Archiv der Kategorie: KulturDenkBilder

Caspar David Friedrich im Nebel

Alphonse de Labroue, 1820 Caspar David Friedrich

 

Ihr nennt mich Menschenfeind,
Weil ich Gesellschaft meide,
Ihr irret Euch,
Ich liebe sie.
Doch um die Menschen nicht zu hassen,
Muß ich den Umgang unterlassen.

C.D. Friedrich

 

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Curriculum vitae

Plan-Materialisierung / Sternzeit
im Kalender GregorX3: 1774-08-05

Im Sternbild Jungfrau

Terrestrischer Spannungsbogen in dieser

Materialisierungsphase Greifswald – Dresden

Plan-Ent-Materialisierung / Sternzeit
im Kalender GregorX3: 1840-05-07

Lebensdaten siehe Wikipedia >>>

Caspar David Friedrich ist der Maler der “Schwelle”, zwischen Midgard und Utgard wandert er als “einsamer Maler-Mönch” hin und her. Zwischen Midgard und Utgard deshalb, weil es eine Fehlinterpretation wäre, wenn man von einer zeitlichen Abfolge ausginge: Erst kommt das Diesseits, dann das Jenseits. Nein! Immanenz gibt es niemals ohne Transzendenz und umgekehrt, man kann nicht das eine gegen des andere aufstellen, beides ist wesenhaft, deshalb ist unser Leben ein Spurensuchen im Nebel.

Der einsame Baum

Caspar David Friedrich ist der Maler der Romantik, die noch im Alten und schon im Neuen verortet ist, eine Schwellen-, eine Grenzsituation, die den Blick zurück und den Blick nach vorne erlaubt.

Das Bild mit dem einsamen Baum oben ist nur auf den ersten, flüchtigen Blick eine Dorflandschaft bei Morgenbeleuchtung, die Darstellung einer ‚heilen, romantischen Welt‘, genau besehen ist dieses Denkbild eine scharfe Kritik an der Zeit, in der es entsteht, die Zeit um 1822. Die Schäferidylle ist in der immer mehr durch die industrielle Revolution geprägten Zeit, längst zu einem vergangenen Sehnsuchtsort geworden, die Natur ist nur mehr der Ressourcenlieferant der gefräßigen Industrie, die gar nicht genug von all den üppig vorhandenen Rohstoffen bekommen kann.

Aber was zeigt das Bild: Einen winzig kleinen Schäfer, der an dem riesigen Baum, eine „Deutsche Eiche“, stellvertretend für die Natur insgesamt, lehnt. Beides ist eine Einheit, die Natur bietet Schutz, wenn man es versteht sich unter ihre Fittiche zu begeben. Winzig ist der Mensch im Vergleich zu den erhabenen, riesig großen Natur. Ein Frevel ist es, sich über diese Natur erheben zu wollen, sie als Steinbruch seiner Gier zu begreifen.

Der Schäfer mit seinem Hirtenstab weidet seine Herde in der Wiese. Die Ebene wird durch Weiher mit Schwimmvögeln, Baum- und Buschgruppen sowie Wäldchen mit Häusern, aus deren Schornsteinen Rauchfahnen aufsteigen, belebt. In den Teichen spiegelt sich der Himmel. Am Abschluss der hell beleuchteten Ebene sind die Kirchtürme einer Stadtsilhouette zu sehen, dahinter steigen die dunklen Berge eines Mittelgebirges auf, dessen dunstiges Grau mit dem Blaugrau des Himmels verwandt scheint. All dies vom Menschen Gemachte, wirkt winzig gegenüber der Eiche im Mittelpunkt, beinahe nimmt man das Menschliche gar nicht war.

Es ist nicht nur die Schwelle zwischen Immanenz und Transzendenz, von der das Bild bestimmt wird. Das Überirdische kommt durch die Spiegelungen des Himmels im Teich oder die fernen Kirchen zum tragen. Ein Baumstumpf und die Ruine einer Burg können als Symbole der Vergänglichkeit gelten. Weit wichtiger aber ist die Darstellung des Umbruchs, noch steht die alte Eiche, ihre Wurzeln reichen weit in die Geschichte zurück, aber ganz Oben in Himmelsnähe beginnt sie schon abzusterben.

Meiner Meinung nach muß das Malen der Schwelle für Caspar David Friedrich nicht nur als das Malen des Menschen an der Todesschwelle verstanden werden, sondern auch als das Malen des menschlichen Lebens auf der Schwelle zwischen Immanenz und Transzendenz und zwischen Gestern und Morgen.

Nur wenn im Leben Immanenz und Transzendenz anwesend sind, ist es vollständig, denn der Sinn wohnt gleichermaßen in den Dingen, wie außerhalb von Ihnen, weil es keine von einander unabhängigen Dinge gibt. Dem entsprechend heißt Leben immer überschreiten der Schwelle in beiden Richtungen.

So sind seine Landschaftsbilder nicht nur ein Ausdruck romantischer Vergangenheitssehnsucht sondern auch eine Metapher seiner Suche nach dem Numinosen, so wie es Rudolph Otto verstehen würde. Wie klein, sterblich und verloren ist der Schäfer inmitten der Natur, niemand würde beim Betrachten der Bilder Caspar David Friedrichs auf die Idee kommen der Mensch könne Herrscher über die Natur sein.

Über all seinen Bildern steht das “Memento mori” und das Ringen um die geistige Welt – nicht das Aufladen materieller Güter in einer Scheinsicherheit des Lebens. All seine Bilder sind Hoffnungsbilder in Zeiten transzendentaler Obdachlosigkeit, wenn man sich nur mutig der Verlassenheit ausliefert, kann tiefes Leben gelingen.

Ruegen

Midgard das ist für Ihn Winter, Sturm, Dunkelheit, Kälte, Verlassenheit, Utgard, die spirituelle Welt ist jenseits der Grenze ist hindurchbrechendes Licht, geistige Heimat. Fast all seine Figuren auf den Bildern wenden uns Betrachtern den Rücken zu, sie wollen nicht uns gefallen, sie sind Suchende, die uns bestenfalls absichtslos mit in ihre Suche hineinziehen. Sie halten stille Andacht vor der Natur.

Steht jemand auf der Straße, schaut intensiv in eine Richtung, unwillkürlich tun wir es ihm gleich, auch wir wollen sehen, was es denn da Interessantes zu sehen gibt, wohin der Blick des Suchenden geht, der uns aber gar nicht weiter zu beachten scheint, irgendwann – meist recht schnell – geben wir auf, denn wir sehn nichts von dem, was wir erwarten, wir gehen weiter, der einsame Suchende bleibt indes unverwand stehen, das ist die Situation, die man in vielen Bildern Caspar David Friedrichs antrifft.

Winter

Nicht umsonst gilt sein Bild “Winter” von 1808 (das in der Neuen Pinakothek in München hing und leider 1931 verbrannt ist) als ein Schlüsselbild der Romantik. In diesem Bild wird die Ruine (es handelt sich um die Ruine des Klosters Eldena, die Friedrich dutzende Male gezeichnet und gemalt hat) zum zentralen Symbol. Das Menschenwerk – das Kloster, die Kathedrale der Stille – geht wieder eine Einheit mit der Natur ein, der Kreislauf ist geschlossen, Werden und Vergehen gehören zusammen. Der einsam wandernde Mönch, der beschwerlich durch den Schnee unbeirrbar seinen Weg geht, ist auf dem Weg zur Schwelle, von Midgard nach Utgard. Der mittlere Bereich ist der von Dunkelheit umfangene, aber von weiter weg kann der Wanderer schon das Licht der geistigen Welt erahnen, die ihm auch den Vordergrund schon erleuchten hilft. Die Natur ist nur kalt zu dem, der sich von ihr abgewendet hat, von ihr entfremdet ist.

Der Wanderer ist unbeirrt von der Hoffnung getragen, dass er hindurchkommt durch die Dunkelheit des “Abendlandes” zum spirituellen Licht des Morgens, jenseits des Winters.

Caspar David Friedrich ist ein Meister der Denkbilder, das kann einen nicht verwundern, wenn man sich seine eigenen Worte ins Gedächtnis ruft: “Schließe dein leibliches Auge, damit Du mit dem geistigen Auge zuerst siehest dein Bild. Dann fördere zu Tage, was du im Dunkeln gesehen (…) Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.” (zit. nach Ekkehard Meffert, siehe Insel Bibliothek)

Caspar David Friedrich hat man immer im Kontext der Romantik interpretiert als einen ewig Gestrigen, der untergegangenen Welten nachhängt und in seinen Bildern die Verlassenheit des Menschen und seine Todessehnsucht thematisiert.

Sollte man ihn nicht viel eher als einen ökosophischen Arbeiter an der Transzendenz, die der Natur immanent ist, als den Bewahrer des spirituellen Reichtums der Welt wahrnehmen, als jemanden der die Erde liebt und in Harmonie in und an ihr arbeiten will.

In seiner Mönchszelle, seinem Atelier hat er Bilder erdacht und gemalt, die unbedingt in die Bibliothek überzeitlicher Werke gehören, weil sie von einem unterirdischen Fluss getragen werden, der unser Herz immer wieder erreicht, egal wie verloren wir durchs All treiben.

MalerMönch

Mensonen – Gedanken zur geistigen Welt

Notwendige Vorbemerkungen:

Mensonen sind ein Postulat, lassen sich aufgrund ihrer Wirkungen nur erahnen, nicht direkt nachweisen und können, so wie bisher auch in ähnlichen Bereichen üblich, die über die energetisch-materielle Welt hinausweisen, durch Experimente und deren statistischen Auswertungen zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit kommen.

Mensonen sind ein Transformationsmodell, das ohne energetisch-materielle Trägerschicht auskommt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass dies unmöglich ist, obwohl wir nach dem physikalischen Standardmodell keinerlei Möglichkeiten besitzen, auf direktem Weg diese Informationsschichten zu erforschen, uns bleibt nur die Möglichkeit auf indirektem Weg diese Welten zu erforschen. Aber was wären wir ohne Möglichkeiten.

Ein Beispiel aus der Physik: Die Quantenverschränkung existiert und ist zwischenzeitlich eineindeutig experimentell nachgewiesen. D.h. wenn ich bei zwei miteinander verschränkten Quanten, den Zustand eines der beiden Quanten ändere, z.B. seine Polarisation, dann ändert sich instantan – also ohne Zeitverzug – die Polarisation des anderen, mit ihm verschränkten Quants. Also wird ohne Zeitverzug eine Information von Quant A  zu Quant B übertragen. Hier kann kein energetisch-materieller Träger beteiligt sein, da dies nach Einsteins Grundsatz (keine Information kann schneller als mit Lichtgeschwindigkeit übertragen werden) unmöglich wäre.

Trotzdem ändert sich durch die Information, die von Quant A ausgeht, der Zustand von Quant B instantan, ohne Zeitverzug. Diese Information, die diese „spukhafte Fernwirkung“ (Einstein/Podolsky/Rosen) verursacht, nenne ich ein Mensonen-Phänomen.

Personen, die in der Menschheitsgeschichte große Erfindungen zum Wohle der Menschheit gemacht haben, haben nicht nur über jeweils gegenwärtige Fakten nachgedacht, sondern sind über das aktuell mit der Vernunft klar Benennbare immer weit hinausgegangen, so haben sie das Neue in die Welt gebracht, das Mögliche wirklich werden lassen. Ihre Motivation waren die Möglichkeitswelten nicht die vielfältig ideologisch korrumpierten Sichtweisen auf die Wirklichkeit.

Diese Vorbemerkung sollte eigentlich genügen, um über Mensonen und der aus ihnen entstehenden geistigen Welt nachzudenken. Wir denken nie über das Nichts nach, sondern wir denken über etwas nach, das aus dem Nichts entstanden ist und über den Umweg dieses etwas denken wir über das Nichts nach und seine Möglichkeiten. Fakten gehen Möglichkeiten und Entscheidungen voraus, unser Blick auf die Fakten ist keine Sackgasse sondern ein Tor zur Möglichkeitswelt.

Ausgehend von diesem Denkbild denken wir schon recht lange über Energie und Materie nach, sehr selten aber über das, was diesen beiden Konzepten vorausgeht, was sie zu dem hat werden lassen, was sie sind: Energie und Materie als Fakten. Mensonen – Gedanken zur geistigen Welt weiterlesen

Interview mit Putins Vordenker

Sergej Karaganow war einer der Ideengeber für die Ukraine-Invasion. Er sieht viele Verlierer und einen Gewinner – der allerdings nicht Putin heißt.

Der Politikwissenschaftler Sergej Karaganow ist ein einflussreicher Stratege der russischen Außen- und Sicherheitspolitik. Von ihm stammen wichtige Ideen, die zum Krieg gegen die Ukraine führten. Der Präsident des Rats für Außen- und Sicherheitspolitik in Moskau steht in enger Verbindung mit Putin und Außenminister Sergej Lawrow.

Das Interview, das im Tagespiegel abgedruckt wurde, erscheint mir recht interessant, ihr findet es unter folgendem Link: Interview

Wie schaltet man unliebsame Kritik nachhaltig aus?

Durch Propaganda, die man nicht als solche erkennt. Das ist das Geheimnis einer erfolgreichen Propaganda!

Man gibt vor, offen, tolerant und nur der Wahrheit verpflichtet zu sein, deshalb lädt man großzügig einen Gesprächspartner, der eine andere Meinung vertritt als man selbst, zu einem ergebnisoffenen Streitgespräch ein. Immer lädt nur der ein, der den Meinungskorridor als dessen Meinungsführer beherrscht und seine Macht für die Zukunft absichern und ausbauen will. Der umgekehrte Fall tritt fast nie auf.

Der Meinungsführer verlässt im Streitgespräch sehr schnell die sachliche Ebene und beginnt die persönlichen Eigenschaften des Gegenübers zu kritisieren, anstatt seine Argumente zu widerlegen. Aus den negativ charakterisierten Eigenschaften des Gegenübers soll der Zuhörer automatisch auf die Unwahrheit der geäußerten Meinung schließen.

Der Meinungsführer setzt Behauptungen in die Welt ohne sie belegen zu können, um den Gesprächspartner zu diskreditieren. Selbst wenn sich die Behauptung als sachlich falsch herausstellen sollte, wird sie vom Meinungsführer bis zum Erbrechen wiederholt, meist in Form eines einfachen und eingängigen Slogans oder eines politischen Schlagworts wie Verschwörungstheoretiker. Diese Behauptung wird so oft wiederholt, bis sie als Wahrheit akzeptiert wird oder niemand mehr widerspricht.

Ein gutes, aktuelles Beispiel sind die NachDenkSeiten von Albrecht Müller. Wer einen Artikel auf diesen Seiten lesen will, informiert sich zuerst bei Wikipedia. Bei Wikipedia hat der „kritische Zeitgenosse“ das Gefühl objektiv informiert zu werden, er kann entscheiden, ob sich für ihn die Lektüre überhaupt lohnt oder ob er nur wieder mit Propaganda, Fehlinformationen und haltlosen Verschwörungstheorien behelligt wird.

Ohne es wirklich zu merken, wird der „kritische Zeitgenosse“ durch eine perfekte Propagandastrategie manipuliert, die mit dem pejorativen Reizwort „Verschwörungstheorie“ arbeitet. Selbst wenn er noch Artikel auf den NachDenkSeiten anliest, wird er unterbewusst überall nach Bestätigungen der Wikipedia-Einschätzung suchen und dem Berichteten keinen Glauben mehr schenken.

Die „seriöse Autorität“ von Wikipedia hat im „kritischen Zeitgenossen“ einen unauslöschlichen Zweifel gesät, damit ist die seriöse kritische Berichterstattung bei den NachDenkSeiten nachhaltig vernichtet, denn in Wikipedia ist zu lesen: „NachDenkSeiten mit dem Untertitel Die kritische Website ist ein deutsches Watchblog, auf dem politische und gesellschaftliche Themen kommentiert werden.
Ursprünglich als wichtiger Bestandteil einer „Gegenöffentlichkeit“ gelobt, verbreitet die Seite in den letzten Jahren jedoch vermehrt Verschwörungstheorien, etwa zur Ukraine-Krise seit 2014 oder zur Corona-Pandemie.
Herausgeber ist der ehemalige SPD-Politiker Albrecht Müller, der auch zahlreiche Beiträge liefert.“

Der gesellschaftspolitische Schaden, den eine derartig gut versteckte Propaganda nach sich zieht, ist kaum zu überschätzen, nehmen wir wieder ein aktuelles Beispiel aus dieser Webseite:
Am 28. April 2022 um 16:36 konnte man auf den NachDenkSeiten einen Artikel finden mit dem Titel: „Wie sähe der von vielen befürchtete nukleare Krieg aus? Mit großer Sicherheit wären wir betroffen“

In diesem Artikel wird ein Interview verlinkt, das man in Deutsch auf https://seniora.org/politik-wirtschaft/nuklearkrieg-mit-russland finden kann. In dem Interview diskutiert der seit Jahrzehnten tätige US-amerikanische Journalist Robert Scheer mit dem Atomwaffenexperte Ted Postol über die möglichen Folgen, wenn sich der Krieg in der Ukraine zu einem Atomkrieg zwischen USA/NATO und Russland ausweitet. Mit Sicherheit wäre die US-Air Base Ramstein ein Primärziel. Ihre herausragende militärische Bedeutung wurde durch das von Pentagon-Chef Austin dorthin einberufene Treffen wieder einmal überdeutlich. Was dann nicht nur in Ramstein passieren würde, geht aus dem  Interview hervor.

Was bewirkt die Propaganda-Methode, die man bei Wikipedia zu den NachDenkSeiten nachlesen kann? Der „kritische Zeitgenosse“ hat Zweifel, schließlich werden die Artikel und Links auf den NachDenkSeiten von der „unabhängigen“ Wikipedia Enzyklopädie als Verschwörungstheorien bewertet. Soll er den Artikel dann überhaupt lesen? Er beschließt wenigstens mal kurz in das Interview reinzulesen. Aber er ist ja bereits negativ gebrieft, er sucht also unbewusst nach einer Bestätigung der Einschätzung von Wikipedia, dann endlich trifft er auf die Formulierung „tiefer Staat“, der Beweis ist erbracht, es handelt sich um eine Verschwörungstheorie, denn schließlich kommt der „tiefe Staat“ nur in der Szene der Verschwörungstheoretiker vor. Er sieht sich bestätigt und kann ohne weiterzulesen das Interview wegklicken, die Welt ist wieder in Ordnung, die Fakten müssen nicht mehr zur Kenntnis genommen werden, weil, es sind ja keine Fakten sondern nur Fakenews, die Kritik ist bei dem „kritischen Zeitgenossen“ erfolgreich abgeschaltet.

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Die große Kunst, ein kleines Haus zu bauen

„Häuser sind gebaute Gedanken“, deshalb lohnt es sich so sehr, gute alte Häuser zu studieren. In seinem Filmportrait hat Dieter Wieland (Unser Dorf soll hässlich werden) dem Architekten, Kreisbaumeister und Heimatpfleger Karl Roman Schmid ein bleibendes Andenken geschaffen (https://www.youtube.com/watch?v=Ypiz4o-aziU).

In Zeiten, in denen der individuelle „Fußabdruck“ jedes Menschen wieder in aller ökologischen Munde ist, lohnt es sich, solcher Ausnahmegestalten wie Karl Roman Schmid zu gedenken, die schon viele Jahre vor dem ideologischen Meinungskampf sich im täglichen Leben für das ökologisch Richtige eingesetzt haben.

Am 28. April 2017 ist Karl Roman Schmid im Alter von 82 Jahren verstorben. Als Kreisbaumeister hatte er sich fast 30 Jahre lang für ein sensibles und maßvolles Bauen im Landkreis Miesbach eingesetzt. Der Landkreis Miesbach hat einen ebenso hartnäckigen wie geachteten Kämpfer für den Erhalt der Heimat verloren.

Architekt, Ästhet, Kämpfernatur: Karl Roman Schmid hat all dies in seiner Person vereint. Und so war der einstige Kreisbaumeister am Landratsamt Miesbach bei vielen Architekten-Kollegen und Bauherren nicht nur geachtet, sondern auch gefürchtet. „Er war sehr entschlossen. Nie hatte er Angst, sich in die Nesseln zu setzen“, sagt Angela Brogsitter-Finck. Die Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT), die heute einen ähnlichen Kampf gegen Bausünden führt, wie es vormals Karl Roman Schmid getan hat, zollt dem Verstorbenen höchsten Respekt. Und drückt es doch ganz lapidar aus: „Mit ihm war nicht gut Kirschen essen.

Karl Roman Schmid hatte sein Studium der Architektur an der Technischen Universität München absolviert. Hier war er auch Assistent am Lehrstuhl für Entwerfen, Sakralbau und Denkmalpflege bei Professor Wiedemann, ehe er am 1. Januar 1971 in Miesbach das Amt des Kreisbaumeisters antrat. Als solcher sollte er eine Vielzahl an bleibenden Spuren im Landkreis hinterlassen.

„Der Landkreis verdankt ihm so viel. Wir werden immer an ihn denken“, erklärte Landrat Wolfgang Rzehak am Freitag anlässlich des Todes von Karl Roman Schmid, der mit seiner Frau lange Zeit in seinem idyllischen Häuschen in Geitau (Gemeinde Bayrischzell) gelebt hatte.

29 Jahre lang war Schmid Kreisbaumeister. Während seiner beruflichen Laufbahn – aber auch später noch in der Funktion des Kreisheimatpflegers – habe er sich stets für „anständiges, sensibles, geschichtsbewusstes und vor allem maßvolles Bauen“ eingesetzt, heißt es in der Pressemitteilung des Landrats. Meist kämpfte er dabei erfolgreich gegen die Widerstände von Bauherren, Planern und Gemeinden an. Daumen hoch, Daumen runter – das Wort Schmids hatte Gewicht.

Das zeigt dieses Beispiel ganz deutlich: Bis zum Antritt von Karl Schmid war die Dachlandschaft im Landkreis braun. Danach färbten sich immer mehr neue Dächer rot. Selbst die in ganz Deutschland bekannte Firma Braas habe sich vom beharrlichen Einsatz des Miesbacher Kreisbaumeisters überzeugen lassen und schließlich die Betonpfanne in der Farbe „Miesbach Rot“ erfolgreich auf den Markt gebracht, heißt es in der Würdigung des Landrats.

„Alles achten und bewahren, Neues sensibel und mit Rücksicht auf die Umgebung bauen“ – das war das Credo von Karl Roman Schmid. Im Jahr 2012 erhielt der Mann mit der eindrucksvollen Löwenmähne für sein Lebenswerk die Denkmalschutzmedaille des Landkreises für sein Lebenswerk. Bereits zuvor war er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. „Persönlichkeiten wie ihn“, sagt Brogsitter-Finck, „gibt es heute fast nicht mehr“.

Quelle: https://www.merkur.de/lokales/region-miesbach/bayrischzell-ort28350/miesbachs-ehemaliger-kreisbaumeister-karl-roman-schmid-ist-tot-8259545.html

Wann beginnt die Mitschuld

Hannah Arendt hat immer klar unterschieden zwischen denen, die den Faschismus durch vorauseilenden Gehorsam aktiv unterstützt haben und denen, die auch im Faschismus versucht haben, ihre Freiräume maximal auszuschöpfen, um das Humanum soweit es irgend möglich war, zu bewahren.

Wer zulässt, dass unsere freiheitlich, demokratische Grundordnung mit fadenscheinigen Argumenten zerstört wird, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er dem Weg in die Diktatur den Boden bereitet.

Wer das für Hysterie hält,  muss sich den Vorwurf der Geschichtsvergessenheit gefallen lassen.  Der Weg in die Diktatur fängt nie mit dem Endergebnis an, sondern mit kleinen, unmerklichen Schritten, die es zu erkennen gilt.

Jeder hat die Möglichkeit sich umfassend zu informieren, niemand kann für sich das Argument geltend machen, dass man ja nicht wusste, was passiert, jeder kann es wissen.

Jeder macht sich mitschuldig, keiner kann eine Ausrede finden.

Wollt ihr eigentlich am Morgen noch mit reinem Gewissen in den Spiegel sehen?

Auf jeden, der seine Stimme erhebt, kommt es an und es gibt tausend Möglichkeiten NEIN zu sagen, nutzt diese Möglichkeiten!

Der autoritäre Planet

„Im Kampf gegen Machtkonzentration, Demokratieabbau und Totalüberwachung reicht Empörung allein nicht aus“, skizziert Elitenkritiker Rainer Mausfeld im Rubikon-Exklusivinterview.

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Angst vor der Materie!


Warum wir unsere Angstmechanismen weiterentwickeln müssen, ein paar Überlegungen dazu in sechs Abschnitten.

1. Ein Blick zurück nach vorn

2. Tuis im Demokratiemanagementfieber

3. Der neoliberale Umbau der Gesellschaft

4. Wie geht es weiter?

5. Was sind eigentlich Tuis für Wesen?

6. Conclusio


1. Ein Blick zurück nach vorn

Vor circa 35 Jahren, also mit Beginn des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft, habe ich mal einen inzwischen verschollenen Text mit dem Titel “Angst vor der Materie“ geschrieben und der ging meiner Erinnerung nach etwa so:

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Das Verbot des Denkens

„Es wird gar nicht lange dauern, wenn man das Jahr 2000 geschrieben haben wird, da wird nicht ein direktes, aber eine Art von Verbot für alles Denken von Amerika ausgehen, ein Gesetz, welches den Zweck haben wird, alles individuelle Denken zu unterdrücken.

Auf der einen Seite ist ein Anfang dazu gegeben in dem, was heute die rein materialistische Medizin macht, wo ja auch nicht mehr die Seele wirken darf, wo nur auf Grundlage des äußeren Experiments der Mensch wie eine Maschine behandelt wird. […]

Man muß eben wissen, daß in allem Materiellen Geistiges ist und daß durch die Erkenntnis des Geistes auch nur allein das Materielle geheilt werden kann. Aber das soll ausgeschaltet werden, das Geistige, von der ganzen Welt.

(Es) werden Gesetze erlassen werden, auf denen nicht direkt stehen wird: Das Denken ist verboten, aber die die Wirkung haben werden, daß alles individuelle Denken ausgeschaltet wird. Das ist der andere Pol, dem wir entgegen arbeiten. […] das, was ich geschildert habe, das steckt in der Entwickelung des Westens, und das wird kommen durch die Entwickelung des Westens.

(In) einigen Jahren wird eine Unterdrückung des Denkens in größtem Maßstabe auf der Welt losgehen, in weitestem Umfange. Und in diese Perspektive hinein muß gearbeitet werden durch Geisteswissenschaft.

Es muß soviel gefunden werden — und es wird gefunden werden —, daß ein entsprechendes Gegengewicht gegen diese Tendenzen da sein kann in der Weltenentwickelung. […]oftmals, wenn man Leute fragt, ob sie denn nun wirklich so zufrieden sind damit, daß sie gewisse Zeremonien und Handgriffe lernen, Zeichen lernen, daß sie sehen, daß gewisse symbolische Handlungen um sie herum (in der Realität) vollbracht werden, dann sagen sogar viele: Ach ja, wir sind gerade damit zufrieden, dann braucht man sich nichts Besonderes bei den Sachen zu denken, dann kann jeder die Auslegung haben, welche er will. […] Es ist manchmal so, daß es dem gebildeten Menschen ungemein trivial vorkommt, aber es ist ungeheuer wirksam.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung: GA167 / 98ff

Das Grundgesetz verteidigen: Wie geht das?

Ein Kommentar von Anselm Lenz (Herausgeber der Wochenzeitung Demokratischer Widerstand)

Die »zweite Welle« bricht über uns herein und jede Frau und jeder Mann weiß es oder kann es wissen: Um unsere Gesundheit geht es dabei nicht. Wir sollen isoliert und gleichgeschaltet werden. Nun heißt es, sich mit Strategien des Überlebens im Neofaschismus unter Corona auseinanderzusetzen.

Zunächst einmal sei die Frage beantwortet, worin wir uns befinden. Dies kann derzeit nur unter der Voraussetzung einer echten Ermittlungshypothese geschehen. Wir finden uns unter »Corona« an einem Punkt der Geschichte wieder, in dem ein angeschlagenes Imperium einen totalitären Griff zur Macht unternimmt, um das eigene Herrschaftssystem absolut zu setzen. Die Offensive, die man auch als Dritten Weltkrieg bezeichnen kann, richtet sich diesmal gegen die eigene Bevölkerung. Das angeschlagene US-Imperium ist hochverschuldet und nimmt die Bevölkerung in seinem gesamten Herrschaftsbereich demnach in Geiselhaft.

Mit den Corona-Maßnahmen ist also zuerst die US-amerikanische Bevölkerung gemeint, die an ein drastisches Absinken ihres Lebensstandards im Schock-Verfahren gewöhnt und zugleich diszipliniert werden soll. Eine Rückkehr zu Freiheitsrechten und Demokratie ist dabei für kein Land der Erde eingeplant, sondern eine neofaschistische Weltherrschaft, für die Staaten und amerikanische Technikkonzerne verschmolzen werden. Durch die Einführung einer neuen weltweiten Digitalwährung sollen schließlich alle Geldströme an ein US-amerikanisches Tributsystem angeschlossen und das US-Handelsdefizit gestrichen werden. Das Grundgesetz verteidigen: Wie geht das? weiterlesen

Modellbildungen mit Möglichkeitsräumen

„Gerade bei stehendem Wasser […] bleibt das
Schiff des Gedankens nicht liegen. Denn es
kommt darauf an, daß Bewegung wie Ruhe
modellhaft in Beziehung gebracht werden.“

Ernst Bloch, Tendenz, Latenz, Utopie

In der Ruhe liegt die Kraft –  sagt ein Sprichwort, aber welche Kraft kann hier gemeint sein? Ist es das Tiefe, das Brodelnde, das unter der glatten Oberfläche sich zum Ausbruch bereit macht?

Wie und was es auch sei – es ist das Unabgegoltene, das uns zeitlebens niemals loslässt, was wir glauben zu verstehen, findet nicht mehr unser Interesse.

Um ICH-KRAFT zu entwickeln  bauen wir ständig an unserem Selbstmodell, ein Modell, das wir mit Steinen erbauen, die wir beim fortwährenden Durchstreifen unserer Möglichkeits­räume wieder und wieder finden und aufdecken.

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Öko darf nicht nur Lifestyle der Besserverdienenden sein.

Profit triumphiert über Gemeinwohl, Verschleiß über umweltbewusstes Wirtschaften. Die Müllberge wachsen, die Vergiftung der Böden, des Grundwassers und der Meere erreicht bedrohliche Ausmaße. Gerade Ärmere sind in besonderem Maße betroffen. Sie wohnen meist an den lautesten Straßen mit der schlechtesten Luft. Haben im Beruf öfter mit gesundheitsgefährdenden Substanzen zu tun und müssen beim Einkauf ihrer Lebensmittel besonders auf den Preis achten.

Wir stehen auf. Für naturverträgliches, klimaschonendes Wirtschaften, dass Mensch, Natur und Tier nicht Profiten unterordnet. Für Investitionen in zukunftsfähige Jobs, in Bildung und Verkehr. Für eine ökologische Wende, die nicht bloß Lifestyle der Besserverdienenden ist und zu mehr Ungleichheit führt.

Mach mit: aufstehen.de #aufstehen

Fürst Pjotr Alexejewitsch Kropotkin

Heute möchte ich mit meinem Beitrag des Schriftstellers, Wissenschaftlers und Anarchisten Petr Kropotkin (1842-1921) gedenken, der bis heute als einer der einflussreichsten Vertreter des kommunistischen Anarchismus gilt. Obwohl dem russischen Hochadel entstammend, engagierte er sich ein Leben lang für die Befreiung der Menschheit von Unterdrückung, Ausbeutung und Ungleichheit.

Gleichzeitig möchte ich die Frage aufwerfen, ob man Begriffe – wie Anarchie – die hochgradig belastet sind durch die Geschichte, die ihnen widerfahren ist, weiter benutzen soll. Vielleicht um die Erinnerung an Inhalte wachzuhalten und um sich gegen interpretatorische Zweckentfremdungen zu wehren…

„Der Anarchismus ist eine Weltanschauung, die auf einer […] kinetischen […] Erklärung aller Naturerscheinungen beruht und die gesamte Natur umfaßt – inbegriffen das Leben der Gesellschaft. Seine Forschungsmethode ist die der exakten Naturwissenschaft, bei welchem jede wissenschaftliche Folgerung verifiziert werden muß. Sein Ziel ist die Begründung einer synthetischen Philosophie, welche die Äußerungen des gesamten Naturlebens erfaßt – mit eingeschlossen das Leben der menschlichen Gesellschaft mit ihren wirtschaftlichen, politischen und sittlichen Problemen.“

Die Frage ist: „Welche sozietären Formen gewährleisten für eine gegebene Gesellschaft und darüber hinaus für die Menschheit im allgemeinen die größte Summe an Glück und folglich auch die größte Lebenskraft? Welche Formen der Gesellschaft erlauben dieser Summe an Glück, qualitativ und quantitativ zu wachsen und sich zu entwickeln, d.h. vollständiger und allgemeiner zu werden?“

Petr Kropotkin, Anarchismus und Wissenschaft

Ein paar grundsätzliche Überlegungen vorab:

Gefährliche Ideen – im Hinblick auf die herrschenden Eliten einer Gesellschaft – sind eigentlich immer mit bestimmten Begriffen verbunden, die sich in der Geschichte erst durchgesetzt und dann etabliert haben.

In dem sich immer mehr verfeinernden Meinungsmanagement der herrschenden Eliten hat sich ein grundsätzlicher Mechanismus herausgebildet, wie mit gefährlichen Begriffen, die auf gefährliche Ideen verweisen, umzugehen ist. Dieser Mechanismus funktioniert so, dass Begriffe aus ihrem angestammten Kontext herausgelöst werden, um sie mit neuen Inhalten zu füllen.

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Thukydides und die Air Base Ramstein

Das Recht des Stärkeren

Der griechische Historiker Τhukydides (454 – 396 v.u.Z.) schrieb die Geschichte des Peloponnesischen Krieges (431- 404 v. Chr.) zwischen Athen (Seemacht) und Sparta (Landmacht) auf. Durch seine Darstellung wurde der Peloponnesische Krieg zum Inbegriff des Krieges aller Kriege. Der Krieg endete mit der totalen Niederlage von Athen und er beendete das Goldene Zeitalter von Perikles, dessen Name fest mit dem Ausbau der Attischen Demokratie, der Sicherung der Vormachtstellung Athens im Attischen Seebund und mit der Durchführung glanzvoller Bauprojekte auf der Athener Akropolis verbunden ist.

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„Wo immer etwas fehlerhaft ist, ist es zu groß“

Gedanken zum „Anti-Leviathan“ und zum Lebenswerk Leopold Kohrs an einem verregneten 2. Advent.

Millionen Menschen weltweit singen es jedes Jahr, in vielen Dutzend Sprachen. Und weltweit wissen nur wenige, woher es kommt. Leopold Kohr verwandelte ab 1939 das auch in Nordamerika sehr populäre Weihnachtslied zur publizistischen Waffe gegen jene, die die Republik Österreich im Frühling 1938 beim „Anschluss“ ausgelöscht hatten.

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Der Baukasten am Rande des Universums!

Die Zeiten der Letztbegründungen sind definitiv vorbei, auch wenn unser Gehirn „letztlich“ gerne Eindeutigkeit herstellen möchte, macht uns selbst der Strickstrumpf-Psychologe in der Bäckerblume oder der Apotheken-Rundschau einen Strich durch die Rechnung. Auf dem Jahrmarkt der Werte erwerben wir immer wieder ein schlüssiges Konzept, nicht ohne uns gegen ein anderes Angebot entschieden zu haben. Mit diesem neuerworbenen Konzept sind wir eine Weile unterwegs, um dann dieses entweder zu modifizieren oder gegen ein neues einzutauschen.

Das Zauberwort heißt Viabilität, also bewährt sich ein Wertkonzept im Alltag oder nicht, ist es zielführend, aber was passiert, wenn die Ziele selbst erst im Entstehen begriffen sind.

Die zwangsökonomisierte Jetztzeit kennt nur ein Ziel, den ökonomischen Erfolg. Aber das richtige Haushalten, worauf der griechische Hintergrund dieses Ziels hinweist, bedeutet eigentlich nur, dass wir die Bausteine unseres Lebens akzeptieren, als unser Selbst auswählen und daraus immer wieder neue Landschaften zubauen bereit sind. Dabei bewegen wir uns auf ein Ziel, einen Horizont, zu, der selbst noch gar nicht vorhanden, vorhersagbar und als Möglichkeit bekannt ist. Die Zukunft ist nicht prognostizierbar, sie lässt sich nur provozieren. Kurz: Das Ziel ist immer prinzipiell im Werden begriffen und klärt sich nicht durch die Bausteine des Vorhandenen.

Wir brauchen eine Wissenschaft vom Leben in der Unbestimmtheit – ein und der gleiche Umstand kann in verschiedenen Konstellationen, Funktionszusammenhängen, verschiedene Bedeutungen annehmen, den Sachverhalt an-sich gibt es nicht, es gibt nur ein Denken aus und zwischen verschiedenen Beobachtungsperspektiven.

Wer beobachtet entscheidet sich – aus der Superposition wird ein klares Interferenzmuster – er legt Wert auf das Eine und nicht auf Alles, er entscheidet sich das Eine zu tun und damit lässt er das Andere. Mit dem aktiven Beobachter wird auch die aktive Wertkollision eingeführt.

Mit Unverstandenem zu leben und damit weiterzuarbeiten haben uns die Physiker der Quantenphysik voraus. Das Normale als das Unbegreifbare und das Unmögliche als das Normale zu sehen, ist die Umwertung aller Werte im 21. Jahrhundert und für eine systemtheoretisch geschulte Philosophie, die auf dem avanciertesten Standpunkt steht, die ironisch, humoristisch korrekte Gangart.

Mit dem Unverstandenen geht allerdings nicht die Beliebigkeit einher, auch an dieser muss der Zweifel als Ausdruck intellektueller Redlichkeit immer wirken.

Auf die großen Geister können wir genauso verzichten, wie auf die bewusstlosen Vollpfosten. Die Evolution wird’s richten durch Variation und Selektion, die Auflösung von ehernen Systemkonstrukten und einer Neukombination aller Bestandteile macht Mosaiken möglich, die die Welt so noch nicht gesehen hat, auch wenn die farbigen Steine schon in römischen Thermen verwendet wurden.

Die Superposition von elektromagnetischen Teilchen ist nur die Voraussetzung von Strukturen, die die Interaktion zwischen Beobachtern einfrieren lässt – für einen Moment – dann geht der Aufmerksamkeitsstatus zurück, dann schwingt alles in die Superposition zurück, das ist das Großartige an unserem Wohnort am Rande des Universums.

Für uns bleibt die ständige Frage, kann ein selbst erst werdendes Ziel bereits auf unsere Gegenwart eine Zugkraft, quasi von der Zukunft in die Gegenwart hinein, verursachen? Dass wir im Doppelstrom der Zeit floaten, zwischen Vergangenheit und Zukunft ist eine Binsenweisheit, hilft uns aber zu leben, weil wir Bausteine neu zusammensetzen können, der Baukasten bietet dem unbefangenen Kind unendlich viele Möglichkeiten, warum uns sogenannten Erwachsenen nicht mehr? Weil wir  zu viele Varianten als von vorne herein unsinnig ausschließen, ohne sie jemals im Spiel aufgebaut zu haben.

Friedensvertrag mit der Natur

Wir müssen einen Friedensvertrag mit der Natur anstreben, der einzig schöpferischen übergeordneten Macht, von der der Mensch abhängig ist.

Friedensvertrag mit der Natur

1. Wir müssen die Sprachen der Natur lernen, um uns mit ihr zu verständigen.

2. Wir müssen der Natur Territorien zurückgeben, die wir uns widerrechtlich angeeignet und verwüstet haben, z.B. nach dem Grundsatz: Alles, was waagrecht unter freiem Himmel ist, gehört der Natur.

3. Toleranz der Spontanvegetation.

4. Die Schöpfung des Menschen und die Schöpfung der Natur müssen wiedervereinigt werden. Die Entzweiung dieser Schöpfung hatte katastrophale Folgen für die Natur und den Menschen.

5. Leben in Harmonie mit den Gesetzen der Natur.

6. Wir sind nur Gast der Natur und müssen uns dementsprechend verhalten. Der Mensch ist der gefährlichste Schädling, der je die Erde verwüstet hat. Der Mensch muß sich selbst in seine ökologischen Schranken zurückweisen, damit die Erde sich regenerieren kann.

7. Die menschliche Gesellschaft muß wieder eine abfallose Gesellschaft werden. Denn nur der, der seinen eigenen Abfall ehrt und wiederverwertet in einer abfallosen Gesellschaft, wandelt Tod in Leben um und hat das Recht, auf dieser Erde fortzubestehen, dadurch, daß er den Kreislauf respektiert und die Wiedergeburt des Leben geschehen läßt.

Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt,
1998, in: Schöne Wege, Seite 274

Philosophisches Abendgespräch

Die „Eule der Minerva beginnt erst mit der
einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“
G. F. Hegel, Grundlinien der
Philosophie des Rechts, S. 14

Thema des heutigen Abendgesprächs ist:
Von seinen Feinden lernen

Als es in Deutschland Ende der siebziger Anfang der achtziger Jahre noch eine Friedensbewegung gab, die Ihren Namen wirklich noch verdient hatte, gab es einen weitverbreiteten Autoaufkleber, auf dem war zu lesen:

„Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin … “

Auch bei diesem Aufkleber funktioniert wieder die Grundkonstruktion erhellenden Denkens: Ändere die Perspektive und vieles wird schlagartig klar.

Nicht alles, was dem massenhaft verbreiteten, sogenannten gesunden Menschenverstand unmittelbar einleuchtet, muss auch noch Bestand haben, wenn wir es mit der Grundhaltung einer wahrhaftigen, intellektuellen Redlichkeit genauer betrachten.

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Raus aus der Gefangenschaft der Merkel-Politik!

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Von Antje Vollmer und Peter Brandt
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Es gibt für die SPD wohl keinen direkten Weg ins Kanzleramt: Wer Mehrheiten für eine linke Politik erreichen will, muss dem Mainstream etwas entgegensetzen – statt ihm hinterherzulaufen. Ein Appell.

Die Ergebnisse der drei letzten Landtagswahlen in Deutschland sind so klar wie nüchtern zu interpretieren. Auch der größte Optimist begreift: Es führt derzeit kein direkter Weg eines Sozialdemokraten ins Kanzleramt – und kein Weg der politischen Linken zurück zu gesellschaftlichen Mehrheiten.

Innerhalb der SPD gab es zwar einen kurzen kostbaren Moment lang die Illusion einer veränderten Lage, sie beruhte jedoch auf einem Missverständnis: Die Euphorie bei der Ausrufung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten war leichtfertig als lang ersehnte Übereinstimmung mit der Politik der SPD gedeutet worden – sie war aber als Aufforderung gemeint. Viele Menschen wollten wirklich, dass es „ganz anders“ wird. Sie wollten einen „deutschen“ Bernie Sanders.

Es war das Aufflackern einer Hoffnung, die ewige große Koalition könnte endlich ein Ende haben. Es ging wahrlich nicht um den kleinsten Nenner, dass ein Martin Schulz eine Angela Merkel an der Spitze des immer gleichen Politikmodells ersetzt, das nun seit Jahren als alternativlos beweihräuchert wird.

Wer das erkennt, begreift zugleich, dass er einen anderen, risikoreicheren Weg wählen muss, um in Zukunft gesellschaftliche und dann auch parlamentarische Mehrheiten zu gewinnen, und zwar diametral entgegengesetzt zum derzeit vorherrschenden Mainstream. Er weiß auch, dass er die Angst verlieren muss, Angela Merkel im Palast ihrer unantastbaren Selbstbezüglichkeit direkt anzugreifen. Er muss sich aus der babylonischen Gefangenschaft der ungekrönten Herrscherin Europas und ihres Lordsiegelbewahrers Schäuble endlich selbst befreien.

Das Wort „Reform“ wurde zum europäischen Alptraum

Und dafür gibt es gute, vor allem außenpolitische Gründe: Von den hiesigen Leitmedien fast unbemerkt, hat sich das Bild der Deutschen in Europa in der Ära Merkel besorgniserregend verschlechtert. Je selbstbewusster die Bundesregierung in Brüssel dominiert, umso mehr ist sie verhasst. Das gilt nicht nur für Griechenland, Spanien und England, selbst in Frankreich war Abgrenzung von Deutschland für alle Präsidentschaftskandidaten wahlentscheidend. Der politische Kredit, den Jahrzehnte einer auf gegenseitigem Respekt, nationaler Selbstbescheidung und ökonomischem Interessenausgleich beruhenden deutschen Europapolitik bis zur Jahrtausendwende angehäuft hatte, ist aufgezehrt.

Die schwarze Pädagogik, mit der Wolfgang Schäuble seine Zuchtmeisterrolle vertritt, wirkt bigott. Die schnelle Taktzahl von Telefonaten der Kanzlerin, Speeddatings mit Staatenlenkern aller Art und Tätscheleien vor Kameras wirken ohne Kompass.

Was ist die Bilanz? Die mächtigste Politikerin des Kontinents hat den Begriff „Reformen“ zum Albtraum für die Völker Europas gemacht. Sie ist damit im Kern ihrer Mission gescheitert. Sie hat mit den Sondervorteilen der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik ein Regime der Extraprofite installiert, unter dem alle Volkswirtschaften des europäischen Südens ächzen.

Noch kein Ökonom hat erklären können, wie ein System auf Dauer funktionieren kann, das auf hohem Exportüberschuss eines Landes beruht, ohne faire Handelschancen oder Finanzausgleich für jene Partner und Nachbarn anzubieten, mit denen es den weitaus größten Teil des Außenhandels betreibt. Diese Methode des einseitigen Vorteils ist kurzsichtig, ungerecht und wird sich in absehbarer Zeit gegen den Nutznießer wenden.

Zur Kennzeichnung der Ära Merkel gehören die wachsenden Fliehkräfte innerhalb der EU. Das Ausscheiden Großbritanniens hat zwar nicht hauptsächlich sie verschuldet, mit dem Versuch, ihre Flüchtlingspolitik ganz Europa ungefragt und unabgestimmt überzustülpen, hat sie dem aber ebenso zugearbeitet wie dem Abrücken aller früheren Ostblockstaaten vom bisherigen Konsens Europas. Diese jungen Demokratien fühlen sich von so viel moralischer Überwältigung schlichtweg überfordert.

Die europäische Linke ist in eine Falle getappt

Es scheint, als ob hier die europäische Gesamtlinke in eine Falle gelaufen ist. Die aktionistische Flüchtlingspolitik der Kanzlerin hat europaweit den rechten Parteien Wähler zugetrieben, Wähler, die eigentlich von der Linken zu verstehen und zu integrieren wären. Dies Dilemma kann die Linke nur lösen, wenn sie ihren Begriff von internationaler Solidarität klärt. Wer die Kriege und die geopolitischen Machtkämpfe im Nahen und Mittleren Osten nicht als Ursache der Destabilisierung benennt, betreibt zwar verdienstvolle Sozialarbeit, ist aber fern von einer politischen Antwort auf die Migrationskrise.

Zu den Negativbilanzen in der Merkel-Außenpolitik gehört die Tatsache, dass das Verhältnis zu Russland inzwischen vollständig zerrüttet ist. Seit den Zeiten Willy Brandts und Egon Bahrs galt die Entspannungspolitik auch für Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher bis zu Gerhard Schröder als konstante Grundbedingung für ein Konzept gemeinsamer Friedens- und Sicherheitspolitik in Europa. Was sich heute dagegen „menschenrechtsgestützte Außenpolitik“ nennt, ist in Wahrheit eine moralgestützte Interventions- und Sanktionspolitik mit stark irrationalen Anklängen von Russophobie. Dass eine solche Politik von dem Land, das vor einem dreiviertel Jahrhundert Opfer eines deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges war und dennoch die entscheidende Weichenstellung zur deutschen Wiedervereinigung geöffnet hat, als zutiefst ungerecht empfunden wird, sollte man zumindest in Erwägung ziehen.

Wem nützt eigentlich diese permanente ressentimentgeladene Konfrontation? Nur den Falken auf allen Seiten! Rein ökonomisch sind schon jetzt viele der wirtschaftlichen Chancen vertan, die sich seit Gorbatschow mit dem nach-totalitären Russland – und übrigens auch mit China – in einer kurzen Phase unbegrenzter Entwicklungs- und Einflussmöglichkeiten auftaten.

Aber auch der deutsche Handlungsspielraum in internationalen Konflikten wurde ohne Not eingeengt. Politisch war das Konzept der gemeinsamen Sicherheit der eigentliche Rückhalt für die Tatsache, dass es Gerhard Schröder 2003 wagen konnte, „Nein“ zum Irakkrieg zu sagen. Diese Zeiten einer Politik des Ausgleichs der Gegensätze zwischen Ost und West und eines gewissen Manövrierspielraums im westlichen Bündnis sind vorbei. Hier geht auch der Einwand in die Irre, man treibe eben keine wertfreie, sondern eine „menschenrechtsgestützte“ Außenpolitik.

Gegenüber den „Verbündeten“ Türkei und Saudi-Arabien, die zu den brutalsten Menschenrechtsverächtern im Nahen Osten gehören, scheinen diese Tugenden keineswegs zu gelten, da herrscht reine realpolitische Doppelmoral. In Wahrheit hat Angela Merkel nicht die Moral, sondern die außenpolitischen Koordinaten all ihrer Vorgänger ausgewechselt. Sie versteht Deutschland, gerade angesichts des aktuellen Schwächelns Amerikas, nun als exponierten Riegenführer und Bannerträger des siegreichen Westens, ihre aktuelle Distanzierung von Donald Trump ist Wahlkampftaktik mit Aufrüstungsabsichten.

Die Lehren, die 1989/90 gezogen wurden, waren falsch

Spätestens an dieser Stelle ist zu fragen: Wo bleibt die SPD? Wo bleiben die Grünen? Wo bleibt die Friedensbewegung? Wo bleiben die Lehren aus der Zeit der Überwindung der Blockkonfrontation und des Kalten Krieges? Wo bleibt die ehemals große Tradition der Solidarität der Linken im Fall der unerträglichen Erniedrigung Griechenlands? Wo bleibt ein Konzept für eine Befriedung des Nahen Ostens, bei der die deutsche Politik nicht einseitige Stütze einer Kriegspartei ist, sondern ausgleichender Vermittler? Wo bleibt die Stärkung der UN?

Mit den falschen Lehren aus dem Umbruch der Jahre 1989 ist die gesamte europäische Linke in eine Sinnkrise und Orientierungslosigkeit geraten, die zu ihrer umfassenden Niederlage und Bedeutungslosigkeit geführt hat. Das war vielleicht unvermeidlich.

Dass sich große Teile der sozialdemokratischen und grünen Führungsschichten aber ohne Not freiwillig in die ewige Gefangenschaft von neoliberalen und neokonservativen Politikkonzepten und -strategien begeben, deren praktische Ergebnisse nach 25 Jahren des wilden Experimentierens niemanden überzeugen, ist nichts als selbst verschuldete Unmündigkeit.

Antje Vollmer ist Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen. Von 1994 bis 2005 war sie Vizepräsidentin des Bundestages. Peter Brandt ist Historiker, Mitglied der SPD und der älteste Sohn von Rut und Willy Brandt

Link zum Tagesspiegel

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Es lebe die Scheinheiligkeit!

Wahrscheinlich sind viele von ihnen froh, dass sie ihr Image auf Trumps Kosten polieren können und gleichzeitig so weitermachen dürfen wie bisher. Die USA kündigen ein wirkungsloses Klimaabkommen und die Welt versucht ihre schönste Fassade zu wahren.

„Nicht mit uns – Weiter so!“ lautet die Essenz des Auftritts von Angela Merkel und Li Keqiang, Deutschlands und Chinas obersten Regierenden, um den Pariser Weltklimavertrag zu stärken. Die Realität ist eine andere und wird auch eine andere bleiben: Der Vertrag ist mausetot.

Als ob in der gegenwärtigen Konsum-Kultur das 2-Grad-Ziel nicht schon illusorisch genug wäre, möchte das Pariser Klimaabkommen die globale Erwärmung sogar auf 1,5 °C begrenzen: Rund 700 Mrd. Tonnen CO2 können noch ausgestoßen werden (A roadmap for rapid decarbonization), bevor die Menschheit statt bisher 5 Tonnen weit weniger als eine Tonne CO2 pro Erdenbürger emittieren dürfte.

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Ein Bollwerk gegen den Populismus

»Verstehen beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod.« (VZ, S.110)

Wer sich heute darüber beschwert, dass der Populismus auf dem Vormarsch ist, der sollte zu allererst nach den Ursachen fragen, egal ob einem dann das Gericht schmeckt oder nicht. Ich kann nicht auf der einen Seite den kritik- und willenlosen Konsumenten wollen, der mir noch den letzten sinnfreien Müll abkauft und andererseits ein Bollwerk gegen den Populismus verlangen. Man sollte es wagen, ohne ideologische Spielchen und Scheuklappen, nach den Ursachen des Populismus zu fragen und die bleiben immer gleich, egal ob 1933 oder 2017. Hilfreich scheint es mir zu sein, sich bei diesem Fragen nach wie vor von den politischen Überlegungen Hannah Arendts leiten zu lassen.

Die Ursachen des Populismus werden von den Bedürfnissen all jener Menschen begründet, die sich lieber in der Oberflächlichkeit einrichten, als nach tieferen, detaillierten und komplexen Wahrheiten zu fragen.

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Vertrauen auf die menschlichen Fähigkeiten

„Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“
Ernst Bloch, Prinzip Hoffnung, S. 1628

Wenn Frau Karola zu „dem Bloch“ über Ihre Verzagtheit angesichts der fortdauernden Ignoranz und Unfähigkeit des Menschen sprach, sich für eine bessere Welt einzusetzen, sprach „der Bloch“ von der Kleinmütigkeit der Zweifler angesichts des grauen Gangs der Geschichte. „Der Bloch“ sprach vom langen Atem und dem Vertrauen auf die menschlichen Fähigkeiten, die der Mensch durch ununterbrochene Schulung in Sachen Utopie entwickeln müsse. Schließlich und endlich, sei das SEIN doch noch lange keine ausgemachte Sache – sondern ein Möglichkeitsfeld und er, „der Bloch“, ein Handlungsreisender, der viele wunderbare Bilder aus seinem ontologischen Bauchladen des Noch-Nicht-Seins hervor zu zaubern habe.

Natürlich zitierte auch er immer mal wieder den Spruch: „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren.“ Aber das war wahrscheinlich nur eine notwendige Opfergabe an die Göttin der intellektuellen Redlichkeit oder war es doch der Vorschein des Menschlichen, bescheiden den Finger erhebend zu einer Nachfrage, angesichts der „überwältigenden Erfolgsgeschichte“ des real existierenden Sozialismus.

Was ich mich dabei immer wieder frage, ist, ob „der Bloch“ denn auch schon mal über irreversible Kipppunkte nachgedacht hatte, ob er die vielleicht noch gar nicht sehen konnte oder vielleicht auch nicht sehen wollte (was schlimmer wäre) oder ob sie – wenn er sie hätte sehen können – doch zur Belehrung der Hoffnung beigetragen hätten. Und wenn sie beigetragen hätten, wie die Hoffnung – als docta spes – im Anthropozän nicht nur überlebt sondern auch noch fruchtbar zu machen wäre.

Als bekennende radikale Konstruktivisten akzeptieren wir nicht nur den Schein sondern auch den Vorschein und wir sind auch geübt darin, uns jeden noch so großen Scheiß schön zu quatschen – oder etwa nicht?

Vorher – Nachher

Liebe Freunde der Weisheit,

wenn etwas grundsätzlich schief läuft, kann man bei wachem Verstand die Probleme in jedem Detail erkennen, weil Grundsätzlichkeit immer mit ähnlichen Strukturen verbunden ist und damit durch einen systemischen Ansatz erkennbar wird.

Nehmen wir mal Weihnachten, also die Zeit, die man früher mal „die Zeit der Stille“ und der Einkehr  nannte und das nicht nur bei christlich geprägte Menschen, sondern auch bei solchen, die von einem – wie auch immer gearteten – spirituellen Materialismus getragen waren und etwas für innere Festlichkeit übrig hatten.

Diese „Zeit der Stille“ ist von der Zeit der lärmenden, anarchischen Warenproduktion abgelöst worden, also von Konsum, Hektik, glänzender Leere, marketingmässiger Äußerlichkeit, Größenwahn und selbstoptimierter Sinnfreiheit. Das wäre nicht so schlimm, wir sind schließlich keine Moralisten um der Moral selbst willen. Verheerend wir es eigentlich nur dadurch, dass diese Entleerung der Formen jede Menge Ressourcen entgültig verbraucht, nicht zuletzt auch menschliche und wir eigentlich nur noch auf Pump leben, ein Pump, den wir nie wieder zurückzahlen werden.

Immer wieder ahnen wir etwas von unsere Zukunftsvergessenheit, aber wir betäuben diese Ahnung der Sinnlosigkeit unseres Tuns mit immer lauteren und grelleren Effekten.

Sagt doch einmal selbst, wo soll der Unterschied sein, zwischen einer Tüte Marihuana und einem berauschenden, glühweindurchtränkten Massenerlebnis auf einem Weihnachtsmarkt? Vielleicht ist das Marihuana biologisch angebaut, der Glühwein ganz sicher nicht?

Gut – der Unterschied ist, auf dem Weihnachtsmarkt kann man das Opfer einer nach wie vor ideologisch verblendeten, dogmatisch verengten Welt werden. Gott sei Dank, das Böse ist immer das Andere, das das schon mal klargestellt wird, ein Schelm, der jetzt an Heckler & Koch denkt. Wir tragen nichts mehr von alle dem in uns, wir sind längst übergelaufen in das friedliche Lager der globalisierten Konsumfreunde, wir sind vereint im Konsum und den lassen wir uns durch einen wahnsinnigen Terroristen nicht nehmen, dafür kämpfen wir gemeinsam.

Eines zeigt sich in der Krise deutlich, das Ziel ist erreicht, endlich wird der massenhafte Konsum symbolisch zum politisch motivierten Kampf für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Mögen andere mit zweckentfremdeten LKWs, Maschinengewehren, Panzern und Drohnen kämpfen, wir stehen aufrecht dagegen, wir kämpfen mit Glühwein, Rostbratwürsten, Zuckerwatte und süßem Weihnachtsgedudel. Immerhin, das bringt zumindest kurzfristig keinen um.

Und das Schöne ist doch, jeder kann mittun, der eine mehr, der andere weniger, geradeso wie es der persönliche Geldbeutel hergibt und wer nicht genug hat, dem schieben wir durch unsere vielfältigen Transfersysteme ein paar Spielmarken rüber, damit der auch mittun kann, man will gerade an Weihnacht mal nicht so sein.

Alles ist wieder in bester Ordnung: Die Guten haben den Bösen erschossen, jetzt kann Weihnachten kommen.

Viel Spaß noch …

Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh’ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

Joseph von Eichendorff

»Docta spes« meine Damen und Herren, »Docta spes«

„Der Mensch ist etwas, was erst noch gefunden werden muß“
Ernst Bloch, Spuren
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Als ich vor mehr als 30 Jahren an einem mehrhundertseitigen Manuskript zur Eschatologie im Denken Ernst Blochs schrieb, auch weil ich damals die Hoffnung damit verband, damit promoviert zu werden, war meine transzendentale Obdachlosigkeit (Lukács) vollständig substituiert von der Blochschen Hoffnung auf ein sozialistisches Reich Gottes. Später als das Manuskript auf unerklärliche Weise in den Tiefen eines undurchdringlichen Dickichts, genannt Dachboden, verschwand, verblaste auch nach und nach die Erinnerung an die Utopie einer besseren Welt im neuronalen Spinnwebwald meines Gehirns.

Trotzalledem! Heute, 30 Jahre später, wird mir bei der erneuten Lektüren von „Atheismus im Christentum“, des „Geist der Utopie“ oder des „Prinzip Hoffnung“ schlagartig bewußt, wie tief mein Denken noch heute von der Philosophie Ernst Blochs und dem „In-Möglichkeit-Sein“ geprägt ist und wie viel ich dem Studium seines Werkes in jungen Jahren für mein Leben zu verdanken habe.

Spurensuche!

Der Blick aufs merkwürdige Detail, das Dunkel des gelebten Augenblicks, die elastische Zeitstruktur, Vor-Schein, aufrechter Gang, NochNichtSein, beerbte Religion, Ungleichzeitigkeit, Tendenzkunde, Novum, Experimentum mundi, Unabgegoltenheit und noch viele, viele weitere Begriffe kommen mir aus der Dunkelheit des Vergangenen entgegen und lassen ein vages trotzdem behagliches Gefühl von „Heimat“ im Raum des Denkens entstehen. »Docta spes« meine Damen und Herren, »Docta spes« weiterlesen

Beim nächsten Mal wird alles anders …

Alle Welt (in Deutschland) spricht nur noch von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen, dabei geht der Schlagabtausch der verschiedenen Lager weniger pragmatisch als ideologisch vonstatten. Deshalb schlag ich vor, daß man beim nächsten Flüchtlingsthema, das noch weitaus größere Dimensionen als das momentan aktuelle haben wird, strikt pragmatisch nach dem Verursacherprinzip vorgeht.

Ich meine das Thema der Klimaflüchtlinge, in UNO Kreisen würde man diese Menschen auch bisweilen gerne als KlimaMigraten bezeichnen, damit man ihnen keine völkerrechtlichen Schutzrechte einräumen muß.

Diese 200 bis 350 Millionen Menschen (aus Südamerika, Afrika, Südostasien) , die bis 2050 wahrscheinlich auf Achse sein werden, weil Ihr Land durch Überflutungen, Wüstenbildung, Dürren und extreme Naturkatastrophen zerstört ist, sollten nach dem Verursacherprinzip auf die Staaten verteilt werden, auch wenn schon heute die meisten befragten Klimaflüchtlinge nach Europa wollen. Vielleicht würde diese konkrete Aussicht die sogenannte Völkergemeinschaft endlich mal zum Handeln bewegen. Noch könnte man handeln, sonst handelt der Planet definitiv! Beim nächsten Mal wird alles anders … weiterlesen

Vorboten einer neuzeitlichen Völkerwanderung

Ein nachdenklicher Zwischenruf eines ehemaligen Asylrichters

Von PETER VONNAHME, 22. August 2015

Allmählich dämmert es auch den eifrigsten Verfechtern eines kurzen Prozesses mit „Asylbetrügern“ und „Wirtschaftsflüchtlingen“, dass es nicht damit getan ist, Ressentiments gegen Menschen in Not zu schüren. Denn was wir gerade beobachten können, ist nichts weniger als der Vorabend einer neuzeitlichen Völkerwanderung. Die Hunderttausende, die in unsere Städte und Dörfer strömen, sind nur die Vorhut. Viele Millionen stehen bereit, ihnen nachzufolgen. Der deutsche Innenminister musste deshalb die Jahresprognose für die in Deutschland ankommenden Asylbewerber kurzerhand von 450 000 auf 800 000 nahezu verdoppeln.

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Arno Schmidt

ArnoSchmidtHier mal wieder ein paar Zitate von einem meiner Lieblingsautoren, nachdem 2014 (100. Geburtstag) vorbei ist. Aber eigentlich ist es auch egal, man käme auch so nicht in den Verdacht, einem Tagestrend nachzulaufen, denn auch in diesem Jubiläums=Jahr hat sich niemand an ihn erinnert, außer ein paar wenigen ambitionierten Buchhändler, die die Bargfelder Ausgabe auf Halde liegen haben, weil bei ihnen Hoffnung immer noch vor Wirtschaftlichkeit geht:

»Diskussionen haben lediglich diesen Wert: daß einem gute Gedanken hinterher einfallen«

»Das Verläßlichste sind Naturschönheiten. Dann Bücher; dann Braten mit Sauerkraut«

»Die halbe Nazion iss irre; (& die andre Hälfde nich ganz bei Groschn!)«

»Am Ende sind doch immer die Schlimmsten Meister, das heißt: Vorgesetzte, Chefs, Direktoren, Präsidenten, Generale, Minister, Kanzler. Ein anständiger Mensch schämt sich, Vorgesetzter zu sein!«

»Ich habe, wie gesagt, auf die Verhältnisse bereits vor vielen Jahren hingewiesen; und sie auch einmal an einer umfangreichen Modellarbeit … zu exemplifizieren versucht – die Nicht=Teilnahme der Leserschaft übertraf die kühnsten Erwartungen«

»Es ist nichts so absurd, daß Gläubige es nicht glaubten. Oder Beamte täten«

»Nur die Phantasielosen flüchten in die Realität«

»Die Welt der Kunst & Fantasie ist die wahre, the rest is a nightmare«

Laudato si‘ oder dominium terrae?

Papst Franziskus„Macht Euch die Erde untertan“ (Genesis 1,28)
und die heute erschienene, 222 Seiten starke,
Enzyklika “ Laudato si‘ “ von Papst Franziskus
„Über die Sorge für das gemeinsame Haus“,
stehen sich – meiner Meinung nach – unver-
söhnlich gegenüber!

Der Aufforderung, uns die Erde untertan zu machen, sind wir Menschen ja in den letzten Jahrtausenden und ganz besonders in den letzten 30 Jahren ausgiebig nachgekommen,  denn wir behandeln die Erde in der Tat wie den letzten Dreck, eben wie einen Untertanen, der ausschließlich dazu da ist, alles ausschließlich für unser Wohlergehen, unser Wachstum, unseren Wohlstand ranzuschaffen, egal was das für unseren Heimatplaneten selbst bedeutet und natürlich auch in der Konsequenz für uns.

Wenn es nach uns, vom christlichen Abendland geprägten, Menschen geht, dann besitzt die Erde keinerlei eigene Rechte, die wir als Menschen achten müßten, und dies, obwohl wir eigentlich täglich, stündlich, ja in jeder Sekunde dieser Erde danken müßten, für all die Wohltaten, die sie allen Lebewesen ganz uneigennützig bescherte und immer noch beschert. Laudato si‘ oder dominium terrae? weiterlesen

Atheist?: Allerdings!

Arno Schmidt. : :

Arno Schmidt (Copyright 1984 Arno Schmidt Stiftung Bargfeld)

(Erstveröffentlichung 1957) .

1. Es ist wieder einmal hohe Zeit, dem Christentum zu bedeuten, was ein Unbefangener von ihm hält; heute, vor einem Rundhorizont von Synoden und Gottsuchern, Schattengestalten mit scholastisch gerunzelten Wolkenstirnen, unfehlbar, mißbilligend, bejahrt, seit kurzem wieder „Herr der Heerscharen“: Ich habe es tragen müssen, der ihr Koppel : „Gott mit Uns“ hieß es sechs Jahre lang auf meinem unschuldigen Bauch: Da will ich doch einmal betonen, daß es nicht auch auf meinem Kopf stand!

2. Meine Antwort auf die Frage „Was halten Sie vom Christentum?“ lautet also : „Nicht sonderlich viel!“ Atheist?: Allerdings! weiterlesen

Gaia und die kambrische Explosion

Ich würde behaupten, daß sich in einem dialektischen, evolutionären Prozeß der lebendige Organismus „Erde“ entwickelt hat, in jenem Augenblick in dem „Gaia“ zu voller selbstorganisierender Funktionalität sich entwickelt hatte, konnte die kambrische Explosion starten.

Ich würde weiter behaupten, daß der Begriff „Anthropozän“ ein treffendes Schimpfwort für eine erdgeschichtliche Periode ist, in der der Mensch den über Jahrmillionen entwickelten, selbstorganisierenden Organismus „Gaia“ durch seine grenzenlose Dummheit und Ignoranz zerstört hat.

Siehe dazu meinen Beitrag: „Der Neocortex ist an allem Schuld“

Der „Steiner-Schrott“ ist doch ganz brauchbar!

Am Werk Rudolf Steiners arbeiten sich seit gut 100 Jahren Schubladendenker aller Couleurs und Klassen begeistert ab. Der „Steiner Schrott“, wie manch ein Linker das Denkgebäude Rudolf Steiners gerne auch mal polemisch bezeichnet, hat uns nicht nur biologisch-dynamische Agrar-Produkte beschert, sondern auch ein Denkgebäude, das wirklich sehr lohnenswert ist, natürlich nur, wenn man bereit ist, ohne Scheuklappen und Schubladendenken sich damit auseinanderzusetzen.

Da mir schlichtweg die Zeit fehlt, die Broschüre mit meinen beiden Einführungsvorträgen zum 90. Todestag Rudolf Steiners in wissenschaftlich korrekter Form fertigzustellen, finden Sie unten das unfertige Manuskript im PDF-Format, wenn Sie auf das Bild klicken.

„Ohne Wachstum ist alles nichts.“

Liebe Freunde der Weisheit,
die meisten von Euch werden das obige Zitat eher in der „Liebes-Version“ kennen, als in der von unserer Bundeskanzlerin. Es ist immer wieder erstaunlich, wie entlarvend Äußerungen oft sein können, denn in der Tat hat unsere Wirtschaft und unser Wachstum inzwischen einen emotional gefestigten Grad von Wahrheit erreicht, den man nicht anders als religiös bezeichnen kann. Die durchschlagende Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse macht an keiner Stelle Halt, auch die Liebe ist zwischenzeitlich nur noch durch Aufwand-Nutzen-Relationen bestimmt. Insofern ist es absolut folgerichtig, das Wort „Liebe“ durch das Wort „Wachstum“ zu ersetzen, denn unsere eigentlich Liebe gilt nurmehr dem Wachstum um jeden Preis. Deshalb könnte das Zitat der Bundeskanzlerin auch heißen: „Wachstum ist nicht alles, aber ohne Wachstum ist alles nichts.“

In unserer Gesellschaft gibt es – zumindest was die Parteien betrifft, die auf Bundes- und Länderebene vertreten sind – kaum jemand in diesen Parteien, der es inzwischen noch wagen würde, die grundsätzliche Leitidee unserer Gesellschaft in Frage zu stellen und was noch schlimmer ist, der nicht mal auf die Idee kommt, man könne dieses Ideologem mal hinterfragen. Es ist diese Idee des Wirtschaftswachstums, die auf eine Wirtschaftsphase des “Kapitalismus” zurück, in der sich niemand so recht vorstellen konnte, daß auf diesem riesigen Planeten die Ressourcen trotzdem endlich sind und irgendwann mal zuende seien könnten. „Ohne Wachstum ist alles nichts.“ weiterlesen

Scotney Castle und die Romantik

Große kunstgeschichtliche Veränderungen gehen meist massiven gesellschaftlichen Veränderungen voraus, weil Künstler oft wie Seismographen früher als alle anderen, starke Veränderungen am Horizont heraufziehen sehen. Das Erdbeben, daß die Welt irreversibel veränderte, war die industrielle Revolution, der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft, der alles mit sich fortriß und neu bewertete, was bis dahin unhinterfragt gegolten hatte.

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Das naturwissenschaftlich, mathematisch geprägte Verständnis der Welt, was in der Rennaissance begann und seinen ersten Höhepunkt in der Aufklärung fand und in dem Satz von Laplace, er benötige für sein Weltbild die Hypothese „Gott“ nicht mehr (gegenüber  Napoleon geäußert!), z.B. seinen Ausdruck fand, bestimmte sowohl gesellschaftlich, wie künstlerisch die Zeit vom Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, die man in der europäischen Kunstgeschichte die Zeit der „Romantik“ nennt.

Die „Romantik“ als geistige Bewegung hat auf vielfältige Weise die Kulturgeschichte Europas beeinflußt, auch die unterschiedlichen sozialen Bewegungen in England und Deutschland nahmen Ihren Anfang in der Romantik. Ihr spannungsgeladener und oftmals kontrovers zu beurteilender Einfluss auf die moderne, ja sogar postmoderne Gesellschaft, lässt sich bis zum heutigen Tag nachweisen.

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Für die Romantik wird das Verhältnis des Menschen zu seinen Wurzeln, zu seiner Lebensgrundlage, der Natur, zum zentralen Motiv! Romantiker, wie August Wilhelm Schlegel haben schon ein klares Gespür für die „Dialektik der Aufklärung“, sie kritisieren das mechanistische, nützlichkeitsgeleitete Denken der Aufklärung. Ihr Naturverständnis ist von einem pantheistischen Denken im Sinne Spinozas geprägt, Natur ist für sie nicht ein durch instrumentelle Vernunft zu beherrschender Feind, der nur als Ressourcenlieferant für den Menschen angesehen wird, sondern ein göttlicher – nicht unbedingt von Gott gegebener – lebendiger Organismus, dem sich der Mensch in kontemplativer, gar meditativer Weise zu nähern habe.

Die Romantiker sind frühe Ökophilosophen, sie kontrastieren ihre Organismusvorstellungen von Mensch und Natur mit dem instrumentellen Vernunftdenken eines aufsteigenden Bürgertums, für das nur noch ökonomische Grundprinzipien bei ihren Entscheidungen Relevanz haben. Der wertkonservative Protest der Romantiker wendet sich gegen das Aufkommen eines ausschließlich nach ökonomischem Nutzen und Ertrag ausgerichteten Denkens. Ihr frühes, ökologisches Denkgebäude orientiert sich an einem vielseitig entwickelten, man könnte sagen ganzheitlichen Menschenbild, das zu ihren Vorstellungen von einem harmonischen Gleichgewichtszustand zwischen Mensch und Natur korrespondiert.

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In dem Maß, in dem die Entfremdung von der Natur, des nun mehr von industriellen Produktionsbedingungen bestimmten Menschen, zunimmt, in dem Maß versucht die Kunst zu retten, was zu retten ist. Die Malerei der Frühromantik und die Garten- wie Landschaftsgestaltung des englischen „Picturesque Style“ versuchen eine Rettung des Menschen inmitten der Natur, im Augenblick seines Untergangs als Teil der Natur!

Es ist die Flucht vor der Unwirtlichkeit der industriellen Produktion, des heraufziehenden Fabrikwesens. Die Natur wird zur Kirche des Universums geweitet, in der man still seine Andacht verrichtet, meditiert, seiner Melancholie, seiner Sehnsucht nachgeht, im Augenblick des Verlustes der kindlichen Unschuld, des Einklangs mit der Natur, wie Schiller es ausdrückte.

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Der „pittoreske“ Landschaftspark, wie er an seinem theoretischen, wie praktischen Höhepunkt um 1800, gestaltet wurde, bringt diese Dialektik von Natur und Mensch in zwei Kunstformen zum Ausdruck, in der Malerei und in der Garten-/Landschaftsgestaltung. Der malerische Landschaftsgarten wird einerseits wie ein Gemälde gestaltet, ist aber auch gleichzeitig wieder das Objekt, das Motiv der malerischen Gestaltung durch den Künstler. Malerei und Landschaft gehen ineinander über, durchdringen sich wechselseitig, treten in einen Dialog miteinander.

Der Gartenbesucher, der durch die modernen, industriellen Lebensbedingungen bedroht ist, Gefahr läuft, in einem unaufhaltbaren Sog in eine von der Natur weitgehend entfremdete Existenz hinuntergezogen zu werden, wird vor eine malerisch gestaltete, idealtypische Landschaft gesetzt, die ihm helfen soll, sich dieser Verstrickungen durch Reflexion und Bewußtsein zu entschlagen, in dem er über die Natur und sein Verhältnis zu Ihr in andächtig, stiller Meditation nachsinnt und sich ganz einnehmen läßt von der göttlichen Erhabenheit des Naturschönen.

Scotney_Deutsche_Eiche

Wenn man offen ist und sich ganz auf den Augenblick einläßt, dann kann diese Intension Wirklichkeit werden. In dem Landschaftspark und dem mittelalterlichen Schloß von Scotney Castle in Kent habe ich während der letzten 30 Jahren immer wieder diese Erfahrung gemacht. Jedes Mal hat mich dieser Ort wieder verzaubert. Als ich 2013 das letzte Mal Scotney Castle besuchte und die 200 jährige „Deutsche Eiche“ im Gartenteil hinter dem alten Schloß wieder bewunderte, habe ich wieder einmal mehr das Geheimnisvolle alter Bäume gespürt und mir wurde klar, was die Voraussetzung ist, das Geheimnis alter Bäume zu erfahren. Wie alle großen Wahrheiten ist auch dieses Geheimnis zunächst ganz trivial, aber in seiner weitreichenden Bedeutung kaum zu überschätzen. Das Geheimnis alter Bäume ist zunächst und vor allem, daß sie der Mensch nicht fällt und damit künftigen Generationen die Chance läßt, das Geheimnis der Bäume ebenfalls zu entdecken.

Scotney-park

Wer sich Zeit nimmt und in aller Ruhe diesen Landschaftgarten für sich erobert, kann ganz, ganz viele Geheimnisse entdecken, im Garten aber auch bei sich selbst. Schon wenn man z.B. Ende Mai auf der hauseigene Zufahrtstraße langsam Richtung Scotney Castle rollt oder noch besser zu Fuß geht, kommt man zunächst durch einen lichten Laubwald, dessen Boden bedeckt ist von Abertausenden blauer Glöckchen, den legendären ‘Bluebells’. Man kommt sich vor, als wäre man in einen verzauberten Märchen- ooder Feenwald geraten.

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Vom ersten Moment an versucht der Landschaftspark rund um die mittelalterliche Schloßruine von Scotney Castle die Absicht, bestimmte Landschaftsformen für unsere menschliche Wahrnehmung so zu vervollkommnen bzw. erst zu erschaffen, daß diese, bei kunstvollst gestalteter ‘Natürlichkeit’, dem perfekten Ideal einer Landschaft gleichen, so daß sich auf gänzlich unauffällige Weise Kultur- und Naturgeschichte miteinander verwachsen, sich für den Besucher zunächst praktisch, anschaulich aber dann auch theoretisch durchdringen.

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Scotney Castle hat alles, was ein idealtypischer „pittoresker“ Landschaftspark haben muß: üppig bewachsene Hänge, malerisch, verwunschene Waldstücke, weite Wiesen, verwunschene, meandrierende Wasserläufe, lange Blickachsen, verträumte, geheimnisvolle Winkel – eben das ganze Arsenal eines ‘pittoresken’ Landschaftsgartens. Aber die unvergleichliche Perle der ‘pittoresken’ Gartenanlage ist das in den Park eingebettete hochromantische, mittelalterliche Wasserschlößchen unten im Tal des Flüsschens „Bewl“ inmitten eines kleinen Sees, zu dem das Flüsschen hier aufgestaut wurde.

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Im Unterschied zu den oft extra erbauten Follies im malerischen, englischen Garten, liegt der Baubeginn für den ältesten Teil dieses auf einer kleinen Insel gelegenen Märchenschlosses bereits um 1378. Der elisabethanische Südflügel kam ab 1580 dazu, er wurde direkt an den kreisrunden Turm der mittelalterlichen Festungsanlage angebaut.

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Der Ostflügel im Stil von Inigo Jones wurde 1630 hinzugefügt. Allerdings wurde er 1843 beim Bau des neuen Schlosses der viktorianischen Ära teilweise abgebrochen, so daß die ‘Ruinen’ der Außenmauern nun die dekorative und hochromantische Kulisse für einen ‘walled garden’ abgeben.

Das Ganze ist pittoreske englische ‘folly’-Architektur vom Feinsten! Kein Wunder, das dieser Ort immer wieder für künstlerische Darbietungen verwendet wird, kann man sich eine bessere Bühne für Shakespeares „Sommernachtstraum“ (engl. A Midsummer Night’s Dream) vorstellen, wohl kaum.

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Nachdem die Familie Hussey, die das Anwesen von der Familie Darrell, der das Anwesen 350 Jahre! lang gehörte hatte, im Jahre 1778 gekauft hatte und das mittelalterliche Schloß als Familienwohnsitz aufgab, vielleicht auch deshalb, weil sich sowohl der Käufer, wie auch einer seiner Söhne tragischerweise im Schloß erhängt hatten, wurde die gesamte Insel quasi zur Gartenskulptur, man könnte auch sagen zur jahreszeitlich wechselnden Bühne eines hochromantischen, englischen Schauerromans. Im Schauerroman, diesem neuen Genre der Romantik kommt das Dunkle und das Erhabene in einem Kunstwerk zusammen, so daß sich eine bislang unbekannte Seelenlandschaft in der Spannung von Mensch, Natur und Kultur ergibt, gleichsam eine künstlerisch-literarische Exemplifikation der „Dialektik der Aufklärung“.

In Scotney Castle kommt alles auf idealtypische Weise zusammen, das Erhabene der Natur liegt unmittelbar neben dem Dunklen der menschlichen Abgründe, wer sich die Zeit nimmt und im Schloß, im „walled garden“ auf der Insel oder auf dem Rundweg um den See, bzw. den weitläufigen Wegen des Landschaftsparks für einige Zeit in kontemplativer Stille verhart, kann dies alles selbst erfahren.

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Es ist faszinierend wie sich bei jedem Innehalten dem Auge des Betrachters ein neues Landschaftsgemälde eröffnet. An tausend verschiedenen Stellen könnte der Maler seine Staffelei aufstellen und mit einem hochromantischen Landschaftsbild beginnen. Es ist beeindruckend, wie dieser Landschaftsgarten kaum sichtbare Zeichen menschlicher Eingriffe aufweist und doch ist alles kunstvoll mit höchstem Aufwand von Menschenhand gestaltet, es ist die Apotheose des Kunstwerks der Natur.

Der Spannungsbogen von Scotney Castle geht über  zwei Jahrhunderte. Theoretisch hatten Edmund Burke mit seinen „Philosophischen Untersuchungen über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen“ von 1756 und Immanuel Kant in seinen Betrachtungen über das Erhabene in der „Kritik der Urteilskraft“ von 1790 die notwendigen Vorarbeiten geleistet, der malerische Landschaftsgarten Scotney Castle war nun die Exemplifikation dieser theoretischen Überlegungen. Deshalb ist es kein Wunder, daß der letzte Besitzer von Scotney Castle, Christopher Hussey, in den 20er Jahren des 20sten Jahrhunderts seine in Garten- und Kunstgeschichtskreisen bahnbrechende Studie „The Picturesque“ natürlich auf seinem Familiensitz Scotney Castle geschrieben hat.

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Als Christopher Hussey 1970 starb, wurde das ganze Anwesen dem National Trust übergeben. Wir Nachgeborenen haben dadurch jetzt die Möglichkeit uns intensiv mit den vielen, noch heutige gültigen Botschaften und Geheimnissen des unvergleichlichen Landschaftsgartens auseinanderzusetzen.

Öko (philo) sophie

Liebe Freunde der Weisheit,

bei meinen Exkursionen zu den verlorenen Wurzeln des Lebens ist meine ökophilosophische Grundhaltung von zentraler Bedeutung.

Zugegeben, die Uhr tickt: Klimawandel, Erschöpfung von Ressourcen, Regenwaldzerstörung, ökonomische Umwälzungen, Ausrottung von immer mehr Arten usw. usw.. Ok! Die Uhr tickt, aber die Uhr tickt schon lange, lassen wir uns ja nicht aus der Ruhe bringen, gar zu blindem Aktionismus verleiten, die Uhr tickt morgen auch noch, vielleicht auch noch übermorgen, dann, wenn wir anfangen zu handeln und endlich unser Handeln nicht mehr von der Hoffnung und den Erfolgsaussichten bestimmen lassen, dann tickt sie ein klein wenig langsamer, aber sie tickt. Na und?

Der erste Schritt zu einer öko-philo-sophischen Ethik ist der, unser Tun nicht mehr davon abhängig zu machen, ob wir unserem Tun Erfolgschancen einräumen können und nur dann etwas tun, wenn die Erfolgsaussichten günstig sind – wobei wir sofort unser Tun einstellen, sobald unsere Erfolgsaussichten drohen ungünstig zu werden!

Sinn und Kraft sollten wir aus unserem allzeit offenen Denken und aus unseren Überzeugungen ziehen, nicht aus oft fragwürdigen Erfolgen, die häufig schnell wie Seifenblasen zerplatzen.

Ausgehend von dem norwegischen Philosophen Arne Næss, der bereits 1972 den Ausdruck „Tiefenökologie“ prägte und unter „Ökosophie“ einen Erkenntnisprozeß verstand, der in seiner Konsequenz zu einem normativ ökologischen Verhalten des postmodernen Menschen führen sollte, gehe ich in meinem Ökosophie-Verständnis davon aus, daß es dem kommenden Menschen entweder gelingt, zu einer ökologischen Harmonie, zu einem ökologischen Gleichgewicht mit seiner Umwelt zu gelangen oder daß er in nicht allzuferner Zukunft an seinem Unvermögen scheitern wird. Er wird u. U. deshalb scheitern, weil es ihm in einem evolutionären Sinn betrachtet nicht gelingt, sich den Lebensbedingungen, die er nun mal auf diesem Planeten hat, vernünftig anzupassen. So könnte es geschehen, daß er in der Geschichte ebenso untergeht, wie andere Spezies vor ihm. Aus die Maus . . . Die Natur wird ihm keine Träne nachweinen, denn sie war und wird immer ideologiefrei bleiben.

Kurzum: Der Mensch wird ökologisch sein – oder er wird nicht mehr sein!

Im Begriff der „Ökosophie“, kommen zwei Bedeutungsfelder zusammen: Das der „Ökologie“ und das der „Philosophie“. Nähert man sich den beiden Bedeutungsfeldern in einer hermeneutisch sachgerechten Art, so gelangt man schnell zum Begriff des „Logos“, der für beide Felder von zentraler Bedeutung ist. Genau in diesem Sinnzusammenhang steht meine „ökosophische Arbeit am Logos“.

Der Denkraum, in dem diese ökosophische Arbeit am Logos stattfindet, wird zwar bestimmt von einem Maximum an Aspekten, die sich aus dem interaktiven Geflecht von Mensch und Umwelt ergeben, versucht sich aber in erster Linie zu einem Weg weiterzuentwickeln, an dessen vorläufigen Ende ein Sinnparadigma steht, das nicht mehr durch Mythos und Religion, sondern durch den Logos bestimmt wird.
D. h. Sinn konstituiert sich auf diesem Weg durch Denkarbeit und Vernunftfähigkeit des postmodernen Menschen und nicht mehr durch Glauben. Der weite Bedeutungshorizont der letzten zweieinhalb Jahrtausende, den das Wort „Logos“ mit sich führt, ist durchaus erwünscht, weil er eine entsprechende Offenheit des Theorieansatzes ermöglicht.

Philosophie, die in ihrer „Liebe zur Weisheit“ von alters her, sich einem logischen, systematisch-wissenschaftlichen Denken verpflichtet fühlt, stellt dem ökologischen Fragen eine in der Geschichte ausführlich geprüfte Arbeitsweise zur Verfügung. Der Themenkomplex „Mensch und Umwelt“ wird sowohl unter logischen, ethischen und naturwissenschaftlichen Aspekten, wie unter metaphysischen und erkenntnistheoretischen Fragestellungen analysiert und verändernd bearbeitet. Da Philosophie im Unterschied zu einer reinen Fachwissenschaft, keinen eng umrissenen Erkenntnisgegenstand kennt, ist sie prädestiniert, sich auf umfassende Weise mit allen Aspekten der Ökologie, also mit allen Wurzeln des Lebens schlechthin zu beschäftigen und hier auch von ihrem Anliegen her in die Tiefe zu gehen.

Ökosophie ist von ihren Wurzeln her ein holistisches Konzept, in dem versucht wird, in einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Komplexität von Umwelt und Mensch Rechnung zutragen. Aus diesem Blickwinkel sind Natur und Kultur, die in Ihrer evolutionären Entwicklung ständig ineinandergreifen müssen, nicht voneinander zu trennen, weil sie nur zwei Seiten einer Medaille, eines Lebenszusammenhangs sind.

Für die Ökosophie liegt die Wurzel des ökologischen Übels in der unausrottbaren Überzeugung begründet, daß der Menschen – als Krone der Schöpfung – jenseits der Natur und über der Natur stehe und ihr Herr und Wächter sein könne oder sogar müsse. Diesen Anthropozentrismus versucht die Ökosophie zu überwinden und damit gleichzeitig die Vernunft von ihren instrumentellen Verstrickungen zu befreien.

Ökosophie versucht sich auf wissenschaftlich seriöse Weise vom überkommenen anthropozentrischen Paradigma im Umgang des Menschen mit der Natur zu befreien. Dabei versucht sie sich – zumindest so wie ich sie verstehe – sowohl von dem Leitbild eines über alle Natur erhabenen und sie beherrschenden Menschen, dem die Natur bedingungslos zur Verfügung stehen muß, zu befreien, ohne jedoch gleichzeitig in einen ökozentrischen Fundamentalismus zu geraten, in dem der Mensch in einem radikalen Egalitarismus zum Tier unter Tieren wird.

D.H. die Ökosophie würdigt in einem durchaus angemessenen Maß die kulturgeschichtlichen Leistungen des Menschen, versucht aber in der Kulturarbeit Ethik und Würde der Natur gegenüber fest zu verankern, sie gibt den Anliegen der Natur sozusagen eine Sprache und verhilft ihr gleichzeitig zu einem kommunizierbaren Bewußtsein Ihrer selbst.

Jede Art von künstlicher Homogenität, die Ausdruck eines deutlichen Schwarz-Weiß-Denkens ist, wird von der Ökosophie abgelehnt. Heterogenität und Differenz sind Grundkategorien des ökophilosophischen Denkraums, in den möglichst viele Phänomene aus Natur und Kultur einfließen, berücksichtigt und miteinander verknüpft werden sollen, auch dann, wenn sie in einem ersten Anlauf nicht mit wissenschaftlichen Konstrukten in Einklang zu bringen sind.

Der Denkraum ist nicht nur ein Bild für wissenschaftliche Erkenntnismodelle, sondern auch ein Labor des „Experimentum mundi“ mit seiner Real-Utopischen-Perspektive.

Ökosophie, wie ich sie verstehe, versucht in einem systemisch, analytischen Ansatz Umwelt und Mensch in einem komplexen, kybernetischen System zu verstehen, deren Basis jedoch hinsichtlich der Einflußfaktoren weitgehend offen ist, also gerade keine Verknappung der Aspekte anstrebt, damit ist der wissenschaftliche Ansatz diametral verschieden zu dem Versuch, Strukturen realiter zu entdecken. Strukturen und kybernetische Regelsysteme werden lediglich als transitorische Erkenntnishilfen angesehen, damit gerät die Ökosophie nicht in die Gefahr, einer universalgeschichtlichen, teleologischen Betrachtungsweise zu erliegen.

Ökosophie ist eine ganzheitliche Umwelt- und Naturphilosophie, die ein Leben im Einklang mit der Natur und nicht gegen die Natur anstrebt. Leitgedanke der Ökosophie ist die Vereinigung von Denken, Fühlen, Handeln. Transzendenz und Immanenz werden ideologiefrei in einem konsequent evolutionären Denkraum betrachtet, der selbst wiederum nur imaginär – also grundsätzlich offen ist und sich zu einem Weg weiterentwickeln will.

Durch Ökosophie soll der Mensch sich seiner Rolle als „Bewahrer“ oder „Zerstörer“ seiner eigenen Welt- bzw. Lebensgrundlage bewusst werden und durch diesen Bewußtwerdungsprozeß sein Handeln verändern und in einem evolutionären Prozeß weiterentwickeln. Ökosophie überschreitet jederzeit Grenzen oberflächlicher Betrachtungsweisen und versucht die tieferliegenden Wurzeln allen Lebens zu erforschen, um damit auch real-utopische Horizonte dem Menschen zu erschließen, in deren Richtung er sich von seiner Potentialität her auch weiterentwickeln könnte. Von hierher setzt sie selbst unaufhörlich evolutionäre Entwicklungen in Gang.

Ökosophie trägt – indem sie einen systemtheoretischen Ansatz verfolgt und auch der Gaia-Hypothese offen gegenübersteht – der Tatsache Rechnung, daß der Mensch in seiner von den Lebensgrundlagen abgekoppelten Entwicklung des Neocortex, mit all seinen Fähigkeiten und Eigenschaften, das einzige Lebewesen ist, daß sich nicht mehr nachhaltig im Kreislauf der Naturzusammenhänge zu bewegt versteht und aufgrund dessen, zu einem dauerhaft systemischen Konfliktherd geworden ist. Viele Krankheitsbilder und das ständige Gefühl der Entwurzelung des Menschen sind Ausdruck und Gradmesser dieser inzwischen systemischen Entfremdung des Menschen von seinen Lebensgrundlagen.

Ökosophie versucht nicht religiöse Konstrukte durch eine neue Religion zu substituieren, wie manchen im Hinblick auf das Gaia-Theorem gemutmaßt haben, vielmehr wird versucht, den Organismusgedanken, der sich ja auch im systemischen-kybernetischen Denkansatz wiederfindet, ganzheitlich in den Mensch- und Naturzusammenhang einzubringen, die Selbstregulationsmechanismen zu verstehen und nach Möglichkeit für die Menschheit insgesamt nutzbar zu machen.

Für einen Ökosophen, wie mich, stehen Ökologie, Soziologie und Ökonomie nicht auf einer gemeinsamen Ebene des Erkenntnisinteresses, da schon aus rein logischen Gründen der Ökologie absolute Priorität einzuräumen ist. Allen anthropischen Ideen, sich von ökologischen Erfordernissen durch Wissenschaft und Technik unabhängig zu machen, stehe ich als Ökosoph sehr kritisch gegenüber. Aus rein wissenschaftlichem Interesse heraus, haben solche Ideen zwar ihre Berechtigung, als Forschungsziel muß man sich vor solchen Überlegungen aber in Acht nehmen.

Damit ist sofort der wissenschaftsethisch Ansatz der Ökosophie beschrieben, wonach nicht alles, was wissenschaftlich machbar auch gleichzeitig sinnvoll ist. Die Geschichte hat gezeigt, daß alles, was erstmal in der Welt ist, nur noch schwer gesellschaftlich kontrollt werden kann, deshalb bedarf es auch in diesem Fall einer vorsorgenden Ökologie.

Deshalb stellt sich z.B. für einen Ökosophen nicht die Frage, ob man ein oder zwei Milliarden in die Gen-Design-Forschung stecken sollte, sondern ob man Gen-Design-Forschung überhaupt betreiben sollte.

Letztendlich ist für den ökophilosophischen Denkansatz nicht so sehr die Idee z.B. des Gen-Designs bedenklich, sondern der grundsätzliche Plan des größenwahnsinnigen Menschen, Prozesse in einem kurzen Erdenleben – über ein oder zwei Generationen – so umgestalten zu können, daß sie hinterher besser funktionieren, als in ihrem vorherigen Zustand , der in der Entwicklungsgeschichte des Planeten sich über Millionen von Jahren evolutionär entwickelt hat.

Summa summarum:

Ökosophie, als die Kunst des Umgangs mit der Natur hat eine ganzheitliche Sicht auf Natur, Mensch, Tiere und Pflanzen. Natur ist aus  ökophilosophischer Perspektive kein Objekt der Erkenntnis, sondern ein Subjekt, das handelt. Die Bedürfnisse und Lebensäußerungen der Natur sind gleichermaßen wahrzunehmen und für das Handeln zu berücksichtigen, wie die Interessen des Menschen. Die Natur ist keine verlängerte Lagerstätte für Ressourcen, aus der sich der Mensch nach Belieben unendlich bedienen kann.

Darüber hinaus geht es in der Ökophilosopie darum, in einem herrschaftsfreien Diskurs die Weisheit der Natur zu erkennen und nicht gegen sie zu kämpfen oder sie unter die Herrschaft des Menschen zu zwingen. Nur aus diesem Grundverständnis heraus kann der ökophilosophisch gebildete Mensch der Zukunft in einen symbiotischen Lebenszusammenhang mit der Natur zurückkehren, kehrt er nicht in diesen harmonischen Zusammenhang zurück, wird er als evolutionäre Fehlentwicklung untergehen.

Letztlich krankt unsere Welt nicht daran, daß wir nicht wissen, wie es geht, sondern Sie geht möglicherweise für uns unter, weil wir mehrheitlich nicht wissen wollen, wie es ginge. Wir haben schon lange kein Erkenntnisproblem mehr, aber wir haben ein massives Umsetzungsproblem unserer Erkenntnisse in die Praxis!
Deshalb ist die Ignoranz zu überwinden und diese Überwindung ist gleichzeitig eines der ganz, ganz großen Themen der Ökosophie!

Smog

Die richtige und die falsche Religion

Es macht wenig Sinn, bei Religionen DIE richtige oder DIE falsche Religion, die gute oder die böse Variante gegeneinander ausspielen zu wollen, denn überall ist es der defizitäre Mensch, auf den die Sache gründet und der sich mit der Sache heute beschäftigt und darüber urteilt, was gut und was böse ist.

Alle Religionen – vor allem erstmal ihre grundlegenden Schriften – müssen mit der Brille der Aufklärung und der allgemein verbindlichen Menschenrechte, die man möglichst auch noch auf alle fühlenden Wesen ausdehnen sollte, gelesen werden.

Wenn wir uns heute, nachdem wir 300 Jahre Aufklärung hinter uns haben, überheblich dem Koran gegenüber aufführen, dann würde ich mal zu einem kurzen Blick in das alte Testament raten:

Schaun wir doch zuerst mal in die Tora, in die 5 Bücher Mose, hier finden wir unter anderem:

2. Buch Mose, Exodus 32, 27f: Mose sagte zu ihnen: Zieht durch das Lager von Tor zu Tor. Jeder erschlage seinen Bruder, seinen Freund, seinen Nächsten. Vom Volk fielen an jenem Tag gegen dreitausend Mann.

3. Buch Mose, Leviticus 24,16: Wer den Namen des Herrn schmäht, wird mit dem Tod bestraft. Die ganze Gemeinde soll ihn steinigen.

4. Buch Mose, Numeri 15, 32/35f: In der Wüste entdeckten sie einen, der am Sabbat Holz sammelte. Gott sprach zu Mose: Der Mann ist mit dem Tod zu bestrafen. Da führte die ganze Gemeinde den Mann vor das Lager hinaus und steinigte ihn zu Tode.

4. Buch Mose, Numeri 25,1/4: Als sich Israel in Schittim aufhielt, begann das Volk mit den Moabitterinnen Unzucht zu treiben. Da sprach Gott zu Mose: Nimm alle Anführer des Volkes und spieße sie im Angesicht der Sonne auf Pfähle.

4. Buch Mose, Numeri 31, 14-17: Mose ward (…) zornig: (…) Habt ihr wirklich alle Weiber am Leben gelassen? Tötet sofort alle männlichen Kinder, ebenso tötet jedes Weib, das bereits mit einem Manne geschlechtlich verkehrt hat!

5. Buch Mose, Deuteronomium 17, 2f/5: Wenn in deiner Mitte jemand anderen Göttern dient, sollst du ihn zum Stadttor führen und steinigen.

5. Buch Mose, Deuteronomium 21,18-21: Wenn ein Mann einen widerspenstigen Sohn hat, der nicht auf die Stimme seines Vaters und seiner Mutter hört, sollen sie ihn packen und den Ältesten der Stadt sagen: Unser Sohn ist störrisch und widerspenstig, er ist ein Verschwender und Trinker. Dann sollen alle Männer der Stadt ihn steinigen. Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen.

5. Buch Mose, Deuteronomium 22,23f: Wenn ein unberührtes Mädchen verlobt ist und ein anderer Man sich mit ihr hinlegt, dann sollt ihr beide zum Stadttor führen und sie steinigen. Das Mädchen, weil es nicht um Hilfe geschrien hat, und den Mann, weil er sich die Frau eines anderen gefügig gemacht hat. Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen.

Bei den vorderen Propheten im Buch Josua 6,17 und 21 lesen wir: Die Stadt Jericho, mit allem, was in ihr ist, soll für Jahwe dem Untergang geweiht sein (…) Mit scharfem Schwert weihten sie alles dem Untergang. Männer, Frauen, Kinder, Greise, Rinder, Schafe und Esel.

Im 1. Buch Samuel 18, 27: David erschlug zweihundert von den Philistern, brachte die ‚Vorhäute‘ zu König Saul, legte sie vollzählig vor ihm hin, um sein Schwiegersohn zu werden. Und Saul gab ihm seine Tochter Michal zur Frau.

Im 2. Buch der Könige 15,16 findet man: Menachem eroberte Tifach. Er tötete alle Bewohner der Stadt und ließ ihren schwangeren Frauen den Leib aufschlitzen.

Oder nochmal 2. Buch der Könige 6,25/28f: Hungersnot im belagerten Samaria (…) Eine Frau sagte zum König: Diese Frau hat von mir verlangt: Gib deinen Sohn her, damit wir ihn heute aufessen. Meinen Sohn werden wir morgen verzehren. So haben wir meinen Sohn gekocht und aufgegessen.

In den Prophetenbüchern lesen wir im Buch Joel 4,9und 4,10: (…) Verkündet den Heiligen Krieg! (…) Schmiedet eure Pflugscharen um zu Schwertern und eure Winzermesser zu Lanzen!

schwerter-zu-pflugscharenViele aus meiner Generation kennen eigentlich nur das Gegenteil, ebenfalls in den Prophetenbüchern lesen wir hier im Buch Micha, 4,3: (…) Sie werden Ihre Schwerter umschmieden zu Pflugscharen und ihre Lanzen zu Winzermessern. Nicht mehr wird ein Volk wider das andere das Schwert erheben und nicht mehr werden sie das Kriegshandwerk erlernen.

Die DDR Friedensbewegung, die auch stark von der evangelischen Kirche z.B. vom Friedenspfarrer Friedrich Schorlemmer unterstützt wurde, hatte sich dieses Motto für ihren friedlichen Widerstand gegeben, in der Mitte des Aufklebers war die Skulptur „Wir schmieden Schwerter zu Pflugscharen“ dargestellt, die die Sowjetunion 1957 der UNO geschenkt hatte und die seit dem vor dem UNO-Gebäude in New York stand und immer noch steht.

Man sieht, man kann auch das glatte Gegenteil aus dem Alten Testament herauslesen, das macht wahrscheinlich diese wirkmächtigen Bücher aus, daß für jeden was dabei ist.

Auch hier noch ein paar Beispiele:

3. Buch Mose, Leviticus 19,18: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst!

5. Buch Mose, Deuteronomium 6,5: Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und ganzer Kraft.

Im Buch Tobit 4,7: Sei nicht kleinlich, wenn du Gutes tust. Wende Deinen Blick niemals ab, wenn du einen Armen siehst.

In den Psalmen 33,5/34,15: Der Herr liebt Gerechtigkeit und Recht. Meide das Böse und tue das Gute.

In den Psalmen 46, 9f: Kommt und schaut die Taten des Herrn. Er setzt den Kriegen ein Ende. Bis an die Grenzen der Erde. Er zerbricht die Bogen, zerschlägt die Lanzen, im Feuer verbrennt er die Schilde.

Im Buch der Sprüche 3,3: Nie sollen Liebe und Treue dich verlassen.

Im Buch der Sprüche 31,8: Öffne deinen Mund für die Stummen, für das Recht aller Schwachen.

Oder aus dem Weisheitsbuch Jesus Sirach 28,2: Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden dir, wenn du betest, auch deine Sünden vergeben.

In den Prophetenbüchern lesen wir im Buch Amos 5,14: Sucht das Gute, nicht das Böse; dann werdet ihr leben.

Oder nochmal in den Prophetenbüchern im Buch Micha 6,8: Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.

Nach diesen wenigen Beispielen kann man sehen, man könnte mit Bibelzitaten jede Art von Ideologie untermauern, so wie man es eben mit dem Koran auch kann, vor allem weil der Koran ja auch in einer bildlichen Sprache verfaßt ist, so daß jede Art von Auslegung schon durch die Übersetzungsvarianten möglich wird.

In Summe: Wenn wir von einer kulturgeschichtlichen Evolution ausgehen, dann können wir sagen, daß die Menschenrechte und die Menschenwürde, die wir auch allen anderen fühlenden Wesen zugestehen müssen, für uns der Gradmesser zur Beurteilung jeder Ideologie ist, gleich welcher Herkunft eine Ideologie auch seien mag. Hinter diesen Stand der Entwicklung sollten wir einfach nicht mehr zurückgehen, auch wenn manche immer wieder versuchen, die Menschheit ins Mittelalter zurückzubomben.

Der große Metaphysiker von Chirico

Der große Metaphysiker von Chirico ist eines meiner Lieblingsbilder aus dem 20. Jahrhundert, es ist ein Denkbild par excellence.

Giorgio de Chirico, 1978 in Rom gestorben, gilt als der zentrale Vertreter der sogenannten Metaphysischen Malerei, die als eine der wichtigsten Vorläufer des Surrealismus angesehen wird.

Von Friedrich Nietzsches Beschreibungen der gespenstisch leeren Plätzen in Turin beeinflußt, dienten Ihm Nietzsches Schilderungen der menschenleeren Plätze, die mit Arkaden und Statuen umgeben waren, als Vorlage seines Schaffens.

De Chiricos traumähnliche Stadtansichten bestehen aus Türmen, Arkaden und menschenleeren Architekturen. Der „Große Metaphysiker“ von 1917, zusammengesetzt aus Dreiecken, Winkeln und anderen Versatzstücken der meßbaren Welt, steht einsam auf seinem Posten, mitten auf einem leeren Platz, der durch die Wissenschaft vermeßene Mensch, der nur noch eine Gliederpuppe ist, ein Mahnmal und ein Werkzeugkasten zugleich.
Einzig einzeln verwendete figürliche Schatten und „manichini“ (Gliederpuppen) bilden Gegenstücke zur streng architektonischen Gestaltung dieser Kulissenwelt.

1916/17 gründete de Chirico mit anderen die „scuola metafisica“ und damit eine Strömung, die den Stil der Surrealisten um rund zehn Jahre vorwegnahm und bis zum Jahr 1920 andauerte. Die Künstler verbanden in ihren Werken reale und imaginäre Elemente, die untereinander keinen oder nur noch einen ahnbaren Bezug herstellen.
Die künstlerische Phantasie wurde zum Bestandteil des Bildaufbaus. Der assoziative Charakter der Werke brachte traumähnliche Szenerien hervor, in denen eine magisch-metaphysische Stimmung herrscht.

Theodizee und Gotteskrieger

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Ich möchte nicht in einer Welt ohne Kathedralen leben.
Ich brauche ihre Schönheit und Erhabenheit.
Ich brauche sie gegen die Gewöhnlichkeit der Welt.
Amadeu Inácio de Almeida Prado

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Das Thema Theodizee  ist für eine tiefsinnige Stunde am Kamin immer gut und wenn man bedenkt, was zur Stunde alles in der Welt an Greueltaten, auch im Namen Gottes geschieht, dann darf man kein schlechtes Gewissen haben sondern man sollte sich glücklich schätzen, am warmen Kamin über ein solches Thema sich Gedanken machen zu können und nicht einem feindlichen Artilleriefeuer ausgesetzt zu sein.

Wie schon gesagt, man muß nicht unbedingt bis zum Holocaust zurückgehen, es reicht schon der tägliche Blick ins Fernsehen oder in die Zeitung, um sich über die unendlich vielen Qualen, die Menschen, anderen Menschen, Tieren, kurz, allen fühlenden Wesen antun, zu informieren. Der kritische Geist fragt sich immer wieder, wo denn eigentlich der liebe Gott bei all diesen Greueltaten des Menschen sich versteckt hält, wenn er doch angeblich den Menschen nach seinem Bilde perfekt geschaffen hat (IntelligentDesign), sieht so Perfektion im Sinne Gottes aus?

Bevor mit Gottfried Wilhelm Leibniz die unmittelbare Diskussion um das Problem der Theodizee begann, gab es natürlich schon von der Bibel her, also vor allem dann im Christentum und dem Neuen Testament, die ständige Betonung des Teufels, des Kampfes gegen die Mächte der Finsternis. Durch diese Aufwertung des Teufels, als Gegenspieler Gottes, ist der liebe Gott natürlich fein raus aus der Sache, denn bis zum jüngsten Gericht, wenn dann die große Endabrechnung kommt, kann man alles, was an Übeln in der Welt ist, dem Teufel in die Schuhe schieben. Und auch das Problem der Ebenbildlichkeit des Menschen ist damit gerettet, denn wenn er nicht so tun, wie er im göttlichen Lichte tun sollte, dann ist er halt mal wieder vom Teufel besessen. Der Teufel verschafft dem lieben Gott eine reine Weste und der vom Teufel besessene, ab mit ihm auf einen der vielen Scheiterhaufen dieser Welt.

Aber wie es gerade in der abendländischen Kulturgeschichte ist, die Zweifler und Krittler geben halt einfach keine Ruhe, immer wieder wird nach dem Sinn gefragt, angesichts der Leiden, die Menschen durch Menschen auf diesem Planeten erfahren. Besonders prekär wird die Situation dann natürlich nach Ausschwitz. Dem Sinn nach kann man ja die Theodizee als eine Verrenkungsübung von Theologen begreifen, die versuchen, Gott nach und trotz Ausschwitz zu retten und dies obwohl der Glaube an einen gütigen, dem Menschen liebevoll zugewandten Gott nach der industriellen Vernichtung der europäischen Juden durch die Nazis, einem lächerlich, wenn nicht sogar menschenverachtend zynisch vorkommen müßte.

Dieser spannungsgeladene Zwiespalt, Gott trotz oder sogar aufgrund der Greueltaten in dieser Welt immer wieder zu rechtfertigen, läuft im Kern auf die sogenannte Theodizeefrage hinaus, also der Frage nach einem guten Gott im Angesicht des Bösen, was man nicht mehr einfach alles dem Teufel zuschieben kann.

Die Theodizeefrage läuft aber auch darauf hinaus, daß Gott mit diesem Universum – so wie es zur Stunde ist – nichts weiter zu tun hat und deshalb auch nicht angeklagt werden kann.

Die Frage ist, ob die Theodizee-Frage nicht den roten Teppich vor jedem Atheisten ausrollt, denn die Frage ist schon recht knackig gestellt, warum Gott eigentlich das Leiden zulässt, wenn er doch so allmächtig, allweise und allgütig ist, wie immer behauptet wird. Denn wenn diese Attribute, die man ihm von Alters her zuweist, stimmen würden, dann müßte er doch den festen Willen haben, alles Leiden aller ihm ebenbildlichen Geschöpfe zu  verhindern, besonders natürlich das Leiden, was durch die Gotteskrieger dieser Welt – welcher Coleur auch immer – in seinem Namen über die Welt gebracht wird, gerade da müßte er ja schon eingreifen und sich verwahren. Pustekuchen, keine Antwort aus dem OFF!  Ist es da nicht verständlich, daß der ein oder andere ins Zweifeln gerät.

Mein alter Freund Epikur hat die Götter ja vorallem deshalb geleugnet, weil er ihnen vorwarf ein faules, untätiges Gesindel zu sein, was sich nicht um die Leiden dieser Welt kümmern würde, und deshalb bräuchte man auch dieses Göttervölkchen nicht, was obendrein noch jede Menge Volksvermögen verschlingen würde. Auch Hiob hat ja bekanntlich seine liebe Not gehabt mit dem Glauben in Anbetracht der vielen Hiobsbotschaften, die Ihn ereilten. Da dem lieben Gott die Treue zu halten war schon eine besondere Tat, aber der wurde ja immerhin am Ende für seine Treue belohnt, was man ansonsten ja nicht so feststellen kann.

Der von mir hochgeschätze Philosoph und frühe Aufklärer Gottfried Wilhelm Leibniz hat ja in seinem zu Lebzeiten umfangreichsten, veröffentlichten Werk „Theodizee“ den Begriff geprägt und ist dabei ganz schön im Schlamm versackt.
Aus der Nummer ist er dann zu Lebzeiten auch kaum noch rausgekommen, noch Voltaire hat sich ja über die Leibniz’sche Welt als die beste aller möglichen Welt heftig lustig gemacht.
Die Argumentation von Leibniz lautete: Gottes unendliche Weisheit lasse ihn die beste unter allen möglichen Welten herausfinden, ich frage mich, hat er damals schon an die Existenz von Paralleluniversen gedacht, von denen er eines heraus sucht? In seiner Weisheit muß der liebe Gott dann ja auch Kriterien und Qualitätsmerkmale gehabt haben, warum er aus der unendlichen Zahl von Paralleluniversen gerade dieses hier ausgesucht hat und was ist denn dann mit den anderen Universen passiert, Fragen über Fragen wenig hilfreiche Antworten.
Vielleicht hat der liebe Gott ja nur verschiedene Pläne studiert und dann, ob seiner Weisheit entschieden, welches Universum er in seiner unendlichen Güte als Plan auswählt, um es dann in seiner Allmacht auch als die beste Welt hervorzubringen.

Dann hat er allerdings für die Umsetzung, wir sagen normal für die Schöpfung, einen scheiß Projektleiter eingesetzt,  was man sich ja heute angesichts der vielen schief laufenden Großprojekte sofort vorstellen kann. Jedenfalls der Projektleiter, der hat dann in der Realisation das Projekt in den Sand gesetzt, zumindest was den Menschen betrifft, der sich überhaupt nicht in den harmonischen Kreislauf der Natur einfügen will. Wir haben jetzt das Problem, ob wir Gott jetzt verantwortlich machen sollen, für den Scheiß den der Projektleiter gebaut hat oder ob wir einfach mit der Welt, wie sie nunmal geworden ist, Vorlieb nehmen, eben als die beste aller möglichen Welten. Was Perfekteres war eben nicht drinn.

Gier, Haß und Ignoranz sind eben auch Teil dieser Welt, haben dadurch – weil sie ein Teil der Welt sind – ihren Sinn und stehen neben dem Guten von Liebe und Mitgefühl. Beide Seiten, das Gute und das Böse sind nicht miteinander verrechenbar. Nach Leibniz zeigt sich ja gerade die Weisheit Gottes darin, daß er beide Wirkprinzipien zugelassen habe, ähnlich wie in  Asien, das Universum immer gleichzeitig von den beiden Wirkkräften YIN und YANG bestimmt wird. Das Prinzip des „Guten“ und das Prinzip des „Bösen“ durchdringen sich wechselseitig, das bedeutet aber nicht, daß man aus den beiden Prinzipien eine gemeinsame Rechnung machen kann, das man das Gute gegen das Böse und umgekehrt aufrechnen könnte.

Das Aufrechnen ist menschenverachtend, weil es die Opfer auflöst in einer quantitativen Betrachtungsweise,  die wir bis heute in jedem Fernsehbeitrag, über welchen mörderischen Konflikt auf der Welt er auch berichtet, beobachten können.

Kommen wir zurück zu Leibniz und seiner Welt-Theorie, die man auch als eine der zukunftsweisensten ansehen kann, wenn man nämlich die Monadenlehre von Leibniz hinzuzieht und die Monaden als Wirks in Superposition versteht, also als verursachendes Feld, daß in sich die Totalität aller Möglichkeiten birgt, dann kann man die Welt aus mesokosmischer Sicht tatsächlich als die beste aller möglichen Welten verstehen, denn die Welt steht demnach immer auf dem avanciertesten Standpunkt ihrer Möglichkeiten. Das Weltverständnis, daß hier dahintersteckt ist eine Welt, die immer auf Tour ist, die sich entwickelt und niemals selbstgefällig stehen bleibt.

Nun die Tatsache bleibt wohl bestehen, Veränderung hin oder her, solange es Menschen gibt, gibt es auch ihre Götter, denn es ist eine anthropologische Konstante,  daß Menschen eines Gottes bzw. vieler Götter (für jede Gelegenheit einen anderen!) bedürfen, und Sie bedürfen der Rituale und Religionen, die von Amts wegen, den Umgang mit den Gottheiten regeln. Solange es aber Götter gibt, fragt sich der kritische Geist, in welchem Verhältnis diese Götter zu den Greueltaten der Menschen auf diesem schönen, blauen Heimatplaneten stehen.

Denker, wie der Rabbiner und Philosoph Richard Rubenstein haben das Problem der Bedürftigkeit des Menschen nach einer Metaebene, nach einer transzendentalen Gottheit, nach einer Sinnkategorie, jenseits des bloßen Seins in der Formel „Das Heilige Nichts“ verpackt. Rubinstein schreibt in seinem viel diskutierten Buch „Nach Ausschwitz“ von 1966: „Wenn ich sage, daß wir zur Zeit des Gottestodes leben, so meine ich damit, daß das Band, welches Gott und den Menschen, Himmel und Erde miteinander verband, gerissen ist. Wir befinden uns in einem kalten, stummen und gefühllosen Kosmos, und keine größere Macht jenseits unserer eigenen steht uns bei. Was kann nach Ausschwitz ein Jude anderes über Gott sagen?“

Die Fragen der Theodizee liegen klar auf der Hand, wenn es einen allweisen Gott gibt, der gleichzeitig auch noch allgütig und allmächtig ist, dann könnte es das Böse in der Welt gar nicht geben, bzw. ist es den Opfern gegenüber mehr als zynisch, wenn man sie als notwendige Opfer in den Heilsplan Gottes mit einbaut, wie es viele Theologen nach Ausschwitz tatsächlich getan haben, wonach die Shoah einer Art von Gottsurteil gleichkommt, um das Fehlverhalten der Juden in der Geschichte zu sühnen. Diese Betrachtungsweise ist unerträglich menschenverachtend, wobei ganz klar ist, die Shoah ist keine Ausnahmesituation. In der Kriegsgeschichte der Religionen kommt es bis zum heutigen Tag immer wieder zu solchen Argumentationen, wonach der Mord an Andersdenken oder Ungläubigen, als gerechter Sühneakt des Herrn begriffen wird.

Sehr viele Theologen, auch im Nachgang zu Darwins eigenem Denkansatz, ziehen sich darauf zurück, daß Gott irgendwann mal so vor 13 Milliarden Jahren die Bowlingkugel Universum perfekt angeschoben hat und dann seiner Wege gegangen ist, nach dem Motto, was daraus wird ist nicht mehr mein Bier, dieser theologische Ansatz paßt dann auch ganz gut zu der Vorstellung wie wir uns mühsam über Millionen von Jahren aus Sternenstaub in der Evolution entwickelt haben.

Nach dieser Vorstellung läßt sich das Universum oder auch nur unser Heimatplanet im Grunde wie ein Startup verstehen, eine Ausgründung von rotierendem Sternenstaub, der man ein paar funktionsfähige Zellen als Startkapital in die Hand gedrückt hat, nach dem Motto:  Mach was drauß…

Was drauß gemacht, das haben wir ja zweifellos, fragt sich nur, ob wir Kriterien entwickeln können, nach denen wir dann auch beurteilen können, ob wir was Gutes oder was Schlechtes draus gemacht haben, da wäre jetzt der Herr und Meister vom Anfang der Geschichte als Gutachter gefragt, aber der meldet sich einfach nicht mehr. Statt dessen gib’s inzwischen jede Menge Statthalter auf Erden, die sich zu Gutachtern aufschwingen, aber wie das eben bei Gutachten so ist, jedes Gutachten behauptet etwas anderes.

Nehmen wir nur mal die Geschichte Jesu, die einen behaupten, daß der Sinn der Kreuzigung, in der der alte Herr seinen Sohn opfert, dazu gedacht ist, die Menschheit von der Sünde zu erlösen. Ohne Kreuzigung keine christliche Heilslehre, kein neues Testament, kein Evangelium. Jesus macht mit seinem Kreuzestod den Weg frei für jeden, der den Bund mit Gott wieder erneuern möchte. Durch seinen Kreuzestod erneuert er den Bund der Mensch mit Gott (waagrechter Kreuzbalken= das Irdische und senkrechter Balken = das Göttliche). Als Sohn Gottes hat er sich geopfert für die gottlosen Sünder und hat damit eine Versöhnung zwischen Gott und Mensch möglich gemacht. So weit – so gut.

Jetzt kommen aber die anderen Gutachter, natürlich auch gläubige Christen und verfolgen die Juden über bald 2.000 Jahre wegen der Kreuzigung Jesu auf Golgatha. Sogar oft die selben Christen, die freudig dem ersten Gutachter zustimmen würden, verfolgen nun aufgrund des selben Ereignisses die Juden (die ja bekanntlich immer noch auf ihren Messias warten) über diese ganze Zeitstrecke hinweg immer wieder. Sie werden von den frommen Christen enteignet, ghettoisiert, verbrannt, gerädert, gevierteilt, geschlagen und massenhaft z.B. in den Vernichtungslagern der Nazis ermordet und zwar – man kann es gar nicht oft genug wiederholen – auf der Grundlage eines Ereignisses, dem die Mörder und Häscher ihre eigene Religion zu verdanken haben, einem von Gott gewollten Ereignis, ohne das es gar kein Christentum geben würde!

Die beiden Interpretationen von Golgatha stehen unüberbrückbar nebeneinander, entweder ist Golgatha ein göttlicher Erlösungspakt oder er ist ein jüdisches Verbrechen, bei dem der Messias ermordet wurde und es gilt nun in der ganzen darauffolgenden Geschichte ihn zu rächen.

Aber zurück zur Schöpfungs-Story: Wenn der liebe Gott sich nicht beim Start des Universum unauffällig durch die Hintertür verabschiedet hat und jetzt einfach nicht mehr anwesend ist, man folglich auch in keinen Dialog mehr mit Ihm treten, dann ist die Sache einfach, dann hat’s der liebe Gott gut gemeint, indem er alles am Start perfekt eingerichtet hat und nur der Mensch der Döddel, der hat’s verbockt und in der Evolution aus was ursprünglich gut Gemeintem, etwas Schlechtes gemacht.

Für uns aufgeklärte, glaubenslose Humanisten ist das „sacrificium intellectus“ der katholischen Kirche genauso wie von jeder weltlichen Macht niemals hinnehmbar, wir müssen einfach immer nachfragen, denn in einer fundamental demokratischen Gesellschaft, für die die Meinungsfreiheit eines der höchsten Güter ist, kann niemand verlangen, daß man seinen kritischen Verstand quasi an der Garderobe abgibt und sich ganz einer anderen Lehrmeinung, einem Dogma unterordnet. Das ist einfach undenkbar überdies hoch gefährlich, weil es jeder Art von Totalitarismus Tür und Tor öffnet, und deshalb rundweg abzulehnen ist und zwar egal, welchen Inhalts das Dogma  ist.

Den aufgeklärten Diktator gibt es genauso wenig, wie das meinungsfrei, demokratische Dogma, es seie denn, wie manche es versuchen, man erhebt die Freiheit des Individuums selbst zum Dogma, was rein logisch aber nicht möglich ist.

Wobei gerade das Interessante dabei ist, in welch unterschiedlichen, säkularisierten Gestalten das „sacrificium intellectus“ heute daher kommt. Die Dogmen der Werbung, die den Konsumenten auf eine sehr subtile, unterbewußte Art zu einem hörigen Gläubigen machen, schrecken vor keiner Schandtat zurück.

Die Gemeinschaft der Weltkonsumenten, die keinen Gott neben sich duldet, als den Konsum, die zu konsumierende Ware, vom neuen hightech Fernseher bis zur Kreuzfahrt, hat ganz klaren religiösen Charakter. Wer nicht an Wachstum und Konsum glaubt, der wird zum verdächtigen Häretiker der Kirche des postmodernen Kapitalismus und muß verdammt werden.

Zwar werden heute die Ketzer nicht mehr verbrannt, aber Sie werden aus der Weltgemeinschaft der glückseeligen Konsumenten ausgeschlossen und müssen fern der fröhlich feiernden Massen, in der Ecke stehen und sich schämen.

Ressourcenwende

Wir tun alle so, als hätten wir noch 10 weitere Planeten in der Hinterhand und wenn wir den einen Planenten genügend ausgemostet haben, ziehen wir alle einfach zum nächsten Planeten weiter. Schöne Idee hat nur mit der Realität wenig zu tun. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, wir haben nun mal nur diesen einen Heimatplaneten und es wäre ratsam diesen so gut wie möglich zu pflegen, damit er uns noch möglichst lange versorgt und erhalten bleibt.

Wirtschaftleute gelten oft fälschlicherweise als unbeirrbare Realisten und kühle Rechner, das stimmt leider mit Ihren Taten nicht immer überein. Denn wenn sie kühle Rechner wären, hätten sie z.B. längst den ressourcenschonenden Umgang mit den reichlichen, aber leider auch endlichen Gütern, die uns der Planet zur Verfügung stellt, zur Grundlage ihres Handelns gemacht.

Luft, Wasser und Sand sind die drei meistverbrauchten Wirtschaftsgüter auf diesem Planeten und sie sind endlich, trotzdem werden diese Güter täglich so verbraucht, als wenn sie unendlich vorhanden wären, hier wäre ein sofortiges Umsteuern dringend geboten, das Konzept der Ressourcenwende in Verbindung mit einer Gemeinwohlbilanzierung trägt dem Rechnung und zeigt zudem wie man Ressourcen schonen und Gemeinwohl erhöhen kann und trotzdem wirtschaftlich – durch den Umbau der Wirtschaft in eine Dienstleistungswirtschaft – erfolgreich seien kann.

Die Voraussetzung, um den längst überfälligen Paradigmenwechsel vom nachsorgenden zum vorsorgenden Umweltschutz voranzubringen, ist neben einer möglichst umfassenden Ressourcenaufklärung, die Notwendigkeit das ökologische Denken vom Mief der letzten 200 Jahre Ideologiegeschichte zu befreit, denn wir sind leider nicht mehr in der vorteilhaften Lage uns weiter Ideologie leisten zu können.

Hier ein Beispiel: Mülltrennung war lange Jahre immer nur ein Thema von “ideologisch verbohrten Grünen” (das war jedenfalls ihr Image in der Öffentlichkeit), die mit dem Fahrrad durch die Stadt fuhren und alle möglichen Wertstoffe, vor allem Aluminium und Kupfer, gesammelt haben. Durch den Druck der Ereignisse in den letzten 40 Jahren, also vor allem der immer prekärer werdenden Ressourcenknappheit, hat sich das Thema selbst – aus der Not der Ereignisse heraus – inzwischen stark entideologisiert. Bei meinen Recherchen für ein nachhaltiges Wirtschaften bin ich z.B. auf eine  Tübinger Firma gestoßen, die einen Stör-Stoff-Sensor herstellt, den man an jedem Müllfahrzeug anbringen kann und der nach einer gewissen Zeit für eine saubere Mülltrennung bereits an der Quelle, dem Haushalt, sorgt. So etwas wäre vor 40 Jahren noch undenkbar gewesen.

Ich weiß, daß es derzeit in der Welt ganz anders aussieht und täglich dutzende von Kriegen und Kämpfen zwischen Menschen mit den absurdesten Ideologien stattfinden und auch das diese Ideologien oft nur der menschenverachtende Vorhang vor irgendwelchen Kriegen um Ressourcen sind. Das hebelt aber nicht meine Aussage aus, daß wir uns alle diese Ideologien, wenn wir auf unserem Heimatplaneten noch eine Zeit lang leben wollen, nicht länger mehr leisten können, es seie denn, wir betreiben weiterhin alle Vorkehrungen für einen kollektiven Selbstmord!

Ich kann es auch hier nur wieder betonen, der ökologische Rucksack, also das Material, das für ein Produkt, von der Wiege bis zur Bahre verbraucht wird, ist von zentraler Bedeutung. Und Unternehmen, die diese Aussage ernstnehmen, werden letztlich die eigentlichen Gewinner sein.

Gemeinwohlbilanz

Unternehmen, die eine Gemeinwohlbilanz erstellen, signalisieren Ihren Kunden und Geschäftspartnern, daß sie die Zeichen der Zeit erkannt und den längst überfälligen Paradigmenwechsel im Unternehmenszweck vollzogen haben.

Die Gemeinwohlbilanz ist das „Herzstück“ der Gemeinwohl-Ökonomie, in der nicht mehr der Finanzgewinn sondern die Mehrung des Gemeinwohls im Mittelpunkt steht. Finanz- und Gemeinwohlgewinne können sich u.U. komplett wiedersprechen, die Gemeinwohlbilanz gibt dem Unternehmen und seinen Kunden die notwendigen Werkzeuge an die Hand, um solche Widersprüche transparent zu machen. Der eigentliche Finanzgewinn dient nur noch als Mittel zum Zweck einer ökologisch nachhaltigen, sinnvollen Schaffung von Nutzwerten für Mensch und Umwelt. In dieser neuen Form der Common-Economy ist nicht mehr länger der Mensch für die Wirtschaft, sondern die Wirtschaft für den Menschen und die nachhaltige Pflege der Lebensgrundlagen auf diesem schönen blauen Planeten da.

Heute schon gültige Beziehungs- und Verfassungswerte wie z.B. Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Demokratie, werden mit Hilfe einer komplexen Bewertungsmatrix auf der Grundlage von Gemeinwohlindikatoren auf den Markt übertragen, indem sie die Wirtschaftsakteure dafür belohnt, dass sie sich human, wertschätzend, kooperativ, solidarisch, ökologisch, ressourcenschonend und demokratisch auf dem Markt und in ihren Unternehmen verhalten und diese auch entsprechend organisieren. Die Gemeinwohlwirtschaft macht die Werte der Gesellschaft – so wie sie sich in den letzten 300 Jahren entwickelt haben, zu den Werten der Wirtschaft.

Das Erstellen einer Gemeinwohlbilanz erfolgt freiwillig und ergänzt bisher die normalen Unternehmensbilanzen, damit ist sie zum einen Ausdruck des Willens eines Unternehmen sich verantwortungsvoll gegenüber der Umwelt und nachfolgenden Generationen zu verhalten und zum anderen bietet sie durch eine entsprechend zertifizierte Punktebewertung eines Unternehmens bei verantwortungsbewußten Kunden einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern, die auf eine Gemeinwohlbewertung keinen Wert legen.

Wir wissen inzwischen alle, wie wichtig in Internetzeiten die Bewertungen von Unternehmensleistungen durch ihre Kunden sind und wie stark der Erfolg eines Unternehmens von solchen Bewertungen abhängig ist.

Zukünftig wird ein Unternehmen, daß in seiner Gemeinwohlbilanz zwischen 750 und 1000 Punkte aufweist, deutlich größere Chancen auf Erfolg haben, als ein Unternehmen, daß gar keine Gemeinwohlbilanz erstellt oder nur 200 Punkte ausweisen kann.

GW-Punkte