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Angst vor der Materie!


Warum wir unsere Angstmechanismen weiterentwickeln müssen, ein paar Überlegungen dazu in sechs Abschnitten.

1. Ein Blick zurück nach vorn

2. Tuis im Demokratiemanagementfieber

3. Der neoliberale Umbau der Gesellschaft

4. Wie geht es weiter?

5. Was sind eigentlich Tuis für Wesen?

6. Conclusio


1. Ein Blick zurück nach vorn

Vor circa 35 Jahren, also mit Beginn des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft, habe ich mal einen inzwischen verschollenen Text mit dem Titel “Angst vor der Materie“ geschrieben und der ging meiner Erinnerung nach etwa so:

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Die ESO-SCHIENE – Ein Kommentar zum Kommentar

Lieber Roland,
hab herzlichen Dank, daß Du meinen Blog besucht hast, ich hab Deine Homepage und Deinen Auftritt bei who-is-hu.de auch gleich gestern besucht.
Du hast ja sicher gesehen, daß ich die Giordano-Bruno-Stiftung auch in meiner Blogroll habe, ich hab‘ auch gar kein Problem damit, mich selbst als humanistischen Agnostiker zu bezeichnen. Über die Geschichte der Religionen brauchen wir sicher auch nicht weiter sprechen, da sind wir uns sicher sowieso einig.
Worüber ich aber gerne sprechen möchte, ist das Thema „Religion unter dem Aspekt der Rückverbindung (religio)“ zu den Wurzeln allen Lebens, um die es ja in meinem ÖkoRadiX-Blog geht.

Da kommt mir zunächst das Thema Geschichte in den Sinn: Geschichte zu betreiben bedeutet für mich, dessen eingedenk zu bleiben, was Ernst Bloch als die Unterseite der Geschichte bezeichnet hat, Geschichte ist nicht nur die Geschichte der Mächtigen, auch wenn die immer den Weg in die Geschichtsbücher gefunden haben, es gibt auch eine komplementäre Geschichte, die der Erniedrigten und Beleidigten, der Unterdrückten und Versklavten, man nennt das ja gerne Geschichte von unten und das ist die Geschichte, die selten gesehen wird – aber trotzdem existiert.

Also ist lege mit meinem Blog ein Stein auf die Gräber der Menschen, die sich in welcher Form auch immer für das Unterdrückte, das kaum Sichtbare eingesetzt haben und ihr Leben dem friedlichen Kampf gegen die Ignoranz – aus der alle anderen Übel entspringen – geweiht haben. Schließlich ist Nietzsches Zarathustra bei seiner Lehre vom Übermenschen ja auch an der Ignoranz gescheitert und mußte sich wieder in die Wälder zurückziehen.

Ich würde mich am liebsten als Struktur- und System-Denker bezeichnen, es ist nicht zufällig, daß sich auf allen Größenebenen immer wieder die gleichen Strukturen und Kreisläufe finden – fraktale Geometrie hat diesen Denkansatz ja bebildert – das ist auch der Grund, warum ich Walter Benjamins Idee der Denkbilder so stark favorisiere.
Und jetzt kommt’s – Du spricht das Thema Karma und die Eso-Schiene an – ich bin der Meinung, daß man all diese Bereiche nicht der sogenannten Eso-Schiene überlassen darf, das Prinzip der Analogien, also wie oben, so unten, wie innen, so außen, Makrokosmos und Mikrokosmos sind eins etc. sind zwar in der Esoszene sehr beliebt und das Kybalion wird heute immer noch verlegt, aber dieses Analogie- und Resonanzprinzip hat mit Gott oder Magie so wenig zu tun, wie die berühmte Kuh mit dem Seiltanz. Hier sind seid Urbeginn ((den es für mich gar nicht gibt, ich hänge der Theorie des big bounce an (religio = Rückverbindung)) riesige Informationsfelder im Gang mit denen alles, was in diesem Universum existiert, auch kommuniziert und so ist Evolution für mich, wenn man sie als etwas Positives bewerten möchte, wachsende Resonanzfähigkeit! Das ist alles kein Hokuspokus – sondern ersthafte Wissenschaft.

Wir haben einfach einen vergröberten Materiebegriff, wir bewegen uns in den Welten, die wir anfassen können, deshalb beschreiben wir alles, was um uns herum ist, mit Worten einer Apfelpflücksprache, alles sind kleine Äpfel, kleine Billardkugeln, die sich um einander drehen. Materie ist aber in letzter Konsequenz geronnene Quanteninformation. Und gerade unter diesem Aspekt sollten wir die Geschichte von Religion und Spiritualität völlig neu schreiben nicht um sie zu retten, sondern um einen ganz wichtigen Teil dieses Universums zu verstehen.

Von dem Pathologen Virchow (gest. 1902) ist ja der Satz überliefert: „Ich habe sehr viele Leichen seziert, aber eine Seele habe ich nicht gefunden.“ Da würde ich sagen, mit seinen damaligen Möglichkeiten konnte er auch gar keine Seele finden. Natürlich können wir auch heute noch keine Seele finden, aber wir können sie vielleicht messen. Was wir mit Hilfe moderner Technik heute können, ist zumindest den Fragenhorizont „Seele“ neu aufzumachen, mit entsprechenden, extrem feinen Waagen können wir heute eine Masseverletzung nach dem Tod von Lebewesen messen, wenn wir zuvor sichergestellt haben, daß der Versuchsaufbau keine Masseverletzung möglich macht (siehe Dr. Volkamer).

Vor hundert Jahren dachten wir noch, wir wüßten alles über Masse und Energie und deren Relation zueinander. Heute sind wir viel vorsichtiger, denn nur 5% der Energie im Universum ist uns wirklich gut bekannt, dann wissen wir noch einiges über dunkle Materie, die wohl so 25% der Gesamtenergie ausmacht aber über die 70% dunkle Energie da wissen wir gar nichts.

Also ich sag’s mal so: Für mich ist Spiritualität ein Ausdruck intellektueller Redlichkeit. Spiritualität versucht einen intellektuellen Riegel vor den menschlichen Größenwahn zu schieben. Drop your EGO ist mein Wahlspruch, denn ein übergroßes EGO – das gemeinhin immer alles zu wissen glaubt – steht meistens hinter jedem Größenwahn. Wenn Du ein besseres Wort für diesen Riegel kennst, bin ich für jede Anregung immer offen.

„An allem Anfang aber steht die Vernunft, unser größtes Gut.“ heißt es in einem Brief von Epikur an Menoikeus. Irrationalität – auf die Du ja auf Deiner Homepage auch immer wieder zu sprechen kommst, ist der äußere Ausdruck von Ignoranz (es ist nicht zu kritisieren, wenn jemand nichts weiß – sehr wohl zu kritisieren ist jedoch, wenn er nichts wissen will) und eines der wesentlichen Hemmnisse des Glücks. Für mich ist zwischen einem Philosophieren in Epikurs Garten und einem Philosophieren in Buddhas Garten kein wesentlicher Unterschied, für beide steht Vernunft, Bewußtseinsarbeit und Glück im Zentrum ihres Denkens.

Verschiedene Götter sind für Buddhisten verschiedene Bewußtseinszustände, in dem sie diesen Namen geben, gehen sie mit Ihren Bewußtseinszuständen sozusagen familiär um. Als der Buddha in der Achsenzeit (Jaspers) des 5. Jh.v.u.Z. in seinem Hain lehrte, hat er durch seine 4 Wahrheiten und seinen 8fachen Schulungsweg die numinose Welt der Götter auch massiv entzaubert und trotzdem den Zauber bewahrt. Es ist nicht zu bestreiten, daß z.B. die vielen Sonnenuntergangsbilder oder sagen wir mal allgemeiner die Naturbilder auf Deiner Homepage einen Zauber in sich haben, den die Kunst auch immer wieder bewahrt – auch wenn sie ihn entlarvt.

Postmoderne Naturwissenschaft ist heute viel weiter als um 1900, sie benennt ebenso die numinosen Welten der Götter mit Namen und beginnt einen vernunftgemäßen Umgang mit Ihnen zu pflegen. An der postmodernen Naturwissenschaft kann man sehen, daß ihre Beschäftigung mit Spiritualität sich nicht dadurch ergeben hat, daß sie wieder angefangen hat, zu Glauben, sondern das sie immer weniger glaubt, aber gleichzeitig die ständige Erfahrung macht, daß sich hinter jeder Tür, die sie öffnet, tausend neue Türen liegen. Durch diese Entwicklung ist nebenbei gesagt eine längst überfällige Rückverbindung von Natur- und Geisteswissenschaft in Gang gekommen, die künstliche Trennung im 20. Jh. würde Philosophen aus früherer Jahrhunderte sowieso völlig absurd anmuten, wenn sie es denn erlebt hätten.

Ich komm doch immer wieder zurück zu Sokrates, der mit seiner Hebammenkunst (wie er seine philosophische Gesprächsführung ja oft gern bezeichnete) doch um eine Kleinigkeit weiser war als wir anderen, eben darum, dass er, was er nicht wußte, auch nicht zu wissen glaubte.

Herzliche Grüße
Andreas

P.S. Zum Thema Karma habe ich jetzt nichts mehr explizit geschrieben, darüber habe ich an anderen Stellen (z.B. in meinem Beitrag zu Konstantin Weckers letztem Buch: Mönch und Krieger) schon viel geschrieben.

Angst vor der Materie

Angst vor der MaterieMaterie macht uns Angst, unsere Entfremdung von allem Vorgefundenen auf diesem Planeten schreitet immer weiter fort (bitte jetzt keine Linearität propagieren). Natur ist nichts, was uns begeistert und erschafft, sondern was abgeschafft gehört. Jetzt sind aber einerseits unsere wissenschaftlichen Bemühungen noch nicht weitgenug fortgeschritten, damit wir die Materie vollständig unter Kontrolle bringen können, andererseits ist unsere transzendentale Obdachlosigkeit aber auch schon wieder so weit fortgeschritten, daß wir mit der Materie nicht mehr on speaking terms sind.

Haben wir vielleicht doch zu voreilig unsere guten Kontakte zu den  Göttern aufgegeben oder liegt alles vielleicht daran, daß Materie etwas ganz anderes ist, als wir all die Jahrhunderte gedacht haben, nichts Unveränderliches, Starres von dem wir uns ein festes Bild machen können und das uns auch noch im Untergang (wie hier auf dem Bild) Sicherheit schenkt.

Es kommt darauf an, einen neuen Materiebegriff zu entwickeln!

Wenn wir Überlegungen der Quantenphysik in unser tägliches Denken integrieren, sollten wir dann nicht viel eher den Begriff der Materie mit einer bunt schillernden, utopischen Welt verknüpfen. Können wir nicht zu einer „Docta spes“ (Ernst Bloch) kommen, wenn wir die Superposition der Quanten – dem Ort aller potentiellen Seinsmöglichkeiten – als die grundlegende Wurzel jeder Utopie und der auf sie gerichteten gelehrten Hoffnung verstehen. Ist im Kern unseres Universums nicht der ständige Wandel, die Veränderung, die Utopie angelegt? Ist Utopie nicht gerade der Ort, den es fest umschlossen nirgends gibt und der dennoch überall anwesend ist – als das Meer der Möglichkeiten?

Ein ‚Wirk‘ (H.P. Dürr) lebt in Utopia, kein Ort nirgends ist seine Heimat, aber mit den Algorithmen und der Theorie der Quantenmechanik können wir doch immerhin auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten mit diesem Ort kommunizieren. D.H. wir haben eine ideale utopische Situation, wir kommunizieren und lernen viel von den ‚Wirk‘, weil wir die richtige Umgangssprache halbwegs gefunden haben und wir knebeln ihre Wirkungslinien trotzdem nicht, wir zwingen sie nicht fein sortiert, durch den ein oder anderen Spalt unserer Doppelspaltexperimente zu fliegen, so wie der arme Tiger immer durch den einen Ring muß.

Mit der Quantenmechanik pflegen wir einen nicht usurpatorischen Umgang mit Utopia, der wunderbaren Wurzel all unserer Materie und damit unseres Seins. Wir diskutieren und leben gleichzeitig die Offenheit!

Ist nicht gerade ein System – wie der Kapitalismus – von dem immer wieder stur behauptet wird, es sei das stabilste und natürlichste System der Welt, gerade auch unter diesem Aspekt das widernatürlichste. Natürlich ist die Evolution, die immer wieder gerne als Begründung herangezogen wird, die Triebfeder der Entwicklung, daß sich aber hartnäckig die falsche Übersetzung von Darwins/Spencers „survival of the fittest“ hält, erscheint mir ein leicht zu entlarvender Marketingtrick eines auf Ellbogen und gnadenlosen Wettbewerb fixierten Systems.

Letztlich können wir auf der Basis dieses falsch verstandenen evolutionären Grundsatzes tausende von Ideologie aufbauen, die Macht des Faktischen wird sie alle niederreißen, wenn wir nicht verstehen, daß wir nur dann überleben, wenn wir uns den Grundlagen unseres Lebens möglichst optimal anpassen und das sind nunmal einzig und allein die Ressourcen und Regelkreisläufe der Natur auf diesem Planeten, dann gehen wir als Menschheit einfach unter,  aus die Maus, eigentlich schade drum, es gab immer mal wieder ein paar gute Ansätze, ohne Hass, Gier und Ignoranz hätte was draus werden können.

Die Materie aber wird immer triumpfieren und weiter ihre utopischen Orte besuchen…

Warum? Weil sie einfach weiß, daß das Unbestimmte, Offene der einzige Ort ist, an dem man leben und das Leben genießen kann. Wäre es nicht nach so vielen Jahrzehnten der Quantenphysik eine Überlegung wert, das sie endlich als  Grundlage unseres Denkens in unser alltägliches Leben und Handeln einzieht?!