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Der Klang der Stille oder wie man Geduld lernt

Wenn wir uns mal wieder von tausend Hunden gehetzt fühlen und unser Alltag uns über der Kopf zu wachsen droht, wir nicht mal ansatzweise zu einer gewissen Gelassenheit finden können, dann sollten wir uns für knapp 3 Stunden eine Auszeit von unserem Alltag gönnen und – soweit vorhanden – in eine stille Ecke mit unserem Laptop setzen und den wunderbaren Film “Die große Stille” von Philip Gröning ansehen.

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Schon alleine über das Zustandenkommen des Films kann man sehr lange nachdenken beinahe schon meditieren:
Ein Regisseurs fragt bei dem Prior eines Klosters, noch dazu eines Schweigeklosters der Karthäusermönche an, ob er einen Film über ihr Kloster drehen könnte. Der Prior erbittet sich beim Regisseur eine Bedenkzeit aus.
16 Jahre später meldet sich der Prior wieder und erteilt dem Regisseur eine Drehgenehmigung, allerdings mit ein paar kleinen Auflagen: Kein künstliches Licht, keine zusätzliche Musik, keine Kommentare, kein zusätzliches Team, nur er, der Regisseur. Philip Gröning ist also auf sich alleine gestellt, insgesamt fast ein halbes Jahr lebt er beinahe wie ein Mönch inmitten  der Mönche und dreht seinen Film.

Der Film wird ein kleines Wunderwerk – jenseits aller unsere medialen  Konsumgewohnheiten wird der Film tatsächlich von der Stille und dem Hör- bzw. Erleb-barwerden der Zeit getragen. Kein lauter Soundtrack – nicht mal ein imposanter Mönchschor – keine dusseligen Gespräche über den Sinn des Lebens und so weiter, einfach Stille und der stark geliederte Rythmus des Mönchsalltags. Ein beinahe archaiisches Zurückgeworfensein auf die Grundbestandteile unserer Existenz.

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Wir Heutigen haben immer das Gefühl, daß unser Leben nur dann lebenswert ist, wenn es randvoll ist, jede Sekunde unseres Alltags muß “ausgemostet” werden, zweimal an den gleichen Ort zu gehen, bedeutet schon Langeweile, daß man nichts aus seinem Leben macht – carpe diem – nutze den Tag, in dem Du ihn bis zum Rand vollpackst mit jeder Form von Aktivität, Hauptsache kein Stillstand, es muß knallen, schießen, leuchten, sonst gehen wir am Leben vorbei und dann kommt einer – wie Philip Gröning – und dreht einen fast dreistündigen Film über die Stille und den immer gleichen Rythmus eines jeden Tages. Wir begegnen Menschen, die ganz in konzentrierter Kontemplation, einem immer neuen Blick auf ewig Gleiches, aufgehen.

Wer meditieren möchte, ohne sich groß darüber Gedanken machen  zu wollen, was Meditieren ist, bzw. wie es funktioniert, der überläßt sich einfach mal für knapp 3 Stunden diesem Film.

Natürlich kommt die Stärke dieses Films nicht nur durch den mutigen Regisseur zustande, der sich getraut hat, einen solchen Film in unserer heutigen, schnellebigen Zeit zu machen und der bereit war über 21 Jahre an dem Thema “dran zu bleiben”, sondern in erster Linie natürlich durch das Sujet des Films selbst, das Kloster und seine Mönche inmitten der Berge. Und immer hin sind die Karthäusermönchen inzwischen fast die einzigen Mönche weltweit, die immer noch dem Gebot der Kontemplation leben. Der Film jedenfalls ist auch deshalb so einzigartig, weil vor Philip Gröning noch niemandem eine Dreherlaubnis für die Grande Chartreuse erteilt wurde, vielleicht bleibt er auch der Einzige, denn um einen solchen Film zu drehen muß man sich ganz auf diesen Ort und die geistige Kraft, die in diesem Ort anwesend ist, einlassen können und wollen.

Schon der Ort an dem die Grande Chartreuse 1132 gebaut wurde in mitten der Berge und der immer noch archaiisch wirkenden Natur ist unbeschreiblich. Gottseidank dürfen Touristen das Kloster nicht besuchen, aber es gibt hinter dem Kloster einen wunderbaren Lehrpfad und wenn man sich einmal für einen etwas längeren Augenblick an einem der Hänge rund um das Kloster niederläßt und nur den Ort inmitten des jeweiligen Augenblicks auf sich wirken läßt, dann ist das schon ein sehr überwältigendes Erlebnis.

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Die Grande Chartreuse befindet sich heute drei Kilometer nordwestlich des Dorfes Saint-Pierre-de-Chartreuse im französischen Département Isère und wurde ursprünglich 1084 durch Bruno von Köln etwa 2 km nördlich vom jetzigen Standort (also noch etwas mehr in den Bergen) mit 6 weiteren Mönchen errichtet. Seinen Namen verdankt das Kloster dem einsamen Gebirgszug “La Chartreuse” nördlich von Grenoble. Dorthin hatten sich die 7 Mönche zurückgezogen und ihre Eremitagen  aus Holz um einen Kreuzgang, eine kleine Kirche und einen Gemeinschaftraum errichtet. 8 Mal wurde das Kloster im Laufe der Zeit von Feuer vernichtet und 8 Mal wurde es wieder aufgebaut. 1903  wurde das Kloster durch den französischen Staat dann geschlossen und erst seit 1940 leben wieder Mönche dort. Heute ist La Grande Chartreuse das Mutterkloster der 24 weltweit noch bestehenden Niederlassungen des Kartäuserordens.

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