„Ohne Wachstum ist alles nichts.“

Liebe Freunde der Weisheit,
die meisten von Euch werden das obige Zitat eher in der „Liebes-Version“ kennen, als in der von unserer Bundeskanzlerin. Es ist immer wieder erstaunlich, wie entlarvend Äußerungen oft sein können, denn in der Tat hat unsere Wirtschaft und unser Wachstum inzwischen einen emotional gefestigten Grad von Wahrheit erreicht, den man nicht anders als religiös bezeichnen kann. Die durchschlagende Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse macht an keiner Stelle Halt, auch die Liebe ist zwischenzeitlich nur noch durch Aufwand-Nutzen-Relationen bestimmt. Insofern ist es absolut folgerichtig, das Wort „Liebe“ durch das Wort „Wachstum“ zu ersetzen, denn unsere eigentlich Liebe gilt nurmehr dem Wachstum um jeden Preis. Deshalb könnte das Zitat der Bundeskanzlerin auch heißen: „Wachstum ist nicht alles, aber ohne Wachstum ist alles nichts.“

In unserer Gesellschaft gibt es – zumindest was die Parteien betrifft, die auf Bundes- und Länderebene vertreten sind – kaum jemand in diesen Parteien, der es inzwischen noch wagen würde, die grundsätzliche Leitidee unserer Gesellschaft in Frage zu stellen und was noch schlimmer ist, der nicht mal auf die Idee kommt, man könne dieses Ideologem mal hinterfragen. Es ist diese Idee des Wirtschaftswachstums, die auf eine Wirtschaftsphase des “Kapitalismus” zurück, in der sich niemand so recht vorstellen konnte, daß auf diesem riesigen Planeten die Ressourcen trotzdem endlich sind und irgendwann mal zuende seien könnten.

Für uns Freunde der Weisheit zeigt sich der Widerspruch doch schon beim ersten flüchtigen Nachdenken: Wie kann es ein unbegrenztes Wachstum auf einem begrenzten Planeten geben? Letztlich ist es im Moment ganz egal, ob wir einer Faktor 5 oder einer Faktor 10 Ressourcenwende anhängen, denn es geht erstmal nur um die platte Tatsache, daß wir alle zusammen weit über unsere Verhältnisse leben und unsere Verhältnisse sind nunmal von begrenzten Ressourcen bestimmt. Es gehört schon ein unglaubliches Maß an Verdrängung dazu, wenn man einfach nicht akzeptieren will, daß man auf zu großem Fuß lebt und zu einem passiven Konsumenten von sinnlosen Waren degeneriert ist.

Niemand will verzichten und von seinen Standards sich verabschieden, aber eigentlich verzichten wir in unserer Luxus-Gesellschaft nur auf Kram, den wir sowieso nicht brauchen, entrümpeln wir doch einfach unser Leben von überflüssigem Zeug, eigentlich sollten wir dies doch gerne tut, denn in dem wir auf Kram verzichten, müssen wir um so weniger auf Lebenszeit verzichten. Was ist denn kostbarer, der Kram oder die Lebenszeit, die wir nur einmal zur Verfügung haben?

Um so erstaunlicher ist es, wenn wir uns diese einfachen Wahrheiten klarmachen, daß wir alle nach wie vor von dem Bild eines immer mehr wachsenden Schneeballs angetrieben werden, noch haben wir nicht realisiert, daß es sich nicht um einen wachsenden Schneeball, sondern um eine immer stärker anwachsende Lawine handelt, die uns alle in der Tot reißen wird, wenn wir nicht bereit sind umzudenken und unsere Paradigmen zu wechseln.

Jared_DiamondDer weltweit bekannte und geachtete, US-amerikanische Evolutionsbiologe „Jared Diamond“  ist dem breiten Publikum durch seine populärwissenschaftlichen Bücher, in denen er neueste Erkenntnisse aus Anthropologie, Biologie und Geschichte zusammenhängend darstellt, bekannt geworden. Diamond versucht in seinen Werken immer wieder nicht-rassistische Erklärungen für wesentliche Merkmale der menschlichen Geschichte zu finden.

In seinem überaus wichtigen Buch „Kollaps“, in dem er analysiert, warum Gesellschaften überleben oder untergehen, betrachtet er beispielhaft einige Kulturen, die sich durch Übernutzung der Natur, durch Ressourcenverschwendung bzw. durch falsche Reaktion auf allgemeine Umweltveränderungen selbst zugrunde richteten und dann in sehr kurzer Zeit einen vollkommenen gesellschaftlichen Zusammenbruch erlebten. So analysiert er beispielsweise die Wikinger in Grönland, die Anasazi in Nordamerika, die Polynesier auf der Osterinsel oder die Maya in Mittelamerika.

Das wirklich für unsere gegenwärtige Situation besonders Wichtige ist, daß diese untergegangenen Gesellschaften offensichtlich aufgrund der tragischen Entfaltung eines einzigen Prinzips scheiterten und das man wohl beinahe als anthropologische Konstante ansehen muß, wenn man die heutige Weltsituation mal vorurteilsfrei betrachtet: Immer wenn in diesen untergegangenen Gesellschaften die Überlebenssituation prekär zu werden begann, intensivierte man die Strategien, mit denen man bisher erfolgreich gewesen war, anstatt nach neuen, anderen Wegen zu suchen, um sich aus der prekären Situation zu befreien!

Diese Forcierung der bisherigen Strategien – ganz ähnlich wie in unserer Gesellschaft es mit der Wachstumsstrategie gehandhabt wird – führte dazu, daß der Untergang noch schneller kam, als ohne die Intensivierung, weil man ja gerade das, was zu den Probleme geführt hatte, noch verstärkte.

Nehmen wir als Beispiel unser Wirtschaftswachstum, wir erreichen dieses Wirtschaftswachstum, in dem wir auf der Herstellerseite nicht mehr im Raum, also unserem Globus, expandieren, sondern auf der Zeitachse zukünftiger Generationen. Die weltweit operierenden Konzerne kennen nur einen Gradmesser ihrer Entwicklung, Wachstum, damit verstärken sie vor dem Hintergrund eines riesigen, weltweit verfügbaren und zirkulierenden Kapitals, gerade die Strategie, die in den Untergang führen muß, anstatt nach neuen Wegen und neuen Paradigmen für ein nachhaltiges Wirtschaften zu suchen.
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Wenn man mal Luft und Wasser außen vorläßt, dann verbrauchen wir auf unserem Globus jedes Jahr annähernd 60 Milliarden Tonnen Ressourcen, viele dieser Ressourcen sind nur einmal abzubauen. Darüber hinaus gehen wir mit riesigen Schritten auf unserem schönen blauen Heimatplaneten einer Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen entgegen.

Fast jeder weiß inzwischen, daß wir bei unserem Ressourcenverbrauch unter nachhaltigen Gesichtspunkten bereits jeweils in der Mitte des Jahres alles was uns zustehen würde, bereits verbraucht haben, d.h. in der zweiten Jahreshälfte leben wir massiv über unsere Verhältnisse, wir geben weit mehr aus, als wir einnehmen könnten, wenn wir seriös wirtschaften würden.

Wir leben auf Pump, wir leihen uns von zukünftigen Generationen Ressourcen, die wir nicht mehr zurückzahlen können, weil sie nur einmal verbrauchbar sind. Angeheizt wird dieses Verhalten nicht nur durch die exponentielle Entwicklung der Warenproduktion, sondern auch durch die exponentiell steigende Weltbevölkerung.

D.H. wenn wir unsere Verantwortung gegenüber unseren eigenen Nachkommen und dem Globus insgesamt ernstnehmen, dann müssen wir uns von dem Tunnelblick des immerwährenden Wirtschaftswachstums befreien, denn diese Wirtschaft beruht auf der Annahme unendlich verfügbarer Ressourcen, die es einfach NICHT gibt. So einfach ist die Analyse und so schwer scheint es zu sein, gemäß dieser Analyse zu handeln.

Ein erster Schritt wäre es, wenn wir wenigstens den Grundsatz einer ressourcenschonenden Produktionsweise beherzigen würden und außerdem die internationale Völkergemeinschaft sich endlich auf eine globale Ressourcensteuer einigen könnte.

Darüber hinaus sollten wir einen zivilgesellschaftlichen Diskurs beginnen, welche Art von Wachstum wir als gesellschaftliches Ziel überhaupt haben wollen und welches Wachstum wir uns künftig überhaupt noch leisten können oder auch unbedingt sollten. Bezeichnend ist, das wir unter Wachsstum zunächst immer nur die Zunahme an materiellen Gütern verstehen, man könnte ja Wachstum auch als Zunahme an Erkenntnissen, an kulturellen Errungenschaften begreifen, wir haben aber inzwischen die ökonomische Denkweise so stark internalisiert, daß wir Wachstum auch nur noch innerhalb dieses Denkraums begreifen können.

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