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Achtsames Vergleichen

WaageWir geben uns ein Leben lang der Täuschung hin, daß wir uns die Objekte dieser Welt, die Menschen und Dinge um uns herum, alle für sich mit unseren Wahrnehmungssystemen einzelnen aneignen.

In Wahrheit gibt es absolut nichts, was wir uns nicht durch Vergleichen aneignen. Schon von frühester Kindheit an – schon während der Schwangerschaft – vergleichen wir alles, was wir erleben mit dem was wir schon erlebt haben und versuchen ähnliche Muster zu erkennen, um neue Erfahrung nicht als etwas neues, sonders bereits bekanntes und schon bewertetes ablegen zu können.

Daraus folgt, daß nicht erst durch die Thesen der Quantenverschränkung alles mit allem zusammenhängt und wir dies abstrakt theoretisch einsehen sollten, sondern auch durch unsere Art der Wahrnehmung als lebende Organismen, die wir alles mit allem vergleichen.

Hätten auf andere Weise vor 2500 Jahren schon Denksysteme wie das I GING entstehen können, wenn nicht Ähnlichkeit und Resonanz das Zentrum unses Lebens ausmachen würden.

Der Merkspruch: “Wie OBEN so UNTEN”, der heute in der Eso-Szene wieder häufig zitiert wird, ist eine erste Abstraktion unserer grundsätzlichen Art der Weltwahrnehmung und -aneignung durch VERGLEICHEN.

Entwicklungsgeschichtlich waren wir überlebenstechnisch immer auf eine schnelle Einordnung angewiesen, deshalb hat sich auch unser Sehen als ein serielles System entwickelt, d.h. wir erkennen zunächst Umrisse und Schemen schwarz-weiß mit einem hohen Kontrastumfang, um schnell eine Situation einzuschätzen und erst danach beginnen wir farbig zu sehen, was Konturen und Hell-Dunkelbereiche eher abschwächt, als verstärkt.

Das sprichwörtliche schwarz-weiß Denken ist ein entwicklungsgeschichtlich tief in der Biologie und dem Unbewußten verankertes Verhalten und eigentlich ist es erst die evolutionäre Entwicklung zu komplexeren und emergenten, lebendigen Systemen und Verhaltensweisen, die das schwarz-weiß Schema etwas aufgebrochen haben.

Erleben wir als moderne Menschen viele verschiedene Muster, geben wir unseren verschiedenen Wahrnehmungssystemen viel unterschiedliche Nahrung, dann werden die Muster- und Vergleichswelten, die wir benutzen, größer und unsere Ablagesysteme eben komplexer und vielfältiger.

Soweit wir in entwicklungsgeschichtlich alten Verhaltensweisen operieren, versuchen wir so viel wie möglich Unterschiede zu vernachlässigen, um zu einer schnellen und groben Einordnung zu kommen, wenn wir uns aber als lernwillige Kinder unserer gemeinsamen Kulturgeschichte verstehen, dann versuchen wir die Dinge vielfältiger, komplexer zu sehen. Das Instrument der Achtsamkeit hilft uns, eingefahrene Wege, die oft unser Bewußtsein gar nicht mehr erreichen, aufzubrechen und das Wahrnehmen genauer und vielschichtiger neu zu lernen. Das bedeutet natürlich nicht, daß wir das Vergleichen aufgeben sollen, sondern daß wir neben der Qualität des vielfältigeren Wahrnehmens noch die Qualität der kleinen und großen Zusammenhänge dazugewinnen. Ursache und Wirkung wahrzunehmen, ohne den schwarz-weiß Mechanismus der Schuldzuweisung, ist ein evolutionäres Ziel, das es lohnt anzusteuern.

Und letztlich hat uns doch auch die Relativitätstheorie Einsteins schon vor 100 Jahren die Relativität unserer Wahrnehmungssysteme deutlich gemacht, in dem sie vom festen, nicht veränderbaren Raum Newtons sich verabschiedet hat und den Raum in ein vergleichendes Bezugssystem, in dem wir z.B. in einem Zug sitzen, gestellt hat. Unumstößliche Wahrheiten sollten wir nicht mehr annehmen sondern alles mit allem in Beziehungen setzen und vergleichen, um Eigenschaften hinzuzugewinnen und nicht um sie auszublenden.

Also! Vergleichen nicht im quantitativen Sinne sondern im qualitativen wäre ein Quantensprung in der Menschheitsentwicklung. Achtsamkeit ist die Methode dies zu lernen.

Buddhistische Weisheit

KailashNichts in unserem täglichen Vielerlei ist
nicht von unserer Angst vor dem Tod bestimmt,
den wir beständig durch unser Tun
zu besiegen wünschen.

Dennoch werden wir alle bald sterben
und unsere Hoffnungen und Ängste
werden nicht mehr von Bedeutung sein.

Auf das Rad des Lebens, das keinen
Ursprung und kein Ende hat,
projizieren wir unablässig Bilder
von Leben und Tod, Angst und Freude,
Dämonen und Göttern.

Diese Bilder werden für uns
zu einer komplexen Realität und
wir fügen uns dem Reigen
dieser Bilder ohne nachzudenken
der Schein wird für uns zur Wirklichkeit.

In jede Figur dieses Tanzen
projizieren wir unsere
Angst vor dem Tod
und wir tun alles, um diese Angst
aus unserem täglichen Leben auszublenden.

Alles was eine Form hat
wird wieder zu Staub zerfallen,
alles wird sich zerstreuen
und sich wieder zu neuen Gebilden vereinen
um sich bald wieder zu zerstreuen.

Wir sind allein in dieser Welt,
ständig unterwegs und auf der Suche
ohne einen Ort an dem wir verweilen können,
sind wir getrieben von unseren Ängsten
deshalb beten wir:

Täuschungen sind so zahlreich,
wie sich der Mond in den
kräuselnden Wellen widerspiegelt,
Lebewesen verfangen sich so leicht
in einem Netz aus Schmerz und Verzweiflung,
ich wünsche mir Mitgefühl empfinden zu können,
so grenzenlos wie der Himmel,
daß jedes Lebewesen im klaren Licht
des eigenen Bewußtseins,
Frieden finden möge!