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Mitsommer – jetzt werden die Tage wieder kürzer!

Pünktlich zur Sommersonnenwende am heutigen 21. Juni 2014 habe ich meinen Header und mein Bild bei Facebook geändert, im Folgenden habe ich daraus eine kleine Collage gebaut, mit Bildern, die ich besonders mag.Almsommer_2

Von morgen an werden die Tage bis zur Wintersonnenwende nun wieder kürzer, dann beginnt das Jahr in der Natur von neuem.

Die Verehrung der Sonne und des wiederkehrenden Lichtes wird heute ja eigentlich nur noch über die Sonnenkollektoren auf dem Dach wahrgenommen, dabei geht die Tradition doch eigentlich in prähistorische Zeiten zurück. Die Sonne hatte vor allem auch für den Almsommer essentielle Bedeutung. Die Sommersonnenwende trug immer einen Aspekt des Todes und der Vergänglichkeit in sich. Dem gegenüber standen die längerwerdenden Tage nach der Wintersonnenwende, die Leben und Auferstehung verkörperten (darüber hatte ich ja schon kurz vor Weihnachten geschrieben). Diese Wendepunkte schlugen sich entsprechend in Ritus und Mythologie nieder, weil der Jahreskreis früher eine ganz andere, existenzielle Rolle spielte. Es ist nicht uninteressant, daß die Sonne im abendländischen Kulturkreis immer dem männlichen Prinzip zugeordnet wird, jedoch im germanischen Sprachraum die Sonne mit der „ewigen Mutter“ und dem Gaia-Prinzip verbunden ist.

Den Tag der Sommersonnenwende betrachten die Menschen seit unendlicher Zeit als mystischen Tag; manche begehen ihn mit weltlichen oder religiösen Feierlichkeiten. Sonnenwendfeste hatten vor allem in den germanischen, nordischen, baltischen, slawischen und keltischen Religionen einen festen Platz.

Je größer der Unterschied zwischen dem harten Winter und dem warmen Sommer, desto intensiver wurde von jeher dieser Tag gefeiert. Im Norden Europas, wo in der sommerlichen Jahreszeit die Nächte gar nicht mehr dunkel werden, haben Sonnenwendfeiern – als Mittsommerfest bezeichnet – mehr Bedeutung als zum Beispiel in Südeuropa.

Durch die ungute, mythische Verstrickung der Nazis wurden die angeblich altgermanischen Sonnenwendfeiern wiederbelebt und als offizielle Feiertage in die Symbolik von „Volk, Blut und Boden“ integriert, was schrecklich ist, weil die Sonnenwendfeiern eigentlich nur die unsprüngliche Verbundenheit mit dem Kreislauf der Natur versinnbildlichten. Das ist natürlich auch das große Problem für die Sonnenwendfeiern an den Externsteinen, die jedes Jahr immer wieder viele Neonazis anziehen.

Aber das ist ja sowieso ein dauerndes Problem, daß wir einerseits – unter ökologischen Aspekten – viel mehr mit dem Jahreslauf der Natur leben sollten, andererseits aber gerade dieses Brauchtum von der Nazi-Ideologie dauerhaft kontaminiert ist. Natur, Land, Almsommer und Lederhosen sind heute immer noch stark mit dem Nationalsozialismus verbunden.

Ich trage seit mehr als 35 Jahren immer sehr gerne Trachten, vor allem auch aufgrund meiner traditionsbewußten Naturverbundenheit, gleichzeitig wird mir sicher niemand ersthaft den Vorwurf machen können, daß ich nur das Geringste mit irgendwelchem Nazikram am Hut habe, trotzdem hat mich jemand vor nicht all zu langer Zeit übel als Faschist beschimpft, weil ich eine Lederhose und einen Trachtenjanker anhatte. Ist es nicht gerade heute besonders wichtig, immerwieder zwischen Form und Inhalt zu diverenzieren? Oder sind wir alle schon so vom äußeren Schein der modernen Medienwelt gefangen genommen, daß wir das Äußere für den Inhalt nehmen.

Wo fängt das an, wo hört das auf, darf ich nicht mehr Peter Rosegger oder Adalbert Stifter zitieren, nur weil die auch von den Nazis rezipiert wurden, dann kann ich ja meine Nietzsche-Ausgabe auch gleich in den Müll schmeißen, obwohl Giorgio Colli und Mazzino Montinari nach jahrelanger Arbeit zu Zeiten des kalten Kriegs in den 60er Jahren im Nietzsche-Archiv in Weimar (also noch zu DDR-Zeiten) eindeutig gezeigt haben, daß Nietzsche nun wirklich nicht für die Nazi-Ideologie taugte und die Publikationsarbeit von Nietzsches Schwester dem Werk unendlichen Schaden zugefügt hat.

Aber es geht halt immer nach dem Motto: „Ein Fünkchen Wahrheit wird schon dran sein“. Aber Fünkchen hin oder her, einige meiner Lieblingsbücher bleiben trotzdem „Der Waldschulmeister“ und auch Nietzsches „Zarathustra“ und Stifters „Der Nachsommer“, egal was Ihr mir erzählt, dann prüft halt nochmal Euer Denken und vertraut nicht auf überkommene Ideologien sondern laßt sie einfach sterben…

Warum Marx doch nicht tot ist!

Was kann ein „Schöpfer“ dafür, wenn die Menschen zu dämlich sind, seine Grundideen vernünftig umzusetzen, so hat es schon mit Nietzsches Übermenschen nicht geklappt, den Alten abzusetzen bzw. ihn gleich für tot zu erklären und so hat es auch bei Marx nicht geklappt. Erst bringen wir es nicht auf die Reihe seine Ideen im 20. Jahrhundert sinnvoll umzusetzen und dann soll am Schluß auch noch der alte Marx an unserer Unfähigkeit schuld sein.

Gott sei Dank ist es bei den besonders Fähigen in der Geschichte so, man kann Sie – oder sagen wir mal ihre Ideen – halt doch nicht so leicht umbringen, auch wenn man sich noch so doof anstellt bei der Umsetzung brillianter Ideen, die Doofheit springt meistens nicht auf den Schöpfer über oder, wenn die Doofes es gar zu heftig getrieben haben und es so aussieht, als ob der Schöpfer selbst auch mit untergeht, dann! nach einer kleinen Ruhephase kommt die Idee gelassen wieder zurück und schaut, ob es vielleicht inzwischen weniger Doofe gibt, dann beginnt das Spiel von vorne. So kommt es, daß Marx doch noch nicht tot ist, obwohl viele gehofft haben, daß man ihn durch 100 Jahre überwiegenden Schwachsinn endgültig los wäre und das Gespenst, das Marx in Europa mit auf die Reise geschickt hat, ein für alle Mal nicht mehr umgeht.

Ein Genie bleibt ein Genie, könnte man es aufhalten, wäre es niemals eins gewesen – und so ist es auch mit klugen Ideen. Auf lange Sicht kann man sie nicht aufhalten und wenn doch, dann sind es halt keine klugen Ideen gewesen! Binsenweisheiten treffen oft den Nagel auf den Kopf und eine solche Binsenweisheit ist: „Hinter einer klugen Idee steckt immer ein kluger Kopf“

Einer, der sich wirklich ehrlich bemüht hat, dem alten Marx zu seinem Recht zu verhelfen, ist Terry Eagleton. In seinem Buch „Warum Marx Recht hat“, das ich als Einführung in das Thema „Zur Aktualität von Karl Marx“ empfehlen möchte, fragt Eagleton am Ende des Buches leidenschaftlich: „Ist irgendein Philosoph jemals so entstellt worden?“ und wir ahnen es schon, natürlich nicht, aber es haben bisher auch recht wenige Philosophen so gewaltige Dinge in Bewegung gesetzt…

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Karl-Marx

Nun! Warum Marx doch nicht tot ist, beantwortet Terry Eagleton anhand von 10 Thesen aus der gegenwärtigen Diskussion, damit versucht der englische Literaturwissenschaftler seine Meinung zu begründen, daß man eigentlich nur mal ideologiefrei auf den historischen Marx schauen müßte, um sofort zu sehen, daß sich alle Kritik eigentlich immer an der ideologisch völlig verzerrten Kunstfigur des 20. Jahrhunderts abarbeitet.

Aus diesem Grund setzt er sich dann flugs – auf sehr unterhaltsame Weise, mit viel englischem Humor – in 10 Kapiteln mit 10 ständig vorgebrachten Thesen gegen Marx auseinander. Diese Thesen lauten wie folgt:

Der Marxismus ist erledigt
Der Marxismus ist in der Praxis nicht umsetzbar
Der Marxismus hat ein deterministisches Weltbild
Der Marxismus ist die Utopie einer arbeitsscheuen Freizeitgesellschaft
Der Marxismus reduziert alles auf die Wirtschaft
Der Marxismus hat keine geistigen Werte und reduziert alles auf reinen Materialismus
Der Marxismus ist auf eine Klassengesellschaft fixiert, die es gar nicht mehr gibt
Der Marxismus propagiert die gewaltsame Revolution
Der Marxismus glaubt an den allmächtigen Staat
Der Marxismus ist von anderen Bewegungen abgelöst worden

Ich verrate nicht zuviel, wenn ich ein wenig aus dem Resümee, das Terry Eagleton am Schluß seines Buches zieht, zitiere:

„Marx glaubte leidenschaftlich an das Individuum und hegte tiefen Argwohn gegen abstrakte Lehren.

Er hatte nichts für die Idee einer vollkommenen Gesellschaft übrig, misstraute dem Gleichheitsbegriff und träumte nicht von einer Zukunft, in der wir alle in Overalls mit unserer Sozialversicherungsnummer auf dem Rücken herumlaufen.

Er hoffte auf Vielfalt, nicht Einförmigkeit.

Auch lehrte er nicht, das die Menschen das hilflose Spielzeug der Geschichte seien.

Er stand dem Staat noch ablehnender gegenüber als rechte Konservative und erwartete vom Sozialismus eine Stärkung und keine Schwächung der Demokratie.

Sein Modell des guten Lebens beruhte auf dem Gedanken des künstlerischen Selbstausdrucks.

Er glaubte, daß einige Revolutionen friedlich verlaufen könnten und hatte nichts gegen soziale Reformen.

Weder war er einseitig auf die Arbeiterklasse fixiert, noch war sein Gesellschaftsbild von zwei polarisierten Klassen bestimmt.

Er machte keinen Fetisch aus der materiellen Produktion. Ganz im Gegenteil, er glaubte, sie sollte so weit wie möglich beseitigt werden.

Sein Ideal war Muße, nicht Arbeit.

Wenn er seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Wirtschaft richtete, dann, um ihre Macht über die Menschheit zu verringern.

Seinen Materialismus vermochte er durchaus mit tiefen moralischen und geistigen Überzeugungen zu vereinbaren.

Er war voll des Lobes für die Mittelklasse und sah den Sozialismus als Erben ihrer großen Errungenschaften: Freiheit, Bürgerrechte und materiellen Wohlstand.

Mit seinen Anschauungen über Natur und Umwelt war er seiner Zeit in vielen Punkten erstaunlich weit voraus.

Nie hat es einen entschiedeneren Befürworter von Frauenemanzipation, Weltfrieden, Kampf gegen Faschismus und für Befreiung der Kolonialvölker gegeben als die politische Bewegung, die durch sein Werk ins Leben gerufen wurde.“ (a.a.O. Seite 271/272)

Selbst wenn man in der Bewertung des Lebenswerks von Karl Marx ganz anderer Meinung sein sollte als Terry Eagleton, macht es Sinn, in Anbetracht dieser Sichweise sich nochmals mit diesem Denker auseinandersetzen, denn er war im positivsten Sinne ein Revolutionär und wenn wir auf diesem Planeten noch was reißen wollen, dann brauchen wir vor allem Leute, die nicht nach dem Motto leben: „Weiter so“. An die Wurzeln der Probleme zu gehen ist die einzige Chance nachhaltig etwas für den Patienten zu tun, alles andere ist nur Symptom-Doktorei und hilft dem Unternehmen “MENSCH & PLANET” langfristig nicht weiter!

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Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy. Auf Deutsch ist von Ihm zuletzt erschienen:
Warum Marx recht hat
Hardcover, 288 Seiten
Ullstein-Verlag
ISBN-13:  9783550088568