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Mönch und Krieger

moench_und_kriegerNach der Lektüren von Konstantin Weckers neuem Buch ist mir wieder klargeworden, daß er wahrscheinlich einer der ganz wenigen ist, der mein Lebensmotto voll ausgelebt hat: „Täglich den Widerspruch gestalten!“

Den Leuten einfach mal eine freche These vor den Latz zu knallen! Das gefällt mir! Endlich mal nicht nur medienkonforme Weichgespültheit. Provokation ist doch auch der Ausdruck eines gefühlsmäßig verankerten Engagements, eines tiefen Gefühls von Gerechtigkeit und Liebe für die Welt.
Herr Wecker warum treten Sie denn oft so aggressiv auf? Man hat sich all zu gerne an die Leisen und Sampften gewöhnt, die lassen sich besser wegdrücken – vor allem in den Medien – aber wo steht geschrieben, daß der Habitus des bajuwarischen Polterns nur Franz Josef Strauß und der CSU vorbehalten wäre, man kann ihn durchaus auch mal für menschenfreundliche Themen einsetzen und nicht nur fürs Geschäft (ich gebe zu, das war polemisch).

Aber trotzdem – schließlich und endlich – kommt das Wort Aggression ja aus dem Lateinischen und leitet sich von dem Wort aggredere ab. Das bedeutet unter anderem „voranschreiten“ und an die Dinge „nahe herangehen“, also jemand der aggressiv ist, ist jemand, der sich nicht in der falschen, verwalteten Welt behaglich einrichten möchte, ohne rechts und links zu sehen, sondern der Veränderung möchte, der eben voranschreiten will und der nahe an die Dinge herangeht, um die Zusammenhänge besser zu verstehen, die er verändern will.
In manchen Schulen des Zen-Buddhismus, dem man ja nun wirklich keine militanten Ziele unterschieben kann, wir das Anbrüllen ja auch als Lehrmethode benutzt, um auf Zusammenhänge nachhaltiger aufmerksam zu machen. Auch das tibetische Streitgespräch lebt nicht nur von inhaltlichen Aspekten des Dharma, sondern auch vom Abbau innerer Gewalt durch brüllen.

Seit dem ich jedenfalls Weckers Buch „Mönch und Krieger“ gelesen habe, weiß ich endlich viel genauer, warum mir die Person Konstantin Wecker immer gefallen hat.

Da man in diesem Buch ganz grundsätzlich so viel lernen kann (auch weil es voll von wunderbaren Mantras ist!), wollte ich in meinem Blog nicht einfach nur für das Buch Werbung machen, sondern auch ein paar meiner Gedanken, die mir beim Lesen des Buch eingefallen sind, hier aufschreiben.

Wecker hat beim Vorstellen seines Buches Es geht ums Tun und nicht ums Siegen: Engagement zwischen Wut und Zärtlichkeit“, das er zusammen mit Bernard Glassman geschrieben hast, gesagt: „Ich würde mir einfach wünschen, das Spiritualität und politisches Engagement viel mehr zusammenkommen“. Diesem Wunsch ist mein Blog – der unter dem Motto steht: „Täglich den Widerspruch gestalten“ – auch sehr stark verpflichtet, deshalb habe ich mir auch das provozierende Konzept „bumap2.3“ ausgedacht, vor allem weil ich Schubladendenken und Ignoranz für ganz wesentliche Übel und Hemmnisse von uns allen halte.

Das Kapitel „Revolution beginnt innen“ hätte ich auch zum Grundlagentext meines Blogs nehmen können, wenn ich es vor einem Jahr schon gekannt hätte, im Grunde würde ich hier am liebsten das ganze Kapitel zitieren, was ich natürlich aus Urheberrechtsgründen nicht machen will, aber ich hoffe, daß es mir niemand übel nimmt, wenn ich wenigstens ein paar mir besonders wichtige Stellen daraus zitiere:

„wir brauchen keine Reformen, sondern eine Revolution […] Die Revolution beginnt mit einem Umstrukturieren nicht nur des eigenen, sondern auch des gesellschaftlichen Denkens. […] sie sollte beginnen mit einem Zusammenwachsen einer neuen Spiritualität mit einer engagierten sozialen Politik. […] Spiritualität […] eröffnet […] die Chance, sich selbstständig zu revolutionieren, sein eigenes Denken permanent zu hinterfragen, beziehungsweise es durch Stille und Schweigen erst zu entdecken. Das bedeutet auch, sich der Betriebsamkeit zu widersetzen, die uns mitreißt und mit der wir uns abzulenken versuchen. […]

Wir stehen unmittelbar vor dem Abgrund, und es ist schon lächerlich, stolz darauf zu sein, daß die Menschheit ein paar Raketen ins All geschickt hat, während sie gleichzeitig dabei ist, ihren Heimatplaneten zu zerstören. […] Mit einem Bruchteil der für Waffen ausgegebenen Gelder könnten alle satt werden. […]

Ich glaube nicht an Gewalt, und ich begrüße es, daß die überwältigende Mehrheit der auch jungen Mitstreiter in den verschiedenen modernen Protestbewegungen friedlich bleibt. […]

Zur Demokratie gehört der Ungehorsam. […] Damit wir unsere demokratischen und sozialen Errungenschaften erhalten können, müssen wir ungehorsam sein […]

Ich bin für eine Revolution, aber zunächst für eine Revolution des Geistes. Es muß eine Revolution sein, die anders ist als all jene, die wir in den  letzten Jahrhunderten erlebt haben. Man kann nicht mit einer kriegerischen Revolution ein friedliches Zeitalter einläuten. Es muß  eine Revolution sein, die nicht in Gleichschaltung und Kollektivismus ausartet, sondern eine Revolution der Einzelnen, in der jeder jedem auch seinen spezifischen Wahnsinn läßt. […] Das Einzige, was wir schon jetzt tun können und müssen, ist Arbeit auf den Gebieten des Geistes, der Kultur und der Bildung leisten. […]

Humanitäres Engagement ist für mich eine Brücke zwischen gesellschaftlichem Engagement und Spiritualität. Das konkrete tätige Mitgefühl ist quasi die Schnittstelle aus beiden Welten. […] Genügt es, den Armen Brot zu geben oder muß man das System angreifen. […] Meine Antwort ist: beides. Ich mißtraue allen Ideologen, die humanitäres Handeln ausschließlich unter dem Gesichtspunkt sehen, daß dadurch ‚das System‘ stabilisiert wird. […]

Ich will mir das Wort ‚Revolution‘, ebenso wie das Wort ‚Pazifismus‘, nicht mit Blick auf den Mißbrauch dieses Begriffs rauben lassen. […] Revolution bedeutet, in der Lage zu sein, sich selbst und sein Leben immer wieder umzuwälzen. Auf dieser Basis kann und soll dann längerfristig auch die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse erfolgen.“ (siehe Seite 168 – 179)  So weit mal Kontantin Weckers wunderbarer Text.

An dieses Kapitel schließen sich Überlegungen zum Utopiebegriff an. Hier schließt sich für mich ein wichtiger Kreis. In der Tat bin ich auch der Meinung, das Utopie etwas Geistiges in der ansonsten verdinglichten Welt repräsentiert. Was uns  als Linke an dieser Thematik immer so zu schaffen macht, ist die orthodoxe Lehre vom Materialismus, die man immer im Hinterkopf hat, und die ja allen gesellschaftlichen Prozessen zugrunde liegen soll.

Ich bin der Meinung, daß im falschen Materiebegriff, der grundsätzlich hinter einer materialistischen Philosophie steckt, das Zentrum des Problems liegt. Würden wir unseren Materiebegriff stärker einer postmodernen, quantenphysikalischen Sicht öffnen, könnten wir viel eher verstehen, daß Materie kein Antipode zur Utopie ist, sondern die Utopie gerade im Zentrum der Materie zu finden ist. Materie, die ja letztlich wohl nichts als geronnene Quanteninformation oder wie Hans-Peter Dürr sagt, gefrorenes Licht ist, hat eine durch und durch utopische Wurzel, die kommt aber erst zum Vorschein (siehe dazu auch Blochs Vorstellung vom utopischen Vorschein), wenn niemand hinsieht, also wenn sie nicht wechselwirkt. Solange Quanten im Zustand der Superposition sind, also quasi im utopischen Meer der Möglichkeiten, sind sie an keinem festen Ort auszumachen, erst wenn wir sie beobachten, packen wir sie in eine bestimmbare Schublade bzw. schießen wir sie fein säuberlich getrennt durch den vorgeschriebenen Doppelspalt.

Man könnte also sagen: Materie ist geronnene Utopie, die immer da ist, weil sie die Wurzel von Allem, also auch von Leben ist. Nach dem Grundgesetz der Ähnlichkeiten sind alle unsere Utopien strukturell dieser einen großen Utopie nachgebildet. Wer also religiös ist, wer sich also rückverbindet zum Urgrund allen Seins, der landet bei dieser utopischen Wurzel des Seins. Mir egal, ob ein knallharter Betonphysiker sofort schreit: „das ist alles metaphysischer Eso-Kitsch“ weil ehrlich gesagt, die Kritik, daß das angeblicher Eso-Kitsch ist, kommt nur durch die poetische Sprachwahl zustande. Soll doch einer mir mal wirklich nachweisen, weshalb Ed Wittens M-Theorie (Stichwort Paralleluniversen) kein Eso-Kitsch ist, bloß weil der seine M-Theorie in eine für kaum jemand verständliche mathematische Form gegossen hat und deshalb eminent wichtig und natürlich sehr wissenschaftlich daher kommt.

Was mir jedoch an Konstantin Weckers Buch, beim Stichwort Parallel-Universen super gut gefallen hat, daß es diese Idee der Parallel-Universen mit den verschiedenen Facetten eines Menschen verglichen hat (siehe Seite 186), mir geht es nämlich schon ziemlich lange auf den Kecks, daß ganz viele Menschen dazu neigen, verschiedene Aspekte eines Menschen immer zu einer sogenannten Gesamtpersönlichkeit zu verrechnen, als ob man verschiedene Charakterzüge – wahrscheinlich ob man sie persönlich gut oder schlecht findet – mathematisch bewerten und sie dann summieren und subtrahieren könnte.
Da fühl ich mich immer sofort an den fantastischen Film „Per Anhalter durch die Galaxis“ (nach dem super Buch von Douglas Adams) erinnert und da natürlich an die Episode auf dem Planeten Magrathea, wo „Deep Thought “ der größte aller Computer, bevor es die  Erde gab, auf die Frage: „Was ist der Sinn des Lebens“, nach sieben Millionen Jahren Rechenzeit die Antwort gibt 42. Genau so kommt es mir vor wenn Menschen Facetten von anderen Menschen solange mit einander verrechnen, bis die Gesamtpersönlichkeit 38 herauskommt, anstatt wie es viel sinnvoller wäre, zunächst mal unbewertet die verschiedenen Aspekte nebeneinander stehen zu lassen um sich dann vielleicht im Detail damit auseinanderzusetzen oder sie eben gar nicht weiter bewerten. Diese Haltung ist völlig unabhängig davon, daß man sich gegen Personen mit menschenverachtenden Handlungsweisen zur Wehr setzen muß, auch wenn das immer gerne mit dem Verrechnen in einen Topf geworfen wird, dann heißt es immer, aber letztlich, aber letztlich ist nicht nur der Nazi „Schindler“, aber letztlich ist auch „Schindlers Liste“…

Das Zitat von Emile M. Cioran „Geschwätz ist jede Konversation mit einem, der nicht gelitten hat.“ aus dem Buch „Die verfehlte Schöpfung“, das Wecker auf Seite 193 zitiert, lenkt meine Gedanken noch mal auf das Thema Leid. In den Übersetzungen buddhistischer Texte wird das Wort „Leid“ ja relativ häufig verwendet, daß liegt natürlich vor allem an den „4 edlen Wahrheiten“ des Buddha, in denen es um den Pali-Begriff „dukkha“ geht, der zumeist mit „Leid“ übersetzt wird. Ich bevorzuge jedoch eher die Übersetzungsvariante „Angst“, weil sie meiner Meinung nach viel stärker den existentiellen Aspekt der Lebens-  und Todes-Angst betont und damit viel universaler alle fühlenden Wesen betrifft. In den 4 Wahrheiten geht es meiner Meinung nach eher um die Angst, ihre Ursachen, ihr Aufhören und den Schulungsweg, damit die Angst aufhört.

Es geht aber natürlich vor allem um die Freiheit, so wie sie Weckers Willy ausdrückt : „Freiheit, des hoaßt koa Angst hab’n vor nix und neamands“ (S.206)

Ich habe nicht selten Menschen getroffen, die das „Leid“ aus abendländischer Sicht völlig falsch als Funktion verstanden haben, sozusagen als Mittel zum Zweck, so nach dem Motto, nur wer viel Leid empfindet und erlebt hat, kann auch ein guter Buddhist werden. Nichts könnte dem Anliegen Buddhas ferner liegen, Angst, wie ich also lieber sage, ist ein Grundexistential, unter dem jeder Mensch steht und von dem er sich befreien kann, z.B. durch den buddhistischen Schulungsweg des achtfachen Pfads, im Detail gibt es natürlich so viele Wege, wie es Menschen gibt. Da Wecker ja auch noch das C.G. Jung Zitat bringt: „Ein kräftiges Leid erspart oft zehn Jahre Meditation“ wird der Eindruck, daß Leid sei Mittel zum Zweck leider noch etwas verstärkt, obwohl ich sicher bin, daß weder Konstantin Wecker noch C.G. Jung das so gemeint haben.

Das universale Mitgefühl, um das es Wecker ja in seinem Buch sehr stark geht, sollte sich auch ohne viel eigenes Leid entwickeln können. Leute, die mit viel Geld gesegnet sind, die Puppen tanzen lassen und feiern das die Schwarte kracht, werden sicher nicht das Gefühl haben, daß sie viel Leid in Ihrem Leben zu ertragen haben, und das Elend, daß sie bei einem Einkaufsbummel zwischen Granit- und Glasfassaden in Form eines obdachlosen Bettlers erleben, haben sie längst psychisch maskiert und als unvermeidlichen Zustand dieser Welt abgespalten.

Jetzt ist es ja nicht unbedingt sinnvoll, bei  einem derartigen YOLO-Typ zu warten, bis er einen schweren Autounfall mit seinem 911er hat oder sein ihm liebster Mensch stirbt, aber niemand kann soviel Partymachen, daß er nicht doch ab und an mit verschiedenen Spielarten seiner Lebensangst konfrontiert ist, an diesem Punkt kann, wenn er auf die richtigen Menschen trifft, doch plötzlich sich das maskierte Mitgefühl demaskieren. Das heißt nicht, daß er dann hinter her keine Party mehr macht, aber es wird sich etwas verändert haben, ein Same wird ganz langsam mit dem Aufgehen beginnen und schon am nächsten Samstag wird er vielleicht nicht mehr arrogant am Obdachlosen vorbeischlendern, sondern ihm zusammen mit einem guten Wort einen Euro in den Hut werfen. Ich hör da schon wieder etliche schreien: „Alles sozialromantischer Scheiß, dem fetten YOLO-Schwein gleich eins in die Fresse, was anderes versteht der doch nicht.“ Auch da schließt sich dann auch wieder der Kreis.

Ein anderer Aspekt kommt noch hinzu: Gerade bei dem Thema „Depressionen“, kommt man gar nicht weiter, wenn man darauf warten will, bis jemand durch eigene Depressionen Verständnis für einen durch und durch depressiven Menschen hat, bis dieser Glücksfall mal eintritt, ist der Depressive schon vom Dach gesprungen, also da bedarf es doch eines ganz tiefen, gelehrten Mitgefühls und der Empathie von Menschen, die selbst nichts ähnliches erlebt haben und die trotzdem nicht einem derart armen Menschen durch die Blume das Gefühl vermitteln, „stell Dich nicht so an, geh einfach mal kalt duschen“, wie es Wecker wunderbar beschrieben hat und das möchte ich noch hinzufügen, nicht wenige Depressive, die ja ständig auf solche Menschen stoßen, sind deshalb schon vom Dach gesprungen (pars pro toto natürlich).

Noch ein Beispiel, bei dem ich Mühe habe, die eigene Erfahrung zur Vorbedingung zu machen: Es ist – glaub ich – jedem klar,  daß ein Mensch, der die Grauen des letzten Weltkriegs noch mitgemacht hat und seit dem, also seit nunmehr 70 Jahren jede Nacht davon träumt, mit aller Kraft und aller Furchtlosigkeit, z.B. gegenüber Neonazis, auf die Straße gehen kann, und dafür auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrungen streiten kann, daß es Nie wieder Krieg gegen soll. Aber! Es gibt doch auch jede Menge Menschen, die ein behütetes, materiell auskömmliches Leben, mit Strom aus der Steckdose und Geld vom Automaten geführt haben, auch die sollten sich ja – wenn möglich – einreihen und dafür ’streiten‘, daß es Nie wieder Krieg gibt, die kann man ja nicht als Vorbedingung erstmal in einen der vielen Kriege, die immer irgendwo auf dem Planeten geführt werden, schicken und sagen: Sammle mal erst Erfahrungen mit dem Krieg, dann wirst Du dich besser dafür einsetzen können, daß es Nie wieder Krieg gibt. Das würde zwar funktionieren, wäre aber wohl am Ziel vorbeigeschossen.

Es ist doch eigentlich die Aufgabe eines Künstlers, in welcher Kunstsparte auch immer, natürlich funktioniert’s bei Lieder besonders gut, die Menschen nicht nur zu unterhalten und ihnen fröhliche Stunden zu schenken, sondern auch, sie nachdenklich zu machen, sie aufzurütteln damit sie sich engagieren, ihnen Mut zu machen, sich darin zu vertrauen aus kleinen Erfahrungen auf große Zusammenhänge zu schließen, so daß dann wirklich aus dem alltäglichen Krieg mit sich, der Familie und Kollegen, die großen Zusammenhänge sichtbar werden.

Ja Konstantin Wecker hat recht: „Es ist an der Zeit, die Wahrheiten zu integrieren. Es ist an der Zeit, die Kriege zu beenden – die in unseren Herzen, in unseren Köpfen und die auf den Schlachtfeldern. All diese Kriege sind in Wirklichkeit ein einziger großer Krieg in uns selbst, entstanden aus der Angst, seine Vorstellung von sich und der Welt zur Verwandlung freizugeben.“ (siehe Seite 195)

Es ist wirklich wahr, diese Unversöhnlichkeit der verschiedenen Lager, wie er sie ab Seite 197 beschreibt, stelle ich auch seit Jahren immer wieder fest, wer sich politisch links verortet, lehnt jede Art von Diskussion über spirituelle Dinge brüsk ab, bei mehr an spirituellen Dingen Interessierten, herrscht bei politischen Themen totales Desinteresse und der Dalai Lama, der sich ja häufig auch ganz konkret zu politischen Themen äußert und sich sehr dafür einsetzt (ähnlich wie Küng es mit seinem Weltethos-Projekt getan hat) ethische Werte ohne einen religiösen/kirchlichen Hintergrund in den Gesellschaften zu integrieren, hat sich bei Deutschlands Linken sowieso total unbeliebt gemacht, weil man ihn zusammen mit Roland Koch gesehen hat und der dann auch noch behauptet hat, der Freund des Dalai Lamas zu sein. Die Häme, die in den Medien über den Dalai Lama ausgeschüttet wird, weil der ja angeblich mit jedem befreundet ist, ist doch sehr entlarvend, umgekehrt wird doch gerade ein Schuh daraus, was ist daran so schlimm mit allen Menschen befreundet zu sein, Freunde schießen nicht aufeinander. Aber klar das Verrechnen und die alltägliche Ignoranz sind immer am Werk.

Was ist tätige, alltägliche Ignoranz! Wecker erwähnt in seinem Buch häufig Eugen Drewermann, dessen Bücher ich ebenfalls sehr schätze, nun, tätige Ignoranz ist für mich, wenn jemand, der keine einzige Zeile von diesem Menschen gelesen hat, geschweige denn darüber nachgedacht hat, wenn der sagt: „Drewermann? Wer ist das denn? Ach ja, das ist doch der mit der Strickjacke und der weinerlichen Stimme, den kam man doch sowieso nicht erst nehmen.“

Aber das haben die großen Denker, die auch nur Kinder ihrer Zeit waren, leider auch getan und wir tun es leider alle auch immer wieder. Ernst Bloch, den ich wirklich sehr schätze, hat z.B. von Rudolf Steiner immer nur sehr abfällig vom „lunatischen Steiner“ und in der Tat vom reaktionären Jung gesprochen, da war er halt voll auf der damals gültigen, marxistischen Linie, in anderen Fällen hat er wieder sehr positiv über Walter Benjamins „Aura-Theorie“ gesprochen, eine Theorie, die für Sheldrakes „morphische Felder“ sehr fruchtbar gemacht werden kann, also die ihrer Zeit weit voraus war. Sheldrake hat wiederum behauptet, seine morphischen Felder, die sehr stark wandlungsfähig seien, hätten nichts mit C.G. Jungs statischem, kollektiven Unbewußten zu tun. Und so  geht’s halt immer munter weiter, soll man das denn jetzt alles miteinander verrechnen und am Schluß kommen die einen ins gute Töpfchen und die anderen ins schlechte Töpfchen, und dann Deckel drauf und fertig.

Ein gutes Buch setzt immer viele Dinge im Leser in gang, ich merke, mein Beitrag wird immer länger und länger, vielleicht sollte ich jetzt doch mal so langsam zu Schluß kommen, aber eh ich das tue, möchte ich doch noch mal in Weckers Buch etwas zurückgehen, er zitiert auf Seite 73: „Die wahren Abenteuer sind im Kopf (und sind sie nicht im Kopf dann sind sie nirgendwo) wie ich das André Heller Zitat noch ergänzen möchte. Dann schreibt er weiter „Ich habe meine Abenteuer immer ganz körperlich und real zu erleben versucht,“

Mir ist schon klar, was er damit meint, wenn er das kalte, analytische Zerlegen von Erlebnissen dem prallen, unmittelbaren Lebensgenuß, also dem körperlichen, realen Leben kontrastierst, das einfach auch mal die Ratio ausschalten will. Ich möchte aber doch mal zu bedenken geben, daß das auch nur wieder einer dieser miesen Tricks ist, die sich der Neocortex über Jahrtausende ausgedacht hat und unser Bewußtsein damit an der Nase herumführt und ihm suggeriert, wir würden quasi etwas ganz direkt ohne den Umweg des Verstandes erleben können.

In Wirklichkeit – also sagen wir mal genauer aus neurowissenschaftlicher Sicht – drängt sich unser Neocortex überall dazwischen, macht und tut, bewertet ohne Ende, vergleicht, berücksichtigt gesellschaftlich antrainierte Erlebnisschranken und Verhaltensweisen und am Schluß kommt das ganze abenteuerliche Erlebnis ganz spontan und unbewertet rüber. Ja mit dem Neocortex ist es ein bisschen so, wie mit dem Kapitalismus, Du glaubst, Du hast jetzt mal wirklich was ganz Antikapitalistisches gemacht und hast dich seiner universalen Kapitalverwertungsgier entschlagen, schon hängt er sich wieder dazwischen und kommt grinsend um die Ecke.

Naja wie wir ja alle aus Konstantin Weckers Liedern schon wissen: „Genießen war noch nie ein leichtes Spiel“, denn leider wird eine Erfahrung erst durch unsere neuronale Verarbeitung zur Genußerfahrung. Nur durch diese Zwischenverarbeitung können sich zwischen die Erfahrung und unsere Genußerfahrung so viele Hemmnisse dazwischen schieben, alle möglichen gesellschaftlichen Doktrin, die uns daran hindern wollen, eine Erfahrung mit vielen positiv besetzen Gefühlsmarkern als Genußerfahrung in unseren Speichern abzulegen.

Also ein Abenteuer wahrhaft als Abenteuer in den Kopf zu bekommen – und das Abenteuer Leben ist ja wohl wirklich ein Abenteuer – ist kein leichtes Spiel, noch dazu, wenn man bedenkt, daß durch die ständige Reizüberflutung der Neocortex sowieso immer öfter die Schotten dicht macht. Kein Wunder, daß es jede Menge Leute gibt, die ständig zu Abenteuerreisen rund um den Globus unterwegs sind und die hinterher mit einem leeren Kopf an Erinnerungen und Abenteuern zurückkommen. Gottseidank gibt es aber auch Ameisenforscher, die  tagelang geduldig einem Ameisenstaat dabei zusehen können, wie die Ameisen jede Menge Abenteuer bestehen und die nach ihrer Forschungsexpedition mit jeder Menge an Abenteuern im Kopf zurückkommen.

Ich würde sagen, auch wenn das Genießen kein leichtes Spiel ist, versuchen wir so viel wie möglich davon in unseren Kopf zu bekommen und wie Wecker selbst ja auf Seite 155 beschreibt, sind die Abschrankungen, die durch z.B. eine linke Ideologie entstehen, auch nicht so leicht zu überwinden, es ist also eine subversive, revolutionäre Tat manche Genußerfahrungen wirklich in den Kopf zu bekommen, wenn man von allen Seiten nur hört, daß man sich doch diesen Kitsch schenken solle, weil Genuß doch konterrevolutionär ist.

Weil mir das Thema Mitgefühl so wichtig ist, möchte ich auch auf diesen Aspekt nochmal aus einem anderen Blickwinkel zurückkommen.
Natürlich tabuisieren wir viele Bereiche, die uns Schmerzen zufügen könnten, wenn wir uns mit ihnen auseinandersetzen würden. Wenn wir keine Gefühle aufkommen lassen, brauchen wir auch kein Mitgefühl zu üben, weder mit uns noch mit anderen. Wir haben eben Angst vor jeder Art von Materie, die uns bedroht und nur wenn wir Materie als festumbauten Raum begreifen, den wir handhaben und in eine Schublade stecken können, dann beruhigen wir damit unsere Angstgefühle. Dieser Umstand ist sicher einer der tieferen Gründe, warum wir uns nach über 80 Jahren Quantenphysik immer noch so schwer mit diesem unbestimmten Denken und dem Materiebegriff als geronnener Quanteninformation, tun. Wenn mehr Menschen den Denkansatz Hans-Peter Dürrs (den Wecker ja auch öfters zitiert) nachvollziehen würden, der konsequenterweise nicht mehr von Teilchen sondern von „Wirks“ spricht und dies unserer „Apfelpflücksprache“ kontrastiert, könnte sich auch viel ändern und unsere ständige Angst vor der sich ständig wandelnden Materie und vor der Veränderung allgemein würde eine andere werden.

Mitgefühl mit allen fühlenden, lebendigen Wesen, wie es im Buddhismus praktiziert wird, geht weit über das Mitleid, daß immer ein Herrschaftsgefälle mit einschließt, hinaus und wahres Mitgefühl setzt voraus, daß man die Angst vor sich selbst, die man  immer mit einem übergroßen Ego und tausenderlei schillernden Bildern von sich selbst überschminkt hat, überwindet. Auch deshalb gefällt mir Konstantin Weckers Buch so gut, denn es bebildert (z.B.  ab Seite 109ff) auf wunderbare Weise das, was Buddhisten meinen, wenn sie sagen: „drop your ego, befreie dich von deinem übergroßen Ego und den illusionären Bildern, die du von dir hast, werde einfach der du bist …“

Ich empfinde Weckers Buch als sehr mutig und ermutigend, weil er sich ganz offen dem Gelächter der sogenannten knallharten Realisten aussetzt, die vieles von dem, was er erzählt in der Tat als „Banalen Quatsch!“ (Seite 113) bezeichnen würden, wenn sie es denn läsen. Dazu kann ich nur sagen, aus Lebens- wie aus Leseerfahrung heraus: An Stellen, an denen am meisten geschimpft und polemisch vernichtend kritisiert wird, liegt meistens der Hund begraben. Ich erinnere nur mal an Freuds Bollwerk gegen die „schwarze Schlammflut des Okkultismus“, das er gerne mit C.G. Jung aufbauen wollte, wenn der ihm nicht an dieser Stelle die Gefolgschaft versagt hätte.

Darüber hinaus hat das Spirituelle für den Kapitalismus auch immer den „unangenehmen“ Nebeneffekt, daß man einfach nicht mehr so viel konsumieren muß, wenn man sich erstmal der Leere, die man mit Konsum zuschütten wollte, also wenn man sich der Hohlheit des vielen Konsums bewußt geworden ist. Das passiert meistens, wenn man nach echten Sinnkategorien des Lebens fragt und dann ist man halt sehr schnell bei  spirituellen Themen und wenn diese Themen um sich greifen würden, oh je was wäre dann mit unserem Wirtschaftswachstum. Deshalb sollte man das Spirituelle schon aus wirtschaftlichen Gründen total ablehnen, schließlich geht’s doch um Arbeitsplätze. Aber Gott sei Dank geht’s ja dann doch nicht um Arbeitsplätze sondern um Profit und der Kapitalismus wäre nicht der Kapitalismus, wenn er nicht auch da Abhilfe schaffen könnte, der Eso-Markt ist ja inzwischen ein millionenschwerer Business geworden und da kommt es dann auch nicht mehr darauf an, wieviel Schaden man hilfs- und mitgefühlbedürftigen Menschen zufügt, da darf mal halt nicht so zimperlich sein, dazu ist man doch Realist genug.
Auch dafür danke ich Konstantin Wecker, daß er in seinem Buch hier eine klare Differenzierung vornimmst und weiter hinten auch mal ordentlich den Eso-Markt – natürlich mit Worten – abwatschst.

Ich danke auch dafür, daß er den wunderbaren Friedrich Weinreb in seinem Buch zitiert, ihm sozusagen einen Kieselstein auf seinen Grabstein legst. Nachdem 2010 Christian Schneider, der Herausgeber der Schriften Weinrebs ebenfalls verstorben ist, steht zu befürchten, daß Friedrich Weinreb – wie der Chassidismus insgesamt – fast dem vollständigen Vergessen anheim fallen wird.

Danke auch für die Ausführungen zum Thema „Memento mori“, zur Hospizbewegung und vor allem auch danke für die Überlegungen zum Thema „nutze den Tag, als wenns dein letzter ist“. Ich finde, es ist wirklich wichtig, mal ein paar Dinge, die den „Carpe diem Terror“ (so wie ich ihn inzwischen nenne) betreffen, in ein anderes Licht zu rücken. Viele Leute haben ja inzwischen Banner über der Tür und Fußmatten vor der Tür, alle im Baumarkt gekauft, auf dem zu lesen steht „carpe diem“ und was viele darunter verstehen, stellt man dann auch gleich fest,  genau das, was Wecker in seinem Buch beschreibt, nämlich täglich 24 Stunden die Sau raus lassen, alles mitnehmen bis die Schwarte kracht, kurz mal zwischendrinn arbeiten gehen und dann gehts aber auch gleich schon wieder los zum „carpe diem bowling“, alle Neune wer bietet mehr.

Das hat ja nun wirklich sehr, sehr wenig damit zu tun, was Buddhisten damit meinen, wenn Sie sagen, man solle jeden Tag so nutzen, als wäre es der letzte, nämlich genau das, was Du schreibst: Mit sich und den Menschen im Reinen zu sein (Seite 124)!

Ich würde sagen, es wäre schön, wenn die auf Äußerlichkeiten programmierten Selbstoptimieren, auch mal ihr Denken etwas optimieren würden, es könnte dies in Anbetracht der echten, inhaltlichen Probleme auf diesem Planeten nichts schaden. Sie könnten ja mal Konstantin Weckers Buch dafür zur Hilfe nehmen.

Als vorläufig letzten Punkt möchte ich aber doch noch etwas zum Thema Karma (ab Seite 100) sagen.

Ich kann gut nachvollziehen, daß Wecker einen dicken Hals bekommt, wenn ein Eso die industrielle Massenvernichtung der Juden durch die Nazis in einen Zusammenhang mit dem Karma-Gedanken bringt, das ist Schwachsinn und hängt viel mehr mit der christlichen Vorstellung des alles sehenden und gerecht strafenden Gottes zu sammen, den er ja auch in seinem Buch so detailreich schildert. Aber! Natürlich kommt jetzt wieder das „aber“, wenn wir die Menschheitsgeschichte nicht als einen langen, ruhigen Fluß begreifen, von dem wir abhängen und dem wir gegenüber verantwortlich sind, sondern dem goldenen YOLO-Kalb huldigen, dann passiert es eben, daß wir nur aus kurzfristigem Profitstreben einfach mal die grüne Lunge dieses Planeten platt machen. Eine hundertjährige Eiche zu Brennholz zerhacken – also bitte – da wäre mir ein bisschen Karmadenken schon recht…

Darüber hinaus, wer echtes, also belastbares, tätiges  Mitgefühl in sein Leben und Handeln integriert hat, der kann gar nicht auf so absurde Argumentationen verfallen, wie Wecker sie in seinem Buch zu Recht negativ zum Thema Karma zitiert hat.
Ich gebe gerne zu, daß der Begriff des Karmas durch ständigen, unsinnigen Gebrauch (ich denke nur an das Buch „Mieses Karma“) zu einem Wort geworden ist, das man eigentlich nicht mehr benutzen sollte, wenn es einem um die Sache geht, die Sache ist aber in der Tat die von Ursache und Wirkung! und hat erstmal gar nichts mit moralinsaurem Geschwätz am Hut.

Was mir an buddhistischem Denken so gut gefällt und an dem Gedanken des universalen Mitgefühls, ist, das Buddhisten durch achtsame Bewußtseinserforschung in der Lage sind jedem schnellen Bewerten mit erhobenem moralischen Zeigefinger zu entgehen.

Wie Wecker ja auch in seinem Buch referiert, bestimmt sich für Buddhisten der Wert eines Lebens durch die eigenen Handlungen und nicht durch die  moralisch astreine Kritik von anderen und so heißt Karma für mich zum einen Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen, in meinem Handeln, so gut es mir halt möglich ist, alles zu vermeiden, was fühlenden Wesen nicht nur in der Gegenwart sondern auch in der Zukunft Leid zuführen kann. Beispiel: Dringend notwendige Lebensmittel (alle 5 Sekunden verhungert ein Kind unter 10 Jahren auf diesem reichen Planeten) in Agrartreibstoffe zu verwandeln und dabei ein gutes Gefühl zu haben, „Biodiesel“ zu fahren, ist mit dem Gedanken des Karmas – Ursache und Wirkung – nicht vereinbar. Wer den Gedanken des Karmas beherzigt, dem geht’s einfach nicht am A. vorbei, daß kommende Generationen keine Lebensgrundlage mehr haben.

Das Karma-Konzept ist halt einfach kein YOLO-Projekt – das muß man zugeben, aber ehrlich gesagt mit einem Konzept, das davon ausgeht, das man es jeden Tag krach lassen muß, weil schließlich, man lebt ja nur einmal – you only lives once, sind wir genau so weit gekommen, daß es niemanden mehr interessiert, was meine Handlungen heute, mein Macht und Gewinnstreben, mein Raubbau der Resourcen für diesen Planeten und unsere Lebensgrundlagen morgen bedeuten werden. Feiern ist ok – aber bitte mit einem footprint von 1!

So heißt Karma für mich eben auch ständig in Achtsamkeit die Wirkungen, die Konsequenzen meines Handels zu bedenken. Unser Problem auf diesem Planeten ist doch gerade, daß wir uns den Konsequenzen, die aus unserem Handeln erwachsen, nicht mehr stellen wollen, weil wir einerseits unser Handeln – zum Beispiel maximal Geld zu scheffeln – nicht aufgeben möchten, andererseits dieses Handeln inkompatibel ist, mit einem vernünftigen, ressourcenverantworlichen Leben. Die Probleme, die aus unseren Handlungen entstehen, können wir nicht lösen, deshalb spalten wir in unserer Psyche immer mehr Themen ab, über die wir nicht mehr nachdenken und nicht mehr reden wollen oder wir verpacken sie in nette, nachhaltige Eierkartons, die wir dann beim Discounter erwerben – Thema erledigt…

Genau an diesem Problem setzt der Karma-Gedanke an, Ursache und Wirkung. Kleines Beispiel: Weil wir gerne Eier essen, lassen wir zu, daß mit jedem Ei gleichzeitig niedliche, kleine, männliche Küken lebendig geschreddert oder vergast werden (da kennen wir uns ja aus).

Und noch ein wichtiger Punkt fällt mir zum Thema Karma ein: Wenn wir auf diesem Planeten für uns als Menschen noch etwas reißen wollen, dann kann es nur dadurch passieren, daß wir uns für diesen Planeten und unser Überleben auf diesem Planeten sinnvoll weiterentwickeln, darüber schreibt Konstantin Wecker ja im zweiten Teil seines Buches sehr viel, was man nur 100%ig bejahen kann.

Für mich spielt aber bei dem Thema Karma und Weiterentwicklung der Gedanke Rudolf Steiners von der Ewigkeit des Lebenskerns (der zum Urgrund unseres Seins gehört) eine wichtige Rolle, das Karma ist der Mechanismus, der diesen Lebenskern weiterträgt, in Anlehnung an Klaus Volkamer, der im Feinstofflichen Bereich – wissenschaftlich korrekt – wirklich echte Pionierarbeit leistet, spreche ich lieber von einem verschränkten Quantenfeld als Teil des riesigen, vereinten Quantenfelds, als vom Lebenskern (obwohl ich das Wort schöner, aber auch angreifbarer finde). Normalerweise halte ich mich mit dieser Thematik immer sehr zurück, weil ich da sowieso immer nur Kopfschütteln und Desinteresse ernte, aber da Wecker ja in seinem Buch auch erwähnt, daß er Steiner gelesen hat wage ich es an dieser Stelle trotzdem mal wieder.

Also! Wenn dieser Lebenskern durch ensprechende Achtsamkeit und Konzentration von einem Leben zum nächsten immer gepflegt wird, kann er sich entfalten und weiterentwickeln, wird er jedoch in einem Erdenleben lieblos und wenig achtsam behandelt, zerfällt er einfach nach dem Tod, soweit mal Steiners Interpretation, zumindest wie ich sie verstehe. Konstantin Wecker erzählt in seinem Buch viel über Spiritualität und auch öfter über Meditation, gerade diese beiden Begriffe stehn doch für einen intensiven, konzentrierten Dialog mit dem Lebenskern, der geistigen Welt oder dem vereinten Quantenfeld, es ist eigentlich wurscht wie man es nennt, Hauptsache man tut es – das nenne ich Arbeit am Karma – Wecker nennt es auf Seite 112 das Erarbeiten der Seele, das Ringen um die Seele, um den Sinn des Daseins.

Karma ist der Flavour des Lebens!

Auch ein Genie wie Mozart – den Wecker ja auch erwähnt – kommt nicht als tabula rasa auf die Welt, so einer wie Mozart hat einfach unglaublich viel Schwein gehabt, daß frühere Träger seines Lebenskerns achtsam und entwickelnd mit diesem Lebenskern umgegangen sind und er in seiner Materialisierungsphase (also seinem doch recht kurzen, aber intensiven Leben) sofort aus dem Vollen schöpfen konnte  und mir scheint, daß auch Konstantin Wecker bei der sehr frühen Entfaltung seiner musikalischen Begabungen natürlich auch durch die große Unterstützung, die er sicher in seinem Elterhaus erfahren hat, schon am Anfang seines Lebens gleich in die Vollen gehen konntest, die Arbeit am Karma, die frühere Träger seines Lebenskerns geleistet haben, hat sich doch wohl gelohnt, wenn man an die vielen positiven Dinge, Wirkungen denkt, für die Konstantin Wecker die Ursache ist.

Es gibt soviele gebrochene Menschen, die einfach nicht das Glück hatten, das ein toller Lebenskern mit einem super Elternhaus – wie bei Konstantin Wecker – zusammenkommen und für die man eben auch Mitgefühl entwickeln sollte, selbst wenn man selbst diese Erfahrungen nicht gemacht hat. Ich danke Konstantin Wecker, daß er an dem Glück, das er in seinem Leben hatte, andere Menschen teilhaben läßt. Daran erkennt man eben die Stärke seiner Persönlichkeit.

Die Insignie einer starken Persönlichkeit ist der kaum zu brechende Wille, ein Geschenk, das nur wenigen zuteil wird, dahin zu kommen, ganz offen und frei auch über seine Schwächen zu sprechen, wie Wecker es in diesem Buch vor einem Millionenpublikum tut, verlangt eben auch eine sehr starke Persönlichkeit.

Konstantin Wecker erinnert mich oft an Milarepa, der Weise aus dem Himalaya, der mit seinen 1000 wunderschönen Liedern die Menschen im 12. Jh. erfreute, ihnen Mut gab und sie aber auch auf freundliche Weise durch seine Lieder belehrte. An diesem Milarepa ist für mich in diesem Zusammenhang aber etwas ganz anderes interessant, es ist dieser ungeheure Wille, den man auch bei ihm sieht. Marpa, Milarepas spiritueller Lehrer, hat ihn Jahre lang wie den letzten Dreck behandelt, dann mußte er auch noch mit einem dünnen Kittelchen bekleidet in einer eiskalten Höhle im Himalaya 9 Jahre einsam meditieren und erst dann wurde er zu dem Yogi der 1000 Lieder, wie ihn heute alle kennen.

Der Wille ist es, täglich sich nicht zu schonen, in den Ring zu steigen mit sich selbst und wenn man mal von sich selbst wieder so richtig eine verpaßt bekommen hat, weil man voreilig und siegessicher schon aus der Deckung gekommen war, dann wieder aufzustehen, weiterzumachen und am Ende sein Gegenüber (sein eigenes Selbst) zu umarmen, das ist für mich Wille.

Einen Gefängnisaufenthalt zur eigenen, zur spirituellen Entwicklung zu nutzen und dabei noch einen wahrscheinlich mehr oder weniger kalten Entzug durchzustehen und als Person – nicht als Ego – gestärkt aus dem ganzen hervorzugehen, das können einfach nur wenige Menschen, die meisten zerbrechen täglich an solchen Herausforderungen, man kann ihnen das nicht vorwerfen, es ist einfach kein zu verallgemeinerndes Rezept,  da braucht’s halt doch die 3 Faktoren, die auf glückliche Weise zusammenkommen müssen: Ein starker Lebenskern, eine starke Unterstützung im Elternhaus und der eigene Wille aus diesen Anlagen etwas zu machen.

Und genau nach diesem Schema kann es weitergehen und was das Schöne an diesem Schema ist, wir brauchen gar nichts Außersinnliches mehr, weil wir einfach durch Karma-Arbeit alle unsere Sinne wieder so schärfen und erweitern, daß wir Dinge, die andere übersinnlich, außersinnlich, mystisch, wissenschaftlich nicht messbar usw. nennen, ganz normal in jedem Augenblick wahrnehmen, als würde das Telefon klingeln. Daß wir so viele Dinge als etwas ganz Besonderes wahrnehmen, wenn wir sie überhaupt wahrnehmen, liegt daran, daß wir in seltenen Momenten der Verkümmertheit unserer Sinne inne werden und damit gleichzeitig einen kleinen Zipfel von der Größe und Schönheit der Natur auf diesem Planenten erleben. Dann werden wir EINS – treten in vollkommene Resonanz mit allem Sicht- wie Unsichtbaren (was dann allerdings nicht mehr unsichtbar ist) erleben das Wunder im Alltäglichen...

Ab Seite 128 schreibt Wecker über den Schatten des Kriegers, also entsprechend der analytischen Psychologie C.G. Jungs von der dunklen Seite seiner Psyche, die er hat, die er aber auch nicht wahrhaben will. Das ganz vorbildhaft Große an Weckers Buch ist aber gerade, daß er immer wieder die „Insignien“ seines Schattens so deutlich und klar benennt, sie also aus dem Schattendasein heraus ans Licht zerrt, und es ist immerhin das erbarmungslose Licht der Öffentlichkeit. Eine antifaschistische Grundhaltung zu entwickeln, funktioniert auch meiner Meinung nach viel nachhaltiger, wenn ich frank und frei erkenne und auch verbalisiere, wie viel von dieser Grundhaltung auch in mir selbst vorhanden ist, als wenn ich immer nur mit dem moralischen Zeigefinger auf die Anderen zeige und bei der erstbesten Gelegenheit mein antifaschistisches Kartenhaus zusammenfällt. Fantastisch die Beschreibung seines Schattens, die er auf Seite 130 gibt – vielen Dank dafür.

Wenn man den 2. Grundsatz der französischen Revolution statt mit Gleichheit mit Gerechtigkeit übersetzt, was mir wesentlich angenehmer ist, dann kann man doch wohl sagen, daß alle 3 Grundsätze vollkommen auf Weckers politisches Engagement zutreffen, weil sie wahrscheinlich auch auf seine ganze Person zutreffen: Freiheit – Gerechtigkeit – Brüderlichkeit (natürlich auch Schwesterlichkeit, was soll man rumreden, Solidarität eben).

Ja ganz genau! „Der Vogel der großen Revolution des Mitgefühls braucht also zwei Flügel, um abheben zu können: einen politisch-weltlichen und einen spirituell-geistigen.“ (Seite 206)

Ich sagte es schon am Anfang dieses Beitrags. Für mich ist Konstantin Wecker ein Mensch, der auf ganz besondere Weise mein Lieblingsmotto lebt: „Täglich den Widerspruch gestalten!“

„Kein noch so klug durchdachtes System ist es wert, auch nur ein einziges Menschenleben dafür zu opfern“, also „Laßt Ideologien und nicht Menschen sterben!“

Wissenschaft & Spiritualität

Wissenschaft ist exaktes, dokumentiertes Beobachten und Experimentieren nach dem Grundsatz von Ursache und Wirkung, es ist das Aufstellen von Denkmodellen wie die sog. Wirklichkeit funktionieren könnte. Was Wissenschaft jedenfalls nicht ist – auch wenn manche es gerne so sehen möchten – sie ist nicht die Wahrheit.

Ganz freundlich formuliert ist Wissenschaft allenfalls das asymptotische Annähern an Teilwahrheiten, also für ganz kleine Ausschnitte der allumfassenden Wahrheit. Was Wissenschaft hingegen sehr viel ist, ist Glaube, der Glaube nämlich, daß die Annahmen, die ich über die Wirklichkeit mache durch Beobachtungen, Experimente und durch die Schlüsse, die ich daraus ziehe, der Wirklichkeit “wirklich” entspräche. Glaube ist sie aber auch deshalb, weil sie der Meinung ist, daß die Summe der Teile das Ganze sei und vor allem auch umgekehrt, nur so läßt sich die Wahnvorstellung erklären, daß Wissenschaftler wirklich allen erstes meinen, man könne durch Zerlegung (ich füge hinzu) “emergenter” Zustände, den emergenten Zustand erklären. Das wird niemals funktionieren, allenfalls in einzelnen Aspekten, die in ein Denkmodell eingehen.

Nun hat das Universum, die Natur selbst der Wissenschaft ein Schnippchen geschlagen, indem sie sich mit dem Aufkommen der Quantenphysik selbst aufgelöst hat und jenseits der Atome im unendlichen Kleinen nur noch Energie und Information ist. Erst wenn wir dieses Energiefeld der unbegrenzten Möglichkeiten messen, konkretisiert es sich als Teilchen, als Objekt und weißt nur noch einen Erinnerungszustand auf.

Wissenschaftliches Arbeiten ist natürlich ein sehr wichtiges Hilfsmittel, um die Welt und uns als Teil der Welt besser zu verstehen und Möglichkeiten zu finden, wie wir z.B. in Harmonie mit dem Planeten leben könnten und uns dabei einer Technik bedienten, die nicht unsere Lebensgrundlagen zerstört, also den Ast auf dem wir im Universum sitzen nicht vor unseren Augen absägt.

Dazu bedarf es aber vor allem eines offenen, wachen Blicks auf die Welt, der sich nicht umstellen läßt von Fronten und Blockaden rings um uns her, der die ganze Vielfalt und Veränderung, die in jedem Augenblick liegt, nicht nur akzeptiert sondern sogar wertschätzt.

Hier hift uns der Fortgang der postmodernen Naturwissenschaft, daß wir uns von der Dualität von Geist und Materie befreien können, die Quantenphysik löst diese Dichotomie in ein energetisches Informationsfeld auf und treibt uns quasi in die Arme der Spiritualität.

Spiritualität ist das Ergriffensein vom Unbestimmten, vom Numinosen (Rudolf Otto), es ist das Ergriffen sein, von dem, was uns unbedingt angeht und dieses Unbedingte ist sicher niemals von Menschen Gemachtes, das immer nur fragmentarisch und vorübergehend, eben objekthaft sein kann, wie alle Objekte nur eine scheinbare, erhoffte, unveränderliche Ewigkeit besitzen, während auf dem Grund aller Objekte immer nur die Veränderung zu finden ist.

Die Quantenphysik hat uns seit Jahrzehnten beigebracht, sich auf Unscharfes und nicht klar, eineindeutig Bestimmbares einzulassen und daß damit die Welt für uns nicht gleich untergeht, sondern, daß wir sehr gut damit leben können. Trotzdem ist die Quantenphysik als Geisteshaltung noch nicht wirklich im Leben der Menschen angekommen, zusehr sind wir noch in den alten Paradigmen verhaftet, als daß wir schon bereit wären zu einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel. Hier kann uns die jahrhundertelange Erfahrung der Spiritualität und der Mystiker dieser Welt weiterhelfen.

In dem wir uns den alten mystischen Fragestellungen öffnen und sie intuitiv zu begreifen versuchen, betreten wir ganz viele Lebensbereiche, die die moderne Naturwissenschaft immer als unwissenschaftlich ausklammern wollte und damit einen riesigen Teil der Welt nicht zur Kenntnis und zum Gegenstand der Forschung machen wollte.

Spiritualität ist also zunächst einfach mal das Bekenntnis, sich keinen Denkblockaden zu überlassen, die Unendlichkeit des lebendigen Geistes und seiner Gesetzmäßigkeit im Universum zu akzeptieren und als Mensch bescheiden und demütig gegenüber der Größe des geistigen, lebendigen Universums zurückzutreten und uneingeschränkt zu versuchen, deren unendliche Schönheit zu erfahren und zu genießen um daraus Kraft zu ziehen, anstatt die Kraft im Kampf gegen sie zu verlieren.

Was uns Menschen als Wesen, die Wissenschaft und Spiritualität gleichzeitig haben können, im Kern ausmacht, daß wir ein Teil der Geistigen Welt sind, daß wir nicht von Außen den Dingen als Objekte begegnen müssen, sondern daß wir mit Allem in einer lebedingen geistigen Verbindung leben. Nur weil dies so ist, können wir überhaupt etwas von dem Universum, den Lebewesen, den Pflanzen, der mineralischen Welt und auch von unseren Mitmenschen verstehen, weil wir alle Teil einer geistigen Welt sind. So wie jede Zelle, jeder Organismus immer die komplette DNA in sich trägt, so trägt jeder Mensch immer AUCH den geistigen Bauplan des Lebens, des Universums in sich.

Diese geistige Welt ist in und um uns herum, so wie auch das Unbewußte, was ein Teil dieser Geistigen Welt ist, in und um uns herum ist. Worauf es ankommt, ist, daß wir uns wieder dafür sensibilisieren, in dieser Geistigen Welt zu lesen, wie in einem Buch, und uns nicht mehr von der Wahnvorstellung beherrschen lassen, daß die Welt aus voneinander unabhängigen materiellen Objekten besteht, die man so gut wie möglich beherrschen muß.

Evolutionärer Fortschritt bedeutet, ein Höchstmaß an bewußter Resonanzfähigkeit mit der Geistigen Welt zu entwickeln – nur so können wir langfristig, also nachhaltig die Probleme angehen, die wir uns zum großen Teil selbst geschaffen haben. Nur wenn Wissenschaft und Spiritualität gemeinsam gehn und miteinander in einen ständigen, nicht abreißenden Dialog miteinandern treten, haben wir eine kleine Chance zu überleben.

Geschichte der Spiritualität

Sieht man in den beiden Spätwerken Timaios und Kritias von Platon nach, so stößt man auf seine historische Darstellung der Spätphase von Atlantis, die er auf die Mitte des 10. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung verortet.

Es macht Sinn eine Geschichte der Spiritualität mit Platons Darstellung und damit mit dem Untergang von Atlantis beginnen zu lassen und Atlantis als die Wiege der Spiritualität anzusehen. Ganz gleich welcher Lokalisierungsthese man im Zusammenhang mit Atlantis auch anhängen mag – mir persönlich erscheint die These vom mittelatlantischen Rücken nach wie vor die plausibelste zu sein – kommt man um die Frage, wie in ganz kurzer Zeit über die ganze Welt verteilt ähnlich strukturierte Hochkulturen entstanden, nicht herum.

Da wir nicht davon ausgehen können, daß es damals schon Düsenjets und das Internet gab, müssen wir uns fragen, ob man nach wie vor eine Zufalls-These gelten lassen möchte, wofür vom logischen Denken her sehr wenig spricht oder ob wir von geistigen Informationsfeldern ausgehen können, deren Gebrauch durch eine aus Atlantis ausgewanderte Priesterschaft anderen Kulturen weitergegeben und damit neue Hochkulturen initiiert wurden. Wenn wir den Untergang von Atlantis mit dem Ende der letzten Eiszeit im 12. bis 10. Jahrtausend v.u.Z. und einer kosmischen Katastrophe (Einschlag eines Planetoiden im Südatlantik) in Zusammenhang bringen, dann wird auch verständlich, weshalb sich plötzlich über die gesamte Welt verteilt überall in den Jahrtausenden danach kosmologische Forschungsstationen (z.B. Gizeh oder Angkor Wat) finden, die alle nach ähnlichen Schemata, mit ähnlichen Grundmaßen und einem extrem hohen Maß an Wissen erbaut wurden und alle als ein kosmologisches Spiegelbild der Sternenkonstellationen, wie sie in der Mitte des 11. vorchristlichen Jahrtausend waren, gelten können.

Wenn wir bei der Ursache des Untergangs von Atlantis von einer kosmischen Katastrophe ausgehen, in deren Folge sich das jahrtausende alte  Wissen der Hochkultur Atlantis über die Welt verstreut hat, dann wird deutlich weshalb es bei der Geschichte der Spiritualität nicht nur um die Fragen und das Verhältnis des Menschen zum Urgrund allen Seins und der Entstehung des Universums  und des Menschen geht, sondern daß die Eingeweihten der Jahrtausende immer auch den Kosmos und das Verhältnis des Menschen zum Kosmos verstehen und wenn möglich auch günstig beeinflussen wollten, um eine Wiederholung des Untergangs von Atlantis zu verhindern.

Spiritualität ist deshalb in erster Linie die Geschichte des redlichen Bemühens um geistiges Wissen für den und von dem Menschen, es ist der Versuch eine universale Dialogfähigkeit zwischen Mensch, Erde und Kosmos zu schaffen, um Katastrophen zu verhindern…

Atlantis-Lokalisierungsgruppe-Atlantik
Ähnlich wie im 20 Jahrhundert sich durch den Exotus der gelehrten, buddhistischen Priesterschaft aus Tibet, der Buddhismus über die ganze Welt verteilt hat, so kann man auch im Falle Atlantis davon ausgehen, daß die frühen Hochkulturen in Südamerika, Ägypthen, im vorderen Orient und in Asien stark von dem Untergang von Atlantis beeinflußt waren, da man durchaus die Hypothese aufstellen kann, daß sich auch vor dem Untergang von Atlantis ein großer Teil der Priesterschaft über die Welt verteilt hat und dort in Laufe von Jahrtausenden neue Hochkulturen initiiert hat.
Wir dürfen uns durch die Stigmatisierung, die Atlantis als waberndes, mythisches Phantasiegebilde, in der Neuzeit und durch den Siegeszug der Naturwissenschaft erfahren hat, nicht beeindrucken lassen, noch bis ins 16. Jahrhundert hinein – vor allem dann in der Renaisssance – war Atlantis eines der ganz großen Themen in der Philosophie und Kulturgeschichte.

Wenn wir von Steiners Entwicklungsmodell des Doppelstroms der Zeit ausgehen, wonach die nachatlantische Zeit von einer zunächst evolutiven Entwicklung später in eine involutive Phase wieder überging, landen wir zunächst in der Achsenzeit (Karl Jaspers) des 5. vorchristlichen Jahrhunderts und bei so bedeutenden Denkern wie Buddha, Konfuzius und PythagorasPythagoras, die man alle drei als Kristallisationspunkte in der menschlichen Kulturgeschichte ansehen kann und die bis in die Jetztzeit hinein immernoch zentrale spirituelle Lehrer geblieben sind. Die spirituelle Bedeutung z.B., die Pythagoras für das Abendland bis heute hat, kann gar nicht hoch genug bewertet werden.

Von dieser Schwellenzeit des 5. Jahrhunderts gelangen wir dann nach Alexandria, zu der großen Bibliothek und zu dem großen Gelehrten Ammonios Sakka (der zwischen 180 und 250 n.u.Z. lebte, der selbst keine Schriften hinterließ, von dem wir nur über Porphyrios, einem Schüler Plotins etwas wissen), den man wohl als ein geisteswissenschaftliches Genie ansehen kann, der alle Stränge der spirituellen Entwicklung bis zu seiner Zeit in sich bündelte und von dem dann wiederum in der nachchristlichen Zeit zwei bedeutende Linien sich entwickelten.

Bibliotek
OrigenesSeine großartigen Schüler Origenes und Plotin, die beide zunächst in der Tradition Platons standen Plotinund die in der Mitte des dritten nachchristlichen Jahrhunderts bei Ammonios Sakka studierten, haben selbst wieder sehr wichtige philosophisch-spirituelle Schulen ins Leben gerufen, die bis ins 16. Jahrhundert intensiv rezipiert wurden. Der frühchristliche Kirchenvater Origenes z.B. hat die gesamte mittelalterliche und frühneuzeitliche, christliche Mystik z.B. eines Meister Eckhart stark beeinflußt und die gesamte neuplatonische Tradition in dieser Zeit ist ohne Plotin undenkbar.

Wenn wir die spirituelle Entwicklung weiterverfolgen und einen etwas größeren Sprung bis zur Rennaissance machen, landen wir bei Marsilio Ficino, der von 1433 bis 1499 in Florenz lebte und dessen Aktivitäten von Cosimo de’ Medici großzügig unterstützt wurden und der ihm die materielle Basis für ein ganz der Philosophie und Theologie gewidmetes Leben verschaffte. Ficino war der Erste, der Platons Dialoge ins Lateinische übersetzte und so einer großen Zahl von Gelehrten diesen wichtigen Denker zugänglich machte. Bekanntlich liegt die große Bedeutung der Rennaissance ja gerade in dem Zugänglichmachen der antiken Literatur für die Neuzeit und dabei spielte Ficino eben eine bedeutende Rolle, wobei sein Hauptanliegen eine zeitgemäße Erneuerung der antiken Philosophie war.

Ficino

Von diesem Brennpunkt Marsilio Ficino und dem Florenz seiner Zeit gehen dann wiederum die ganzen in die Neuzeit und Moderne hineinreichenden Entwicklungen der Spiritualität aus, z.B. im Rosencreutzertum, der jüdischen Mystik der Kabbala, der christlichen Mystik eines Jakob Böhme oder Angelus Silesius usw..
Was unsere Auseinandersetzung mit der Renaissance und der Geschichte der Spiritualität so wertvoll und so wichtig macht, ist der ganzheitliche Ansatz, der in diesen Traditionen immer wieder betont wurde, das Eingebettetsein des Menschen in den Kosmos und in ein Universum, in dem alles mit allem zusammenhängt. Stellen wir uns nur vor, wie gering die Chance globaler Unternehmen wäre, uns vom Sinn der Kernenergie zu überzeugen, wenn wir alle ganzheitlich, also an alle Implikationen denken würden, anstatt uns in wachsender Ignoranz einzurichten.

BlavatskyWenn wir unsere Reise in der Geschichte der Spiritualität fortsetzen, können wir wieder einen großen Sprung machen und im Jahre 1875 in New York landen, auch hier finden wir wieder eine geistig, spirituelle Schwellensituation, in der sich wieder das spirituelle Wissen aus Jahrhunderten, gar Jahrtausenden sammelt und konzentriert. Auch diesmal kann man die Entwicklung wieder auf eine Person fokusieren (auch wenn hier rein äußerlich mehrere Personen beteiligt waren).
Diese Person ist Helena Petrovna Blavatsky, eine russische Aristokratin, die sowohl aus der christlichen Mystik seit der Renaissance, der jüdischen Kabbala, dem Rosencreutzertum und vor allem aus der indisch-asiatischen Tradition des Hinduismus und Buddhismus schöpfte. Zusammen mit dem Bürgerrechts-Anwalt Henry Steel Olcott gründete Sie 1875 in New York die Theosophische Gesellschaft, die bis zum heutigen Tage weltweit eine der einflußreichsten spirituellen Bewegungen, zumindest von Ihren Wirkungen her, geblieben ist.

Die Grundlage der theosophischen Gesellschaft bildet die Tatsache, daß allem Dasein eine geistige, unzerstörbare Einheit zugrunde liegt, die auch das wahre Wesen des Menschen bildet. In dieser ewigen Einheit sind alle Wesen und Menschen untrennbar miteinander verbunden. In sofern war die Theosophische Gesellschaft schon 1875 eine weit in die Zukunft reichende, globale Gemeinschaft, die noch heute wesentliche Antworten auf unsere globalen Probleme geben kann.
Die drei Hauptziele der Theosophischen Gesellschaft sind:

1. Der Kern einer allgemeinen, die ganze Menschheit geistig umfassenden Gemeinschaft zu bilden, jenseits aller Grenzen von Nationalität und Hautfarbe, Glaubensbekenntnis, Stand und Geschlecht.

2. Zum vergleichenden Studium aller Religion, der Philosophie und der Wissenschaften anzuregen und

3. Die Erforschung noch ungeklärter Naturgesetze und die naturgemäße Entfaltung und Pflege der im Menschen noch schlummernden Geisteskräfte zum Wohle aller Wesen zu fördern.

Diese drei Ziele gelten letztlich auch für die Anthroposophische Gesellschaft, die 1912/13 dann durch die Trennung Rudolf Steiners von der Theosophischen Gesellschaft (der er 10 Jahre als Generalsekretär der deutschen Sektion vorstand) Steinergegründet wurde. Für Steiner war die Theosophische Gesellschaft zu stark an der asiatischen Gedankenwelt ausgerichtet und berücksichtigte seiner Meinung nach zu wenig das Mysterium von Golgatha, das Christusgeschehen und den Rosencreutzerweg, das wäre ansich für die Theosophische Gesellschaft – entsprechend ihrer Grundsätze – noch kein Problem gewesen, die Gründe für diese Abspaltung der Anthroposopischen Gesellschaft waren aber vor allem die Hinwendung der Theosophischen Gesellschaft zum Hinduismus unter der neuen Präsidentin seit 1907 Annie Besant und besonders die Verehrung Jiddu Krishnamurtis (1895-1986) als wiedergeborener Christus und kommenden Weltlehrer im Order of the Star in the East, die mit seiner Entdeckung durch Charles Webster Leadbeater im Jahre 1909 einsetzte.

DalaiLamaWenn man jedoch bedenkt wie intensiv heute die freundschaftlichen Verbindungen des tibetischen Buddhismus, besonders im Umfeld des 14. Dalai Lama mit der theosophischen Gesellschaft und andererseits die freundschaftlich, familiären Verbindungen der Theosophen und der Anthroposophen besonders in den Angelsächsischen Ländern sind, kann man wohl doch ganz vorsichtig zu dem Ergebnis kommen, daß die Geschichte der Spiritualität über alle Grenzen hinweg die Menschen eher miteinander verbindet, als das sie sie trennt.

Man sollte immer sich daran erinnern, daß Religion und Spiritualität im wörtlichen Sinne ja Rückverbindung zu den Wurzeln des Seins bedeutet, in diesem Sinne ist die Geschichte der Spiritualität die Geschichte der Frage nach dem Wesen des Seins, in diesem Sinne können wir die Worte Helena Petrovna Blavatskys am Ende dieser ganz kurzen Geschichte der Spiritualität verstehen:
“Eine Religion in dem einzig wahren und richtigen Sinne ist ein Band, das alle Menschen verbindet, nicht eine besondere Gruppe von Dogmen und Glaubensformen.
Religion an sich, in ihrer weitesten Bedeutung, ist das, was nicht nur alle Menschen sondern alle Wesen und Dinge im ganzen Universum zu einem großen Ganzen verbindet.”