie zusammen mit der Tochter von Karl Marx und einigen anderen Mitstreitern aus der „Social Democratic Federation“ Ende 1884 gegründet haben und deren Zielsetzung von Anfang an ein revolutionärer, internationaler Sozialismus war, haben sie eine politische Bewegung ins Leben gerufen, die im England vor der Jahrhundertwende doch recht einflußreich war, obwohl sie nicht sehr viele Mitglieder besaß.
Lag das an den vielen hellen und engagierten Köpfe der damaligen sozialen Bewegung in England, die sie zu einer Mitarbeit motivieren konnten? Sie sollen ja z.B. auch Annie Besant, die spätere Theosophin und Widersacherin Rudolf Steiners dazu bewegt haben, sich mit den Schriften von Marx zu beschäftigen und in der Socialist League aktiv mitzuarbeiten.

WM: Um der Wahrheit die Ehre zu geben, so war nicht ich es, der Annie Besant mit dem Marxismus bekannt machte, sondern Edward Aveling, dem ersten englischen Übersetzer der Schriften von Karl Marx, der sie sehr stark in ihrem Denken beeinflußt hat. Ende der 80er Jahre  hat sie ja dann in Paris Madame Blavatsky und die Theosophie kennengelernt und ihre marxistischen Brücken leider abgebrochen.
In diesem Zusammenhang fällt mir ein, daß meine erste deutsche Übersetzerin meines utopischen Romans „Kunde von Nirgendwo“, ja die Frau von Wilhelm Liebknecht war, der in Berlin eine Arbeiter Bildungsschule gegründet hatte, an der Rudolf Steiner von 1899 bis 1904 unterrichtete. Jener Rudolf Steiner, der dann einige Jahre später im Widerspruch zu Annie Besant in Deutschland die  Anthroposophie ins Leben gerufen hat, so schließen sich die Kreise und so können sie sehen, wie all diese hellen Köpfe ein sehr ganzheitliches und mit menschlicher Kreativität stark verbundenes Menschen- und Gesellschaftsbild hatten.
Viele meiner/unserer Thesen sind in andere soziale Bewegungen eingegangen, die im 20sten Jh. bedeutend wurden und damit meine ich nicht die offiziellen sozialistischen Versuche, die in Massenmord, Tränen und Menschenverachtung geendet sind.

OR: Könnte man sagen, daß  Sie heute eher ein alternativer Öko wären, als ein Sozialist?

WM: Ich würde vermuten, ein ökoradikaler Linker. All meine Ideen zu Nützlichkeit, Einfachheit und Angemessenheit statt Luxus sind heute eher in anderen gesellschaftlichen Bewegungen angesiedelt, als bei dogmatischen Sozialisten, wenn ich das richtig sehe. Das Etikett „Sozialist“ war mir nie wichtig, was mir jedoch sehr wichtig war, war die moralische Verantwortung von Designern und Herstellern für die Produktion von Qualitätswaren. Design als demokratisches Mittel für soziale Veränderungen war mir wichtig, die Korrespondenz von häßlichen gesellschaftlichen Strukturen mit der Häßlichkeit der Architektur und dem Gegenbild einer harmonischen, schönen Gesellschaft mit einer schönen Innen- und Außenarchitektur, der ganzheitliche Entwurfs- und Herstellungsprozeß unter einer ästhetischen, sozialen und umweltorientierten Betrachtungsweise war mir wichtig. Der schonende nicht verschwenderische Umgang mit den Ressourcen, kein Raubbau der Natur nur aufgrund von kurzfristigen Profitinteressen, technische Entwicklung für die Menschen und nicht für Kapitalinteressen und die Naturnähe der Menschen, die weder von ihrer äußeren noch von ihrer inneren Natur entfremdet leben müssen, all das war mir wichtig.

OR:  Nun 120 Jahre nach Ihnen werden solche Thesen nach wie vor von zivilgesellschaftlichen Bewegungen vertreten, die leider keine besonders machtvolle Lobby in der Politik haben. Politik wird heute stärker denn je von Kapitalinteressen bestimmt und die Ideen eines einfachen, angemessenen Lebens inmitten von ehrlichen Materialien und Schönheit in Natur und Haus scheinen Lichtjahre entfernt zu sein vom virtuellen Mainstream der Gegenwart.

WM: Nun, wie ich in meiner Schrift „Wie wir leben und wie wir leben könnten“ bereits 1886 geschrieben habe, liegt das Hauptproblem darin begründet, das Reformen nichts bringen, weil sie die Prämissen unserer Gesellschaftsordnung nicht verändern„Das Wort Revolution … hat in den Ohren der meisten Menschen einen schrecklichen Klang … selbst wenn wir darauf hinweisen, daß wir das Wort in seinem etymologischen Sinn benutzen, daß wir darunter die Veränderung der Grundlagen der Gesellschaft verstehen, sind die Menschen bei der Vorstellung von so großen Veränderungen erschreckt.“ Reformen bewirken nicht viel, weil sie die Übel auf diesem Planeten nicht an der Wurzel anpacken.

Morris-woodpeckerOR: Ich verstehe, wenn man Ihre Schriften liest und diese auf unsere heutigen Verhältnisse überträgt mit entsprechenden Beispielen, dann meinen sie in etwa folgendes:
Wir verschwenden unsere Ressource Lebenszeit für den Erwerb von Geld, mit dem wir uns dann Dinge kaufen können, die wir für ein erfülltes Leben gar nicht brauchen, die wir aber kaufen müssen, um das Wachstum und den Profit anderer zu sichern.
Ebenso verschwenden wir in sinnloser Weise die Ressourcen dieses Planeten, kostbare unwiederbringliche Schätze dieses Planeten, werden ausgeplündert, nur dafür, daß wir jedes Jahr ein neues Handy kaufen können, aber auch für das Wachstum der Wirtschaft kaufen müssen, nur um dann den kostbaren Rohstoff nach einem Jahr auf den Müll zu werfen. Dem Kreislauf der Natur ist er jedenfalls unwiederbringlich entzogen.
Die Anarchie der Warenproduktion bedeutet das Herstellen einer völlig sinnlosen Überproduktion zum Zweck des vollkommen unkontrollierten Kriegs der Märkte und der Verdrängung.
Verdrängungswettbewerb geht mit seiner anarchischen Warenproduktion immer zu Lasten des Ökosystems und darin schließen sie ausdrücklich menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Mensch und Tier mit ein!
Für einen vernunftgemäßen, sinnvollen, nachhaltigen Konsum, in dem wir nicht mehr verbrauchen, als unsere Ökosystem immer wieder just in time herstellen kann, also nicht erst 500 Jahre später (vielleicht!) brauchen wir andere Prämissen, als die, die dem kapitalistischen Wirtschaften zugrunde liegen.
Niemand wird bestreiten wollen, daß  es im Kapitalismus um Profitmaximierung und Akkumulation von Kapital geht, dies funktioniert nur durch Verdrängung und Wachstum, das bedeutet, der Kapitalismus ist von seinen Grundsätzen her gezwungen, immer neue Märkte für sein Wachstum zu erschließen und auf bestehenden Märkten in einem rigorosen Verdrängungswettbewerb, Mitbewerber als Feinde zu liquidieren.
In diesem bösen Spiel ist der Mensch, der nichts als seine Ressource „Lebenszeit“ in Form von Arbeit geben kann, ein Spielball dieser vollkommen von ökonomischen Erwägungen bestimmten Kriegs. Er muß seine Arbeitskraft am Markt so anbieten, wie sie aufgrund der Nachfrage der Kapitaleigner bezahlt wird nicht danach welche Werte sie schafft.
Diesem Kreislauf können wir uns partiell nur entziehen, in dem wir die Prämissen unseres Konsums kritisch hinterfragen und uns neue/alte Maßstäbe erarbeiten, was wir für unser tägliches Leben wirklich brauchen, anstatt uns diese Maßstäbe durch eine immer mehr perfektionierte Werbeindustrie vorgeben zu lassen.
Sie haben ja das Diktum aufgestellt, man solle „nichts im Haus haben, was man nicht nützlich findet oder für schön hält.“ Das setzt allerdings einen kritischen, gebildeten Verstand voraus, der sich nicht dem Diktat der Werbeindustrie überläßt! Ihre Vorstellung, daß Menschen sich eine Welt der einfachen, schönen Dinge schaffen sollen, setzt sehr, sehr viel voraus und ist vor allem nur auf der Grundlage von Bildung zu erreichen. Wir werden im Laufe des Gesprächs sicher nochmal auf ihre 4 Forderung für eine andere Gesellschaft zurückkommen.
Nun sie sagen im übertragenen Sinne, daß die Produktivkraftentwicklung auf diesem Planeten dafür verwendet werden soll, daß alle Menschen auf diesem Planeten ein menschenwürdiges, glückliches Leben führen können, ohne nur eine einzige Sekunde mehr von diesem Planeten zu verbrauchen, als er uns sowieso schon im Übermaß zur Verfügung stellt.
Das manche Länder im Jahr zehnmal mehr verbrauchen, als der Planet uns liefern kann, wir also auf ganz direkt irreversible Weise Ressourcen wirklich verbrauchen, ohne sie in angemessenen Zeiten von der Natur wieder herstellen zu lassen (wir können nicht Millionen von Jahre warten, bis die Natur wieder neues Erdöl hergestellt hat! – bis dahin sind wir längst ausgestorben) kommt durch all diese falschen Grundlagen zustande. Habe ich sie da richtig verstanden.

WM:  Ich hätte meine Ideen nicht besser zusammenfassen können, wenngleich viele der katastrophalen Entwicklungen, die sie angesprochen haben, ja zu meiner Zeit noch nicht soweit fortgeschritten waren, ich habe z.B. gehört, daß 60% der Umweltschäden, mit denen sie heute zu kämpfen haben, erst in den letzten 30 Jahren entstanden sind.

OR: Nun Mr. Morris unsere Leser werden sich fragen, ob ihre politischen und künstlerischen Ansichten vielleicht auch ihrer Herkunft geschuldet sind und Arbeiter, Arbeitslose, Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, ganz andere Zielsetzungen verfolgen, wie sie. Arme Menschen mögen es meist garnicht gerne, wenn wirtschaftlich reiche Menschen, wie Sie, ihnen die Revolution und das einfache Leben predigen, von dem sie mehr als genug haben.  Um diese Frage besser beantworten zu können, gestatten sie mir bitte einen kurzen Durchgang durch ihre Biografie:

Woodford-HallEs ist sicherlich nicht falsch, wenn wir sagen, daß sie aus einem großbürgerlichen Elternhaus stammen, wenn wir den stattlichen georgianischen Landsitz Woodford Hall in Essex anschauen, der in einem 40 Morgen (100.000 qm) großen Park lag und den die Familie zwischen 1840 und 1848 bewohnte und von dem aus Ihr Vater jeden Tag mit der Kutsche nach London an die Börse gefahren ist, scheint mir da kein Zweifel möglich.

Elm-HouseSie wurden aber ursprünglich in einem „etwas kleineren“ Haus 1834 in Elm House in Walthamstow bei London geboren, ihr Vater war Börsenmakler bei Sanderson in der Londoner City und hatte durch Beteiligungen an Kupferminen einen beträchtlichen Reichtum erworben und hinterließ deshalb nach seinem Tod 1847 der Familie ein großes Vermögen.
Diese finanzielle Grundlage ermöglichte es ihnen viele ihrer großartigen Ideen überhaupt erst in Gang zu setzen. Man könnte die Vermutung wagen, daß ihr soziales Engagement auch dem Schuldbewußtsein über die Art und Weise wie dieses große Vermögen zustande gekommen war, geschuldet ist. Sie wollten mit diesem Geld die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die Ausplünderung der Natur nicht weiter fortsetzen, sondern für soziale Gerechtigkeit sorgen. Ist das so in etwa richtig.

WM:  Ja das könnte man verkürzt vielleicht so sagen.

MarlboroughCollege-300x164OR: Nach ihrer Schulzeit im liberalen Internat Marlborough College, ebenfalls eine nicht gerade ärmlich zu nennende Atmosphäre für einen heranwachsenden jungen Mann des englischen Bürgertums (noch dazu scheint der pädagogische Stil im Marlborough College eher freiheitlich als orthodox militärisch gewesen zu sein), gingen sie als 19 Jähriger 1853 zum Studium der Theologie ans Exeter College der University of Oxford. Man sagt die 2 Jahre Privatunterricht bei Referend Frederick Guy zwischen dem Marlborough College und dem Studium hätten sie zu der Wahl des Studienfachs bewogen.

Bereits im ersten Semester freundeten sie sich mit dem 7 Monate älteren Edward Burne-Jones an, mit dem sie eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. In Oxford wurden sie dann stark  von den Ideen John Ruskins beeinflusst und schlossen neben Burne-Jones mit Dante Gabriel Rossetti, Ford Madox Brown, und Philip Webb Freundschaften.

Von links nach rechts: Edward Burne-Jones, William Morris, Dante Gabriel Rossetti, Philip Webb, Ford Madox Brown, Jane Burden Morris
Von links nach rechts: Edward Burne-Jones, William Morris, Dante Gabriel Rossetti, Philip Webb, Ford Madox Brown, Jane Burden Morris

Mit ihrer Volljährigkeit – damals wurde man ja noch mit 21 volljährig –  kamen sie 1855 in den Genuß eines üppigen Jahreseinkommens aus dem Vermögen ihres verstorbenen Vaters, daraufhin beschlossen sie auf einer Reise nach Nordfrankreich mit Edward Burne-Jones, auf der sie sich intensiv mit der gotischen Architektur der Kathedralen beschäftigen, das Theologiestudium aufzugeben und „zukünftig ganz der Kunst zu leben“. Burne-Jones sollte Maler werden und Sie wollten Architekt werden. Von Ihren wirtschaftlichen Verhältnissen her, gab es da ja auch kein Problem mehr.
Kaum nach England zurückgekehrt, nahmen sie eine Lehrstelle in dem Architekturbüro von Georg Edmund Street in Oxford an, die sie allerdings auf Drängen Rossettis bereits 1856 wieder aufgaben, weil Rossetti meinte, sie müßten unbedingt Maler werden.
Die Freundschaft, die sie in diesem Architekturbüro mit Philip Webb schließen, bleibt allerdings bis zu ihrem Lebensende bestehen.

Jane MorrisEbenfalls in Oxford lernten sie ihre zukünftige Frau Jane Burden, die Tochter eines Lohnkutschers und Stallknechts, kennen, die sie gegen den Widerstand Ihrer Familie 1859 heirateten. Uns Heutigen ist Jane Morris vor allem durch die vielen Bilder, die Dante Gabriel Rossetti von ihr malte und durch ihre eigene Photokunst, die sie um die Jahrhunderwende (wenn sie gestatten – nach ihrem Tod) betrieb, bekannt.

Mit Burne-Jones haben sie dann nach Ihrer Oxforder Zeit in einer Art von Wohngemeinschaft in London zusammengehaust und gemeinsam ein Atelier betrieben.

Nach ihrer Eheschließung machten Sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Familien-Wohnsitz und erst dadurch wurde ihnen das ganze Elend viktorianischer Architektur und Wohn-un-kultur bewußt.
Schließlich haben sie gemeinsam mit ihrem Freund, Philip Webb ein Haus genau nach ihren Vorstellungen von einem schönen und zweckmäßigen Wohnhaus in einem Obstgarten in Kent entworfen, das sogenannte Red House in Bexley Heath.

Red House

red_houseIn Red House kommen Ihre beiden Töchter zur Welt, Jane Alice, genannt Jenny im Januar 1861, und Mary, genannt May im März 1862. Mit May arbeiten Sie viel in der Social League zusammen und May wird auch nach Ihrem Tod die Herausgeberin Ihrer Werke, Jenny arbeitet als Designerin bei „Morris & Co.“ und entwirft viele Stoffmuster.

Man könnte sagen, Red House ist für ihr künftiges Schaffen die Initialzündung, in Red House versuchen sie zum ersten Mal Ihre Prinzipien von Schönheit (Rhythmus und Proportion natürlicher Formen) mit einfachen, ehrlich handwerklich hergestellten Materialien und Zweckmäßigkeit der Räume miteinander zu verbinden.

WM: Ja das stimmt, hier haben sich meine lebenslangen Grundsätze von Gediegenheit  des Gebrauchs und der Materialien, Angemessenheit der Formen und Größen, sowie Einfachheit der Lebensführung entwickelt. Jede Art von Design und Architektur sollten diesen Grundsätzen entsprechen.

OR: Mir scheint, daß in dem Diktum der „einfachen Lebenführung“ in Verbindung mit der „Gediegenheit der Materialien“ ein ganz wichtiger wirtschaftlicher Zusammenhang benannt ist, den Heutigen überhaupt nicht beherzigen, ja gar nicht erst in Erwägung ziehen. Natürlich ist klar, daß handwerklich, manufakturmäßig hergestellte, regionale Materialien zunächst teurer sein müssen, als industriell gefertigte Materialien, es seie denn, wir gehen von Sklavenlöhnen in China aus, wo man mit 1 Euro Vollkosten schon sehr weit kommt, was wir aber prinzipiell ablehnen müssen. Nun diese gediegenen Materialien, wenn sie fair hergestellt sind , sind teuer. Ein Problem wächst aus diesem Tatbestand aber erst heraus, wenn wir zu dieser Qualität auch gleichzeitig Quantität wollen. Wenn wir also uns nicht einen handwerklich fair gefertigten Schrank aus gediegenem, heimischen Vollholz für unser Leben anschaffen wollen, sondern viele Schränke und möglichst alle zwei Jahre neue, dann kommen wir in einen Kreislauf des verschwenderischen Überflusses, der in letzter Konsequenz unsere Lebensgrundlagen auf dem Planeten zerstört.

Morris CombiWM: Ich hätte es nicht besser sagen können. Deshalb habe ich ja auch provokant formuliert, daß der größte Feind der Kunst der Luxus ist. „Kunst kann in einer luxuriösen Atmosphäre nicht gedeihen.“ Und wenn ich Kunst sage, dann meine ich diesen umfassenden Gebrauch des Wortes, über den wir schon gesprochen haben und der für eine Veränderung der Gesellschaft notwendig ist. „Kein Mensch, der mit der Zerstörung und Verschandelung alter Gebäude einverstanden ist, hat ein Recht zu behaupten, er liebe die Kunst. Er begeht ein unentschuldbares Verbrechen. Er kann sich seinerseits auch nicht kritisch und anklagend gegen Zivilisation und Fortschritt wenden, weil er sich selbst brutaler Ignoranz schuldig macht.“

OR: Aha jetzt verstehe ich, sie haben ja in ihrem Aufsatz „Die Schönheit des Lebens“ geschrieben: „Die natürliche Verwitterung der Oberfläche eines Gebäudes ist schön, ihre Beseitigung katastrophal“. Deshalb wurde wohl  Red House als ein unverkleideter Backsteinbau ausgeführt. Das Haus steht heute noch und man sieht, wie Recht sie mit ihren Vorstellungen eines würdevollen Alterns von handwerklich hergestellten Materialien im Vergleich zu Industriematerialien hatten.

WM: „Bitte, vergessen sie auch nicht, daß jeder der einen Baum mutwillig oder gedankenlos niederlegt … kein Anrecht darauf hat, sich als Kunstkenner aufzuspielen. … Ich frage sie,  wie verhalten sie sich gegenüber Bäumen auf einem Bauplatz? Versuchen sie, sie zu retten und ihr Haus den Bäumen anzupassen? Begreifen sie welche Schätze Bäume darstellen? Welche Augenweide Bäume verglichen mit jenen gräßlichen Hundehütten sind, mit denen sie wahrscheinlich dieses Grundstück überbauen werden? … Reiche Leute sind nicht gezwungen in häßlichen Häusern zu wohnen. Trotzdem tun sie es. … Wir wollen für unsere Häuser mehr den Schein als das Sein selbst.“ Das ist keine Architektur von glücklichen Menschen für glückliche Menschen. „Unter solchen Bedingungen gibt es keine Architektur, deren Haupteigenschaften Einfachheit und Gediegenheit sind. … Wir sollten ein Gefühl von Vergnügen verspüren, wenn wir daran denken, daß der Bauherr ein Stück seiner Seele in den Bau hineingegeben hat, das den Betrachter noch begrüßen wird, lange nachdem der Bauherr schon tot ist. Aber was für Gefühle rufen neuerbaute Häuser tatsächlich bei uns hervor – nichts als die Hoffnung, sie in ihrer erniedrigenden Häßlichkeit möglichst bald wieder zu vergessen.“

OR: Sie sprechen mir aus dem Herzen. Wenn ich mich recht erinnere, kam ja auch die Idee zu Ihrer Firma „Morris & Co.“ durch Red House zustanden, da Sie natürlich auch bei der Inneneinrichtung die selben Maßstäbe angewandt sehen wollten, wie bei der Architektur und dabei scheiterten als Sie das  verfügbaren Angebot an Einrichtungsgegenständen begutachteten. Deshalb kamen Sie dann zusammen mit ihren Freunden auf die Idee „Die Firma“ zu gründen, um die ihren Vorstellungen gemäße Inneneinrichtung selbst herzustellen.

WM: Was mir immer sehr wichtig war, daß Produkte, die von Menschen hergestellt werden, eine gewisse Qualität haben müssen, daß Materialien, Strukturen, Farben und Muster aufeinander abgestimmt sind und einen Sinn ergeben. Farben und Materialien sollten möglich der Natur entnommen sein, bzw. in naturnahen Prozessen hergestellt werden und nicht durch industrielle Prozesse, deshalb waren mir z.B. auch auch immer natürliche Pflanzenfarben wichtig.
Die Firma, die ja zunächst nach den Gründern „Morris, Marschall, Faulkner & Co.“ hieß, hat ein von den Theorien John Ruskins beeinflußtes, revolutionäres Konzept erfüllt, alle Aspekte menschlicher Arbeit sollten in einem Gesamtkonzept zusammenkommen. Die Grundidee war, jeder Handwerker sollte sich im Laufe seiner Arbeit zum Künstler entwickeln. Eine industrielle Arbeitsteilung, der eine Entfremdung vom hergestellten Produkt einhergeht, haben wir abgelehnt. Mein Vorsatz für die Firma war: Einfachheit, Gediegenheit, Nützlichkeit und Schönheit aller Produkte.

morris-study-2OR: Wenn ich die Situation im viktorianischen England des 19. Jh. richtig einschätze, haben Sie als gebildetes Mitglied der oberen Mittelschicht, schon allein mit der Gründung der Firma einen revolutionären Akt vollzogen, da es für einen Gentleman damals undenkbar war, sich mit der arbeitenden, handwerktreibenden Bevölkerung zu fraternisieren. Darüber hinaus war ja wohl das Fundament Ihrer Bemühungen die Idee, daß Alle Menschen, egal welcher sozialen Schicht sie angehören, ein gutes, ein glückliches Leben haben sollten, aus diesem Grund haben Sie ja dann in späteren Jahren auch industrielle Fertigungsweisen nicht rundweg abgelehnt.  Soweit industrielle Fertigung die Menschen von erniedrigendem und versklavenden Broterwerb befreien konnte, haben sie diese durchaus befürwortet, jedoch waren Sie, wenn ich es richtig sehe, ein strickter Gegner eines sinnentleerten, entfremdeten Arbeitstags, der nur dem Profitinteresse des Kapitaleigners diente. Das Leben eines Menschen als Arbeits-Maschine, als Rädchen in einem undurchschaubaren Fertigungsverfahrens wollten Sie vor allem durch Ihre sozialistischen Aktivitäten abschaffen.

WM: Ja das stimmt, die industriellen Arbeitsbedingungen in der Mitte des 19. Jh. in England waren mir ein Graus. Die Zersplitterung des industriellen Arbeitsprozesses störte mich am meisten, ich war der Überzeugung, daß die Arbeitsteilung das Wohlergehen der Arbeiter massiv verhinderte und der Kunst insgesamt schadete.
Als ich mit meiner Familie 1865 wieder nach London in das Haus am Queen Square 26 zurück gezogen bin und unsere Red House schwerenherzend wieder verkauft habe, konnte ich der Firma in diesem sehr großen Haus in London gute Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, die auch das Arbeiten viel angenehmer machten und einen ganzheitlichen Arbeitsprozeß ermöglichten.
Darüber hinaus war es mir gelungen George Warington Taylor als Geschäftführer der Firma zu gewinnen, dem es tatsächlich gelang, die Firma auf wirtschaftlich gesunde Füsse zu stellen. Leider ist der Arme bereit 1870 an Schwindsucht gestorben, die Firma hatte ihm kaufmännisch viel zu verdanken.

Kelmscott Manor

Kelmscott Manor CotswoldsOR: Nun Mr. Morris, wir müssen etwas abkürzen, um unsere Leser durch die Länge des Gesprächs nicht zu sehr zu beanspruchen. Zu Beginn des Jahres 1871 suchten Sie für sich, Ihre Familie und Mr. Rossetti ein Haus auf dem Land, die Umstände, wie es dazu kam, führen jetzt zu weit und müssen einem späteren Gespräch vorbehalten bleiben. Als Sie Kelmscott Manor (in der Nähe von Lechlade in Gloucestershire am Rand der Cotswolds) gefunden und zusammen mit Rossetti angemietet hatten, gingen Sie zunächst auf eine längere Studienfahrt nach Island, wo Sie Ihre Kenntnisse über isländische Legenden erweiterten, die diese später zur Grundlage Ihrer Romane und Dichtungen machten. Bis 1874 wohnte Dante Gabriel Rossetti mit Ihrer Frau und den Kindern die meiste Zeit in Kelmscott, als er jedoch 1874 aufgrund zunehmender Verschlechterung seiner Gesundheit nach London zurückkehrte, wurde der „bescheidene“ elisabethanische Herrensitz zum realen und geistigen Zentrum ihres Lebens, daran hat sich bis zu Ihrem Lebensende auch nichts mehr geändert. Sie habe ja sogar später ein Haus, was sie mit Ihrer Familie in London bewohnt haben, in Anlehnung an Ihren Landsitz in „Kelmscott House“ umbenannt. Auch die Druckerei, die Sie 1891 in London gründeten, haben Sie „Kelmscott Press“ genannt.KelmscottManorWM: Ja das stimmt. Kelmscott Manor war für mich „der Himmel auf Erden“, es war der Inbegriff des mythischen Sehnsuchtsorts inmitten einer unberührten, lebendigen englischen Landschaft. Auch der Weiler Kelmscott war wunderbar und ein Ausdruck intakter und autarker ländlicher Gemeinschaft. Dieses Leben in Kelmscott hat mich so beeindruckt, daß ich den Landsitz zum Schauplatz meines utopischen Romans „News from Nowhere“ gemacht habe, wir sprachen bereits darüber.
In der Zeit nach 1874 entwickelte ich meine Forderungen, die für alle Menschen und ihre Arbeitsbedingungen gelten sollten, weiter, natürlich besonder für die Lohnsklaven des Profits:
1. Gesundheit für einen unversehrten Körper, 2. Bildung für einen aktiven, freiheitlichen Geist mit Interesse an Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart, 3. genügend Freizeit für einen angemessene körperliche und geistige Beschäftigung und 4. eine schöne Umwelt, um darin glücklich zu leben.

OR: 1877 begann Sie mit Ihrer intensiven Vortragstätigkeit, die Sie bis zu Ihrem Tod beibehielten. Immer wieder haben Sie betont, daß die angewandten Künste in Form von alltäglichen Gegenständen wesentlich wichtiger seien, als die schönen Künste, weil Sie die Menschen in Ihrem täglichen Leben viel mehr bestimmen würden. Das Dekorum der Gegenstände sollte nach Ihrer Überzeugung nur soweit erlaubt sein, als es entweder der Nützlichkeit oder der Bedeutung des Objekts entspräche, ein Dekorum, das mindere Herstellungsqualitäten verbergen sollte, lehnten Sie strikt ab.
Über dies sollten alle Gegenstände möglicht in einer direkten Verbindung zur Natur stehen, um pädagogisch darauf einzuwirken, daß der Mensch seine Beziehung zur Natur nicht verliert, sondern im Gegenteil eine Harmonie mit ihr anstrebt. Ein Aspekt,  der in unserer heutigen Zeit mit seinen vielfältigen virtuellen Realitäten von besonderes Bedeutung ist. Unermüdlich versuchten Sie Designern deren gesellschaftliche Verantwortung bewußt zu machen und sie aufzufordern Produkte zu entwerfen, wie herzustellen, die der Natur und der Geschichte ebenso gerecht würden, wie den aktuellen Anforderungen der Zeit.
Folgerichtig haben Sie sich dann auch verstärkt für den Erhalt alter Bauwerke und deren autentisch angemessene Restaurierung eingesetzt, Architektur war Ihnen die höchste aller Künste und Bauwerke sollten zum Leben und Erleben für nachfolgende Generationen erhalten bleiben.

Merton Abbey

L_L_Pocock_Pond_at_Merton_AbbeymertonabbeyAn dieser Stelle sollten wir auch noch erwähnen, daß Sie mit dem Umzug des Werkstattbereichs 1881 in eine alte hugenottische Seidenweberei namens „Merton Abbey“ einen riesigen Schritt in Richtung Ihrer Vorstellungen von einem ganzheitlichen, nicht entfremdeten Produktionsprozesses gegangen sind. Hier konnten Sie den Betrieb nach ihren ethischen Vorstellungen führen,  soweit dies finanziell  irgend möglich war. Die Angestellten wurden deutlich besser bezahlt, die Arbeitszeit war erheblich kürzer, die Arbeitbedingungen und die Ausbildung waren wesentlich besser als üblich. Die Manager von Merton Abbey wurden sogar am Gewinn beteiligt, was absolut ungewöhnlich war. Hier kamen sie Ihrer Idee einer ländlichen Arbeitskommune wirklich am nächsten.

Wer heute „Merton Abbey“ besuchen will, kann neben einem kleinen Museum auch den Pub in den ehemaligen Räumlichkeiten direkt am Fluß besuchen und auf das Wohl von William Morris ein kühles Pint of Bitter trinken und dazu leckeres Pub-Food genießen.
Nun Mr. Morris unsere Zeit ist für heute um, wir müssen leider zum Ende kommen, obwohl man die Unterhaltung mit Ihnen endlos fortsetzen könnte, welches Resümee würden Sie heute aus Ihrer Lebenstätigkeit ziehen.

williammorris_merton_abbeyWM: Nun, wenn ich das aus heutiger Sicht richtig beurteile, habe ich sicher manche Bewegung mit meinen Ideen beeinflußt, das „Arts  & Crafts Movement“, die „Darmstädter Künstlerkolonie“, die „Wiener Werkstätten“, den „Deutschen Werkbund“ und vielleicht auch das „Weimarer Bauhaus“, um nur ein paar Beispiele zu benennen, leider haben aber all diese Bewegungen immer nur einen Teil meiner ganzheitlichen Vorstellungen für sich nutzbar gemacht.
Mir ging es aber bei meinen Bestrebungen auch um viel grundsätzliche Dinge als um Design, z.B. um eine Aussöhnung zwischen ländlicher Lebensart, sozusagen meinem Kelmscott Arkadien, und einer städtisch, industriellen Lebensform, von diesen Ideen ist praktisch nichts übrig geblieben.
Auch war Design für mich ein demokratisches Mittel grundlegender sozialer Veränderungen. Designer und Hersteller haben für mich eine gesellschaftlich, moralische Verantwortung, Einfachheit, Nützlichkeit und Angemessenheit sind auch ein Ausdruck des Umgangs der Menschen mit diesem Planeten und seiner Ressourcen. Das eine Gesellschaft mehr Ressourcen verbraucht, als dieser Planet jederzeit wieder reproduzieren kann, ist mir unvorstellbar, eine ganzheitliche Betrachtungsweise in ökologischer, sozialer und ästhetischer Hinsicht beim Entwurf und der Herstellung von Gütern jeder Art, scheint mir für Ihre Zeit dringend geboten und muß die allgegenwärtigen ökonomischen Aspekte nicht einfach ergänzen – sondern deren Prämisse sein.

OR: Mr. Morris, wir danken Ihnen für das Gespräch und hoffen bei nächster Gelegenheit, Sie hier wieder begrüßen zu dürfen, um dann eher über Ihr riesiges künstlerisches Werk, ihre umfangreichen literarischen und handwerklichen Produktionen zu sprechen. Gestatten sie uns, daß wir zum Abschluß dieses Gesprächs eine Doppelseite ihrer utopischen Erzählung „News from Nowhere“, gedruckt in Ihrer geliebten Kelmscott Press 1891, abbilden, dort sieht man neben der ersten Seite der Erzählung auf dem Frontispiz des Buchs Ihr geliebtes Kelmscott Manor.

News-from-Nowhere

Waldmanns Welt

Diese Collage hat mir ein freundlicher Leser meines Blogs geschickt, den ich zwar nicht persönlich kenne, mit dem mich aber sicher die Liebe zur Natur und sicher auch das Wissen um die Notwendigkeit, sich für sie einzusetzen, eint.
Seine „Gedicht“-Collage – ich würde sie auch gerne als DenkBild bezeichnen, ist aus einer großartigen Zusammenstellung von marketingmäßigen Sprechblasen ((Denn seht: Was sie sagen – was sie tun) in der Collage fett gedruckt)) von der forstwirtschaftlichen Webseite „ForstBW“ des „Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz“ und den  Kommentaren des Waldes entstanden (nicht fett gedruckt). Mir hat die Collage so gut gefallen, daß ich mir die Erlaubnis erbeten habe, sie hier zu veröffentlichen, was ich hiermit tue:

Waldmanns Welt
Collage mit Textteilen der Webseite von ForstBW
(Harald Kunz)

Wild auf Wald,
effektiv und effizient-
landesweit
-die Marke ForstBW.
Ausdruck von Verantwortung,
die den Wald ausbalanciert-
und der Wald wächst.

Wild auf Wald,
denn den Duft von feuchtem Moos
gibt es zum Nulltarif.
Gleich nebenan,
stehen sie uneingeschränkt bereit, die
übrigen Funktionen-
und der Wald der wächst.

Wild auf Wald…
Ökologischer Ansatz,
ökonomische Perspektive,
betriebswirtschaftlicher Nutzen,
langfristiger Schutz,
auf einer Fläche kombiniert-
und der Wald der wächst und wächst.

Wild auf Wald…
wo der Wald, ist ForstBW.
Mit der Natur im Team,
denn wir schützen was wir nützen.
Gleichzeitig und fortwährend
schaffen wir die Zukunft-
und der Wald der wächst und wächst und wächst.

Wild auf Wald…
Zielstärkennutzung,
Umtriebszeit gleich Lebensspanne Baum-
mehrjährige Pflanze,
Wurzel, Stamm und Krone-
und der Wald der wächst und wächst und wächst und wächst.

Wild auf Wald…
besserwüchsig optimiert-
Machbarkeit und Steigerung der Produktion,
FSC-zertifiziert.
…Rückegassen, Leichenstrecke – Bodentod!

Wild auf Wald! Und der Wald des Jahres wächst!

Unbeachtete Natur-Schönheiten am Wegesrand I

ManchUnscheinbaresHatStachelnWas hat Wert und was hat keinen – ist zwar eine Frage der Perspektiven und der Prämissen aber dadurch trotzdem nicht beliebig. Da sollte für uns Menschen doch eigentlich immer der Grundsatz gelten: „Im Zweifel für die Natur“. Warum? Weil die Frage nach dem Ei und der Henne sich am Beispiel von Natur und Mensch leicht beantworten läßt: Erst war die Natur da, dann kam ganz ganz lange nix und irgendwann kam dann auch mal der Mensch, der auch Natur ist, davon aber nix wissen will und weil er sich so über seine eigene Natur ärgert, beginnt er ständig Stellvertreter-Kriege gegen den Rest der Natur zu führen. Na zumindest hat er es im Verlauf von ein paar tausend Jahren „Kultur“-Geschichte geschafft, daß die Natur nur noch ein kaum zu beachtendes Thema unter vielen ist.

Jedenfalls was in der Natur einen Wert hat und was einfach abgeräumt gehört, das bestimmt bei uns Menschen zumeist der, der die Meinungsmacht im Land hat und wer hat die Meinungsmacht im Land, der, der die wirtschaftliche Macht hat. So war es immer und so soll’s auch immer bleiben. Oder nicht?

Klar gings allesn viel besser, kämen einem nicht immer wieder so Querulanten in die Quere, die sich auf diese blöde Idee der Griechen von vor 2000 Jahren berufen. Ohne diese dämliche Demokratie ging alles viel leichter. Und dann berufen sich diese Querulanten noch in verschärfter Form auf die Demokratie, früher mußte man wenigstens Bürger von Athen sein, also auch wirtschaftlich was auf der Pfanne haben, jetzt sollen plötzlich auch Leute im Meinungsprozeß mitmachen dürfen, die gar nix wirtschaftlich auf der Pfanne haben, keine wirtschaftliche Macht – einfach nix, man sieht doch wo die Griechen gelandet sind mit diesem Unsinn. Oder war’s doch irgendwie anders – ich kann mich im Moment nicht so genau erinnern.

Jedenfalls ich freue mich immer wieder darüber, wenn ich auf ein Schild „Naturschutzgebiet“ stoße und daneben ein sogenannter toter, bzw. fast toter Baum steht, der im Ökokreislauf eine wichtige Rolle spielt und dabei gar nicht wirtschaftlich ausbeutbar ist, denn so ein liederliches Bäumle kauft sowieso niemand und verheizen kann mans auch nicht richtig, Obst bringt’s auch keins – also hier wird durch unsere Demokratie mal was geschützt, was gar keinen wirtschaftlichen Wert hat – super oder – also so Totholz hat doch wirklich was Subversives und dann macht’s dem Menschen auch immer gleich noch seine Endlichkeit klar, also so ein halbtoter Baum ist schon für vieles gut.

FastSchonTotAber jetzt mal was ganz anderes: Schon der Philosoph Blaise Pascal warnte in seinen Gedanken (Pensées): „Alles Unheil der Menschen kommt daher, dass sie nicht ruhig zu Hause bleiben können“.
Ich weiß ja nicht, was Euch Eure Freunde empfehlen, ich empfehle Euch, setzt Euch mal ein Wochenende nicht ins Auto, um über eine völlig verstopfte, stinkende Autobahn zu irgendeinem x-beliebigen Event zu rasen, sondern schlendert einfach mal mit achtsamem Blick durch euer nächstes Umfeld – ich sag mal, so im Radius von 1 Kilometer. Da gibt es jede Menge Dinge, z.B. am Wegesrand, in der Natur zu erleben.
Ich hab gestern z.B. ein Feldhamster-Baby auf der Straße getroffen, das hurtig über die Straße Richtung Feld lief. Immerhin, das sei erwähnt, der Feldhamster gehört zu den nach Anhang IV Buchstabe a) geschützten Tierarten des Artikels 12 der Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie), bekannter als „FFH-Richtlinie“ oder „Habitatrichtlinie“ und als streng geschützte Art wird er auch in der Berner Konvention (Anhang II) genannt. Hab ich da nicht einen echten Star getroffen, wenn der an so vielen Stellen erwähnt wird und das obwohl der eigentlich doch gar keinen Wert hat?

Auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft Feldhamster http://www.feldhamster.de/ könnt ihr mal sehen, wen ich gestern – freilich noch im Zustand eines Babies – getroffen habe.

Feldhamster-BabyIch kann’s nur immer wieder betonen – wer achtlos an der Natur vorübergeht und sie nur als nützlichen Idioten, als „Ökoroboter“ begreift, also keine Liebe für ihr Wesen entwickelt, der kann sich auch nicht wirklich für sie einsetzen.
Und dann wird’s genau passieren, was manche ja schon lange ahnen: Erst wenn der Mensch irgendwann seinen letzten Atemzug tut, blitz in seinem Denken vielleicht für einen kurzen Augenblick der Gedanke auf, daß er vielleicht auf die falschen Dinge in seinem Leben geachtet und gesetzt hat.

Nix gegen die Kunst . . .

. . . und ihre Botschaften – aber von solchen Natur-Kunstwerken, wie diese Blüte, findet man Milliarden auf diesem Planeten und die braucht man auch nicht mit Millionen von Euros bei Christie’s ersteigern, dann kann man doch das gesparte Geld in ein schönes soziales Projekt stecken, dann braucht man hinterher auch nicht durch Europa reisen, um eine Stadt zu finden, der man ein Museum schenken könnte, um seine Sammlung unterzubringen. Ich geben zu, daß war wieder total polemisch – aber manchmal gehts einfach mit mir durch . . .

Kunst

Wer den Cent nicht ehrt –
ist den Enzian nicht wert.

Österreich_1Cent300 bis 400 Arten Enzian soll es ja weltweit geben, das war den Österreichern immerhin ein Bild auf ihrer 1Cent Münze wert.

Wir kennen den Enzian ja eigentlich nur aus der Schnapsherstellung und bei der Gewinnung von Heilmitteln. Ich finde es immer wieder erstaunlich, zu welchen Leistungen sich die Pflanzen in der Evolution hochgearbeitet haben. Wofür wir Menschen z.B. jede Menge Ressourcen verbrauchen und sündteure Beschattungs- und Rolladensysteme herstellen, das macht der Enzian alles ganz allein, bei bewölktem Himmel und kühler Luft schließt er die Blüten und für Erschütterungen durch Hagel, Regen und starkem Wind braucht er keinen hightech-Sensor sondern geht einfach auf Tauchstation, will sagen zieht sich zusammen. Und das das gut funktionieren muß, sieht man daran, daß er ja gerne im Gebirge wächst und da ja so manches rauhe Wetter auszuhalten ist.

Enzian
„Wer den Cent nicht ehrt – ist den Enzian nicht wert.“
Alte österreichische Spruchweisheit

Mitsommer – jetzt werden die Tage wieder kürzer!

Pünktlich zur Sommersonnenwende am heutigen 21. Juni 2014 habe ich meinen Header und mein Bild bei Facebook geändert, im Folgenden habe ich daraus eine kleine Collage gebaut, mit Bildern, die ich besonders mag.Almsommer_2

Von morgen an werden die Tage bis zur Wintersonnenwende nun wieder kürzer, dann beginnt das Jahr in der Natur von neuem.

Die Verehrung der Sonne und des wiederkehrenden Lichtes wird heute ja eigentlich nur noch über die Sonnenkollektoren auf dem Dach wahrgenommen, dabei geht die Tradition doch eigentlich in prähistorische Zeiten zurück. Die Sonne hatte vor allem auch für den Almsommer essentielle Bedeutung. Die Sommersonnenwende trug immer einen Aspekt des Todes und der Vergänglichkeit in sich. Dem gegenüber standen die längerwerdenden Tage nach der Wintersonnenwende, die Leben und Auferstehung verkörperten (darüber hatte ich ja schon kurz vor Weihnachten geschrieben). Diese Wendepunkte schlugen sich entsprechend in Ritus und Mythologie nieder, weil der Jahreskreis früher eine ganz andere, existenzielle Rolle spielte. Es ist nicht uninteressant, daß die Sonne im abendländischen Kulturkreis immer dem männlichen Prinzip zugeordnet wird, jedoch im germanischen Sprachraum die Sonne mit der „ewigen Mutter“ und dem Gaia-Prinzip verbunden ist.

Den Tag der Sommersonnenwende betrachten die Menschen seit unendlicher Zeit als mystischen Tag; manche begehen ihn mit weltlichen oder religiösen Feierlichkeiten. Sonnenwendfeste hatten vor allem in den germanischen, nordischen, baltischen, slawischen und keltischen Religionen einen festen Platz.

Je größer der Unterschied zwischen dem harten Winter und dem warmen Sommer, desto intensiver wurde von jeher dieser Tag gefeiert. Im Norden Europas, wo in der sommerlichen Jahreszeit die Nächte gar nicht mehr dunkel werden, haben Sonnenwendfeiern – als Mittsommerfest bezeichnet – mehr Bedeutung als zum Beispiel in Südeuropa.

Durch die ungute, mythische Verstrickung der Nazis wurden die angeblich altgermanischen Sonnenwendfeiern wiederbelebt und als offizielle Feiertage in die Symbolik von „Volk, Blut und Boden“ integriert, was schrecklich ist, weil die Sonnenwendfeiern eigentlich nur die unsprüngliche Verbundenheit mit dem Kreislauf der Natur versinnbildlichten. Das ist natürlich auch das große Problem für die Sonnenwendfeiern an den Externsteinen, die jedes Jahr immer wieder viele Neonazis anziehen.

Aber das ist ja sowieso ein dauerndes Problem, daß wir einerseits – unter ökologischen Aspekten – viel mehr mit dem Jahreslauf der Natur leben sollten, andererseits aber gerade dieses Brauchtum von der Nazi-Ideologie dauerhaft kontaminiert ist. Natur, Land, Almsommer und Lederhosen sind heute immer noch stark mit dem Nationalsozialismus verbunden.

Ich trage seit mehr als 35 Jahren immer sehr gerne Trachten, vor allem auch aufgrund meiner traditionsbewußten Naturverbundenheit, gleichzeitig wird mir sicher niemand ersthaft den Vorwurf machen können, daß ich nur das Geringste mit irgendwelchem Nazikram am Hut habe, trotzdem hat mich jemand vor nicht all zu langer Zeit übel als Faschist beschimpft, weil ich eine Lederhose und einen Trachtenjanker anhatte. Ist es nicht gerade heute besonders wichtig, immerwieder zwischen Form und Inhalt zu diverenzieren? Oder sind wir alle schon so vom äußeren Schein der modernen Medienwelt gefangen genommen, daß wir das Äußere für den Inhalt nehmen.

Wo fängt das an, wo hört das auf, darf ich nicht mehr Peter Rosegger oder Adalbert Stifter zitieren, nur weil die auch von den Nazis rezipiert wurden, dann kann ich ja meine Nietzsche-Ausgabe auch gleich in den Müll schmeißen, obwohl Giorgio Colli und Mazzino Montinari nach jahrelanger Arbeit zu Zeiten des kalten Kriegs in den 60er Jahren im Nietzsche-Archiv in Weimar (also noch zu DDR-Zeiten) eindeutig gezeigt haben, daß Nietzsche nun wirklich nicht für die Nazi-Ideologie taugte und die Publikationsarbeit von Nietzsches Schwester dem Werk unendlichen Schaden zugefügt hat.

Aber es geht halt immer nach dem Motto: „Ein Fünkchen Wahrheit wird schon dran sein“. Aber Fünkchen hin oder her, einige meiner Lieblingsbücher bleiben trotzdem „Der Waldschulmeister“ und auch Nietzsches „Zarathustra“ und Stifters „Der Nachsommer“, egal was Ihr mir erzählt, dann prüft halt nochmal Euer Denken und vertraut nicht auf überkommene Ideologien sondern laßt sie einfach sterben…

Die ESO-SCHIENE – Ein Kommentar zum Kommentar

Lieber Roland,
hab herzlichen Dank, daß Du meinen Blog besucht hast, ich hab Deine Homepage und Deinen Auftritt bei who-is-hu.de auch gleich gestern besucht.
Du hast ja sicher gesehen, daß ich die Giordano-Bruno-Stiftung auch in meiner Blogroll habe, ich hab‘ auch gar kein Problem damit, mich selbst als humanistischen Agnostiker zu bezeichnen. Über die Geschichte der Religionen brauchen wir sicher auch nicht weiter sprechen, da sind wir uns sicher sowieso einig.
Worüber ich aber gerne sprechen möchte, ist das Thema „Religion unter dem Aspekt der Rückverbindung (religio)“ zu den Wurzeln allen Lebens, um die es ja in meinem ÖkoRadiX-Blog geht.

Da kommt mir zunächst das Thema Geschichte in den Sinn: Geschichte zu betreiben bedeutet für mich, dessen eingedenk zu bleiben, was Ernst Bloch als die Unterseite der Geschichte bezeichnet hat, Geschichte ist nicht nur die Geschichte der Mächtigen, auch wenn die immer den Weg in die Geschichtsbücher gefunden haben, es gibt auch eine komplementäre Geschichte, die der Erniedrigten und Beleidigten, der Unterdrückten und Versklavten, man nennt das ja gerne Geschichte von unten und das ist die Geschichte, die selten gesehen wird – aber trotzdem existiert.

Also ist lege mit meinem Blog ein Stein auf die Gräber der Menschen, die sich in welcher Form auch immer für das Unterdrückte, das kaum Sichtbare eingesetzt haben und ihr Leben dem friedlichen Kampf gegen die Ignoranz – aus der alle anderen Übel entspringen – geweiht haben. Schließlich ist Nietzsches Zarathustra bei seiner Lehre vom Übermenschen ja auch an der Ignoranz gescheitert und mußte sich wieder in die Wälder zurückziehen.

Ich würde mich am liebsten als Struktur- und System-Denker bezeichnen, es ist nicht zufällig, daß sich auf allen Größenebenen immer wieder die gleichen Strukturen und Kreisläufe finden – fraktale Geometrie hat diesen Denkansatz ja bebildert – das ist auch der Grund, warum ich Walter Benjamins Idee der Denkbilder so stark favorisiere.
Und jetzt kommt’s – Du spricht das Thema Karma und die Eso-Schiene an – ich bin der Meinung, daß man all diese Bereiche nicht der sogenannten Eso-Schiene überlassen darf, das Prinzip der Analogien, also wie oben, so unten, wie innen, so außen, Makrokosmos und Mikrokosmos sind eins etc. sind zwar in der Esoszene sehr beliebt und das Kybalion wird heute immer noch verlegt, aber dieses Analogie- und Resonanzprinzip hat mit Gott oder Magie so wenig zu tun, wie die berühmte Kuh mit dem Seiltanz. Hier sind seid Urbeginn ((den es für mich gar nicht gibt, ich hänge der Theorie des big bounce an (religio = Rückverbindung)) riesige Informationsfelder im Gang mit denen alles, was in diesem Universum existiert, auch kommuniziert und so ist Evolution für mich, wenn man sie als etwas Positives bewerten möchte, wachsende Resonanzfähigkeit! Das ist alles kein Hokuspokus – sondern ersthafte Wissenschaft.

Wir haben einfach einen vergröberten Materiebegriff, wir bewegen uns in den Welten, die wir anfassen können, deshalb beschreiben wir alles, was um uns herum ist, mit Worten einer Apfelpflücksprache, alles sind kleine Äpfel, kleine Billardkugeln, die sich um einander drehen. Materie ist aber in letzter Konsequenz geronnene Quanteninformation. Und gerade unter diesem Aspekt sollten wir die Geschichte von Religion und Spiritualität völlig neu schreiben nicht um sie zu retten, sondern um einen ganz wichtigen Teil dieses Universums zu verstehen.

Von dem Pathologen Virchow (gest. 1902) ist ja der Satz überliefert: „Ich habe sehr viele Leichen seziert, aber eine Seele habe ich nicht gefunden.“ Da würde ich sagen, mit seinen damaligen Möglichkeiten konnte er auch gar keine Seele finden. Natürlich können wir auch heute noch keine Seele finden, aber wir können sie vielleicht messen. Was wir mit Hilfe moderner Technik heute können, ist zumindest den Fragenhorizont „Seele“ neu aufzumachen, mit entsprechenden, extrem feinen Waagen können wir heute eine Masseverletzung nach dem Tod von Lebewesen messen, wenn wir zuvor sichergestellt haben, daß der Versuchsaufbau keine Masseverletzung möglich macht (siehe Dr. Volkamer).

Vor hundert Jahren dachten wir noch, wir wüßten alles über Masse und Energie und deren Relation zueinander. Heute sind wir viel vorsichtiger, denn nur 5% der Energie im Universum ist uns wirklich gut bekannt, dann wissen wir noch einiges über dunkle Materie, die wohl so 25% der Gesamtenergie ausmacht aber über die 70% dunkle Energie da wissen wir gar nichts.

Also ich sag’s mal so: Für mich ist Spiritualität ein Ausdruck intellektueller Redlichkeit. Spiritualität versucht einen intellektuellen Riegel vor den menschlichen Größenwahn zu schieben. Drop your EGO ist mein Wahlspruch, denn ein übergroßes EGO – das gemeinhin immer alles zu wissen glaubt – steht meistens hinter jedem Größenwahn. Wenn Du ein besseres Wort für diesen Riegel kennst, bin ich für jede Anregung immer offen.

„An allem Anfang aber steht die Vernunft, unser größtes Gut.“ heißt es in einem Brief von Epikur an Menoikeus. Irrationalität – auf die Du ja auf Deiner Homepage auch immer wieder zu sprechen kommst, ist der äußere Ausdruck von Ignoranz (es ist nicht zu kritisieren, wenn jemand nichts weiß – sehr wohl zu kritisieren ist jedoch, wenn er nichts wissen will) und eines der wesentlichen Hemmnisse des Glücks. Für mich ist zwischen einem Philosophieren in Epikurs Garten und einem Philosophieren in Buddhas Garten kein wesentlicher Unterschied, für beide steht Vernunft, Bewußtseinsarbeit und Glück im Zentrum ihres Denkens.

Verschiedene Götter sind für Buddhisten verschiedene Bewußtseinszustände, in dem sie diesen Namen geben, gehen sie mit Ihren Bewußtseinszuständen sozusagen familiär um. Als der Buddha in der Achsenzeit (Jaspers) des 5. Jh.v.u.Z. in seinem Hain lehrte, hat er durch seine 4 Wahrheiten und seinen 8fachen Schulungsweg die numinose Welt der Götter auch massiv entzaubert und trotzdem den Zauber bewahrt. Es ist nicht zu bestreiten, daß z.B. die vielen Sonnenuntergangsbilder oder sagen wir mal allgemeiner die Naturbilder auf Deiner Homepage einen Zauber in sich haben, den die Kunst auch immer wieder bewahrt – auch wenn sie ihn entlarvt.

Postmoderne Naturwissenschaft ist heute viel weiter als um 1900, sie benennt ebenso die numinosen Welten der Götter mit Namen und beginnt einen vernunftgemäßen Umgang mit Ihnen zu pflegen. An der postmodernen Naturwissenschaft kann man sehen, daß ihre Beschäftigung mit Spiritualität sich nicht dadurch ergeben hat, daß sie wieder angefangen hat, zu Glauben, sondern das sie immer weniger glaubt, aber gleichzeitig die ständige Erfahrung macht, daß sich hinter jeder Tür, die sie öffnet, tausend neue Türen liegen. Durch diese Entwicklung ist nebenbei gesagt eine längst überfällige Rückverbindung von Natur- und Geisteswissenschaft in Gang gekommen, die künstliche Trennung im 20. Jh. würde Philosophen aus früherer Jahrhunderte sowieso völlig absurd anmuten, wenn sie es denn erlebt hätten.

Ich komm doch immer wieder zurück zu Sokrates, der mit seiner Hebammenkunst (wie er seine philosophische Gesprächsführung ja oft gern bezeichnete) doch um eine Kleinigkeit weiser war als wir anderen, eben darum, dass er, was er nicht wußte, auch nicht zu wissen glaubte.

Herzliche Grüße
Andreas

P.S. Zum Thema Karma habe ich jetzt nichts mehr explizit geschrieben, darüber habe ich an anderen Stellen (z.B. in meinem Beitrag zu Konstantin Weckers letztem Buch: Mönch und Krieger) schon viel geschrieben.

Was bedeutet TTIP für uns?

TTIP StoppenIch bin gegen das Freihandelsabkommen TTIP / Deshalb möchte ich unterschreiben!

Was bedeutet das Freihandelsabkommen für uns?
Quelle: campact.de  –  Demokratie in Aktion

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU birgt viele Gefahren:

  • US-Produkte müssten nicht mehr europäische Verbraucherschutz- und Tierschutzstandards einhalten, um in der EU verkauft zu werden. Damit EU-Unternehmen dann nicht benachteiligt sind, müssten die Standards hierzulande gesenkt werden.
  • Der durch das Abkommen ausgelöste Preiskampf bei Lebensmitteln würde auf beiden Seiten des Atlantiks naturschonend wirtschaftende Bauernhöfe massenweise zur Aufgabe zwingen.
  • Die durch die EU-Chemikalienverordnung REACH vorgeschriebene Gefahrenprüfung vor der Markteinführung von Substanzen wird umgehbar: Ein Konzern müsste nur ein Produkt in den USA anbieten – und schon könnte er es auch in Europa verkaufen.
  • TTIP wird die Einfuhr gentechnisch veränderter Lebensmittel, von Hormonfleisch und Chlorhühnern erleichtern – und die Kennzeichnungspflicht aufweichen.
  • Wenn öffentliche Dienstleistungen als Märkte interpretiert werden, wie es die Pläne bisher vorsehen, wird eine Welle an Privatisierungen folgen.
  • Im Bereich des so genannten „geistigen Eigentums“ drohen Verschärfungen: weniger Rechte für Internetnutzer und ein lascher Datenschutz.
  • Investoren sollen die Möglichkeit bekommen, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie ihre Gewinnaussichten durch demokratische Beschlüsse verletzt sehen. Auf eine solche Investitionsschutzklausel in einem anderen Abkommen beruft sich heute schon Vattenfall – und verklagt derzeit Deutschland auf 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz für den Atomausstieg.

Wer verhandelt?

Die Verhandlungen finden statt zwischen der EU-Kommission, vertreten durch den Handelskommissar, und dem US-Handelsministerium. In der EU haben weder die Mitgliedsstaaten noch die anderen EU-Kommissare, noch gar die Abgeordneten von Europaparlament und nationalen Parlamenten Einblick in die meisten Verhandlungsdokumente. Auf massiven öffentlichen Druck hin stellt die EU-Kommission inzwischen einige ihrer Verhandlungspositionen online – allerdings weigert sich die US-Seite dasselbe zu tun.

Deshalb bleibt ungewiss, wo mögliche Kompromisslinien liegen werden. Da beide Verhandlungspartner eine „Paketlösung“ – also einen Kuhhandel – anstreben wird die EU-Kommission massive Zugeständnisse machen müssen, soll das Abkommen jemals unterschriftsreif werden.

Unterdessen haben einige hundert Industrielobbyisten exklusiven Zugang und die Möglichkeit, ihre Interessen direkt in den Vertrag zu diktieren. Ziel der Verhandlungs-Elite ist es, die Verhandlungen geheim abzuschließen und den demokratisch gewählten Vertretungen der Bürger/innen dann nur noch die Wahl zwischen Zustimmung und Ablehnung zu lassen.

Warum wissen wir so wenig über die Inhalte?

Die EU-Kommission und die US-Regierung halten die wichtigsten Verhandlungsdokumente geheim. Die Verhandlungsrunden finden jeweils an geheim gehaltenen Orten statt. Auf den Pressekonferenzen nach den jeweiligen Verhandlungsrunden werden lediglich Allgemeinplätze zum Besten gegeben. Jegliche öffentliche Information bleibt äußerst vage. Die EU-Kommission ist noch nicht einmal bereit, das Verhandlungsmandat – also das, worüber sie verhandelt – offen zu legen. Dieses Mandat ist jedoch von der US-Regierung veröffentlicht und auf diesem Weg bekannt geworden.

Wie viele Arbeitsplätze und wie viel Wachstum bringt der Vertrag?

Die Europäische Kommission rechnet, gestützt auf eine Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR 2013), für das Jahr 2027 mit einem Wachstum des realen Einkommens der EU von bis zu 0,48 Prozent. Das bedeutet pro Jahr ein Wachstum von 0,048 Prozent, also unter der Nachweisgrenze. Die Kommission schließt Anpassungseffekte zwar nicht aus, gesamtwirtschaftlich sollen jedoch Beschäftigungsgewinne und Lohnzuwächse überwiegen. Schon diese positiv gefärbte Schätzung geht also von einem äußerst geringen wirtschaftlichen Nutzen in sehr ferner Zukunft aus.

Nicht berücksichtigt sind dabei mögliche negative Effekte. Neben Arbeitsplatzverlusten in ländlichen Gebieten droht eine Ausweitung niedrig entlohnter Beschäftigung, zunehmende Einkommensungleichheit, verschärfte Sparpolitik der öffentlichen Haushalte und eine geringere Tarifbindung. Privatisierungen, Ausgliederungen und Deregulierung vor allem im Dienstleistungsbereich können einfach genutzt werden, um Niedriglohn-Jobs zu schaffen. Weil sie anständig bezahlte Jobs mehr und mehr verdrängen, wirkt sich das auf das allgemeine Lohnniveau und damit auf die „Normalarbeitsverhältnisse“ aus.

Die am meisten zitierte Studie zu wirtschaftlichen Effekten stammt von der Bertelsmann-Stiftung. Sie wird wegen massiver methodischer Fehler bei der Berechnung von Arbeitsplatzeffekten vom ifo-Institut kritisiert. Die Bertelsmann-Stiftung hat nämlich nur die Gewinne im Exportsektor gezählt, und die Verluste von Arbeitsplätzen in anderen Sektoren nicht davon abgezogen. Dieser Fehler ist möglicherweise kein Zufall, denn die Bertelsmann-Stiftung macht mit einer Road-Show im Auftrag der EU-Kommission Werbung für TTIP in den USA.

Hat die EU-Kommission nicht transparente Verhandlungen unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft versprochen?

Dieses Versprechen ist leider eine leere Hülse. Die EU-Kommission veranstaltet einige so genannte Stakeholder Briefings, bei denen sie Vertreter/innen der Zivilgesellschaft mit Allgemeinplätzen, ausweichenden Antworten und bewusstem Verschweigen hinhält. Dem gegenüber stehen hunderte Gespräche mit Industrielobbyisten, bei denen diese unmittelbar Einfluss auf die Verhandlungstexte nehmen können.

Die EU-Kommission hat ein beratendes Kommitee eingerichtet, das die Verhandlungen begleiten soll. In ihm sollen neben sieben Industrievertretern zwei handverlesene Vertreter von Umweltschutzverbänden, zwei von Gewerkschaften, einer von Transparenz-Organisationen sitzen. Die bisher veröffentlichten Protokolle der Sitzungen zeigen, dass über Belanglosigkeiten geredet wurde, nicht über die wirklich kritischen Fragen. Und auch diesem Komitee werden voraussichtlich keine Vertragstexte zugänglich gemacht. Genauso wenig wie dem Europaparlament. Wenn Abgeordnete oder die wenigen ausgewählten Vertreter der Zivilgesellschaft Verhandlungsunterlagen sehen dürfen, dann nur in speziellen Leseräumen. Sie sind zu Stillschweigen verpflichtet, dürfen also ihr Wissen nicht mit Experten und vor allem nicht mit uns Bürger/innen teilen.

Wie ist der Zeitplan?

Die Verhandlungen wurden im Juni offiziell aufgenommen. Ziel der Verhandlungspartner ist ein schneller Abschluss, bis 2015. Der genaue Zeitplan hängt vom Fortschritt der Verhandlungen ab. Klar ist bisher nur, dass die nächste Verhandlungsrunde im März 2014 in Brüssel stattfindet.

In den USA gibt es zunehmend Widerstand gegen den geplanten „Fast Track“ Prozess, der der Obama-Administration eine Verhandlung ohne Beteiligung des Kongresses erlauben würde. Der Ausgang des Konflikts ist derzeit offen.

Was passiert nach den Verhandlungen?

Das Europaparlament und die Europäischen Regierungen müssen dem Vertrag auf jeden Fall zustimmen. Strittig ist, ob der Vertrag außerdem in jedem einzelnen Mitgliedsstaat „ratifiziert“ werden muss. Die EU-Kommission möchte dieses Abkommen allein auf europäischer Ebene durchsetzen und die nationalen Parlamente außen vor lassen! Dagegen regt sich Widerstand aus den Mitgliedsstaaten – sehr zu recht. Wenn die EU-Kommission nicht einlenkt, ist eine Klage vor dem EuGH in dieser Sache wahrscheinlich.

Würde der Vertrag auch von den Mitgliedsstaaten ratifiziert, bedeutet das in der Regel, dass die Parlamente abstimmen. Möglich sind aber auch Volksentscheide in einzelnen Mitgliedsländern. Wird der Vertrag von nur einem EU-Staat nicht ratifiziert, ist er gescheitert.

In Deutschland hängt es vom Inhalt des endgültigen Vertrages ab, ob nur der Bundestag entscheidet oder auch der Bundesrat zustimmen muss.

Wie funktionieren die Konzernklagen?

In vielen Handelsverträgen gibt es mittlerweile so genannte Investitionsschutzklauseln. Sie erlauben ausländischen Konzernen, vor einem „Schiedsgericht“ zu klagen, wenn es seine Gewinnerwartung durch politische Entscheidungen eines Staates verletzt sieht. Das „Schiedsgericht“ ist kein Gericht im herkömmlichen Sinne. Es besteht ausschließlich aus Anwälten, die in einem Prozess die Rolle des Kläger-Anwalts, im nächsten Verfahren die Rolle des Anwalts der Beklagten, und ein anderes Mal die Rolle des Richters übernehmen. Eine exklusive Minderheit von hoch spezialisierten Rechtsexperten entscheidet also über Entschädigungen in Milliardenhöhe – die Steuerzahler/innen dann bezahlen müssen. Die Verhandlungen sind nicht öffentlich, eine Revision gibt es nicht. Die Anwälte und Richter kassieren Honorare in Millionenhöhe.

Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Klagen vor solchen Schiedsgerichten ständig an, die Summen der zugebilligten Entschädigungen wachsen ständig. Am klagefreudigsten sind US-Investoren mit bisher 123 Klagen. Danach folgen die Niederlande mit 50, Großbritannien mit 30 und Deutschland mit 27 Klagen.

Eine neue Studie der London School of Economics hat jetzt (wie auch schon eine ältere Studie der Heinrich-Böll Stiftung) nachgewiesen, dass Investorenklagen nicht sinnvoll sind. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die von der Kommission genannten Fälle kein Indiz dafür sind, dass man ISDS im TTIP braucht. In den von der Kommission angebrachten Fällen, bei den InvestorInnen Schwierigkeiten in den USA hatten, hätte ein Investor-Staat-Klagemechanismus auch nicht geholfen.

Was ist eigentlich Fracking

Da ich der Meinung bin, daß man immer zuerst mal eine inhaltliche Einschätzung von Themen gewinnen muß, bevor man sich entscheidet, für oder gegen etwas zu sein, habe ich mal ganz kurz aufgeschrieben, bzw. auch wegkopiert, worum es beim fracking geht.

Fracking ist eine Methode zur Erzeugung von Rissen in Gesteinsschichten im tiefen Untergrund, mit dem Ziel, dass dort lagernde Gase oder Flüssigkeiten (Öl) leichter und beständiger zur Bohrung fließen und gewonnen werden können.

Beim Fracking wird nach Erstellung einer bis zu mehreren tausend Meter tiefen Bohrung zur Erhöhung der Durchlässigkeit der Gesteine im Zielhorizont – das heißt auf der Ebene der tiefsten Stelle der Bohrung – unter hohem Druck Wasser durch das Bohrloch in den tieferen Untergrund gepumpt, das in der Regel mit chemischen Zusätzen und Stützmitteln wie z.B. Quarzsand versetzt ist.

2000px-HydroFrac_de.svg
Typischerweise sind in der Tiefe mehrere zusätzliche horizontale Bohrungen mittels Richtbohren – durch Umlenken des Bohrkopfes in die Waagrechte − in das umgebende Gestein ausgeführt, um die Ausbeute zu erhöhen. Die unter einem Druck von typischerweise mehreren hundert Bar eingepresste Flüssigkeit („Fracfluid“) hat dabei die Aufgabe, im Reservoirgestein Gesteinsrisse zu erzeugen, aufzuweiten und dauerhaft zu stabilisieren.

Bereits heute ist etwa ein Drittel der deutschen Erdgasförderung mit Hilfe der Fracking-Technologie erschlossen worden. In den USA wird seit etwa Anfang der 2000er Jahre verstärkt Erdgas mittels Fracking gefördert, was einen Boom zur Folge hatte. Dies hat den dortigen Energiemarkt erheblich verändert und mündete in einem aktuellen Erdgas-Überangebot mit Preisverfall auf dem US-Markt, so dass die Rentabilität des Verfahrens bereits in Frage gestellt wurde. Die US-Regierung fördert daher seit etwa 2013 Anstrengungen zum verstärkten Export von Flüssig-Erdgas nach Europa und Japan, unter anderem mit beschleunigten Genehmigungsverfahren.

Aufgrund von Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Krimkrise in der Ukraine ab Februar 2014 wurde US-Flüssigerdgas nachdrücklich von US-Politikern sowie auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Alternative zum russischen Erdgas für die europäische Energieversorgung ins Spiel gebracht.

Zudem wurden im Zuge der Krise Forderungen nach einem verstärkten Fracking-Einsatz in europäischen Ländern geäußert.

Durch die Fracking-Debatte und aufgrund der deutlichen Erdgasüberproduktion durch Fracking in den USA sehen wir auch hier wieder mehr als deutlich, wie auf diesem Planeten mit Ressourcen umgegangen wird. Abgesehen davon, daß die Umweltrisiken beim Fracking in keiner Weise geklärt sind, werden hier in unverantwortlicher Weise Ressourcen verschleudert, um entsprechende Profitinteressen zu befriedigen.

Aufgrund der unabsehbaren Umweltrisiken haben einige Länder, wie Frankreich, das Fracking verboten, in Deutschland wird wie immer hin und her taktiert, weil man sich natürlich wieder mit keiner Lobby anlegen will.

Tatsache bleibt:

Fracking bietet viele bekannte und noch nicht bekannte Umweltrisiken, die vor allem durch das Einpumpen von Additiven (Chemikalien, u. a. Biozide), mit denen das Bohrwassers zum Aufbrechen der Lagergesteine versetzten werden, entstehen.

Nachweislich bestehen Gefahren durch die Verunreinigung des Grundwassers durch das Bohrwasser und die darin enthaltenen Chemikalien,

durch die Verunreinigung des Oberflächenwassers durch das zurückgepumpte Bohrwasser und die darin enthaltenen Chemikalien

durch die Wanderung von Stoffen aus der Lagerstätte in andere Gesteinsschichten

durch den Abtransport des Brauchwassers plus der darin enthaltenen Chemikalien

durch die Vibrationenen beim Bohren und regelmäßigen Fracken

durch Resonanzeffekte, wodurch kleine und gewollte Mikrobeben größere Erdbeben auslösen.

Auch die gesundheitlichen Risiken sind unabsehbar, so ergaben Untersuchungen der Universität von Missouri in Columbia, dass beim Fracking eingesetzte Spülflüssigkeiten in das Grundwasser benachbarter Brunnen gelangten. „Von den eingesetzten Chemikalien waren mehr als 100 bekannte oder vermutete endokrine Disruptoren,“ die das sensible hormonelle Gleichgewicht stören können. Östrogenartig wirkende Substanzen fördern Unfruchtbarkeit und Krebs. An Andockstellen für das männliche Geschlechtshormon Testosteron anlagernde Stoffe können Missbildungen im männlichen Genitaltrakt und Unfruchtbarkeit verursachen.

Aber nochmal zurück zu den Tiefenbohrungen: Am Beispiel von Staufen im Schwarzwald, wo es ja um ganz andere Bohrungen für Erdwärmegewinnung ging, kann man sehen, was niemand vorher sehen will, es KANN zu Problemen kommen, wenn man verschiedene Gesteinsschichten anbohrt, die Probleme sind gerade bei verhältnismäßig neuen Technologien unabsehbar.

Wissenschaftler finden sich natürlich immer, die gerade bei neuen, oft auch mit viel Profit verbundenen Technologien jedes Umweltrisiko ausschließen können, so wie Japan ja immer supersichere Atomkraftwerke gebaut hat, Tschernobyl war ja was anderes, das waren ja die kommunistischen Nullen, die man schon im kalten Krieg bekämpft hat, am Werk

Wenn Folgen wissenschaftlich seriös (also ohne keine Lobbypolitik über Drittmittel) unabsehbar sind, dann muß man auf solche Technologie verzichten bis man mehr weiß. Ich sag mal eins, früher (also noch vor 30 Jahren) war ein sehr großer zeitlicher Anteil bei der Produktentwicklung der Prüfung des Produkts vorbehalten, heute ist ein Produkt, kaum daß es nur ein wenig aus den Kinderschuhen heraussieht, „marktreif“. Was hat man gemacht, man hat einfach die Produktprüfung an den Konsumenten delegiert, das bringt jede Menge mehr Profit.

Wenn eine Produktentwicklung jedoch die Grundlage unseres gesamten Lebens auf diesem Planeten betrifft, dann kann ich niemals das gleiche Risko fahren, dann muß ich einfach Vorsicht im Umgang mit diesem Planeten walten lassen, alles andere ist unverantwortlich!

Mehr Details – z.B. mit welchen Additiven gearbeitet wir – kann man nachlesen bei:
Wikipedia  oder Fracking auf TTIP komm raus (Kurzstudie von Power Shift, FoE

An Pfingstmontag im Jahre 2014

Mohn_und_Gedächtnis
Mohn und Gedächtnis, der erste Gedichtband Celans, der Spannungsbogen Czernowitz – Paris, die Bokowina ein Land von echten Multikultis – da lebten sie noch zusammen, Paris eine Stadt der Gegensätze, da rezipierten Marxisten und glühende Kämpfer der Résistance noch Heidegger…

Mohn und Gedächtnis, das flüchtige, kurze, alles vergessenmachende, glühend rote Aufblühen – der Mohn, die Liebe, das Durchatmen, die Erleichterung – auf der anderen Seite des schmalen Grades: Belastung, Schmerz, Erinnerung, das Gedächtnis. Mohn und Gedächtnis, Tag und Nacht, das grelle Licht des Bewußtseins und das ewige Dunkel des Unbewußten, Leben und Tod, die unio mystica. „Wir waren tot und konnten atmen.“ Mohn und Gedächtnis, das Erinnern knebelt nicht die Freiheit, eines stärkt sich am anderen, der utopische Mohn des Vergessens gedeiht nur gut auf dem Boden der Erinnerns, Utopie kann nicht ohne Erinnerung sein.
Mohn und Gedächtnis, nichts hilft den täglichen Widerspruch besser gestalten. Mohn und Gedächtnis, das ist auch das „Geheimnis der Begegnung“, es ist das „Würgen“ an den Nichtverrechenbarkeiten, es ist zum einen jenes Gedicht „Wirk nicht voraus“ aus Celans letzten Gedichtband „Lichtzwang“:

„Wirk nicht voraus,
sende nicht aus,
steh
herein:

durchgründet vom Nichts,
ledig allen
Gebets,
feinfügig, nach
der Vor-Schrift,
unüberholbar,

nehm ich dich auf,
statt aller
Ruhe“

Und es ist zum anderen oder vielmehr zugleich Heideggers Antwort darauf:

„Wage die Stille
Stille die Waage

Höre das Her
Schweige das Hin

Schwanke nicht mehr
Danke und sinn‘

Stille die Waage
Wage die Stille“

Leben und Denken ist eben beides, es ist Mohn UND Gedächtnis, es ist auch Mönch UND Krieger. Soll man die Kunst vielleicht erweitern,  damit die Antipoden in uns beide Raum finden? „Nein. Sondern geh mit der Kunst in deine allereigenste Enge. Und setz dich frei.“

MohnundGedächtnis„Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt,
daß der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, daß es Zeit wird.“

Wie es in Paul Celans Gedicht „Corona“ heißt.

2012 zum 60sten Jahrestag des Erscheinens von Paul Celans erstem Gedichtband „Mohn und Gedächtnis“ hat die DVA diesen Band in einer der Erstausgabe nachempfundenen, bibliophilen Ausgabe wieder veröffentlicht. Wer die Gedichte dieses Band in seinem Herzen immer dabei hat, der kann eigentlich nicht fehl gehen…

Als 1952 „Mohn und Gedächtnis“ erschien, war der Autor, der als Paul Antschel 1920 als Sohn deutschsprachiger Juden in Czernowitz/Bukowina geboren wurde, der literarischen Öffentlichkeit vollkommen unbekannt. Seine Eltern wurden 1942 während der deutschen Besatzung deportiert und ermordet. Er selbst überlebte den Krieg in einem Arbeitslager. Danach gelangte er über Bukarest und Wien nach Paris, wo er bis zu seinem Tod als Dichter, Übersetzer und Lektor an der École Normale Supérieure lebte und arbeitete. 1970 beendete er sein Leben.

Heute zählen die 56 Gedichte des Bandes, darunter die »Todesfuge«, zu den bedeutendsten des 20. Jahrhunderts, aber wie es immer so ist, wenn etwas erstmal zu dem Bedeutendsten zählt, dann wird es leicht vergessen, deshalb würde ich mich freuen, wenn möglichst viele diese eindringlichen Gedichte lesen oder wieder lesen würden, auch oder gerade weil sie nicht mehr in unsere „hippe“ Zeit passen, in der es vor lauter „gelebten Augenblicken“, kein Gedächtnis mehr für die Vergangenheit und Zukunft gibt. Denn schließlich hatten wir als Menschheit mal eine Zukunft und schließlich wollten wir uns mal mahnend der Vergangenheit erinnern.

Celan wurde 1960 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. In seiner Büchner-Preis-Rede finden wir viele Steine des Erinnerns, wir finden den „20. Jänner“: Der 20. Jänner 1778, an dem Lenz durch das Gebirge zum Pfarrer Oberlin nach Waldersbach übers Gebirge ging, der 20. Jänner 1942, an dem in der Wannseekonferenz die planmäßige Endlösung, die endgültige Vernichtung der europäischen Juden in „freundlicher Atmosphäre“ erörtert  wurde, der 20. Jänner 1948, an dem Celan Ingeborg Bachmann kennenlernt, der 20. Jänner 1968, an dem er sein Gedicht „Der zwanzigste Jänner 1968“ schrieb:

„Ich höre, die Axt hat geblüht,
ich höre, der Ort ist nicht nennbar,

ich höre, das Brot, das ihn ansieht,
heilt den Erhängten,
das Brot, das ihm die Frau buk,

ich höre, sie nennen das Leben
die einzige Zuflucht.“

„Ich finde das Verbindende und wie das Gedicht zur Begegnung Führende. Ich finde etwas – wie die Sprache – Immaterielles, aber Irdisches, Terrestrisches, etwas Kreisförmiges, über beide Pole in sich selbst Zurückkehrendes und dabei – heitererweise – sogar die Tropen Durch-kreuzendes –: ich finde… einen Meridian.“ (Büchner-Preis-Rede, 1960)

Zauberpflanze Mohn, im Eingedenken alles Kreatürlichen bist du die Chiffre, die Grenze zwischen vernichtender Gefahr und beglückender Heilung, der Absturz in’s Bodenlose ist immer mit im Gepäck.

Wenn du blühst, kann der Sommer nicht mehr weit sein, deine borstige Behaarung gibt dir Abwehrstärke in den wenigen Stunden, in denen du feuerrot glühst. Du bist die Pflanze des Augenblicks,  Glücks- und Totenblume zugleich, als Pionier besiedelst Du Gegenden, die längst dem Vergessen anheim fielen – so wie all die vielen Soldatengräber, zu denen du als erster kamst. Für mich bist Du das Signal, wo du blühst ist der Mensch schon weitergezogen, es geht vorwärts, die Passion hat sich erfüllt, der Samen des Gedächtnisses ist aufgegangen.

Mohn UND Gedächtnis – ein Pfingstmontag im Jahre 2014

YOLO – Das Mehrgenerationen-Projekt

Endlich ist es soweit, die Jungen und die Alten sind sich einig, Schluß mit lustig, jetzt wird’s ernst, jetzt kommt das YOLO-Projekt.
Klar Hip-Hop mäßig geht’s bei den Aktiv-Senioren nicht mehr so zur Sache, aber krachen lassen tun sie’s auch, schließlich lebt man doch nur einmal, da heißt es, nichts verschieben auf die Zukunft, wer weiß, was noch alles kommt, man hat ja schließlich schon Pferde kotzen gesehn.

YOLO-Jugend20122012 war YOLO ja das Jugendwort des Jahres, klar you only live once, da muß halt was gehn auf breiter Front, wenn sonst schon nix geht, da haun wir kräftig auf den Putz und wenn dann Leere statt Lehre kommt, dann nix wie ab zum Koma-Saufen, auf die scheiß Gesellschaft hab ich sowieso kein Bock und ne andere klappt ja doch nie…

Klar! In ihrer Resignation, da sind sich die Jungen und die Alten einig und deshalb: Party bis die Schwarte kracht, wir nehmen uns alles und zwar jetzt, der Tanz auf dem Vulkan (war da nicht schon mal was mit „Tanz auf dem Vulkan“ vor 90 Jahrn?) macht bock, wir wollen noch was von der Welt sehn, mir doch egal mit dem scheiß CO², die andern machens doch auch, solln sich doch die Jungen kümmern, wir wollen noch was vom Alter haben, denn schließlich und endlich „You Only Live Once!“. Und deshalb kriegen wir auch dieses Jahr das goldene YOLO-Kalb, wir haben es uns redlich verdient.

YOLO-Senioren2014Da fragt man sich doch, als unbeteiligter Zuschauer, wo haben diese beiden Gruppen die Idee nur geklaut? Na klar von den Superreichen, den gehts doch schon lange am Arsch vorbei, was in der Zukunft mit diesem Planeten passiert, wenn sie immer nur kurzfristig ‚ihre‘ Kohle abschöpfen können, um Party in ihren 10 Ferienhäusern rund um den Globus zu machen und den Rest in irgendwelchen offshore-Paradiesen zu bunkern, anstatt die Knete in nachhaltige Zukunftprojekte zu investieren. Die Superreichen, die haben schon lange den Grundsatz: „You Only Live Once!“ – was dabei herauskommt, das kann man ja schon schön auf diesem Globus beobachten…

Komisch eigentlich – warum die sich manchmal doch wieder mit ihrem Gewissen belasten und dann mit ihrer Kohle ganz plötzlich auf Charity machen, paßt eigentlich wieder gar nicht ins Bild, wollen die jetzt nur ’ne gute Presse – aber die ätzt ja eigentlich nur über solche Aktivitäten, am Ende wollen die vielleicht wirklich noch helfen, das wär ja noch schöner, uns unsere hart erarbeitete Verelendung und unser revolutionäres Potential klauen, nur um ein Paar Leuten, die am Verhungern sind ’ne Schrippe ohne alles rüberzuschieben. Na, ich denk vielleicht doch noch mal drüber nach, weil wenn ich mir’s so recht überlege, verhungern aus ideologischen Gründen will ich ja eigentlich auch keinen lassen…

Naja und vielleicht geht’s den Yolos ja auch mal so, wenn sie keinen Bock auf Dauer-Yolo haben. Dann gucken die sich am Ende auch noch Charity ab und machen Yolo-Charity, kann ja alles passieren auf diesem Planeten, war schon so mancher für  eine Überraschung gut.

Ich wills mal so sagen: Klar es ist wirklich wichtig im Augenblick zu leben und keine Sekunde des kostbaren Lebens zu verschwenden und niemand kann im Ernst was dagegen haben, daß jeder auch mal Party machen muß, um seine Batterien mit viel Lachen und vielen echten Freunden wieder aufzuladen, aber muß es denn der nonstop Tanz ums goldene YOLO-Kalb sein, das ist in der Geschichte doch schön öfter mal schief gegangen, dieser Tanz ums goldene Kalb…

Eine Schnake, eine Schnake, erschlag das Gezücht…

DetailBei näherem Hinsehen verliert man sich nicht im Detail –
sondern erkennt die Zusammenhänge.

Gerade weil ich davon überzeugt bin, daß die andere Sicht, oft auch die subversive Sicht auf die Dinge nur in den Details zu finden ist, bin ich in Talkrunden immer besonders angenervt, wenn es wieder heißt: „Bitte keine Details, das interessiert unsere Zuschauer nicht, es geht um die großen Linien“.

Ja wer nur die großen Linien sehen will, der reist am besten gleich ins Weltall, da sieht er dann einen wunderschönen blauen und grünen Planeten, da sieht er dann nur die großen Linien.

Spätestens seit der Flügelschlag eines Schmetterlings durch die Chaostheorie zu internationalem Ansehen gekommen ist, sollte doch allmählich klar geworden sein, daß es gerade nicht um die großen Linien – sondern um die kleinen Details geht.

Ganz abgesehen davon ist es doch wohl zynisch einem verhungernden Kind zu erklären, alles sei gar nicht so schlimm, es verhungern doch zur Zeit weltweit viel weniger Kinder als noch vor einem Jahr, irgendwann wird vielleicht niemand mehr hungern und dann verhungerst Du auch nicht mehr.

Es ist eigentlich müsig zu erwähnen, daß hier doch eigentlich nur tätiges Mitgefühl im Detail hilft, um das Kind vor dem Verhungern zu retten…

Angst vor der Materie

Angst vor der MaterieMaterie macht uns Angst, unsere Entfremdung von allem Vorgefundenen auf diesem Planeten schreitet immer weiter fort (bitte jetzt keine Linearität propagieren). Natur ist nichts, was uns begeistert und erschafft, sondern was abgeschafft gehört. Jetzt sind aber einerseits unsere wissenschaftlichen Bemühungen noch nicht weitgenug fortgeschritten, damit wir die Materie vollständig unter Kontrolle bringen können, andererseits ist unsere transzendentale Obdachlosigkeit aber auch schon wieder so weit fortgeschritten, daß wir mit der Materie nicht mehr on speaking terms sind.

Haben wir vielleicht doch zu voreilig unsere guten Kontakte zu den  Göttern aufgegeben oder liegt alles vielleicht daran, daß Materie etwas ganz anderes ist, als wir all die Jahrhunderte gedacht haben, nichts Unveränderliches, Starres von dem wir uns ein festes Bild machen können und das uns auch noch im Untergang (wie hier auf dem Bild) Sicherheit schenkt.

Es kommt darauf an, einen neuen Materiebegriff zu entwickeln!

Wenn wir Überlegungen der Quantenphysik in unser tägliches Denken integrieren, sollten wir dann nicht viel eher den Begriff der Materie mit einer bunt schillernden, utopischen Welt verknüpfen. Können wir nicht zu einer „Docta spes“ (Ernst Bloch) kommen, wenn wir die Superposition der Quanten – dem Ort aller potentiellen Seinsmöglichkeiten – als die grundlegende Wurzel jeder Utopie und der auf sie gerichteten gelehrten Hoffnung verstehen. Ist im Kern unseres Universums nicht der ständige Wandel, die Veränderung, die Utopie angelegt? Ist Utopie nicht gerade der Ort, den es fest umschlossen nirgends gibt und der dennoch überall anwesend ist – als das Meer der Möglichkeiten?

Ein ‚Wirk‘ (H.P. Dürr) lebt in Utopia, kein Ort nirgends ist seine Heimat, aber mit den Algorithmen und der Theorie der Quantenmechanik können wir doch immerhin auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten mit diesem Ort kommunizieren. D.H. wir haben eine ideale utopische Situation, wir kommunizieren und lernen viel von den ‚Wirk‘, weil wir die richtige Umgangssprache halbwegs gefunden haben und wir knebeln ihre Wirkungslinien trotzdem nicht, wir zwingen sie nicht fein sortiert, durch den ein oder anderen Spalt unserer Doppelspaltexperimente zu fliegen, so wie der arme Tiger immer durch den einen Ring muß.

Mit der Quantenmechanik pflegen wir einen nicht usurpatorischen Umgang mit Utopia, der wunderbaren Wurzel all unserer Materie und damit unseres Seins. Wir diskutieren und leben gleichzeitig die Offenheit!

Ist nicht gerade ein System – wie der Kapitalismus – von dem immer wieder stur behauptet wird, es sei das stabilste und natürlichste System der Welt, gerade auch unter diesem Aspekt das widernatürlichste. Natürlich ist die Evolution, die immer wieder gerne als Begründung herangezogen wird, die Triebfeder der Entwicklung, daß sich aber hartnäckig die falsche Übersetzung von Darwins/Spencers „survival of the fittest“ hält, erscheint mir ein leicht zu entlarvender Marketingtrick eines auf Ellbogen und gnadenlosen Wettbewerb fixierten Systems.

Letztlich können wir auf der Basis dieses falsch verstandenen evolutionären Grundsatzes tausende von Ideologie aufbauen, die Macht des Faktischen wird sie alle niederreißen, wenn wir nicht verstehen, daß wir nur dann überleben, wenn wir uns den Grundlagen unseres Lebens möglichst optimal anpassen und das sind nunmal einzig und allein die Ressourcen und Regelkreisläufe der Natur auf diesem Planeten, dann gehen wir als Menschheit einfach unter,  aus die Maus, eigentlich schade drum, es gab immer mal wieder ein paar gute Ansätze, ohne Hass, Gier und Ignoranz hätte was draus werden können.

Die Materie aber wird immer triumpfieren und weiter ihre utopischen Orte besuchen…

Warum? Weil sie einfach weiß, daß das Unbestimmte, Offene der einzige Ort ist, an dem man leben und das Leben genießen kann. Wäre es nicht nach so vielen Jahrzehnten der Quantenphysik eine Überlegung wert, das sie endlich als  Grundlage unseres Denkens in unser alltägliches Leben und Handeln einzieht?!

Der Penner Diogenes im Gespräch

Diogenes: Eh’ haste mal ‘nen Euro?

Arbeiter: Nee – du asozialer Penner, sich ‘nen schlaues Leben machen und andere für sich schaffen lassen und dann von meinem sauer verdienten Geld noch ‘nen Euro abhaben wollen, das kannste vergessen, geh’ selber arbeiten du Versager, dann brauchste auch nich’ betteln. Und überhaupt mit deinem Hunderudel mir auf die Mitleidstour kommen, den Hunden gibste doch sowieso nix ab von dem was die Leute dir geben, tuste doch eh alles nur versaufen.

Diogenes: Das ist zynisch – die armen Hunden brauchen mich – so wie ich sie brauche!

Arbeiter: Na von mir aus – aber ganz sauber im Kopf kannste eigentlich auch nich’ sein oder was soll die brennende Laterne mitten am Tag – spar dir doch die Kerze für die Nacht?

Diogenes: Ich such’ einen Menschen!

Wohlhabender Bürger: Oh Du armer Obdachloser – ich wäre so froh, wenn ich Dir einen Wunsch erfüllen könnte?

Diogenes: Geh mir aus der Sonne!

Arbeiter: Die spinnen doch wohl beide oder was …

Diogenes_Jean_Léon_Gérôme

Warum wir einen BruttoNationalGlücksFaktor brauchen!

1979 – also bereits vor 35 Jahren – hat Jigme Singye Wangchuck, der damalige König von Bhutan den Ausdruck BruttoNationalGlück, in Entgegnung auf ein Interview mit einem indischen Journalisten, geprägt. Der Journalist hatte sich nach dem Bruttoinlandsprodukt von Bhutan erkundigt und der König wollte zum Ausdruck bringen, dass er sich einer Wirtschaftsentwicklung verpflichtet fühle, die Bhutans einzigartiger Kultur und ihren buddhistischen Werten gerecht werde.

Aber bereits 1972 hatte der König das „Glück“ zum obersten Ziel der nationalen Politik ausgerufen. Die Idee reicht allerdings viel weiter zurück. Schon im 18. Jahrhundert wurde in einem Gesetzestext formuliert, die Regierung hätte keine Berechtigung, wenn sie nicht für das Glück seiner Bürger sorgen könne (würde mich mal interessieren, welche Reaktionen kämen, wenn das ein Politiker bei uns im Bundestag vortragen würde).

Während jedenfalls konventionelle Entwicklungsmodelle das Wirtschaftswachstum immer zum herausragenden Kriterium politischen Handelns machen, nimmt die Idee des Bruttonationalglücks an, dass eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft nur im Zusammenspiel von materiellen, kulturellen und spirituellen Faktoren geschehen kann, die einander ergänzen und bestärken. Bruttonationalglück ist der Versuch, den Lebensstandard in breit gestreuter, humanistischer und psychologischer Weise zu definieren und somit dem herkömmlichen Bruttonationaleinkommen, einem ausschließlich durch Geldflüsse bestimmten Maß, einen ganzheitlicheren Bezugsrahmen gegenüberzustellen (siehe auch Wikipedia).

Die vier Säulen des BruttoNationalGlücks:
– die Förderung einer sozial gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung,
– Bewahrung und Förderung kultureller Werte,
– Schutz der Umwelt und
– gute Regierungs- und Verwaltungsstrukturen.

Auch wenn sich der BruttoNationalGlücksFaktor nur schwer objektiv messen läßt und einer Reihe von subjektiven Werturteilen unterliegt, kann man diesen Faktor dennoch durch entsprechende BewertungsSkalen in repräsentativen Meinungsumfragen errechnen. Natürlich ist die entscheidende Frage, wer die Eckpunkte des Bezugsrahmens definiert. Damit kommt der Art und Weise der politischen Willensbildung insbesondere der Diskussion im Rahmen der Verfassungsgebung eine große Bedeutung zu. Bhutan hat seit 2008 das Bruttonationalglück als zentralen Wert in der Verfassung verankert. Mit einem Gross National Happiness (GNH) Faktor mißt Bhutan das Glück seiner Einwohner.
Der GNH Index umfasst neun Bereiche (psychologisches Wohlbefinden, die Verwendung von Zeit, die Vitalität der Gesellschaft, kulturelle Diversität, ökologische Resilienz, Lebensstandard, Gesundheit, Bildung und Good Governance) die mit Hilfe von 33 aggregierten Indikatoren messbar gemacht werden. Das GNH Konzept ist somit ein multidimensionales Konzept, das nicht nur subjektives Wohlbefinden und Glück umfasst, sondern auch alle ökologischen und soziale Aspekte mit einbezieht.
Einen ähnlichen Weg wie Bhutan sind Ecuador und Bolivien gegangen mit der Verankerung des indigenen Prinzips des Sumak kawsay („gutes Leben”, span. „buen vivir”) in der ecuadorianischen Verfassung von 2008 und der bolivianischen Verfassung von 2009.
In einem vom New Economic Foundation’s Centre for Well-Being in London erstellten Happy Planet Index, der Lebenserwartung und Zufriedenheit der Bevölkerung in Relation zum ökologischen Fußabdruck (Ressourcenverbrauch) setzt, belegt Costa Rica 2012 den ersten Platz, gefolgt von Vietnam. Deutschland findet sich auf dem 46 Platz und die Vereinigten Staaten stehen in dieser Liste auf Platz 105, noch hinter einigen Entwicklungsländern.

Das Wirtschaftsmodell, das mit dem BruttoNationalGlücksFaktor bestimmt wird, geht meiner Meinung nach absolut in die richtige Richtung, denn es versucht dem Fetisch des Wachstums im Kapitalismus ein ganzheitliches Modell für persönliches Glück im Einklag mit einem sinnvollen ökologischen Fußabdruck entgegenzusetzen. Wer dieses Modell wirklich ernst nimmt hat alle Aspekte, die eine glückliche Gesellschaft auf einem glücklichen Planeten ausmachen, mit berücksichtigt.

Jeder Versuch, für ein derartiges Wirtschaftsmodell ein Bewußtsein zu schaffen und damit auch immer die Zusammenhänge zu untersuchen und auszuzeigen, muß erstmal gelobt werden, deshalb empfinde ich es als einen mutigen Schritt der Gemeinde Schömberg, gleich hier bei uns in der Nähe, also im Nordschwarzwald, sich zur Glücksgemeinde zu erklären.

Warum Marx doch nicht tot ist!

Was kann ein „Schöpfer“ dafür, wenn die Menschen zu dämlich sind, seine Grundideen vernünftig umzusetzen, so hat es schon mit Nietzsches Übermenschen nicht geklappt, den Alten abzusetzen bzw. ihn gleich für tot zu erklären und so hat es auch bei Marx nicht geklappt. Erst bringen wir es nicht auf die Reihe seine Ideen im 20. Jahrhundert sinnvoll umzusetzen und dann soll am Schluß auch noch der alte Marx an unserer Unfähigkeit schuld sein.

Gott sei Dank ist es bei den besonders Fähigen in der Geschichte so, man kann Sie – oder sagen wir mal ihre Ideen – halt doch nicht so leicht umbringen, auch wenn man sich noch so doof anstellt bei der Umsetzung brillianter Ideen, die Doofheit springt meistens nicht auf den Schöpfer über oder, wenn die Doofes es gar zu heftig getrieben haben und es so aussieht, als ob der Schöpfer selbst auch mit untergeht, dann! nach einer kleinen Ruhephase kommt die Idee gelassen wieder zurück und schaut, ob es vielleicht inzwischen weniger Doofe gibt, dann beginnt das Spiel von vorne. So kommt es, daß Marx doch noch nicht tot ist, obwohl viele gehofft haben, daß man ihn durch 100 Jahre überwiegenden Schwachsinn endgültig los wäre und das Gespenst, das Marx in Europa mit auf die Reise geschickt hat, ein für alle Mal nicht mehr umgeht.

Ein Genie bleibt ein Genie, könnte man es aufhalten, wäre es niemals eins gewesen – und so ist es auch mit klugen Ideen. Auf lange Sicht kann man sie nicht aufhalten und wenn doch, dann sind es halt keine klugen Ideen gewesen! Binsenweisheiten treffen oft den Nagel auf den Kopf und eine solche Binsenweisheit ist: „Hinter einer klugen Idee steckt immer ein kluger Kopf“

Einer, der sich wirklich ehrlich bemüht hat, dem alten Marx zu seinem Recht zu verhelfen, ist Terry Eagleton. In seinem Buch „Warum Marx Recht hat“, das ich als Einführung in das Thema „Zur Aktualität von Karl Marx“ empfehlen möchte, fragt Eagleton am Ende des Buches leidenschaftlich: „Ist irgendein Philosoph jemals so entstellt worden?“ und wir ahnen es schon, natürlich nicht, aber es haben bisher auch recht wenige Philosophen so gewaltige Dinge in Bewegung gesetzt…

eagleton1

Karl-Marx

Nun! Warum Marx doch nicht tot ist, beantwortet Terry Eagleton anhand von 10 Thesen aus der gegenwärtigen Diskussion, damit versucht der englische Literaturwissenschaftler seine Meinung zu begründen, daß man eigentlich nur mal ideologiefrei auf den historischen Marx schauen müßte, um sofort zu sehen, daß sich alle Kritik eigentlich immer an der ideologisch völlig verzerrten Kunstfigur des 20. Jahrhunderts abarbeitet.

Aus diesem Grund setzt er sich dann flugs – auf sehr unterhaltsame Weise, mit viel englischem Humor – in 10 Kapiteln mit 10 ständig vorgebrachten Thesen gegen Marx auseinander. Diese Thesen lauten wie folgt:

Der Marxismus ist erledigt
Der Marxismus ist in der Praxis nicht umsetzbar
Der Marxismus hat ein deterministisches Weltbild
Der Marxismus ist die Utopie einer arbeitsscheuen Freizeitgesellschaft
Der Marxismus reduziert alles auf die Wirtschaft
Der Marxismus hat keine geistigen Werte und reduziert alles auf reinen Materialismus
Der Marxismus ist auf eine Klassengesellschaft fixiert, die es gar nicht mehr gibt
Der Marxismus propagiert die gewaltsame Revolution
Der Marxismus glaubt an den allmächtigen Staat
Der Marxismus ist von anderen Bewegungen abgelöst worden

Ich verrate nicht zuviel, wenn ich ein wenig aus dem Resümee, das Terry Eagleton am Schluß seines Buches zieht, zitiere:

„Marx glaubte leidenschaftlich an das Individuum und hegte tiefen Argwohn gegen abstrakte Lehren.

Er hatte nichts für die Idee einer vollkommenen Gesellschaft übrig, misstraute dem Gleichheitsbegriff und träumte nicht von einer Zukunft, in der wir alle in Overalls mit unserer Sozialversicherungsnummer auf dem Rücken herumlaufen.

Er hoffte auf Vielfalt, nicht Einförmigkeit.

Auch lehrte er nicht, das die Menschen das hilflose Spielzeug der Geschichte seien.

Er stand dem Staat noch ablehnender gegenüber als rechte Konservative und erwartete vom Sozialismus eine Stärkung und keine Schwächung der Demokratie.

Sein Modell des guten Lebens beruhte auf dem Gedanken des künstlerischen Selbstausdrucks.

Er glaubte, daß einige Revolutionen friedlich verlaufen könnten und hatte nichts gegen soziale Reformen.

Weder war er einseitig auf die Arbeiterklasse fixiert, noch war sein Gesellschaftsbild von zwei polarisierten Klassen bestimmt.

Er machte keinen Fetisch aus der materiellen Produktion. Ganz im Gegenteil, er glaubte, sie sollte so weit wie möglich beseitigt werden.

Sein Ideal war Muße, nicht Arbeit.

Wenn er seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Wirtschaft richtete, dann, um ihre Macht über die Menschheit zu verringern.

Seinen Materialismus vermochte er durchaus mit tiefen moralischen und geistigen Überzeugungen zu vereinbaren.

Er war voll des Lobes für die Mittelklasse und sah den Sozialismus als Erben ihrer großen Errungenschaften: Freiheit, Bürgerrechte und materiellen Wohlstand.

Mit seinen Anschauungen über Natur und Umwelt war er seiner Zeit in vielen Punkten erstaunlich weit voraus.

Nie hat es einen entschiedeneren Befürworter von Frauenemanzipation, Weltfrieden, Kampf gegen Faschismus und für Befreiung der Kolonialvölker gegeben als die politische Bewegung, die durch sein Werk ins Leben gerufen wurde.“ (a.a.O. Seite 271/272)

Selbst wenn man in der Bewertung des Lebenswerks von Karl Marx ganz anderer Meinung sein sollte als Terry Eagleton, macht es Sinn, in Anbetracht dieser Sichweise sich nochmals mit diesem Denker auseinandersetzen, denn er war im positivsten Sinne ein Revolutionär und wenn wir auf diesem Planeten noch was reißen wollen, dann brauchen wir vor allem Leute, die nicht nach dem Motto leben: „Weiter so“. An die Wurzeln der Probleme zu gehen ist die einzige Chance nachhaltig etwas für den Patienten zu tun, alles andere ist nur Symptom-Doktorei und hilft dem Unternehmen “MENSCH & PLANET” langfristig nicht weiter!

csm_9783550088568_cover_b65974382c

Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy. Auf Deutsch ist von Ihm zuletzt erschienen:
Warum Marx recht hat
Hardcover, 288 Seiten
Ullstein-Verlag
ISBN-13:  9783550088568

Lebens-Spiralen

Informationsfelder sind bestimmt und bestimmen Rhythmus und Proportion, den zeitlichen und den statischen Aspekt von Strukturen, Analogien und Ähnlichkeiten (5/8 ist eine Proportion, also der statische Aspekt, aber 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13 ist ein Rhythmus, also ein zeitlicher Aspekt). Täuschen wir uns nicht, alles was uns und uns als Teil der Natur bestimmt, sind Strukturen und Ähnlichkeiten, durch die Strukturen wirken und die Strukturen würden nicht wirken, wenn sie nicht von Ähnlichkeiten bestimmt sind.

Fibonacci

Fraktale Geometrie ist keine mathematische Erfindung, sondern eine Entdeckung wie Universum und Natur funktionieren, eine Spiralgalaxie und eine Nautilus Schnecke entsprechen nicht zufällig in Proportion und Rhythmus einander, alles ist mit allem verbunden und so sollten wir auch immer bedenken, daß bei allem, was wir tun, eben alles mit allem verbunden ist.

Alles, Gesellschaft, Kultur, Ökonomie, Politik ist von Strukturen bestimmt und diese sind wieder von grundsätzlicheren Strukturen bestimmt, ob wir z.B. ein Haus oder den Kapitalismus lieben oder ablehnen, ist von Strukturen bestimmt, die wir auf einer ganz unterschwelligen, aber sehr wirkungsmächtigen Ebene wahrnehmen.

Egal wie entfremdet die Menschen von der Natur und Ihren Wurzeln sind, sie werden immer von Rhythmus und Proportion bestimmt, das bedeutet aber auch, daß die Zahl Phi (1,6181…..) eine revolutionäre Sprengkraft hat, ganz egal, ob wir das bewußt akzeptieren oder nicht, genau deshalb, weil diese Zahl, oder besser dieses Zahlenverhältnis eine Art von Erdung darstellen, ohne die keine Energie fließen kann und keine Veränderung stattfindet.

Wenn sich Börsenzocker z.B. wundern, daß sich Aktienverläufe nach Fibonacci-Reihen verhalten, und dies dann schon euphorisch als Fibonacci-Trading bezeichnen, weil sie glauben ein Geheimnis erkannt zu haben, um schnell Millionen zu scheffeln, dann haben sie nur einen ganz kleinen, ja winzigen Zipfel von dem erkannt, was das Universum im Innersten zusammenhält und sich bei genauer Sicht überall zeigt aber sich eben auch genausso schnell wieder verflüchtigt, wenn man nicht das Ganze im Auge behält.

Und was das Faszinierende ist, je größer die Dimensionen, je genauer der Wert, d.h. je mehr wir z.B. in der Reihe der Fibonacci-Zahlen voranschreiten und dann jeweils den Quotienten zweier aufeinanderfolgender Zahlen bilden, je stärker nähern wir uns der Zahl Phi 1,6181…. an und das gilt über all im Universum und erst recht auf diesem Planeten.

Ja was Leonardo Fibonacci im Jahre 1202 eigentlich nur für Kaninchen-Populationen berechnen wollte, gilt grundsätzlich im ganzen Universum, den goldenen Schnitt finden wir überall, das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Zahlen der Fibonacci-Folge strebt gegen den Goldenen Schnitt, nähert sich der Zahl Phi (1,6181…. ) alternierend an.

Laßt uns mehr über Strukturen und Ähnlichkeiten nachdenken – anstatt zur HB zu greifen – denn dann geht alles wie von selbst…

Mönch und Krieger

moench_und_kriegerNach der Lektüren von Konstantin Weckers neuem Buch ist mir wieder klargeworden, daß er wahrscheinlich einer der ganz wenigen ist, der mein Lebensmotto voll ausgelebt hat: „Täglich den Widerspruch gestalten!“

Den Leuten einfach mal eine freche These vor den Latz zu knallen! Das gefällt mir! Endlich mal nicht nur medienkonforme Weichgespültheit. Provokation ist doch auch der Ausdruck eines gefühlsmäßig verankerten Engagements, eines tiefen Gefühls von Gerechtigkeit und Liebe für die Welt.
Herr Wecker warum treten Sie denn oft so aggressiv auf? Man hat sich all zu gerne an die Leisen und Sampften gewöhnt, die lassen sich besser wegdrücken – vor allem in den Medien – aber wo steht geschrieben, daß der Habitus des bajuwarischen Polterns nur Franz Josef Strauß und der CSU vorbehalten wäre, man kann ihn durchaus auch mal für menschenfreundliche Themen einsetzen und nicht nur fürs Geschäft (ich gebe zu, das war polemisch).

Aber trotzdem – schließlich und endlich – kommt das Wort Aggression ja aus dem Lateinischen und leitet sich von dem Wort aggredere ab. Das bedeutet unter anderem „voranschreiten“ und an die Dinge „nahe herangehen“, also jemand der aggressiv ist, ist jemand, der sich nicht in der falschen, verwalteten Welt behaglich einrichten möchte, ohne rechts und links zu sehen, sondern der Veränderung möchte, der eben voranschreiten will und der nahe an die Dinge herangeht, um die Zusammenhänge besser zu verstehen, die er verändern will.
In manchen Schulen des Zen-Buddhismus, dem man ja nun wirklich keine militanten Ziele unterschieben kann, wir das Anbrüllen ja auch als Lehrmethode benutzt, um auf Zusammenhänge nachhaltiger aufmerksam zu machen. Auch das tibetische Streitgespräch lebt nicht nur von inhaltlichen Aspekten des Dharma, sondern auch vom Abbau innerer Gewalt durch brüllen.

Seit dem ich jedenfalls Weckers Buch „Mönch und Krieger“ gelesen habe, weiß ich endlich viel genauer, warum mir die Person Konstantin Wecker immer gefallen hat.

Da man in diesem Buch ganz grundsätzlich so viel lernen kann (auch weil es voll von wunderbaren Mantras ist!), wollte ich in meinem Blog nicht einfach nur für das Buch Werbung machen, sondern auch ein paar meiner Gedanken, die mir beim Lesen des Buch eingefallen sind, hier aufschreiben.

Wecker hat beim Vorstellen seines Buches Es geht ums Tun und nicht ums Siegen: Engagement zwischen Wut und Zärtlichkeit“, das er zusammen mit Bernard Glassman geschrieben hast, gesagt: „Ich würde mir einfach wünschen, das Spiritualität und politisches Engagement viel mehr zusammenkommen“. Diesem Wunsch ist mein Blog – der unter dem Motto steht: „Täglich den Widerspruch gestalten“ – auch sehr stark verpflichtet, deshalb habe ich mir auch das provozierende Konzept „bumap2.3“ ausgedacht, vor allem weil ich Schubladendenken und Ignoranz für ganz wesentliche Übel und Hemmnisse von uns allen halte.

Das Kapitel „Revolution beginnt innen“ hätte ich auch zum Grundlagentext meines Blogs nehmen können, wenn ich es vor einem Jahr schon gekannt hätte, im Grunde würde ich hier am liebsten das ganze Kapitel zitieren, was ich natürlich aus Urheberrechtsgründen nicht machen will, aber ich hoffe, daß es mir niemand übel nimmt, wenn ich wenigstens ein paar mir besonders wichtige Stellen daraus zitiere:

„wir brauchen keine Reformen, sondern eine Revolution […] Die Revolution beginnt mit einem Umstrukturieren nicht nur des eigenen, sondern auch des gesellschaftlichen Denkens. […] sie sollte beginnen mit einem Zusammenwachsen einer neuen Spiritualität mit einer engagierten sozialen Politik. […] Spiritualität […] eröffnet […] die Chance, sich selbstständig zu revolutionieren, sein eigenes Denken permanent zu hinterfragen, beziehungsweise es durch Stille und Schweigen erst zu entdecken. Das bedeutet auch, sich der Betriebsamkeit zu widersetzen, die uns mitreißt und mit der wir uns abzulenken versuchen. […]

Wir stehen unmittelbar vor dem Abgrund, und es ist schon lächerlich, stolz darauf zu sein, daß die Menschheit ein paar Raketen ins All geschickt hat, während sie gleichzeitig dabei ist, ihren Heimatplaneten zu zerstören. […] Mit einem Bruchteil der für Waffen ausgegebenen Gelder könnten alle satt werden. […]

Ich glaube nicht an Gewalt, und ich begrüße es, daß die überwältigende Mehrheit der auch jungen Mitstreiter in den verschiedenen modernen Protestbewegungen friedlich bleibt. […]

Zur Demokratie gehört der Ungehorsam. […] Damit wir unsere demokratischen und sozialen Errungenschaften erhalten können, müssen wir ungehorsam sein […]

Ich bin für eine Revolution, aber zunächst für eine Revolution des Geistes. Es muß eine Revolution sein, die anders ist als all jene, die wir in den  letzten Jahrhunderten erlebt haben. Man kann nicht mit einer kriegerischen Revolution ein friedliches Zeitalter einläuten. Es muß  eine Revolution sein, die nicht in Gleichschaltung und Kollektivismus ausartet, sondern eine Revolution der Einzelnen, in der jeder jedem auch seinen spezifischen Wahnsinn läßt. […] Das Einzige, was wir schon jetzt tun können und müssen, ist Arbeit auf den Gebieten des Geistes, der Kultur und der Bildung leisten. […]

Humanitäres Engagement ist für mich eine Brücke zwischen gesellschaftlichem Engagement und Spiritualität. Das konkrete tätige Mitgefühl ist quasi die Schnittstelle aus beiden Welten. […] Genügt es, den Armen Brot zu geben oder muß man das System angreifen. […] Meine Antwort ist: beides. Ich mißtraue allen Ideologen, die humanitäres Handeln ausschließlich unter dem Gesichtspunkt sehen, daß dadurch ‚das System‘ stabilisiert wird. […]

Ich will mir das Wort ‚Revolution‘, ebenso wie das Wort ‚Pazifismus‘, nicht mit Blick auf den Mißbrauch dieses Begriffs rauben lassen. […] Revolution bedeutet, in der Lage zu sein, sich selbst und sein Leben immer wieder umzuwälzen. Auf dieser Basis kann und soll dann längerfristig auch die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse erfolgen.“ (siehe Seite 168 – 179)  So weit mal Kontantin Weckers wunderbarer Text.

An dieses Kapitel schließen sich Überlegungen zum Utopiebegriff an. Hier schließt sich für mich ein wichtiger Kreis. In der Tat bin ich auch der Meinung, das Utopie etwas Geistiges in der ansonsten verdinglichten Welt repräsentiert. Was uns  als Linke an dieser Thematik immer so zu schaffen macht, ist die orthodoxe Lehre vom Materialismus, die man immer im Hinterkopf hat, und die ja allen gesellschaftlichen Prozessen zugrunde liegen soll.

Ich bin der Meinung, daß im falschen Materiebegriff, der grundsätzlich hinter einer materialistischen Philosophie steckt, das Zentrum des Problems liegt. Würden wir unseren Materiebegriff stärker einer postmodernen, quantenphysikalischen Sicht öffnen, könnten wir viel eher verstehen, daß Materie kein Antipode zur Utopie ist, sondern die Utopie gerade im Zentrum der Materie zu finden ist. Materie, die ja letztlich wohl nichts als geronnene Quanteninformation oder wie Hans-Peter Dürr sagt, gefrorenes Licht ist, hat eine durch und durch utopische Wurzel, die kommt aber erst zum Vorschein (siehe dazu auch Blochs Vorstellung vom utopischen Vorschein), wenn niemand hinsieht, also wenn sie nicht wechselwirkt. Solange Quanten im Zustand der Superposition sind, also quasi im utopischen Meer der Möglichkeiten, sind sie an keinem festen Ort auszumachen, erst wenn wir sie beobachten, packen wir sie in eine bestimmbare Schublade bzw. schießen wir sie fein säuberlich getrennt durch den vorgeschriebenen Doppelspalt.

Man könnte also sagen: Materie ist geronnene Utopie, die immer da ist, weil sie die Wurzel von Allem, also auch von Leben ist. Nach dem Grundgesetz der Ähnlichkeiten sind alle unsere Utopien strukturell dieser einen großen Utopie nachgebildet. Wer also religiös ist, wer sich also rückverbindet zum Urgrund allen Seins, der landet bei dieser utopischen Wurzel des Seins. Mir egal, ob ein knallharter Betonphysiker sofort schreit: „das ist alles metaphysischer Eso-Kitsch“ weil ehrlich gesagt, die Kritik, daß das angeblicher Eso-Kitsch ist, kommt nur durch die poetische Sprachwahl zustande. Soll doch einer mir mal wirklich nachweisen, weshalb Ed Wittens M-Theorie (Stichwort Paralleluniversen) kein Eso-Kitsch ist, bloß weil der seine M-Theorie in eine für kaum jemand verständliche mathematische Form gegossen hat und deshalb eminent wichtig und natürlich sehr wissenschaftlich daher kommt.

Was mir jedoch an Konstantin Weckers Buch, beim Stichwort Parallel-Universen super gut gefallen hat, daß es diese Idee der Parallel-Universen mit den verschiedenen Facetten eines Menschen verglichen hat (siehe Seite 186), mir geht es nämlich schon ziemlich lange auf den Kecks, daß ganz viele Menschen dazu neigen, verschiedene Aspekte eines Menschen immer zu einer sogenannten Gesamtpersönlichkeit zu verrechnen, als ob man verschiedene Charakterzüge – wahrscheinlich ob man sie persönlich gut oder schlecht findet – mathematisch bewerten und sie dann summieren und subtrahieren könnte.
Da fühl ich mich immer sofort an den fantastischen Film „Per Anhalter durch die Galaxis“ (nach dem super Buch von Douglas Adams) erinnert und da natürlich an die Episode auf dem Planeten Magrathea, wo „Deep Thought “ der größte aller Computer, bevor es die  Erde gab, auf die Frage: „Was ist der Sinn des Lebens“, nach sieben Millionen Jahren Rechenzeit die Antwort gibt 42. Genau so kommt es mir vor wenn Menschen Facetten von anderen Menschen solange mit einander verrechnen, bis die Gesamtpersönlichkeit 38 herauskommt, anstatt wie es viel sinnvoller wäre, zunächst mal unbewertet die verschiedenen Aspekte nebeneinander stehen zu lassen um sich dann vielleicht im Detail damit auseinanderzusetzen oder sie eben gar nicht weiter bewerten. Diese Haltung ist völlig unabhängig davon, daß man sich gegen Personen mit menschenverachtenden Handlungsweisen zur Wehr setzen muß, auch wenn das immer gerne mit dem Verrechnen in einen Topf geworfen wird, dann heißt es immer, aber letztlich, aber letztlich ist nicht nur der Nazi „Schindler“, aber letztlich ist auch „Schindlers Liste“…

Das Zitat von Emile M. Cioran „Geschwätz ist jede Konversation mit einem, der nicht gelitten hat.“ aus dem Buch „Die verfehlte Schöpfung“, das Wecker auf Seite 193 zitiert, lenkt meine Gedanken noch mal auf das Thema Leid. In den Übersetzungen buddhistischer Texte wird das Wort „Leid“ ja relativ häufig verwendet, daß liegt natürlich vor allem an den „4 edlen Wahrheiten“ des Buddha, in denen es um den Pali-Begriff „dukkha“ geht, der zumeist mit „Leid“ übersetzt wird. Ich bevorzuge jedoch eher die Übersetzungsvariante „Angst“, weil sie meiner Meinung nach viel stärker den existentiellen Aspekt der Lebens-  und Todes-Angst betont und damit viel universaler alle fühlenden Wesen betrifft. In den 4 Wahrheiten geht es meiner Meinung nach eher um die Angst, ihre Ursachen, ihr Aufhören und den Schulungsweg, damit die Angst aufhört.

Es geht aber natürlich vor allem um die Freiheit, so wie sie Weckers Willy ausdrückt : „Freiheit, des hoaßt koa Angst hab’n vor nix und neamands“ (S.206)

Ich habe nicht selten Menschen getroffen, die das „Leid“ aus abendländischer Sicht völlig falsch als Funktion verstanden haben, sozusagen als Mittel zum Zweck, so nach dem Motto, nur wer viel Leid empfindet und erlebt hat, kann auch ein guter Buddhist werden. Nichts könnte dem Anliegen Buddhas ferner liegen, Angst, wie ich also lieber sage, ist ein Grundexistential, unter dem jeder Mensch steht und von dem er sich befreien kann, z.B. durch den buddhistischen Schulungsweg des achtfachen Pfads, im Detail gibt es natürlich so viele Wege, wie es Menschen gibt. Da Wecker ja auch noch das C.G. Jung Zitat bringt: „Ein kräftiges Leid erspart oft zehn Jahre Meditation“ wird der Eindruck, daß Leid sei Mittel zum Zweck leider noch etwas verstärkt, obwohl ich sicher bin, daß weder Konstantin Wecker noch C.G. Jung das so gemeint haben.

Das universale Mitgefühl, um das es Wecker ja in seinem Buch sehr stark geht, sollte sich auch ohne viel eigenes Leid entwickeln können. Leute, die mit viel Geld gesegnet sind, die Puppen tanzen lassen und feiern das die Schwarte kracht, werden sicher nicht das Gefühl haben, daß sie viel Leid in Ihrem Leben zu ertragen haben, und das Elend, daß sie bei einem Einkaufsbummel zwischen Granit- und Glasfassaden in Form eines obdachlosen Bettlers erleben, haben sie längst psychisch maskiert und als unvermeidlichen Zustand dieser Welt abgespalten.

Jetzt ist es ja nicht unbedingt sinnvoll, bei  einem derartigen YOLO-Typ zu warten, bis er einen schweren Autounfall mit seinem 911er hat oder sein ihm liebster Mensch stirbt, aber niemand kann soviel Partymachen, daß er nicht doch ab und an mit verschiedenen Spielarten seiner Lebensangst konfrontiert ist, an diesem Punkt kann, wenn er auf die richtigen Menschen trifft, doch plötzlich sich das maskierte Mitgefühl demaskieren. Das heißt nicht, daß er dann hinter her keine Party mehr macht, aber es wird sich etwas verändert haben, ein Same wird ganz langsam mit dem Aufgehen beginnen und schon am nächsten Samstag wird er vielleicht nicht mehr arrogant am Obdachlosen vorbeischlendern, sondern ihm zusammen mit einem guten Wort einen Euro in den Hut werfen. Ich hör da schon wieder etliche schreien: „Alles sozialromantischer Scheiß, dem fetten YOLO-Schwein gleich eins in die Fresse, was anderes versteht der doch nicht.“ Auch da schließt sich dann auch wieder der Kreis.

Ein anderer Aspekt kommt noch hinzu: Gerade bei dem Thema „Depressionen“, kommt man gar nicht weiter, wenn man darauf warten will, bis jemand durch eigene Depressionen Verständnis für einen durch und durch depressiven Menschen hat, bis dieser Glücksfall mal eintritt, ist der Depressive schon vom Dach gesprungen, also da bedarf es doch eines ganz tiefen, gelehrten Mitgefühls und der Empathie von Menschen, die selbst nichts ähnliches erlebt haben und die trotzdem nicht einem derart armen Menschen durch die Blume das Gefühl vermitteln, „stell Dich nicht so an, geh einfach mal kalt duschen“, wie es Wecker wunderbar beschrieben hat und das möchte ich noch hinzufügen, nicht wenige Depressive, die ja ständig auf solche Menschen stoßen, sind deshalb schon vom Dach gesprungen (pars pro toto natürlich).

Noch ein Beispiel, bei dem ich Mühe habe, die eigene Erfahrung zur Vorbedingung zu machen: Es ist – glaub ich – jedem klar,  daß ein Mensch, der die Grauen des letzten Weltkriegs noch mitgemacht hat und seit dem, also seit nunmehr 70 Jahren jede Nacht davon träumt, mit aller Kraft und aller Furchtlosigkeit, z.B. gegenüber Neonazis, auf die Straße gehen kann, und dafür auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrungen streiten kann, daß es Nie wieder Krieg gegen soll. Aber! Es gibt doch auch jede Menge Menschen, die ein behütetes, materiell auskömmliches Leben, mit Strom aus der Steckdose und Geld vom Automaten geführt haben, auch die sollten sich ja – wenn möglich – einreihen und dafür ’streiten‘, daß es Nie wieder Krieg gibt, die kann man ja nicht als Vorbedingung erstmal in einen der vielen Kriege, die immer irgendwo auf dem Planeten geführt werden, schicken und sagen: Sammle mal erst Erfahrungen mit dem Krieg, dann wirst Du dich besser dafür einsetzen können, daß es Nie wieder Krieg gibt. Das würde zwar funktionieren, wäre aber wohl am Ziel vorbeigeschossen.

Es ist doch eigentlich die Aufgabe eines Künstlers, in welcher Kunstsparte auch immer, natürlich funktioniert’s bei Lieder besonders gut, die Menschen nicht nur zu unterhalten und ihnen fröhliche Stunden zu schenken, sondern auch, sie nachdenklich zu machen, sie aufzurütteln damit sie sich engagieren, ihnen Mut zu machen, sich darin zu vertrauen aus kleinen Erfahrungen auf große Zusammenhänge zu schließen, so daß dann wirklich aus dem alltäglichen Krieg mit sich, der Familie und Kollegen, die großen Zusammenhänge sichtbar werden.

Ja Konstantin Wecker hat recht: „Es ist an der Zeit, die Wahrheiten zu integrieren. Es ist an der Zeit, die Kriege zu beenden – die in unseren Herzen, in unseren Köpfen und die auf den Schlachtfeldern. All diese Kriege sind in Wirklichkeit ein einziger großer Krieg in uns selbst, entstanden aus der Angst, seine Vorstellung von sich und der Welt zur Verwandlung freizugeben.“ (siehe Seite 195)

Es ist wirklich wahr, diese Unversöhnlichkeit der verschiedenen Lager, wie er sie ab Seite 197 beschreibt, stelle ich auch seit Jahren immer wieder fest, wer sich politisch links verortet, lehnt jede Art von Diskussion über spirituelle Dinge brüsk ab, bei mehr an spirituellen Dingen Interessierten, herrscht bei politischen Themen totales Desinteresse und der Dalai Lama, der sich ja häufig auch ganz konkret zu politischen Themen äußert und sich sehr dafür einsetzt (ähnlich wie Küng es mit seinem Weltethos-Projekt getan hat) ethische Werte ohne einen religiösen/kirchlichen Hintergrund in den Gesellschaften zu integrieren, hat sich bei Deutschlands Linken sowieso total unbeliebt gemacht, weil man ihn zusammen mit Roland Koch gesehen hat und der dann auch noch behauptet hat, der Freund des Dalai Lamas zu sein. Die Häme, die in den Medien über den Dalai Lama ausgeschüttet wird, weil der ja angeblich mit jedem befreundet ist, ist doch sehr entlarvend, umgekehrt wird doch gerade ein Schuh daraus, was ist daran so schlimm mit allen Menschen befreundet zu sein, Freunde schießen nicht aufeinander. Aber klar das Verrechnen und die alltägliche Ignoranz sind immer am Werk.

Was ist tätige, alltägliche Ignoranz! Wecker erwähnt in seinem Buch häufig Eugen Drewermann, dessen Bücher ich ebenfalls sehr schätze, nun, tätige Ignoranz ist für mich, wenn jemand, der keine einzige Zeile von diesem Menschen gelesen hat, geschweige denn darüber nachgedacht hat, wenn der sagt: „Drewermann? Wer ist das denn? Ach ja, das ist doch der mit der Strickjacke und der weinerlichen Stimme, den kam man doch sowieso nicht erst nehmen.“

Aber das haben die großen Denker, die auch nur Kinder ihrer Zeit waren, leider auch getan und wir tun es leider alle auch immer wieder. Ernst Bloch, den ich wirklich sehr schätze, hat z.B. von Rudolf Steiner immer nur sehr abfällig vom „lunatischen Steiner“ und in der Tat vom reaktionären Jung gesprochen, da war er halt voll auf der damals gültigen, marxistischen Linie, in anderen Fällen hat er wieder sehr positiv über Walter Benjamins „Aura-Theorie“ gesprochen, eine Theorie, die für Sheldrakes „morphische Felder“ sehr fruchtbar gemacht werden kann, also die ihrer Zeit weit voraus war. Sheldrake hat wiederum behauptet, seine morphischen Felder, die sehr stark wandlungsfähig seien, hätten nichts mit C.G. Jungs statischem, kollektiven Unbewußten zu tun. Und so  geht’s halt immer munter weiter, soll man das denn jetzt alles miteinander verrechnen und am Schluß kommen die einen ins gute Töpfchen und die anderen ins schlechte Töpfchen, und dann Deckel drauf und fertig.

Ein gutes Buch setzt immer viele Dinge im Leser in gang, ich merke, mein Beitrag wird immer länger und länger, vielleicht sollte ich jetzt doch mal so langsam zu Schluß kommen, aber eh ich das tue, möchte ich doch noch mal in Weckers Buch etwas zurückgehen, er zitiert auf Seite 73: „Die wahren Abenteuer sind im Kopf (und sind sie nicht im Kopf dann sind sie nirgendwo) wie ich das André Heller Zitat noch ergänzen möchte. Dann schreibt er weiter „Ich habe meine Abenteuer immer ganz körperlich und real zu erleben versucht,“

Mir ist schon klar, was er damit meint, wenn er das kalte, analytische Zerlegen von Erlebnissen dem prallen, unmittelbaren Lebensgenuß, also dem körperlichen, realen Leben kontrastierst, das einfach auch mal die Ratio ausschalten will. Ich möchte aber doch mal zu bedenken geben, daß das auch nur wieder einer dieser miesen Tricks ist, die sich der Neocortex über Jahrtausende ausgedacht hat und unser Bewußtsein damit an der Nase herumführt und ihm suggeriert, wir würden quasi etwas ganz direkt ohne den Umweg des Verstandes erleben können.

In Wirklichkeit – also sagen wir mal genauer aus neurowissenschaftlicher Sicht – drängt sich unser Neocortex überall dazwischen, macht und tut, bewertet ohne Ende, vergleicht, berücksichtigt gesellschaftlich antrainierte Erlebnisschranken und Verhaltensweisen und am Schluß kommt das ganze abenteuerliche Erlebnis ganz spontan und unbewertet rüber. Ja mit dem Neocortex ist es ein bisschen so, wie mit dem Kapitalismus, Du glaubst, Du hast jetzt mal wirklich was ganz Antikapitalistisches gemacht und hast dich seiner universalen Kapitalverwertungsgier entschlagen, schon hängt er sich wieder dazwischen und kommt grinsend um die Ecke.

Naja wie wir ja alle aus Konstantin Weckers Liedern schon wissen: „Genießen war noch nie ein leichtes Spiel“, denn leider wird eine Erfahrung erst durch unsere neuronale Verarbeitung zur Genußerfahrung. Nur durch diese Zwischenverarbeitung können sich zwischen die Erfahrung und unsere Genußerfahrung so viele Hemmnisse dazwischen schieben, alle möglichen gesellschaftlichen Doktrin, die uns daran hindern wollen, eine Erfahrung mit vielen positiv besetzen Gefühlsmarkern als Genußerfahrung in unseren Speichern abzulegen.

Also ein Abenteuer wahrhaft als Abenteuer in den Kopf zu bekommen – und das Abenteuer Leben ist ja wohl wirklich ein Abenteuer – ist kein leichtes Spiel, noch dazu, wenn man bedenkt, daß durch die ständige Reizüberflutung der Neocortex sowieso immer öfter die Schotten dicht macht. Kein Wunder, daß es jede Menge Leute gibt, die ständig zu Abenteuerreisen rund um den Globus unterwegs sind und die hinterher mit einem leeren Kopf an Erinnerungen und Abenteuern zurückkommen. Gottseidank gibt es aber auch Ameisenforscher, die  tagelang geduldig einem Ameisenstaat dabei zusehen können, wie die Ameisen jede Menge Abenteuer bestehen und die nach ihrer Forschungsexpedition mit jeder Menge an Abenteuern im Kopf zurückkommen.

Ich würde sagen, auch wenn das Genießen kein leichtes Spiel ist, versuchen wir so viel wie möglich davon in unseren Kopf zu bekommen und wie Wecker selbst ja auf Seite 155 beschreibt, sind die Abschrankungen, die durch z.B. eine linke Ideologie entstehen, auch nicht so leicht zu überwinden, es ist also eine subversive, revolutionäre Tat manche Genußerfahrungen wirklich in den Kopf zu bekommen, wenn man von allen Seiten nur hört, daß man sich doch diesen Kitsch schenken solle, weil Genuß doch konterrevolutionär ist.

Weil mir das Thema Mitgefühl so wichtig ist, möchte ich auch auf diesen Aspekt nochmal aus einem anderen Blickwinkel zurückkommen.
Natürlich tabuisieren wir viele Bereiche, die uns Schmerzen zufügen könnten, wenn wir uns mit ihnen auseinandersetzen würden. Wenn wir keine Gefühle aufkommen lassen, brauchen wir auch kein Mitgefühl zu üben, weder mit uns noch mit anderen. Wir haben eben Angst vor jeder Art von Materie, die uns bedroht und nur wenn wir Materie als festumbauten Raum begreifen, den wir handhaben und in eine Schublade stecken können, dann beruhigen wir damit unsere Angstgefühle. Dieser Umstand ist sicher einer der tieferen Gründe, warum wir uns nach über 80 Jahren Quantenphysik immer noch so schwer mit diesem unbestimmten Denken und dem Materiebegriff als geronnener Quanteninformation, tun. Wenn mehr Menschen den Denkansatz Hans-Peter Dürrs (den Wecker ja auch öfters zitiert) nachvollziehen würden, der konsequenterweise nicht mehr von Teilchen sondern von „Wirks“ spricht und dies unserer „Apfelpflücksprache“ kontrastiert, könnte sich auch viel ändern und unsere ständige Angst vor der sich ständig wandelnden Materie und vor der Veränderung allgemein würde eine andere werden.

Mitgefühl mit allen fühlenden, lebendigen Wesen, wie es im Buddhismus praktiziert wird, geht weit über das Mitleid, daß immer ein Herrschaftsgefälle mit einschließt, hinaus und wahres Mitgefühl setzt voraus, daß man die Angst vor sich selbst, die man  immer mit einem übergroßen Ego und tausenderlei schillernden Bildern von sich selbst überschminkt hat, überwindet. Auch deshalb gefällt mir Konstantin Weckers Buch so gut, denn es bebildert (z.B.  ab Seite 109ff) auf wunderbare Weise das, was Buddhisten meinen, wenn sie sagen: „drop your ego, befreie dich von deinem übergroßen Ego und den illusionären Bildern, die du von dir hast, werde einfach der du bist …“

Ich empfinde Weckers Buch als sehr mutig und ermutigend, weil er sich ganz offen dem Gelächter der sogenannten knallharten Realisten aussetzt, die vieles von dem, was er erzählt in der Tat als „Banalen Quatsch!“ (Seite 113) bezeichnen würden, wenn sie es denn läsen. Dazu kann ich nur sagen, aus Lebens- wie aus Leseerfahrung heraus: An Stellen, an denen am meisten geschimpft und polemisch vernichtend kritisiert wird, liegt meistens der Hund begraben. Ich erinnere nur mal an Freuds Bollwerk gegen die „schwarze Schlammflut des Okkultismus“, das er gerne mit C.G. Jung aufbauen wollte, wenn der ihm nicht an dieser Stelle die Gefolgschaft versagt hätte.

Darüber hinaus hat das Spirituelle für den Kapitalismus auch immer den „unangenehmen“ Nebeneffekt, daß man einfach nicht mehr so viel konsumieren muß, wenn man sich erstmal der Leere, die man mit Konsum zuschütten wollte, also wenn man sich der Hohlheit des vielen Konsums bewußt geworden ist. Das passiert meistens, wenn man nach echten Sinnkategorien des Lebens fragt und dann ist man halt sehr schnell bei  spirituellen Themen und wenn diese Themen um sich greifen würden, oh je was wäre dann mit unserem Wirtschaftswachstum. Deshalb sollte man das Spirituelle schon aus wirtschaftlichen Gründen total ablehnen, schließlich geht’s doch um Arbeitsplätze. Aber Gott sei Dank geht’s ja dann doch nicht um Arbeitsplätze sondern um Profit und der Kapitalismus wäre nicht der Kapitalismus, wenn er nicht auch da Abhilfe schaffen könnte, der Eso-Markt ist ja inzwischen ein millionenschwerer Business geworden und da kommt es dann auch nicht mehr darauf an, wieviel Schaden man hilfs- und mitgefühlbedürftigen Menschen zufügt, da darf mal halt nicht so zimperlich sein, dazu ist man doch Realist genug.
Auch dafür danke ich Konstantin Wecker, daß er in seinem Buch hier eine klare Differenzierung vornimmst und weiter hinten auch mal ordentlich den Eso-Markt – natürlich mit Worten – abwatschst.

Ich danke auch dafür, daß er den wunderbaren Friedrich Weinreb in seinem Buch zitiert, ihm sozusagen einen Kieselstein auf seinen Grabstein legst. Nachdem 2010 Christian Schneider, der Herausgeber der Schriften Weinrebs ebenfalls verstorben ist, steht zu befürchten, daß Friedrich Weinreb – wie der Chassidismus insgesamt – fast dem vollständigen Vergessen anheim fallen wird.

Danke auch für die Ausführungen zum Thema „Memento mori“, zur Hospizbewegung und vor allem auch danke für die Überlegungen zum Thema „nutze den Tag, als wenns dein letzter ist“. Ich finde, es ist wirklich wichtig, mal ein paar Dinge, die den „Carpe diem Terror“ (so wie ich ihn inzwischen nenne) betreffen, in ein anderes Licht zu rücken. Viele Leute haben ja inzwischen Banner über der Tür und Fußmatten vor der Tür, alle im Baumarkt gekauft, auf dem zu lesen steht „carpe diem“ und was viele darunter verstehen, stellt man dann auch gleich fest,  genau das, was Wecker in seinem Buch beschreibt, nämlich täglich 24 Stunden die Sau raus lassen, alles mitnehmen bis die Schwarte kracht, kurz mal zwischendrinn arbeiten gehen und dann gehts aber auch gleich schon wieder los zum „carpe diem bowling“, alle Neune wer bietet mehr.

Das hat ja nun wirklich sehr, sehr wenig damit zu tun, was Buddhisten damit meinen, wenn Sie sagen, man solle jeden Tag so nutzen, als wäre es der letzte, nämlich genau das, was Du schreibst: Mit sich und den Menschen im Reinen zu sein (Seite 124)!

Ich würde sagen, es wäre schön, wenn die auf Äußerlichkeiten programmierten Selbstoptimieren, auch mal ihr Denken etwas optimieren würden, es könnte dies in Anbetracht der echten, inhaltlichen Probleme auf diesem Planeten nichts schaden. Sie könnten ja mal Konstantin Weckers Buch dafür zur Hilfe nehmen.

Als vorläufig letzten Punkt möchte ich aber doch noch etwas zum Thema Karma (ab Seite 100) sagen.

Ich kann gut nachvollziehen, daß Wecker einen dicken Hals bekommt, wenn ein Eso die industrielle Massenvernichtung der Juden durch die Nazis in einen Zusammenhang mit dem Karma-Gedanken bringt, das ist Schwachsinn und hängt viel mehr mit der christlichen Vorstellung des alles sehenden und gerecht strafenden Gottes zu sammen, den er ja auch in seinem Buch so detailreich schildert. Aber! Natürlich kommt jetzt wieder das „aber“, wenn wir die Menschheitsgeschichte nicht als einen langen, ruhigen Fluß begreifen, von dem wir abhängen und dem wir gegenüber verantwortlich sind, sondern dem goldenen YOLO-Kalb huldigen, dann passiert es eben, daß wir nur aus kurzfristigem Profitstreben einfach mal die grüne Lunge dieses Planeten platt machen. Eine hundertjährige Eiche zu Brennholz zerhacken – also bitte – da wäre mir ein bisschen Karmadenken schon recht…

Darüber hinaus, wer echtes, also belastbares, tätiges  Mitgefühl in sein Leben und Handeln integriert hat, der kann gar nicht auf so absurde Argumentationen verfallen, wie Wecker sie in seinem Buch zu Recht negativ zum Thema Karma zitiert hat.
Ich gebe gerne zu, daß der Begriff des Karmas durch ständigen, unsinnigen Gebrauch (ich denke nur an das Buch „Mieses Karma“) zu einem Wort geworden ist, das man eigentlich nicht mehr benutzen sollte, wenn es einem um die Sache geht, die Sache ist aber in der Tat die von Ursache und Wirkung! und hat erstmal gar nichts mit moralinsaurem Geschwätz am Hut.

Was mir an buddhistischem Denken so gut gefällt und an dem Gedanken des universalen Mitgefühls, ist, das Buddhisten durch achtsame Bewußtseinserforschung in der Lage sind jedem schnellen Bewerten mit erhobenem moralischen Zeigefinger zu entgehen.

Wie Wecker ja auch in seinem Buch referiert, bestimmt sich für Buddhisten der Wert eines Lebens durch die eigenen Handlungen und nicht durch die  moralisch astreine Kritik von anderen und so heißt Karma für mich zum einen Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen, in meinem Handeln, so gut es mir halt möglich ist, alles zu vermeiden, was fühlenden Wesen nicht nur in der Gegenwart sondern auch in der Zukunft Leid zuführen kann. Beispiel: Dringend notwendige Lebensmittel (alle 5 Sekunden verhungert ein Kind unter 10 Jahren auf diesem reichen Planeten) in Agrartreibstoffe zu verwandeln und dabei ein gutes Gefühl zu haben, „Biodiesel“ zu fahren, ist mit dem Gedanken des Karmas – Ursache und Wirkung – nicht vereinbar. Wer den Gedanken des Karmas beherzigt, dem geht’s einfach nicht am A. vorbei, daß kommende Generationen keine Lebensgrundlage mehr haben.

Das Karma-Konzept ist halt einfach kein YOLO-Projekt – das muß man zugeben, aber ehrlich gesagt mit einem Konzept, das davon ausgeht, das man es jeden Tag krach lassen muß, weil schließlich, man lebt ja nur einmal – you only lives once, sind wir genau so weit gekommen, daß es niemanden mehr interessiert, was meine Handlungen heute, mein Macht und Gewinnstreben, mein Raubbau der Resourcen für diesen Planeten und unsere Lebensgrundlagen morgen bedeuten werden. Feiern ist ok – aber bitte mit einem footprint von 1!

So heißt Karma für mich eben auch ständig in Achtsamkeit die Wirkungen, die Konsequenzen meines Handels zu bedenken. Unser Problem auf diesem Planeten ist doch gerade, daß wir uns den Konsequenzen, die aus unserem Handeln erwachsen, nicht mehr stellen wollen, weil wir einerseits unser Handeln – zum Beispiel maximal Geld zu scheffeln – nicht aufgeben möchten, andererseits dieses Handeln inkompatibel ist, mit einem vernünftigen, ressourcenverantworlichen Leben. Die Probleme, die aus unseren Handlungen entstehen, können wir nicht lösen, deshalb spalten wir in unserer Psyche immer mehr Themen ab, über die wir nicht mehr nachdenken und nicht mehr reden wollen oder wir verpacken sie in nette, nachhaltige Eierkartons, die wir dann beim Discounter erwerben – Thema erledigt…

Genau an diesem Problem setzt der Karma-Gedanke an, Ursache und Wirkung. Kleines Beispiel: Weil wir gerne Eier essen, lassen wir zu, daß mit jedem Ei gleichzeitig niedliche, kleine, männliche Küken lebendig geschreddert oder vergast werden (da kennen wir uns ja aus).

Und noch ein wichtiger Punkt fällt mir zum Thema Karma ein: Wenn wir auf diesem Planeten für uns als Menschen noch etwas reißen wollen, dann kann es nur dadurch passieren, daß wir uns für diesen Planeten und unser Überleben auf diesem Planeten sinnvoll weiterentwickeln, darüber schreibt Konstantin Wecker ja im zweiten Teil seines Buches sehr viel, was man nur 100%ig bejahen kann.

Für mich spielt aber bei dem Thema Karma und Weiterentwicklung der Gedanke Rudolf Steiners von der Ewigkeit des Lebenskerns (der zum Urgrund unseres Seins gehört) eine wichtige Rolle, das Karma ist der Mechanismus, der diesen Lebenskern weiterträgt, in Anlehnung an Klaus Volkamer, der im Feinstofflichen Bereich – wissenschaftlich korrekt – wirklich echte Pionierarbeit leistet, spreche ich lieber von einem verschränkten Quantenfeld als Teil des riesigen, vereinten Quantenfelds, als vom Lebenskern (obwohl ich das Wort schöner, aber auch angreifbarer finde). Normalerweise halte ich mich mit dieser Thematik immer sehr zurück, weil ich da sowieso immer nur Kopfschütteln und Desinteresse ernte, aber da Wecker ja in seinem Buch auch erwähnt, daß er Steiner gelesen hat wage ich es an dieser Stelle trotzdem mal wieder.

Also! Wenn dieser Lebenskern durch ensprechende Achtsamkeit und Konzentration von einem Leben zum nächsten immer gepflegt wird, kann er sich entfalten und weiterentwickeln, wird er jedoch in einem Erdenleben lieblos und wenig achtsam behandelt, zerfällt er einfach nach dem Tod, soweit mal Steiners Interpretation, zumindest wie ich sie verstehe. Konstantin Wecker erzählt in seinem Buch viel über Spiritualität und auch öfter über Meditation, gerade diese beiden Begriffe stehn doch für einen intensiven, konzentrierten Dialog mit dem Lebenskern, der geistigen Welt oder dem vereinten Quantenfeld, es ist eigentlich wurscht wie man es nennt, Hauptsache man tut es – das nenne ich Arbeit am Karma – Wecker nennt es auf Seite 112 das Erarbeiten der Seele, das Ringen um die Seele, um den Sinn des Daseins.

Karma ist der Flavour des Lebens!

Auch ein Genie wie Mozart – den Wecker ja auch erwähnt – kommt nicht als tabula rasa auf die Welt, so einer wie Mozart hat einfach unglaublich viel Schwein gehabt, daß frühere Träger seines Lebenskerns achtsam und entwickelnd mit diesem Lebenskern umgegangen sind und er in seiner Materialisierungsphase (also seinem doch recht kurzen, aber intensiven Leben) sofort aus dem Vollen schöpfen konnte  und mir scheint, daß auch Konstantin Wecker bei der sehr frühen Entfaltung seiner musikalischen Begabungen natürlich auch durch die große Unterstützung, die er sicher in seinem Elterhaus erfahren hat, schon am Anfang seines Lebens gleich in die Vollen gehen konntest, die Arbeit am Karma, die frühere Träger seines Lebenskerns geleistet haben, hat sich doch wohl gelohnt, wenn man an die vielen positiven Dinge, Wirkungen denkt, für die Konstantin Wecker die Ursache ist.

Es gibt soviele gebrochene Menschen, die einfach nicht das Glück hatten, das ein toller Lebenskern mit einem super Elternhaus – wie bei Konstantin Wecker – zusammenkommen und für die man eben auch Mitgefühl entwickeln sollte, selbst wenn man selbst diese Erfahrungen nicht gemacht hat. Ich danke Konstantin Wecker, daß er an dem Glück, das er in seinem Leben hatte, andere Menschen teilhaben läßt. Daran erkennt man eben die Stärke seiner Persönlichkeit.

Die Insignie einer starken Persönlichkeit ist der kaum zu brechende Wille, ein Geschenk, das nur wenigen zuteil wird, dahin zu kommen, ganz offen und frei auch über seine Schwächen zu sprechen, wie Wecker es in diesem Buch vor einem Millionenpublikum tut, verlangt eben auch eine sehr starke Persönlichkeit.

Konstantin Wecker erinnert mich oft an Milarepa, der Weise aus dem Himalaya, der mit seinen 1000 wunderschönen Liedern die Menschen im 12. Jh. erfreute, ihnen Mut gab und sie aber auch auf freundliche Weise durch seine Lieder belehrte. An diesem Milarepa ist für mich in diesem Zusammenhang aber etwas ganz anderes interessant, es ist dieser ungeheure Wille, den man auch bei ihm sieht. Marpa, Milarepas spiritueller Lehrer, hat ihn Jahre lang wie den letzten Dreck behandelt, dann mußte er auch noch mit einem dünnen Kittelchen bekleidet in einer eiskalten Höhle im Himalaya 9 Jahre einsam meditieren und erst dann wurde er zu dem Yogi der 1000 Lieder, wie ihn heute alle kennen.

Der Wille ist es, täglich sich nicht zu schonen, in den Ring zu steigen mit sich selbst und wenn man mal von sich selbst wieder so richtig eine verpaßt bekommen hat, weil man voreilig und siegessicher schon aus der Deckung gekommen war, dann wieder aufzustehen, weiterzumachen und am Ende sein Gegenüber (sein eigenes Selbst) zu umarmen, das ist für mich Wille.

Einen Gefängnisaufenthalt zur eigenen, zur spirituellen Entwicklung zu nutzen und dabei noch einen wahrscheinlich mehr oder weniger kalten Entzug durchzustehen und als Person – nicht als Ego – gestärkt aus dem ganzen hervorzugehen, das können einfach nur wenige Menschen, die meisten zerbrechen täglich an solchen Herausforderungen, man kann ihnen das nicht vorwerfen, es ist einfach kein zu verallgemeinerndes Rezept,  da braucht’s halt doch die 3 Faktoren, die auf glückliche Weise zusammenkommen müssen: Ein starker Lebenskern, eine starke Unterstützung im Elternhaus und der eigene Wille aus diesen Anlagen etwas zu machen.

Und genau nach diesem Schema kann es weitergehen und was das Schöne an diesem Schema ist, wir brauchen gar nichts Außersinnliches mehr, weil wir einfach durch Karma-Arbeit alle unsere Sinne wieder so schärfen und erweitern, daß wir Dinge, die andere übersinnlich, außersinnlich, mystisch, wissenschaftlich nicht messbar usw. nennen, ganz normal in jedem Augenblick wahrnehmen, als würde das Telefon klingeln. Daß wir so viele Dinge als etwas ganz Besonderes wahrnehmen, wenn wir sie überhaupt wahrnehmen, liegt daran, daß wir in seltenen Momenten der Verkümmertheit unserer Sinne inne werden und damit gleichzeitig einen kleinen Zipfel von der Größe und Schönheit der Natur auf diesem Planenten erleben. Dann werden wir EINS – treten in vollkommene Resonanz mit allem Sicht- wie Unsichtbaren (was dann allerdings nicht mehr unsichtbar ist) erleben das Wunder im Alltäglichen...

Ab Seite 128 schreibt Wecker über den Schatten des Kriegers, also entsprechend der analytischen Psychologie C.G. Jungs von der dunklen Seite seiner Psyche, die er hat, die er aber auch nicht wahrhaben will. Das ganz vorbildhaft Große an Weckers Buch ist aber gerade, daß er immer wieder die „Insignien“ seines Schattens so deutlich und klar benennt, sie also aus dem Schattendasein heraus ans Licht zerrt, und es ist immerhin das erbarmungslose Licht der Öffentlichkeit. Eine antifaschistische Grundhaltung zu entwickeln, funktioniert auch meiner Meinung nach viel nachhaltiger, wenn ich frank und frei erkenne und auch verbalisiere, wie viel von dieser Grundhaltung auch in mir selbst vorhanden ist, als wenn ich immer nur mit dem moralischen Zeigefinger auf die Anderen zeige und bei der erstbesten Gelegenheit mein antifaschistisches Kartenhaus zusammenfällt. Fantastisch die Beschreibung seines Schattens, die er auf Seite 130 gibt – vielen Dank dafür.

Wenn man den 2. Grundsatz der französischen Revolution statt mit Gleichheit mit Gerechtigkeit übersetzt, was mir wesentlich angenehmer ist, dann kann man doch wohl sagen, daß alle 3 Grundsätze vollkommen auf Weckers politisches Engagement zutreffen, weil sie wahrscheinlich auch auf seine ganze Person zutreffen: Freiheit – Gerechtigkeit – Brüderlichkeit (natürlich auch Schwesterlichkeit, was soll man rumreden, Solidarität eben).

Ja ganz genau! „Der Vogel der großen Revolution des Mitgefühls braucht also zwei Flügel, um abheben zu können: einen politisch-weltlichen und einen spirituell-geistigen.“ (Seite 206)

Ich sagte es schon am Anfang dieses Beitrags. Für mich ist Konstantin Wecker ein Mensch, der auf ganz besondere Weise mein Lieblingsmotto lebt: „Täglich den Widerspruch gestalten!“

„Kein noch so klug durchdachtes System ist es wert, auch nur ein einziges Menschenleben dafür zu opfern“, also „Laßt Ideologien und nicht Menschen sterben!“

Der betrügerische Ökokonkurs

footprintIst es nicht sonderbar, daß in unserer ‚globalisierten‘ Welt, die eigentlich nur noch wirtschaftliche Aspekte für die Beurteilung von Fakten und Entscheidungen zuläßt, hinsichtlich des globalen Unternehmens „MENSCH & PLANET“ jede Art von wirtschaftlich vernünftigem Denken und Handeln versagt?

Oder wie soll man die Tatsache anders verstehen, daß wir weltweit seit mindestens 30 Jahren weit über unsere Verhältnisse leben, denn seit diesem Zeitpunkt haben wir das ausgewogene Verhältnis zwischen unserem Verbrauch, unserem Lebensstandard wenn man so will, und der Biokapazität des Planeten, also die regenerierbaren Ressourcen, die uns der Planet jeden Tag zur Verfügung stellt, verlassen. D.h. wir zerstören planmäßig und vorsätzlich unsere Geschäftsgrundlage, indem wir Ressourcen verbrauchen, die wir gar nicht haben und nur um uns persönlich zu bereichern. So ein Verhalten nennt man im Wirtschaftsleben betrügerischen Bankrott und verfolgt es auch strafrechtlich.

Ein Unternehmen also, daß so agiert ist normalerweise im höchsten Maße unseriös zu nennen und geht – trotz mancher Zahlenspiele, die gewissenlose Manager oft noch eine Zeit lang betreiben – der sicheren Insolvenz entgegen. Kettenbrief-Unternehmen können niemals erfolgreich sein und genau wie ein Kettenbrief-Unternehmen wird das globale Unternehmen „MENSCH & PLANET“ betrieben und jedes Jahr sind wir in der Lage, einen Tag des zweifellos verschleierten Ökokonkurses dieses Unternehmens zu errechnen, betrügerisch muß man also diesen Konkurs deshalb nennen, weil die Menschen diesen Konkurs wissentlich hinnehmen, um sich kurzfristig und skrupellos vorab zu bereichern und dabei den Untergang des Planeten, als Lebensraum für Mensch und Tier billigend in Kauf nehmen.

Anhand des ökologischen Fußabdrucks, der diese Relation zwischen Verbrauch und Biokapazität darstellt, lässt sich jedes Jahr der Tag berechnen, von dem ab wir für den Rest des Jahres über unsere Verhältnisse leben. Aktuell leben wir dann auf Kosten und zu Lasten fremder Dritter, von denen alle 5 Sekunden ein Menschen-Kind stirbt durch unser Verhalten und auf Zukunft und Nachhaltigkeit bezogen ruinieren wir den Planeten und damit auch die Lebensgrundlage unserer Nachkommen.

Hier mal ein grobes Rechenbeispiel für das Subunternehmen „Europa“ und dem Jahrestag für den betrügerischen Ökokonkurs:

In Europa müssen wir mit einem durchschnittlichen ökologischen Fußabdruck von 4,7 rechnen, d.h. wenn alle Menschen auf der Welt so leben würden, wie wir in Europa, dann würden wir für unseren Lebensstandard die Fläche von 4,7 Welten benötigen, wobei wir noch in der „glücklichen“ Lage sind, daß wir in Europa auch eine Biokapazität von 2,2 besitzen, rein rechnerisch verbrauchen wir also „nur“ mehr als das Doppelte, von dem, was wir an Biokapazität haben.

Berechnet wird der „Welterschöpfungstag“ – den man eben auch den betrügerischen Ökokonkurstag nennen kann – durch die Division der Biokapazität (im Falle von Europa 2,2), also der während eines Jahres von der Region Europa zur Verfügung gestellten natürlichen Ressourcen, durch den ökologischen Fußabdruck der Europäer, multipliziert mit der Zahl 365, der Anzahl von Tagen im Gregorianischen Kalender.

Wir rechnen also mit den Zahlen von 2012:   2,2 / 4,7 * 365 = 171

Damit ergibt sich – auf Europa bezogen – unser ganz persönlicher Jahrestag 2014, also der Tag von dem an wir unseren betrügerischen Ökokonkurses betreiben, für den

Donnerstag, den 20. Juni 2014

Lassen wir uns doch nicht einreden, daß unsere globalen Probleme nur an der ständig wachsenden Überbevölkerung liegen, allein mit den Biokapazitäten, die uns der Planet zur Verfügung stellt und den modernen agrarischen Produktionsmethoden, wären wir in der Lage, nahezu doppelt so viele Menschen (rund 12 Milliarden) auf diesem Planeten zu ernähren, als wir derzeit sind, unser Problem ist nicht die Überbevölkerung sondern unsere eigene Unfähigkeit, unsere Ignoranz und unsere Gier nach Geld und Macht und den daraus resultierenden Verteilungsproblemen, denn immerhin kann man doch klar und deutlich heute errechnen, daß die reichen, hochentwickelten Staaten, wie z.B. die USA mit einem „footprint“ von 7,2, diejenigen sind, die diesen Planeten für den Menschen zerstören, tragisch ist auf diesem Weg vor allem die Tatsache, daß erstmal die die Zeche bezahlen werden, die die Zerstörung am allerwenigsten verursacht haben, die Ärmsten der Armen dieser Welt, von deren Kindern sowieso heute schon alle 5 Sekunden ein Kind durch Unterernährung ermordert wird und die zunächst am stärksten unter den ökologischen Katastrophen, die auf uns zurollen, betroffen sein werden.

Und dann sprechen wir immer noch allen Ernstes – als wenn nichts wäre – von dem dringend notwendigen Wachstum, das wir doch „alle“ brauchen!

Was wir wirklich brauchen, ist, daß wir unsere Ausgaben endlich unseren Einnahmen anpassen und das wir „global gesehen“ nicht mehr verbrauchen, als uns durch die Biokapazität des Planeten sowieso schon großzügig zur Verfügung gestellt wird. Und da wir reichen, hochentwickelten Staaten ja diejenigen sind, die weltweit über unsere Verhältnisse leben, sind auch wir und niemand anderes aufgerufen, dieses Mißverhältnis zu beseitigen – ansonsten wird uns der Planet irgendwann in absehbarer Zeit beseitigen . . .

Erster Eindruck von der Europa-Wahl

Europawahl2014Die Europawahl ist vorbei, die Wahlbeteiligung war wohl in Europa insgesamt deutlich besser als beim letzten Mal.
Rechtspopulisten mit einfachen Themen, wie, keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme, weg mit dem Euro, nieder mit Brüssel, haben in Frankreich (Front National, die Partei von Marine Le Pen erreichte rund 25 Prozent der Wählerstimmen) und Großbritannien (die rechtspopulistische Unabhängigkeitspartei UKIP mit ihrem Parteichef  Nigel Farage holte rund 15 Prozent der Wählerstimmen) sehr hohe Wahrergebnisse erzielt. In den Niederlanden haben die Wähler dem Rechtspopulisten Geert Wilders und seiner „Partei für die Freiheit“ jedoch einen deutlichen Denkzettel verpasst in dem er weit unter 20% blieb.
Zumindest kann man mal festhalten, daß die Rechten im Europaparlament nicht – wie befürchtet – so viele Sitze erhalten werden, daß Sie ernsthaft Entscheidungen beeinflussen können.

Eine Partei wie DIE LINKE, die einen inhaltlich ausgezeichneten Wahlkampf geführt hat, mit vielen differenzierten Positionen zu den Problemen in Europa, konnte aus diesem Grund leider nur Ihre Stammwähler in Deutschland mobilisieren und ist deshalb mit einem kleinen Zuwachs fast gleichgeblieben zur letzten Wahl. Schade, ich würde mir wünschen, daß die Wähler sich mehr inhaltlich mit den Sachthemen der Linken auseinandersetzen würden. Aber da sind wahrscheinlich im Moment noch zu viele Vorurteile vorhanden, die sich naturgemäß immer sehr viel langsamer abbauen als sie sich aufbauen.

Alexis_Tsipras_SyrizaZumindest kann man doch mal festhalten, daß im Geburtsland der Demokratie, in Griechenland, die Wähler sich für einen sachlichen Kurs im Umgang mit der EU entschieden haben. Der große Sieger der Europawahlen in Griechenland ist das linke Wahlbündnis „Syriza“ mit ihrem Vorsitzenden Alexis Tsipras, der auch gleichzeitig als Kandidat der „Europäischen Linken“ (EL) für das Amt des Kommisionspräsidenten aufgestellt wurde .
Syriza erzielte nach ersten Ergebnissen rund 26,7 Prozent der Stimmen in Griechenland und lag damit vor der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND), die weniger als 23 Prozent errang. Auch bei den zugleich stattfindenden Kommunalwahlen schnitt Syriza sehr gut ab.
Es bleibt zu hoffen, daß sich die politischen Kreise, die das Elend in Griechenland verursacht haben, jetzt mal etwas zurückhalten und die Syriza mal machen lassen, anstatt schon wieder aus allen Rohren zu tönen, daß mit dieser Wahl Griechenland unregierbar geworden ist, im Klartext also, weil die Interessen des Kapitals nicht mehr hinreichend vertreten werden.

Eine Partei, die von sich selbst behauptet hat, ausschließlich an Sachthemen – egal ob sie von rechts oder links kommen – interessiert zu sein, hat ebenfalls mit den Ängsten der Wähler einen – wider alle Beteuerungen der politischen Führung – populistischen Wahlkampf geführt und war damit sehr erfolgreich. Für meine Themen in diesem Blog ist vor allem ein Umstand besonders interessant, die AfD zieht im Moment Wähler aus allen Bereichen vom rechten Rand über die Mitte bis zum linken Rand an und mit diesem heterogenen Gemisch aus allen politischen Bereichen muß sie jetzt Politik machen.
D.h. aber auch im Umkehrschluß, daß die AfD eine Partei ohne echte eigene Wähler ist. Wähler, die wirklich tuto completo an allen Sachthemen der AfD interessiert sind und nicht nur aus Protest ihrer angestammten Parteien gegenüber die AfD gewählt haben.
Auf Dauer braucht eine demokratisch Partei immer auch die passenden Wähler. Die AfD Wähler hingegen bilden im Moment viele, viele kleine Schnittmengen mit der Partei aus der Retorte und der Einzug der AfD ins Europaparlement wird jetzt zeigen, welchen Weg die Partei wirklich gehen wird und wie sie mit diesem heterogenen Gemisch an Mitgliedern umgeht.