Modellbildungen mit Möglichkeitsräumen

„Gerade bei stehendem Wasser […] bleibt das
Schiff des Gedankens nicht liegen. Denn es
kommt darauf an, daß Bewegung wie Ruhe
modellhaft in Beziehung gebracht werden.“

Ernst Bloch, Tendenz, Latenz, Utopie

In der Ruhe liegt die Kraft –  sagt ein Sprichwort, aber welche Kraft kann hier gemeint sein? Ist es das Tiefe, das Brodelnde, das unter der glatten Oberfläche sich zum Ausbruch bereit macht?

Wie und was es auch sei – es ist das Unabgegoltene, das uns zeitlebens niemals loslässt, was wir glauben zu verstehen, findet nicht mehr unser Interesse.

Um ICH-KRAFT zu entwickeln  bauen wir ständig an unserem Selbstmodell, ein Modell, das wir mit Steinen erbauen, die wir beim fortwährenden Durchstreifen unserer Möglichkeits­räume wieder und wieder finden und aufdecken.

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah … so ist doch die Nähe der eigentliche Ort der Utopie, es sind die Möglichkeitsfelder, durch die wir bestimmt und vorangetrieben werden, die Energien, die uns beflügeln, wenn wir durch unsere Möglichkeitsräume schreiten.

Ja so ist es: Das Möglichkeitsfeld im Möglichkeitsraum des ICH kann als das Unabgegoltene der Person – aber auch konsequenterweise der Gesellschaft und des Universums – verstanden werden, natürlich immer solange der Möglichkeits­raum nicht betreten wird. Genauso gilt aber auch das Umgekehrte, der Möglichkeitsraum verwahrt für uns das Unabgegoltene, in das wir durch das Möglichkeitsfeld hineingezogen werden.

Die Zweiheit ist der kleinste Möglichkeits-Cluster. Dann kommt Familie und verschiedene Größenordnungen von Gesellschaft, so entstehen immer weitere Cluster bis hin zum Universum in intermittierender Resonanz mit dem Möglichkeitsfeld des ICH.

Wir bleiben nicht mehr wir selbst, wenn wir die Möglichkeitsräume in uns betreten, wir liefern uns den Tendenzen, die in uns wirken aus, wir gewinnen, wir entwickeln ein Gespür für das latent in uns Vorhandene, wir reisen fort zu Orten, die es nirgendwo gibt, als in unserer Phantasie, aber diese Orte sind als Utopien weit wirkmächtiger als die schnöde Realität.

Der innere Beobachter ermöglicht uns den Dreischritt: Möglichkeitsfeld => Möglichkeitsraum => Entscheidung! Zum inneren Beobachter gesellt sich schnell ein zweiter hinzu, der uns vom Wärmestrom Elektrisierte auf den Kältestrom verweißt. Nicht der Möglichkeitsraum ist es, der uns zum Möglichkeitsfeld bringt, sondern das Möglichkeitsfeld ist es, das uns einen Raum schenkt mit samt des Inventars.

Wenn der innere Beobachter den Möglichkeitsraum aufgeschlossen hat, kann er begangen und durchschritten werden, dann wird der innere Beobachter zum Mediator der verschiedenen Aspekte der Person (Energiepunkte). Bald stellen wir fest, das jeder Aspekt seinen eigenen Beobachter besitzt und alle Beobachter sprechen miteinander. Eine unendliche Zahl von Metaebenen hebt alle Metaebenen auf, alle sprechen mit Allen.

Und kein Beobachter bleibt sich je gleich, alles ist in ständiger Veränderung begriffen –  das ist das Geheimnis, was jedem in die Kindheit scheint und was noch niemand jemals verstanden hat.

Intellektuelle Redlichkeit würdigt die verschiedenen Aspekte des ICH gleichermassen. Ein herrschaftsfreier Diskurs ist nur durch das Aufschließen der Möglichkeitsräume möglich. Die Macht des inneren Beobachters wird durch die Vielzahl der Beobachter aufgehoben, hier braucht der Beobachter keine Macht mehr – gedacht in struktureller Gewalt – er befindet sich im endlosen Gespräch, er verzichtet auf alle Form von Machtallüren.

Subtiles Meinungsmanagement verschließt den Zugang zu Möglichkeitsfeldern und -räumen, Personen samt ihrer Unabgegoltenheiten, ihrer Möglichkeitsräume und Utopien nehmen am Diskurs nicht mehr teil, dadurch entsteht kultureller Rückschritt, denn kultureller Fortschritt ist nur durch das Zulassen ALLER ASPEKTE und deren Intermittieren innerhalb und außerhalb von Möglichkeitsfeldern und deren -räumen möglich.

Die  Vielzahl an inneren Beobachtern setzt als Katalysatoren die Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit in Gang. Nur innerhalb der Möglichkeitsfelder der verschiedenen Ebenen sind die Freiheitsgrade zu bestimmen.

Der Philosophie kommt die Aufgabe der Konstellation verschiedener Möglichkeitsräume und deren Feldern zu.

Die Philosophie gelernt zu haben, bedeutet ein lebenslanges Rückgrat erworben zu haben, mit dem wir immer wieder neue wie alte Möglichkeitsfelder und -räume (wieder)-entdecken, durchschreiten und für die Gegenwart nutzbar macht, neue Konstellation erstellen und Freiheitsgrade immer wieder deutlich macht.

Philosophen sind Handwerker,  die mit der Energie von Möglichkeitsfeldern Häuser aus Möglichkeitsräumen Stein für Stein erbauen. Wer diese Häuser bewohnt, dessen Lebensrhythmus wirkt immer subversiv und bewaffnen ihn mit der Kunst NEIN zu sagen.

Das hier Zusammengefasste entstand bei einem besonders gelungenen PST-Tanke-Gespräch im Frühsommer des Jahres 2019.

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