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KulturDenkBilder & NaturPhilosophie

In diesem BlogMenue die beiden Kategorien „KulturDenkBilder“ und „NaturPhilosophie“ von einander zu trennen ist strenggenommen wissenschaftlich nicht korrekt, da Naturphilosophie – als die Auseinandersetzung des Menschen mit der Naturselbstverständlich eine Kulturleistung ist und nicht zwangsläufig etwas mit der Natur im engeren Sinne zu tun haben muß.

Der jahrhundertealte Streit, ob sich menschliche Erkenntnis asymptotisch der objektiven Naturerkenntnis annähert oder ob es sich salopp formuliert nur um subjektive Meinungen einzelner Naturwissenschaftler handelt, die sich etwas – mehr oder weniger gut Begründetes – über die Gesetze und Verhaltensweisen der Natur in ihrem Hirn ausdenken, aber die Natur selbst, also wie sie „an sich“ ist prinzipiell im Dunkeln bleibt, dieser Streit wird ewig weitergehen und man wird niemals eine endgültige Entscheidung treffen können.

Die, die immerwieder eine Entscheidung zugunsten einer objektiven Naturerkenntnis treffen, nenne ich gerne polemisch „schubladendenkende, positivistische Betonphysiker“!

Alles in den Wissenschaften ist – meiner Meinung nach – immer nur transitorisch zu verstehen, dem möchte ich in meinen zugegebenermaßen spekulativen eher philosophischen Reflexionen über aktuelle naturwissenschaftliche Themen so gut wie möglich entsprechen. Wobei mir die Entwicklungen in den letzten 10-15 Jahren sehr entgegenkommen, denn nachdem sich über viele Jahrzehnte die sogenannten Natur- und Geisteswissenschaften immer nur von einander entfernt und gegenseitig massiv kritisiert haben, ist in den letzten Jahren wieder ein gewisser Annäherungsprozeß zu erkennen. Das liegt wohl vor allem an der explosionsartigen Entfaltung der Forschungsergebnisse, also an den Massen von Informationen, die im wissenschaftlichen Bereich hinzugekommen sind.

Während Wissenschaftler noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts daran glaubten, daß z.B. in der Physik bald alles restlos erforscht sei, sind viele Wissenschaftler heute wesentlich vorsichtiger und demütiger der Natur gegenüber geworden, weil sie doch immer wieder festgestellt haben, wenn sie durch verbesserte Forschungsmethoden eine Tür zu einer neuen Erkenntniswelt aufmachen, stoßen sie sofort auf 1000 neue Türen (man denke nur an die Genforschung, die zunächst immer locker von unnötiger Junk-DNA gesprochen hat, bis plötzlich mal das Thema mit den Gen-Schaltern auf den Tisch kam und damit auch das neue Forschungsgebiet der Epigenetik, oder das riesige Thema mit der Dunkel-Materie und Dunkel-Energie etc. etc.).

Natürlich ist man heute in den empirischen Wissenschaften an Grenzen gestoßen, hinter denen im Moment nur noch mathematische Modelle liegen, also gerade im Bereich der Quantenphysik ist die Philosophie wieder unfreiwillig eingezogen und dies nicht nur, weil die Quantenphysik so viele wunderbare Implikationen für unser alltägliches Leben aufweist, sondern auch weil sie in weiten Bereichen nicht oder vielleicht auch noch nicht empirisch verifizierbar ist und mit mathematischen Modellrechnungen, also Philosophie, auskommen muß.

Konsequenterweise ist ja alles von Menschen Gemachte Kultur und auch die Natur ist in vielen Bereichen heute nur noch Zweitnatur, vor allem die Reste Ihre Zerstörung, die ich ungern mit dem Wort Kultur belegen möchte, auch wenn natürlich die grundsätze Frage besteht, ob man nur die Entwicklungen, die sich positiv ausgewirkt haben, als Kulturleistungen begreifen kann, womit sich dann sofort die Frage aufdrängt, was und für wen ist denn etwas positiv, gibt es etwa das Positive und das Negative ansich etc. etc. und ob man nicht einfach alles vom Menschen hervorgebrachte zwingend logisch als Kultur begreifen sollte.
Dieser Frage möchte ich in meinem Blog natürlich immerwieder nachgehen. Jenseits davon werde ich aber der Ganzheitlichkeit des Denkens zu liebe, alle Themen unter der Kategorie Kultur laufen lassen, mit der einen Ausnahme, daß Themen der Naturphilosophie in der gleichnamigen Extrakategorie aufgelistet sind.

Wie sehr viele Philosophen – selbstverständlich auch Karl Marx – orientiere ich mich natürlich immer an der antiken Philosophie. In der Antike war Naturwissenschaft und Naturphilosophie noch nicht von einander geschieden, besonders seit der Aufklärung und hier wie immer seit Immanuel Kant wird Naturphilosophie und empirische Naturwissenschaft von einander insofern geschieden, als die eine die Grundlage der anderen ist. Es geht also seit Kant bei der Naturphilosophie mehr um Voraussetzungen und die Prinzipien a priori für naturwissenschaftliches Arbeiten.

Natürlich ist das Thema der Voraussetzungen und der Erkenntnisvermögen, sowie der Paradigmen, die sich daraus ergeben, auch heute noch – besonders seit Thomas Kuhns Überlegungen zur Wissenschaftstheorie – ein wichtiges Thema der Naturphilosophie, allerdings geht heutige Naturphilosophie eher den induktiven Weg, ausgehend von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen untersucht sie eher die Implikationen und Konsequenzen, die sich gesellschaftlich und gedanklich aus der postmodernen Naturwissenschaft ergeben und zu einem modernen naturwissenschaftlich geprägten Weltbild führen, deshalb möchte gerade in dieser Richtung immer wieder Beiträge in diesem Blog veröffentlichen, wer daran kein Interesse hat, kann einfach im BlogMenue auf die Kategorie „Kultur“ klicken, dann sind die naturphilosophischen Gedanken weg…

Warum ich so gerne das Wort „KulturDenkBilder“ und noch allgemeiner das Wort „Denkbild“ benutze, möchte ich einem späteren Beitrag in der gleichnamigen Kategorie vorbehalten, ebenso die Ausführungen zu der Marotte, die heute allerdings sehr gebräuchlich geworden ist, einzelne Bestandteile eines zusammengesetzten Wortes mit Versalien beginnen zu lassen, wie bei KulturDenkBildern

Der langen Rede kurzer Sinn: Die beiden Kategorien „KulturDenkBilder“ und „NaturPhilosophie“ sind also eher den unterschiedlichen Interessen der Leser geschuldet, als einer systemtheoretischen Überlegung…

Klaus Modicks Novelle „Moos“

Moos

Hier ist er wieder, der zentrale Gedanke:

„Ich habe mich ins Moos verliebt, und da ich spüre, wie diese Liebe erwidert wird, sehne ich den Moment herbei, ohne ihn künstlich beschleunigen zu wollen, da meine wachsende Fähigkeit, Metamorphosen einzugehen, übergehen wird in die reine, nicht mehr deutungsbedürftige Identität.“ (S.103)

„Stell dir vor, in der Botanik steht einer auf und sagt, man könne über die Flora des Ammerlands bessere Beobachtungen und Aufschlüsse gewinnen, wenn man statt eines Mikroskops irgendein verschwärmtes Naturgedicht über die Veilchen im Frühjahr oder was weiß ich heranzieht. (…) Mit traumwandlerischer Sicherheit hatte er eine Saite angerissen, die in mir seit Monaten in immer stärkere Schwingungen geraten war.“ (S.79f)

„Das Leben braucht ständig Rückgriffe, verweigert sich aber dem Rückschritt, auch wenn es ihn häufig simuliert. Sowenig die Regression des Mooses ein wirklicher Rückschritt ist, sowenig wird der Greis, der kindisch denkt, wieder zum Kind, sowenig wird der Wissenschaftler, über dessen Denken Bilder wachsen, zum Maler oder, wenn seine Begriffe von einer Art Poesie angegriffen werden, zum Dichter.
So reflektiert das Moos uralte Tendenzen seiner Vorfahren. Aber wirkliche Regressionen sind der Evolution unbekannt; die Regression des Mooses ist eine simulierte, die sein Überleben gesichert hat.“ (S.90)

„Ich kam nach hier. Nun bin ich im hier. Jetzt und immer. Wenn ich mit dem Moos in die letzte Landschaft geschwommen sein werde, an den Ort der bewegten Ruhe, dann wird der See auch wieder See sein, der Wald wieder Wald, das Moos einfach Moos. Und sonst gar nichts. Ich werde Wald sein, See sein, Moos.“ (S. 119)

„Unter dem grauenhaften Terminus >Leucobryum glaucum< wird die Schönheit des Weißmooses, der Ordenskissen, unter wissenschaftlicher Kontrolle gehalten. (…) Die Vernichtung des Namens durch den Begriff, des lebendigen Ausdrucks durch den Terminus, hat die Entfremdung des Menschen von der ihn umgebenden Natur beschleunigt und besiegelt.“ (S. 122 + 35f.)

Ich danke dem dreiundsiebzigjährigen Botanikprofessor Lukas Ohlburg!

Klaus Modicks Moos

Moos_Modick

Klaus Modick:
Moos. Die nachgelassenen Blätter des Botanikers Lukas Ohlburg
ISBN-13: 978-3251000340

Die äußere Handlung der Novelle Moos ist schnell und einfach erzählt: Ein alternder Biologieprofessor zieht sich in das Landhaus seiner Familie zurück und stirbt. Der Rest ist Erinnerung, Sinnieren, Traum, Reflexion – Selbstbetrachtung und Naturbetrachtung. Lukas Ohlburg versucht, eine Kritik der wissenschaftlichen Terminologie zu schreiben, da letztere seines Erachtens der ästhetischen und sinnlichen Wirklichkeit der Natur nicht gerecht wird. Im Laufe dieses Prozesses nähert er sich der Natur, den Pflanzen und auch seiner eigenen Kindheit und Jugend immer weiter an, bis er eines Tages stirbt, verwachsen mit dem Moos, die Lebensgrundlage des Mooses bildend, wieder eingegangen in den Kreislauf der Natur.

Mehr lesen  auf der Seite „Umweltliteratur“ von Sabine Jambon. Frau Jambon hat auf ihrer überaus lesenswerten Seite Leseproben aus Ihrer Dissertation von 1999 “Moos, Störfall und abruptes Ende. Literarische Ikonographie der erzählenden Umweltliteratur und das ‘Bild’gedächtnis der Ökologiebewegung” zusammengestellt, die ich wärmstens zur Lektüre empfehlen möchte!