Leonardo da Vinci

Leonardo da Vinci

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Die Zeichnung des sitzenden Alten, von Leonardos etwa 1510 gezeichnet und heute in der Royal Collection in Windsor unter der Inventarnummer RL 12579r zu finden, war für mich immer das Portrait Leonardos schlechthin. Auch wenn es kein wirkliches Selbstportrait Leonardos ist, erfüllt es für mich diese Funktion.

Kaum ein Genie der Kunstgeschichte war so umfassend begabt, wie Leonardo da Vinci. Das kontemplative Schauen und intensive Nachdenken, das diese Zeichnung so fantastisch zum Ausdruck bringt, erklärt viel über das künstlerisch Schaffen Leonardos, das gleichzeitig ein naturwissen-schaftlichen Beobachten und Reflektieren war. Was es für mich aber auch so beeindruckend macht ist dieser unglaublich weite und konzentrierte Blick. Kaum jemand war seiner Zeit so weit voraus, wie Leonardo da Vinci.

Leonardo war mit dem Mathematiker Luca Pacioli aus Borgo San Sepolcro befreudet und illustrierte dessen Werk über den Goldenen Schnitt “De divina proportione” („Über das göttliche Verhältnis“). Dieses Werk hat dann wiederum Albrecht Dürer in seinen Proportionsstudien stark beeinflußte. Es ist wirklich erstaunlich wie in dieser dichten Geschichtsphase des 15. und 16. Jahrhunderts die Kunst und die Naturwissenschaft sich gegenseitig so wunderbar befruchtet haben. Erkenntnis und Imagination waren noch nicht von einander geschieden.

Ist es nicht erstaunlich, das Raffael bei seinem Fresco “Der Schule von Athen” Platon und nicht Aristoteles das Aussehen Leonardo da Vincis verliehen hat? Was können wir daraus für Schlüsse ziehen?

Platon

Ohne groß nachzudenken, würden wir eher eine intellektuelle Verbindung zwischen Leonardo und Aristoteles annehmen, als zwischen Leonardo und Platon.

Warum ist das so? Weil wir Aristoteles mit dem zupackenden, großen naturwissenschaftlichen Denker gleichsetzen, der auch Leonardo war, der nicht nur die Idee vom Fliegen hatte, sondern auch Fluggeräte konstruierte, der nicht nur metaphysisch über den Menschen nachdenken wollte, sondern ihn auch in hunderten von Leichensezierungen physisch ergründen wollte.

Das Fenster nach Schwarzbach

SchwarzbachFensterStifter.

Jeder, vor allem aber jeder Künstler, hat noch aus seiner Kindheit dies Fenster nach Schwarzbach im Rucksack, dies kleine Fenster zur Welt, den imaginären Aussichtspunkte, von dem aus man die Welt betrachtet, an dem einem aber auch die Welt begegnet und betrachtet und in der Kindheit zum ersten und wiederholten Male . . .

Wenn ich an Schwarzenberg, die imaginäre aber auch die wahre Heimat Angelika Kauffmanns, denke, dann denke ich auch an Schwarzbach am Böhmerwald, im Dreiländereck, gleich um die Ecke von Oberplan und dann fällt mir immer auch zugleich der alte Adalbert Stifter ein, der noch ein Jahr vor seinem Tod von Linz aus seine Heimat im Böhmerwald besuchte und dann den wunderbaren kleinen Text verfaßte: “Mein Leben”.

Hier können wir zum Ende hin lesen: “Noch ein anderes Ding der Stube war mir äußerst anmutig und schwebte lieblich und fast leuchtend in meiner Erinnerung. Es war das erste Fenster an der Eingangstür. Die Fenster der Stube hatten sehr breite Fensterbretter, und auf dem Brette dieses Fensters saß ich sehr oft und fühlte den Sonnenschein, und daher mag das Leuchtende der Erinnerung rühren. Auf diesem Fensterbrette war es auch allein, wenn ich zu lesen anhob. Ich nahm ein Buch, machte es auf, hielt es vor mich und las: »Burgen, Nagelein, böhmisch Haidel.« Diese Worte las ich jedesmal, ich weiß es; ob zuweilen noch andere dabei waren, dessen erinnere ich mich nicht mehr. Auf diesem Fensterbrette sah ich auch, was draußen vorging, und ich sagte sehr oft: »Da geht ein Mann nach Schwarzbach, da fährt ein Mann nach Schwarzbach, da geht ein Weib nach Schwarzbach, da geht ein Hund nach Schwarzbach, da geht eine Gans nach Schwarzbach.« Auf diesem Fensterbrette legte ich auch Kienspäne ihrer Länge nach aneinander hin, verband sie wohl auch durch Querspäne und sagte: »Ich mache Schwarzbach!« In meiner Erinnerung ist lauter Sommer, den ich durch das Fenster sah, von einem Winter ist von damals gar nichts in meiner Einbildungskraft.”

Hier kann man auch den ganzen Text noch lesen >>>

Schwarzbach oder Schwarzenberg, Böhmerwald oder Bregenzerwald, es sind dies die Ort, an denen die Einbildungskraft ihre Heimat hat, die aus der Kindheit ein ganzes Leben lang herüberscheinen, es ist der Topos, das Fenster auf dessen Fensterbank jeder Künstler sein ganzes Leben sitzt und sinnt. Es ist dies – wie in Stifters Novelle “Der Waldgänger”, die ideale Erinnerungstopografie des wiedererinnerten, vergangenen Lebens. Jeder Kreative hat dies Fenster, durch das er auf die Welt und sein Leben blickt, um dies alles, was ihm durch das Fenster entgegen kommt und kam, künstlerisch zu verarbeiten. Und ganz ehrlich, es hat für das, was später der Nachwelt als Kunstwerke hinterlassen wird, eine nicht unerhebliche Bedeutung, ob die Fensterbretter in den Kindheiten der Künstler groß genug und gemütlich genug ware, um die Welt von dort aus zu betrachten …